Nackt im Treppenhaus - Oskar Simon - E-Book

Nackt im Treppenhaus E-Book

Oskar Simon

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Beschreibung

Jeder kennt das Gefühl: Nach einer Ungeschicktheit oder einer Blamage will man am liebsten sofort im Boden versinken. Peinliche Momente sind wie barfuß gegen ein Tischbein zu laufen: ein stechender Schmerz, der nur langsam abklingt und an dem man sich auch viel später noch erinnert. Denn auf den Schmerz folgt postwendend die Scham. Gleichzeitig zählen peinliche Momente zum Witzigsten, was man erzählen kann. Und am Allerlustigsten sind Missgeschicke, die anderen unterlaufen sind. Dieses Buch versammelt viele alltägliche und authentisch erzählte Peinlichkeiten, die wahlweise für Mitgefühl oder Fremdschämen sorgen — auf jeden Fall aber für Amüsement.

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Das Buch

Mit einigem Abstand und ausreichend Selbstbewusstsein betrachtet, sind peinliche Momente das Unterhaltsamste, was man sich erzählen und weitererzählen kann. Und am allerlustigsten sind Peinlichkeiten, die anderen unterlaufen sind. Ist auch noch Selbstverschulden oder eine unsympathische Person im Spiel, kommt das Element der Schadenfreude hinzu …

Oskar Simon hat für dieses Buch die peinlichsten Erlebnisse und Szenen gesammelt, die uns oder anderen zugestoßen sind: mehr als 130 Geschichten aus dem wahren Leben – viele davon haben Leser des Süddeutsche Zeitung Magazin und von stern.de beigesteuert, die seinem Aufruf zum Einsenden ihrer peinlichsten Momente gefolgt waren. Echt peinlich? Echt witzig!

Der Autor

Oskar Simon ist Journalist in Hamburg und immer wieder Opfer blamabler Ereignisse, von denen einige auch in diesem Buch stehen.

OSKAR SIMON

NACKT IM TREPPENHAUS

PEINLICHE GESCHICHTEN AUS DEM WAHREN LEBEN

Mit Cartoonsvon Til Mette

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

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Hinweis zu Urheberrechten

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Widergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

ISBN 978-3-8437-1414-3

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016Cartoons im Innenteil: © Til MetteUmschlaggestaltung: ZERO Media GmbH, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, München

E-Book: KompetenzCenter, Mönchengladbach

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Über das Buch und den Autor

Titelseite

Impressum

Vorwort: Wie peinlich ist das denn?

Fallgeschichten 1: Dumm gelaufen

Mahlzeit!

Gütertrennung

Bombenstart in den Urlaub

Er ist es wirklich!

Interview-Fauxpas

Größenunterschied

Bleibst du zum Abendessen?

Ungebunden

Einseitige Zuneigung

… aber unsere Liebe nicht

Küsschen, Küsschen

Man spricht Deutsh

Hände hoch!

Voll in der Spur

War da noch was?

Wie erforscht man Peinlichkeit?

Fallgeschichten 2: Schadenfreude

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Eine Lehre fürs Leben

Logistiker

So neu – und schon kaputt

Cute german girls

Bitte aussteigen!

Stopover

Ich bin drin

Wofür schämen wir uns eigentlich?

Fallgeschichten 3: Opfer der Umstände

Gefährliche Lektüre

Aufmerksamer Bürger

Viel Feind, viel Ehr!

Ausgerechnet!

Hauptsache Nudeln

Capito?

Fortissimo!

Dufter Zug

Ist auf dem Weg!

Hinterlassenschaften

Schlüsselerlebnisse

Licht aus!

Schulfrei

Die Bewerbung liegt Ihnen vor

Bestens beraten

Nackt im Treppenhaus

Die geduldigen Deutschen

Blind Date

Der nackte Wahnsinn

Mein Name tut nichts zur Sache

Voll daneben

Ein wirklich persönliches Geschenk

Fulminanter Auftritt

Beruferaten

Blinder Passagier

Fallgeschichten 4: Bin ich hier richtig?

Bist du da, Papa?

Sayonara, sach ich mal!

Wo geht’s lang?

Mutterkomplex

Auf Wanderschaft

Happy Camper

Dringendes Bedürfnis

Fremdenverkehr

Mitnahme unter Vorbehalt

Finde deinen Weg! Ommmm!«

Was unterscheidet Scham und Peinlichkeit?

Fallgeschichten 5: Immer tiefer in die Sch…

Großer Auftritt

Du willst es doch auch

Ein spezieller Platz

Kennen wir uns nicht irgendwoher?

Was ist eigentlich Fremdscham?

Fallgeschichten 6: Ein Fall für Fremdscham

Bevor der Hahn kräht …

Knöllchen

Nichts für schwache Nerven!

Susan Atwell

Um die Ecke gedacht

Papa Paparazzo

Zwei Karten, bitte!

Fallgeschichten 7: Tücken der Technik

Glatte Lösung

Dringendes Bedürfnis

Vertraulich

Private Einblicke

Eigentlich ganz einfach

Bleibende Erinnerung

Doppelbehandlung

Rachenputzer

Damenprogramm

Bitte beachten Sie die Bedienungsanleitung

Fallgeschichten 8: Hätte ich doch den Mund gehalten …

Rechtzeitig ausgestiegen

Üble Nachrede

Privatsache

Wir verstehen uns

Wie meinen Sie das?

Do you understand me?

Herzliches Beileid

Friede sei mit ihr

Ehrliche Meinung

Und jetzt alle!

Was die Uhr geschlagen hat

Lauf!

Auf viele glückliche Jahre!

Ein Hoch auf das Brautpaar

Freundlicher Begleiter

Fallgeschichten 9: Rote Ohren

Autokorrektur ausgeschaltet. Hirn leider auch.

Richtig sauer

In festen Händen

Ehrlich quält am längsten

Flotter Abgang

Was passiert mit unserem Körper, wenn wir am liebsten im Boden versinken würden?

Fallgeschichten 10: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach

Blutige Anfängerin

Einmal mit allem

Die komplette Entspannung

Aber bitte mit Sahne!

Heiße Angelegenheit

Ein überwältigender Antrag

Glas vorm Kopf

Scharfer Blick

Objekt der Forschung

Quellen und weiterführende Literatur

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

Vorwort: Wie peinlich ist das denn?

Blut schießt in den Schädel. Arme und Beine erschlaffen, der Magen meldet Taubheit wie nach einem Volltreffer in den Solarplexus. Man möchte schlagartig im Erdboden versinken oder – noch lieber – sich gleich ganz in Luft auflösen, und dass beides unmöglich ist, macht die Sache nur noch schlimmer. Peinliche Momente sind wie barfuß gegen ein Tischbein zimmern: ein durchdringender, alles betäubender Schmerz, der schon deshalb nur quälend langsam abklingt, weil man ihn sich ja selbst zugefügt hat. Es ist, als würde man unter den Augen anderer gleich mehrere Vorhöfe der Hölle nacheinander durchschreiten.

Wenn man sie aber erst einmal hinter sich und den »Wie peinlich war das denn«-Schmerz überwunden hat, gibt es kaum etwas Witzigeres, als persönliche Blamagen zum Besten zu geben – wie den Klassiker, sich nach dem Entbindungstermin einer Kollegin zu erkundigen, die sich dann als ganz und gar nicht schwanger entpuppt. Noch unterhaltsamer ist es lediglich, mit anderen deren Fettnäpfchen-Erlebnisse zu teilen. Angenehmer Nebeneffekt: Das gemeinsame Grinsen über die persönliche Ungeschicktheit nimmt dem peinlichen Gefühl vieles von seiner Schärfe. Denn es vergewissert einem: Ich bin – natürlich – nicht der Einzige, dem so etwas passiert. Und mit etwas Abstand sind Fauxpas sogar etwas, über das sich herzhaft lachen lässt.

Und weil das so ist, versammelt dieses Buch mehr als 130 peinliche Geschichten aus dem wahren Leben. Viele davon haben Leser des Süddeutsche Zeitung Magazin und von stern.de beigesteuert, die unserem Aufruf zum Einsenden ihrer peinlichsten Momente gefolgt waren. Manche taten es unter der Maßgabe, dass ihre persönlichen Erlebnisse anonym veröffentlicht werden würden. Deshalb sind die Anekdoten hier lediglich mit Initialen gekennzeichnet. Um der Vorstellungskraft und dem Genuss der Fremdscham auf die Sprünge zu helfen, haben wir in Klammern jeweils das Geschlecht der Autoren hinzugefügt.

Allen Einsendern sei gedankt, wie auch jenen Freunden, Kollegen und Verwandten, die ihre peinlichsten Episoden mit uns geteilt haben. Dabei gab es tatsächlich den einen oder anderen Zeitgenossen, der auf Nachfrage abwinkte und behauptete, keine peinlichen Geschichten zu erzählen zu haben. »Ich habe einfach noch keine erlebt«, hieß es dann meist.

Das ist natürlich blanker Unsinn.Ein Leben ohne Missgeschicke ist so unmöglich wie der Verzehr von Spaghetti Bolognese ohne Tomatenflecken auf dem Hemd. Und tatsächlich: Wenn man bei den Verweigerern nachbohrte oder ihnen beispielhafte Peinlich-Anekdoten erzählte, fiel den meisten doch noch die eine oder andere blamable Begebenheit ein. Nur rückten sie diese ähnlich ungern heraus wie ein Bankdirektor die Zahlenkombination seines Tresorraums. Warum?

Nun ja, weil es ihnen peinlich war. Über sich selbst lachen zu können, erfordert ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstironie. Und um die Beispiele persönlicher Schmach dann auch noch mit anderen zu teilen, braucht es ein bisschen Lässigkeit.

Dabei ist ausnahmslos jeder zuweilen peinlich – ganz unabhängig davon, ob er nun hyperintelligent oder strunzdumm, arbeitslos oder superreich, Normalo oder weltbekannt ist. Shit happens to everyone. US-Präsident George W. Bush senior übergab sich während eines Staatsbanketts in den Schoß seines Gastgebers, des japanischen Premierministers Kiichi Miyazawa. Und der Schauspielerin Jennifer Lawrence sahen Millionen Augenpaare zu, wie sie im vermutlich größten Moment ihrer Karriere der Länge nach hinschlug – auf dem Weg zur Bühne, auf der sie gerade ihre Oscar-Trophäe als beste Schauspielerin entgegennehmen sollte.

Etwas Ähnliches widerfuhr vor einigen Jahren der Entertainerin Gayle Tufts. Für ihre Revue im Hamburger Tivoli-Theater hatte man ihr eine hellerleuchtete, blinkende Showtreppe auf die Bühne gestellt, die jeder ZDF-Samstagabendshow zur Ehre gereicht hätte. Tufts, eine burschikose US-Amerikanerin, hatte für ihren Auftritt ein enganliegendes Pailettenkleid und Schuhe eines schwindelerregenden Zuschnitts gewählt, die getrost auch als Wolkenkratzer verkauft werden könnten. Auf diesen schritt sie, das Mikro in der Hand, singend die Showtreppe herunter. Es war ein wahrhaft großer, glamouröser Auftritt – oder besser: Es hätte ein solcher sein können, wäre Tufts nicht auf halber Strecke mit ihren Stilettos an einer Stufe hängengeblieben.

Tufts stolperte die letzten Stufen der Treppe hinunter, schlug der Länge nach hin und blieb, mit ausgestrecktem Arm und dem Gesicht Richtung Bühnenboden liegen. Die Musik erstarb, einen Schreckmoment lang hielt jeder im Saal die Luft an. Tufts, am Boden liegend, hielt immer noch das Mikrofon umklammert. Dann hob sie langsam ihren Kopf, führte das Mikro zum Mund und erklärte mit fester Stimme, noch immer am Boden liegend: »Glamour … never … stops.«

Souveräner kann man mit Peinlichkeit gar nicht umgehen. Und genau ein solch tosender Applaus, wie ihn Tufts an jenem Abend bekam, gebührt jedem, der sich nach den unvermeidlichen dämlichen Momenten des Lebens aufrappelt, lacht und einfach weitermacht.

Denn mit Peinlichkeiten ist es nicht anders als mit Beton: Kommt immer drauf an, was man draus macht.

Fallgeschichten 1: Dumm gelaufen

Mahlzeit!

Ich betrat ein Werkzeug-Fachgeschäft und grüßte, wie es meine Art ist, ganz freundlich den Mitarbeiter gleich rechts hinter der Verkaufstheke. Etwas irritiert bemerkte ich, dass die beiden Verkäufer in der anderen Ecke des Ladens mich beobachteten und vor Lachen fast kollabierten. Mein Gegenüber hingegen zeigte keinerlei Regung. Kein Wunder: Es handelte sich um einen Werbe-Pappaufsteller der Marke »Handwerker mit Bohrmaschine«.

R.S. (m)

***

Gütertrennung

Eigentlich bin ich nicht so einer, aber Ferien sind ja wohl Ferien, dachte ich mir und kaufte an meinem letzten Tag in Amsterdam ein wenig Gras. Ich rauchte, hustete, lachte und fuhr am nächsten Tag wieder nach Hause.

Die Jahre vergingen, ich trennte mich von meiner langjährigen Freundin, wir teilten unseren Hausstand auf und gingen unserer Wege.

Die Geschichte hätte hier unspektakulär geendet, wenn ich nicht im folgenden Sommer einen Anruf meiner Exfreundin erhalten hätte. Sie habe gerade ihren Vater vom Polizeirevier abgeholt, der auf dem Weg zu einem Geschäftstermin am Flughafen mit Gras erwischt worden sei. Es handele sich dabei um 1,3 Gramm staubtrockenen Marihuanas, das wahrscheinlich seit Monaten im Dokumentenfach jenes Reiserucksackes gelagert habe, den wir einst gemeinsam gekauft hatten, der mich nach Amsterdam begleitet hatte und den ich ihr bei der Trennung großmütig überlassen hatte. Ihr Vater sei völlig aufgelöst. Und sie wieder einmal in ihrer Überzeugung bestätigt worden, mit der Trennung die absolut richtige Entscheidung getroffen zu haben.

J.M. (m)

***

Bombenstart in den Urlaub

Mit den beiden kleinen Kindern meines Freundes sollte es in den Urlaub gehen. Leider wurde unser Flug wegen eines Bombenverdachts annulliert, so dass wir auf einen Ersatzflug am nächsten Tag warten mussten. Er ging so früh, dass wir echte Probleme hatten, die Kinder aus dem Schlaf zu holen und rechtzeitig loszukommen. Am Check-in-Schalter erklärte man uns, dass wir uns sehr beeilen müssten, um den Flug noch zu erwischen, da der Flieger bereits abflugbereit warte.

Wir sprinteten zum Gate, hasteten ins vollbesetzte Flugzeug und quetschten uns mit reichlich Handgepäck in die letzte Reihe. Kaum saßen wir endlich, ging der Bordlautsprecher an und der Name meines Freundes wurde ausgerufen; er solle umgehend zum Ausgang kommen. Was nun? Die Kinder guckten beunruhigt und der Kleine krähte durch das ganze Flugzeug: »Dürfen wir jetzt schon wieder nicht mitfliegen wegen einer Bombe?« Alle drehten sich entsetzt um, und ich dachte nur: »Erde, tu dich auf!« Bisher waren sie ja nur genervt gewesen von dieser Familie, die für die Verspätung gesorgt hatte – aber jetzt sprach nackte Angst aus ihren Blicken …

Mein Freund musste übrigens nur seinen Rasierapparat entschärfen, der sich im Koffer selbständig gemacht hatte.

A.W. (w)

***

Mit Promi-Faktor

Hans-Dietrich Genscher

Der frühere Bundesaußenminister sollte in den achtziger Jahren einen Vortrag über die Europapolitik halten. Im Wiener Hilton warteten 600 geladene Gäste auf seinen Vortrag, den Genscher im Flugzeug noch einmal sorgfältig studiert hatte. An der einen Stelle, erinnerte er, hatte er sich schon bei der Vorbereitung gesagt: »Hier musst du wirklich aufpassen!« Dennoch unterlief ihm beim Vortrag genau jener Versprecher, den er eigentlich unter allen Umständen hatte vermeiden wollen. Genscher erklärte nämlich: »Wir sind die Vorhaut der Europäischen Einigung!«

Ausdrücken wollen hatte er natürlich, man sei die »Vorhut« der Europäischen Einigung. Genscher erinnert sich: »Nach einer Schrecksekunde redete ich weiter, allerdings mit belegter Stimme. Sonst war es eine überzeugende Rede.« Das Publikum sei so nett gewesen, ihn im Nachhinein nicht auf seinen lustigen Lapsus anzusprechen.

***

Er ist es wirklich!

Ein heißer Tag im USA-Urlaub. Eine Freundin wartete in der langen Schlange vor einer Eisdiele, als ihr hinter ihr ein dunkelblonder älterer Typ ins Auge fiel, der tatsächlich wie der Schauspieler Robert Redford aussah. Verstohlen blickte sie sich noch einmal um: Es war Robert Redford! Keine fünf Meter von ihr entfernt!! Völliger Wahnsinn. Aufgeregt gab sie ihre Eisbestellung auf, stopfte ihr Portemonnaie zurück in ihre Handtasche und stolperte kopflos aus der Eisdiele.

Erst draußen fiel ihr auf, dass sie gar kein Eis in der Hand hielt. Hatte sie es etwa am Tresen vergessen? Als sie sich umdrehte, um ihr Eis zu holen, blickte Redford meiner Freundin bereits lächelnd entgegen. »Es ist da drin«, bemerkte er trocken und deutete auf ihre Tasche.

J.B. (w)

Interview-Fauxpas

Neulich musste ich eine Veranstaltung moderieren. Ich war gut vorbereitet, hatte alles zum Thema gelesen und eine lange Liste mit Fragen auf meinem Schoß liegen. Bereits auf meine erste Frage gab mein Interviewgast allerdings eine derart langatmige Antwort, dass ich irgendwann begann, mich anhand meiner Unterlagen bereits auf die nächste Frage vorzubereiten.

Als ich sie ihm dann stellte, bemerkte ich ein erstauntes Raunen im Publikum – und Entgeisterung im Gesicht meines Gesprächspartners. War meine Frage so brisant gewesen? Eigentlich war sie doch als Vorlage gedacht, damit er eine seiner bekannten Thesen darlegen konnte. Seine Antwort war allerdings ausgesprochen barsch und kurz. Sie lautete: »Aber das habe ich doch gerade eben erzählt!« Jetzt hatte mich der klassische Moderatoren-Fauxpas also auch erwischt: eine Frage stellen und sich dann nicht für die Antwort interessieren … Keine Ahnung, wie ich den Rest des Interviews überstanden habe – aber auf jeden Fall mit glühend heißen Ohren.

A.B. (m)

***

Mit Promi-Faktor

Doris Dörrie

Auf der Bundesfilmpreisverleihung wurde die Regisseurin für ihren Film »Keiner liebt mich« mit dem Bundesfilmpreis in Silber ausgezeichnet. Einer der Gäste dieses Abends war ein älterer, großgewachsener weißhaariger Herr, der auf Dörrie zukam, ihr gratulierte, erklärte, ein Fan der Regisseurin zu sein, und sehr fachmännisch über den Film sprach. »Er sah aus wie ein Filmproduzent, aber ich bin einfach nicht darauf gekommen, wer er war«, erinnert Dörrie.

Welchen Film er denn gerade produziere, habe sie daraufhin ihren Gesprächspartner gefragt. Er habe ein bisschen gestutzt und dann gesagt: ‚«Ja, ich wäre auch ganz gerne Filmproduzent. Die Welt des Films würde mir gefallen.«

Später kam die Frau des vermeintlichen Filmproduzenten hinzu, und Doris Dörrie erkannte sie sofort. Es war Christiane Herzog, die Gattin von Roman Herzog. Doris Dörries Gesprächspartner war der damalige Bundespräsident. »Mir war das irrsinnig peinlich«, erinnerte sie sich im Buch »Peinlich! 100 Prominente gestehen«. »Wahrscheinlich hat er das längst vergessen. Ich glaube, er hat gedacht, ich hätte einen Witz gemacht.«

***

Größenunterschied

Ich war mit einer Freundin in einem Sexshop, um für einen Junggesellinnenabschied die passende Ausrüstung zu erstehen. Der Laden war recht groß, es spielte eine nette Melodie im Hintergrund, und wir stöberten ein bisschen, bis wir zu den »lebensechten« Dildos kamen. Ein Exemplar wirkte irritierend groß und schwer. Die Produktverpackung war an einer Kante aufgerissen, und da ich ein ausgesprochener Nasen-Mensch bin, hielt ich sie mir vor selbige und schnüffelte. In dem Moment ging die Musik im Shop aus, und über Lautsprecher kam die Durchsage: »Meine Damen, größer wird dat Ding dadurch nich mehr!«

N.B. (w)

***

Bleibst du zum Abendessen?

Es war eine schöne, wilde, aber kurze Nacht mit einer Zufallsbekanntschaft, die ich am Abend in einer Kneipe kennengelernt und mit in meine Wohnung genommen hatte. Ich musste morgens früh raus, also schlich ich aus meinem Bett, hinterließ der Schönen einen Zettel mit liebevollem Gruß auf dem Küchentisch und machte mich leise vom Acker.

Am Abend, als ich die Treppe zu meiner Wohnung hinaufstieg, sah ich schon von weitem einen Zettel an meiner Wohnungstür kleben. Beim Näherkommen erkannte ich das Logo der Berliner Feuerwehr. Darauf stand, sie sei gerufen worden, um eine Frau aus meiner Wohnung im 3. Stock zu befreien. Verdammt! Offenbar hatte ich morgens beim Gehen, wie es meine Gewohnheit ist, im Halbschlaf die Tür hinter mir abgeschlossen.

Die gute Nachricht: Anstatt die Wohnungstür aufzubrechen, hatte die Feuerwehr meiner Bekanntschaft durch den Briefschlitz zugeredet, doch auf meine Rückkehr zu warten. Und das tat sie auch. Als ich sie »befreite« und mich zigmal für meine Schusseligkeit entschuldigte, war sie zwar stocksauer, aber am Ende haben wir gelacht.

Die schlechte Nachricht: Bevor die Feuerwehr eingetroffen war, hatte die Frau die Fenster geöffnet und lauthals um Hilfe gerufen. Noch Wochen später wurde ich von Nachbarn auf der Straße angesprochen, was ich denn um Himmels willen mit dieser leichtbekleideten Frau angestellt habe. Glück im Unglück also, dass nicht auch noch ein Zettel der Polizei an meiner Tür gehangen hatte …

U.M. (m)

***

Ungebunden

Geschäftstermin mit einem Architekten in der Londoner Innenstadt. Netterweise nahm mich mein Kollege nach unserem Gespräch mit in einen ehrwürdigen Club in der City of London, in den man erst nach Jahren und auf Basis einer Bürgschaft anderer Mitglieder Einlass bekam. Ein jahrhundertealtes Gemäuer, Ölgemälde an den Wänden, schwere Ledersessel, dazwischen Diener in Anzügen, die den Clubmitgliedern Tee, Whisky oder Zeitungen servierten. Ich wusste die einmalige Ehre, hier Zugang zu bekommen, wirklich zu schätzen.

Wir waren zum Lunch gekommen, daher wies man uns den Weg in den Dining Room, eine Art Nobelrestaurant innerhalb des Clubs. Kaum hatten wir Platz genommen, stand neben mir ein Kellner mit einem Tablett in der Hand. Darauf lagen allerdings weder die Menükarten noch ein »Gruß aus der Küche«, sondern Schlipse. Drei Krawatten mit unterschiedlichen Mustern, fächerartig aufgereiht. Ich blickte den Kellner fragend an. Er blickte mich an. Ungerührt.

Verdammt. Ich trug keine Krawatte. Ich hasse Krawatten. Ich habe noch nie im Leben eine getragen, geschweige denn eine gebunden. Aber in diesem Club, das wurde mir schlagartig klar, herrschte Krawattenzwang. Vermutlich seit Jahrhunderten.

Was also tun? Den Kellner fragen, ob er mir eines dieser lächerlichen Dinger umbinden konnte? Ausgeschlossen. Meinen Geschäftspartner bitten? Noch absurder.

Also entschloss ich mich, die Flucht nach vorne anzutreten. Ich wählte das gestreifte Modell, klappte den Kragen meines Hemds nach oben, schlang den Schlips um meinen Hals und knotete ihn mit einem einfachen Knoten vor der Brust zusammen. »Thank you very much«, beschied ich den Kellner, der mit Tablett und zwei verschiedenen Schlipsen kehrtmachte. Ich muss unsagbar lächerlich ausgesehen haben, aber natürlich verbot die britische Höflichkeit meinem Gastgeber, sich irgendetwas anmerken zu lassen. Der Kellner allerdings hat sich vermutlich ausgeschüttet vor Lachen.

O.S. (m)

***

Einseitige Zuneigung

Ich war 18 Jahre jung, eine noch unerfahrene Schauspielerin und sollte meine erste große Rolle spielen. Mein älterer Kollege, der den jungen Liebhaber meiner Film-Mutter spielte, war schön und groß und hatte dunkle Locken. Laut Drehbuch sollte ich versuchen, ihn zu verführen, um die Mutter zu ärgern. Am Abend vor dem ersten Drehtag trafen wir uns im Restaurant des Hotels, in dem wir drehten, um unseren Text durchzugehen. Am Ende des Dialogs sollte er mir ein Küsschen auf die Wange geben. Und das tat er! Beim Durchsprechen des Textes! Am Wirtshaustisch! Er ging dann bald auf sein Zimmer.

Und ich? Ich war auf der Stelle verliebt! Ich schrieb ihm einen Zettel (»Ich habe mich in Dich verliebt«) und schob ihn unter seiner Türe durch. Dann ging ich zurück ins Restaurant, wo der Regisseur noch mit den anderen Kollegen zusammensaß. Man sah mir offenbar an, dass ich in Flammen stand. So beiläufig wie möglich flocht jemand die Information ins Gespräch ein, dass mein Schwarm Thomas schwul sei und sein Partner bereits in seinem Hotelzimmer gewartet habe. Ich verabschiedete mich hochrot und stammelnd ins Bett und schlief schlecht.

Am nächsten Morgen, beim Frühstück, nahm mich Thomas lieb – brüderlich? väterlich? – in den Arm und zwinkerte mir zu. Die Szene, die wir geübt hatten, wurde sehr schön. Trotzdem.

S.v.M. (w)

***

Kirschen in Nachbars Garten

Unser Weg zum Schwimmtraining führte in den 60er Jahren vorbei an üppigen Erdbeerfeldern, Kirsch-, Apfel-, Birnen- und Mirabellenbäumen. Ohne jedes Unrechtbewusstsein pflückten wir, je nach Jahreszeit, die Früchte in unsere Sportbeutel, um uns nach dem Training zu stärken. Eines Tages erwischte uns eine Gartenbesitzerin, als wir hoch oben in einem Baum saßen und ihre Kirschen pflückten. Flucht war unmöglich.

Doch statt die Polizei zu rufen oder unsere Eltern über unsere Missetat zu informieren, machte sie uns das sehr faire Angebot, ihr als Wiedergutmachung am nächsten Tag bei der Kirschenernte der Kirschbäume zu helfen, was wir dankbar versprachen. Tags darauf waren wir auch pünktlich zur Stelle. Die Frau stellte einige Körbe unter die Bäume, die sie nach ein paar Stunden gefüllt wieder abholen wollte.

Als sie dann zurückkam, war sie ob unseres Fleißes sichtlich erfreut. Großmütig wollte sie uns ihre Dankbarkeit zeigen und jedem von uns ein paar Pfund Kirschen mitgeben. Wir sollten unsere Beutel öffnen. Leider waren sie bereits randvoll mit Kirschen gefüllt … Ich habe nie mehr im Leben anderen auch nur das Geringste weggenommen.

C.P. (w)

***

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