Narro - Michael Vogtmann - E-Book

Narro E-Book

Michael Vogtmann

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Beschreibung

Der Autor lässt seiner unerschöpflichen Fantasie freien Lauf. Der Leser fliegt begeistert mit und fragt: Kann das wahr sein? In verrückten Begebenheiten streut M. Vogtmann auf komische Art und Weise Beobachtungen und Skurrilitäten der Insel Mallorca ein. Er erzählt z. B. mit schwarzem Humor von einem Paar im dortigen deutschen Seniorenheim, lässt ohne Bedenken Goya, Picasso und Dalí zu einem Wettstreit in dem kleinen Ort San Telmo zusammenkommen und beweist anhand der Sprache, wie stark wir Menschen von Katzen beeinflusst werden. In der großen Schlusserzählung treten alle vorherigen Hauptfiguren noch einmal auf und ein junger mallorquinischer Schäfer muss mit ihnen einige märchenhafte Abenteuer bestehen, um schließlich geläutert seine wahre Berufung zu finden.

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Seitenzahl: 157

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Michael Vogtmann · Narro

Michael Vogtmann, geboren 1952 in Straubing und aufgewachsen bei Würzburg, absolvierte eine Schauspielausbildung an der Falckenbergschule in München. Er hat Engagements an zahlreichen Theatern und Schauspielhäusern. Außerdem wirkt er in vielen TV-Sendungen mit (u. a. »Um Himmels Willen«, »Tatort«, »Polizeiruf 110« u. v. a.) Auch ist er bekannt als Double des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann beim »Singspiel« zum Starkbieranstich auf dem Nockherberg.

Buchveröffentlichungen: »Zikaden nehmen hitzefrei. Gedichte aus Mallorca mit Fotos von B. Nottebohm«, »Wintersommer. Ein Krimi aus Franken«, »Hättikonfetti. Bairische Gedichte und Lieder« (alle erschienen im Allitera Verlag, München.)

CDs: »Musenkuss« mit H. Luksch und »Hättikonfetti« mit C. Thomass.

Vogtmann lebt und arbeitet als freier Schauspieler, Regisseur, Kabarettist und Autor in München und auf Mallorca. www.michaelvogtmann.de

November 2020

Buch&media Publishing, München

© 2020 Buch&media GmbH, München

Korrektorat: Dirk Peschl

Layout & Satz: Johanna Conrad

Umschlagbild: Maximilian Zander

Gesetzt aus der Shark Party und der Adobe Garamond

ISBN print 978-3-95780-207-1

ISBN epub 978-3-95780-208-8

ISBN PDF 978-3-95780-209-5

Printed in Germany

Buch&media GmbH

Merianstraße 24 · 80637 München

Fon 089 13 92 90 46 · Fax 089 13 92 90 65

Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf

www.buchmedia-publishing.de

Kontakt und Bestellungen unter [email protected]

INHALT

DAS KÜNSTLERTREFFEN VON SAN TELMO

Picasso, Goya und Dalí treffen sich in dem kleinen Ort San Telmo auf Mallorca. Sie wollen die Frage lösen: »Wie male ich den Wind?« Nach kuriosen Debatten endet das Ganze im Chaos.

DER URSPRUNG DES UNIVERSUMS

Zwei Außerirdische landen in dem mallorquinischen Dorf S’Arracó mit dem Auftrag, den Ursprung des Universums zu finden. Von einem weisen Wiedehopf erfahren sie, dass nur hier der Anfang für alles Sein stattgefunden haben kann.

ROSA UND LEO

Vierzig Jahre Ehehölle. Auch der Umzug in das Seniorenheim auf Mallorca bringt für Leo und Rosa keine Veränderung. Verschiedene Mordversuche enden im Fiasko. Da erfährt Rosa, dass das Rauschgift LSD Wirkungen haben soll, die ihr Werk vollenden könnten. Der Irrsinn beginnt und steigert sich zu einem Happy End.

IPPOLIT VALKONSKI ERZÄHLT UND ERZÄHLT

Der Kater Valkonski beweist in einem Monolog, dass die Welt von Katzen regiert wird. Seine Argumente basieren auf einer kosmischkomischen Sprachanalyse.

AMORTISATION

Der Versuch, mir selbst bei der Entstehung einer Geschichte zuzuschauen. Ob’s gelingt?

EXPOSÉ ZU EINEM DREHBUCH ÜBER TOMÁSDE TORQUEMEDA(MIT WERBEBLÖCKEN FÜR YOO-WIN-KOSMETIK)

Exposé für einen Werbefilm mit dem Großinquisitor Tomás Torquemeda:

Er macht Ferien auf Mallorca, allerdings geht der Urlaub anders aus, als er das erwartet hat.

DER SPANISCHE KÖNIG DINIERT MIT RAPUNZEL

Eine Erzählung an der Nahtstelle zwischen Realität und Hirngespinst, verbunden mit Texten französischer Surrealisten. Der Erzähler sitzt im balearischen Knast und behauptet, den spanischen König erschossen zu haben.

VOLLMONDNACHT

Mit einer dramatischen Rettungsaktion verhilft der Mallorcamond einem verzweifelten Menschen zu neuem Lebensmut. Bei dieser musikalisch erotischen Maßnahme wird er von dem erschöpften Lieben Gott begleitet.

APOTHEOSE

Eine Apotheose nennt man im Theater die Schlussszene, in der Figuren der vorangegangenen Handlung noch einmal auftauchen: Geronimo, ein junger, mallorquinischer Schäfer sitzt einsam am Feuer und grübelt über sein karges Dasein nach. Er möchte lesen und schreiben können, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Da öffnet sich die Erde und seine Schafe werden von dem Spalt verschlungen. Wie von Zauberhand erhält er einen Brief, den ihm sein Hund Negro vorliest. Er bekommt den Auftrag, in einer »Heldenreise« die Schafe zu suchen und den Widder mit dem goldenen Vlies zurückzubringen. Geronimo begibt sich voller Angst auf die Reise. Wird er die gefährlichen Abenteuer bestehen?

DAS KÜNSTLERTREFFEN VON SAN TELMO

Francisco schlendert lächelnd mit einer Schale frisch geschlagener Mandeln in das große Wohnzimmer.

»Pablo, greif zu, du musst zu Kräften kommen! Meine Freundin Hildegard von Bingen meint, dass drei Mandeln am Tag die Manneskraft fördern.«

Picasso blickt ihn mit betrübten Augen an. Er steht unentschlossen in einer Zimmerecke, mit einem Zeichenblock in der Hand und einem Werbebleistift mit der Inschrift: Deutsche Bank Puerto de Andratx.

Tiefer Seufzer: »Verrate mir eins, Goya: Wie würdest du den Wind malen?«

Francisco lacht und stopft sich eine Handvoll Mandeln in den Mund. Er kann kaum sprechen und prustet Picasso Mandelsplitter auf die teure dunkelblaue Leinenjacke, die sich Pablo von Massimo Dutti schenken ließ.

»Den Wind? Mann, du melancholisches Künstlerseelchen, das ist ganz einfach: Segelboote mit geblähten Segeln in der Bucht von Pollenca. Mallorca: Insel der Winde oder so ähnlich.«

»Kitsch, Scheiße. Glattmalerei!«

»Na gut, dann eine Pusteblume, die von einem Kind überblasen wird.«

»Oh Mann, Francisco, ich habe es schon immer geahnt, dass du ein simples Künstlerwesen bist. Dein Bild von der Königsfamilie, na ja, nicht sooo schlecht, aber meins ist es nicht.«

»Zerzauste Haare. Wäsche, die flattert. So was malst du mühelos. Bäume, die sich biegen, meinetwegen kubistisch, wenn du nicht anders kannst …«

»Depp! Nein, ich meine Wind, nur Wind, ohne konnotative Gegenstände …«

»Ohne was?«

»Vergiss es …«

»Oder ein Beutel, der sich bläht, ein Wind-Beutel …«

Goya bekommt einen Lachanfall.

»’Ne Hose, die sich bläht, ’ne Wind-Hoho… Hose.«

Goya fällt unter den Tisch vor Lachen.

»Sehr komisch, ich habe ein künstlerisches Problem und du nimmst mich nicht ernst.«

»Ok, dann ruf doch den Dalí an, der kann dir sagen, wie du das malen kannst, vielleicht als zerlaufende Windel, die aus einer Schublade tropft?«

Goya kullert über den Boden vor Lachen.

Picasso tritt Goya in den Hintern und ruft Dalí an.

»Hallo? Wer? Perdon, da hab ich falsch gewählt … Du, da war die Gala dran, diese Promizeitung!«

»Pablo, du bist manchmal nicht von dieser Welt, Gala ist die Frau von Salvador Dalí! Was heißt Frau? Sie ist seine Muse, sein Himmelreich, sein Modell, sein Model, seine Steuerberaterin, die Göttin seiner Metaphysik … und sein Untergang …«

Da erscheint Salvador Dalí in der Tür, eine Schachtel mit Ensaimadas in der Hand.

»Wieso Untergang?«

Goya wird knallrot.

»Perdona, verehrter Meister, das war nicht so gemeint.«

»Schon gut, imbécil, Blödmann.«

Dalís Auftritt verändert sofort das Klima. Er steht im Raum wie eine Erscheinung aus einem seiner Gemälde, breitkrempiger schwarzer Filzhut, dunkelblaue Samtjacke und bodenlanger schwarzer Umhang, schulterlange Haare, Koteletten, der berühmte Schnurrbart auf zehn nach zehn getrimmt, eine Pfeife im Mundwinkel und er führt einen Stock aus dunklem Ebenholz mit vergoldetem Knauf bei sich.

»Gibt’s in diesem San Telmo hier am Arsch der Welt vielleicht einen ordentlichen Kaffee zu dem Gebäck?« Er wirft die Ensaimadas mit einer pompösen Geste auf den Tisch.

Picasso holt Geschirr und macht Kaffee.

Dalí schimpft: »Na, gemütlich hier, wie in einem Werbeprospekt von Ikea.«

»Entschuldige, Salvador, ich habe dich nicht eingeladen. Ich wollte mit Francito allein sein. Aber wenn du schon mal da bist, dann kannst du mir vielleicht sagen … na, ich erklär’s dir gleich … und hör auf zu meckern, man kann sich bei den Fotos bei Airbnb nun mal täuschen, außerdem so ungemütlich find ich es hier auch wieder nicht …«

»Na ja, funktional, vielleicht können wir diese nichtssagenden Wände anmalen, paranoische Inspiration sag ich nur, Action-Painting und so …«

»Was redest du? Das kennst du doch nicht, du weißt überhaupt nicht, was Action-Painting ist!«

»Ich weiß nicht, was das ist? Ich? Ich?«, kreischt Dalí mit hoher Stimme. »Du hast wie immer keine Ahnung. Ich habe Jackson Pollock zu seinen Action-Painting-Sessions angestiftet, ich, nur ich, ich bin quasi der Wegbereiter des Informellen, der Abstraktion, obwohl ich das Geschmiere nicht leiden kann!«

Goya und Picasso schauen sich an, rollen die Augen, ziehen die Augenbrauen hoch, räuspern sich, denn sie wissen, dass nun eine narzisstische Performance kommt, die nicht zu stoppen ist.

»Ihr ungebildeten Einfallspinsel, ich bin die Wiege aller Kunst. Ihr mit eurer Tauromaquia, oberflächliche Glattmalerei, bei mir da würde der Stier …«

»… brennen wie eine Giraffe«, fällt Goya ihm müde ins Wort.

»Jawohl und …«

»… zerschmelzen wie eine Uhr.«

»Jawohl, wie eine Uhr.« Dalí ist für einen kurzen Moment verunsichert, wollen ihn die Kollegen vielleicht auf den Arm nehmen?

Er wechselt schnell das Thema.

»Wisst ihr eigentlich, was mein bester Freund Garcia Lorca über mich schrieb?«

Die beiden anderen schauen betreten zu Boden, sie haben es schon hundert Mal gehört.

»Nein, wisst ihr nicht.« Und er dröhnt wie der Schauspieler einer Laienbühne in Salamanca:

»O Salvador Dalí, olivenfarbenstimmig! / nicht rühm ich deinen unvollkommnen jugendlichen Pinsel, nicht deine Farbe, die um die Farbe deiner Zeit herumkreist, doch lob’ ich deine Sehnsucht nach begrenzter Ewigkeit …«

Keiner applaudiert, aber Salvador ist nicht zu bremsen, er wandert durch den Raum wie ein zahnloser Zigeunerdarsteller in einer Zarzuela aus Zarragoza. Nur ein Hammerschlag Gottes könnte ihn abstellen.

»In einem genialen Überschäumen von Ideen beschloss ich, mich an die bildnerische Lösung der Quantentheorie zu begeben, und ich erfand den Quantenrealismus, um der Schwerkraft Herr zuwerden. Ich begann mit dem Bild Leda Atomica, einer Verherrlichung Galas, der Göttin meiner Metaphysik, und es gelang mir, den schwebenden Raum zu schaffen …«

Da öffnet sich der Himmel über Mallorca, eine behaarte Hand mit einem Hammer fährt herab und haut Dalí dreimal auf den Kopf. Dieser fällt röchelnd um und ist … nicht tot, aber ohnmächtig.

Goya und Picasso wickeln ihn in seinen Umhang und schleifen ihn ins Schlafzimmer.

»So! Und mein künstlerisches Problem ist noch immer nicht gelöst. Wie male ich den Wind? Francisco, bitte jetzt nicht wieder einen Witz.«

»Is ja gut. Man müsste den Wind so malen, dass es den Betrachtern den Hut vom Kopf weht …«

Picasso starrt ihn mit aufgerissenen Augen an.

»Oh, Franci, du bringst mich auf eine Idee.«

Er geht zum Bücherregal, in dem einige antiquarische Bücher stehen und nimmt ein bestimmtes Buch heraus: Naturalis Historiae von Plinius.

»Kennst du die Geschichte von den griechischen Malern Zeuxis und Parrhasios?«

»Nöö, wer war das?«, fragt Goya mit vollem Mund. Er verschlingt mit offensichtlichem Vergnügen eine Ensaimada.

Picasso seufzt, alles muss man erklären, wenn der andere so ungebildet ist. Aber er schluckt diesen Satz hinunter.

»Es gab einen Wettkampf zwischen diesen Malern. Er fand am Ende des 5. Jahrhunderts vor Christus statt. Zeuxis malte Trauben so naturgetreu, dass die Vögel darauf zuflogen und nach ihnen picken wollten. Bestärkt durch das Urteil der Vögel forderte nun Zeuxis seinen Kollegen Parrhasios auf, doch den Vorhang von seinem Bild zu nehmen und sein Werk zu zeigen. Erst in diesem Moment realisierte er, dass der Vorhang das Bildmotiv darstellte, und gestand seine Niederlage ein, da er zwar die Vögel, Parrhasios aber ihn, den Künstler, getäuscht hatte.«

In dem Moment fliegt eine Brieftaube durchs geöffnete Fenster, setzt sich auf Pablos Kopf. Sie hat einen Brief im Schnabel, den sie in seine Hand fallen lässt. Auf seiner Glatze lässt sie einen Taubenschiss zurück, bevor sie mit einem melancholischen »Cucurrucucu« in Richtung der Insel Dragonera wegfliegt.

Neugierig greift Goya den Brief, während Picasso mit einem alten Mallappen den Mist auf seinem Kopf wegwischen will. Doch da ist nichts zum Wegwischen!

Goya wendet das Kuvert hin und her.

»Kannst du das lesen, Pablo, ich glaub, das ist griechisch.«

»An die Kollegen Picasso und Goya z. Z. San Telmo Mallorca Spanien Absender: Panos Parrhasios Restaurant Ephesus Alte Bräuhausgasse 11, Markt Schwaben.

Liebe Kollegen,

ich gebe euch einen Rat: Macht es so wie ich. Ich sitze in Markt Schwaben im schönen Bayern, weil meine Nichte hier mit dem Geld, das ich ihr gegeben habe, ein griechisches Restaurant eröffnet hat. Wie ich zu so viel Geld gekommen bin? Ich habe mich selbst gemalt. Aber nicht einfach mich, sondern mich als den Philosophen Diogenes in der Tonne, ihr wisst schon, der zu Alexander dem Großen gesagt hat: ›Geh mir aus der Sonne‹. Und dieses Bild habe ich in Santorin und eine Kopie auf der Akropolis aufgestellt, habe einen Teller davor gemalt für die Münzen und Scheine und was soll ich sagen? Das ist so realistisch gemalt, dass die Touristen meinen, sie hätten den echten Diogenes vor sich, und das Geld rollt. So habe ich ein herrliches Leben und schaue mir zu, wie ich woanders bin.

PS: Übrigens war meine einzige Bedingung für das Geldgeschenk, dass in dem Lokal meiner Nichte nie das Lied ›Griechischer Wein‹, von Udo Jürgens, gespielt wird.

Viel Glück und

πολλά sapaß pollá sapaß

Euer Parrhasios«

»Toll, und ich habe gehofft, er schickt mir eine Anweisung, wie man den Wind malt.«

Die Schlafzimmertür öffnet sich, heraus wankt Dalí in ein Nachthemd gehüllt und mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf, zum Schutz gegen Hammerschläge aus dem Himmel.

»Was für eine große Frage, Pablo, der Wind. Dazu rezitiere ich euch mein neuestes Gedicht, wie ihr wisst, schreibe ich auch.«

Goya wirft eilfertig ein: »Picasso schreibt auch, kennst du sein Theaterstück Wie man Wünsche am Schwanz packt?«

»Nein«, kommt unwirsch von Dalí, »und hier mein Gedicht:

Der Wind zieht seine Hosen an,

Die weißen Wasserhosen!

Er peitscht die Wellen, so stark er kann,

Die heulen und brausen und tosen.

Aus dunkler Höh’, mit wilder Macht,

Die Regengüsse träufen;

Es ist, als wollt die alte Nacht

Das alte Meer ersäufen.

An den Mastbaum klammert die Möwe sich

Mit heiserem Schrillen und Schreien;

Sie flattert und will gar ängstlich

Ein Unglück prophezeien.«

»Mein lieber Señor Dalí, dieses Gedicht ist nicht von dir, das hat Heinrich Heine geschrieben, so wahr ich Picasso heiße.«

»Jajaja, das Gerücht hat dieser elende Dichterling Heine in die Welt gesetzt. Er hat es von mir geklaut, von mir, von mir, von mir! Aber Schwamm drüber, du willst wissen, wie man den Wind malt? Ich habe eine Idee.«

Aus den Mündern von Goya und Picasso ertönt gleichzeitig: »Oh Gott.«

Aber Dalí lässt sich nicht beirren.

»Lasst uns einen Wettbewerb machen wie diese griechischen Kleinkünstler. Wer den besten Wind malt … obwohl, das ist ja wohl keine Frage.«

Goya klatscht begeistert in die Hände: »Großartig, Salvito, und der Sieger bekommt einen Strauß Pusteblumen.«

»Einverstanden, lasst uns sofort anfangen …«

»Oh nein, Pablo, ich habe Hunger, wir gehen jetzt erst mal essen, und du lädst uns ein, findest du nicht auch, Francisco?«

Goya nickt begeistert, während Picasso heimlich in seiner Börse das Geld nachzählt.

Im Restaurant Tigy’s ist noch ein Tisch frei, Dalí bestellt eine Dorade, Picasso das billigste Pamboli, Goya eine Pizza Hawaii und zwei Flaschen Wein.

Da stürzt ein junger Mann auf Picasso zu und stammelt: »Bitte, Herr Anthony Hopkins, haben Sie ein Autogramm? Sie spielen in dem Film den Picasso so großartig, Kompliment.«

Pablo reagiert cool und zieht ein Foto von sich aus der Tasche, unterschreibt: »Herzlichst Anthony Hopkins«. Die Kollegen blicken ihn verdattert an.

»Schaut nicht so, das passiert mir öfter«, sagt er, sogar ein bisschen stolz.

In dem Moment geht ein Pärchen an ihrem Tisch vorbei, die Frau deutet auf Dalí und flüstert laut zu ihrem Begleiter zu: »Schau, da sitzt dieser geniale Maler, wie heißt er wieder? Miró! Das ist der Miró, Schatzi! Toll, gell?«

Rot im Gesicht wirft Dalí den Tisch um und rennt mit wehendem Nachthemd und wackelndem Fahrradhelm zum Strand, stürzt sich ins Meer, wo er von einer behaarten Hand mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern gepackt und in die dunklen Tiefen gezogen wird.

»Den sind wir los, ein Konkurrent weniger in unserem Wettbewerb«, bemerkt Goya, während er den Tisch aufstellt, die Scherben aufliest und Dalís glimmende Pfeife ausklopft.

Picasso wird nervös, denn er möchte endlich den Wettbewerb beginnen. Er zahlt murrend und die beiden gehen zu ihrem Appartement.

»Hier riecht’s komisch«, ruft Picasso, als sie eintreten. Sie folgen dem Geruch ins Schlafzimmer, da sitzt Dalí über und über mit Algen, Tang, Quallen und toten Fischen bedeckt. Auf jeder Schnurrbartspitze windet sich ein Baby-Calamari. Eine Staffelei steht vor ihm und er murmelt zischend vor sich hin: »Verwechselt mich diese Tussi mit diesem kindischen Kritzler Miró, so eine Frechheit …«, dabei zeichnet er rasend schnell eine Giraffe, die sich offenbar gegen den Wind stemmt, denn der Hals ist geneigt und Flammen schlagen heraus, deren Rauch in die Windrichtung verweht. Er nimmt keine Notiz von den beiden.

Da drängt Picasso Goya in eine Ecke des Wohnzimmers und sprintet in die andere. Sie fangen wie im Fieber an zu malen.

Stunden vergehen. Plötzlich schreien alle drei fast gleichzeitig: »Fertig!«

Goya zeigt als Erster sein Werk. Windmühlen drehen sich, im Hintergrund fahren Segelschiffe mit geblähten Segeln, die Königsfamilie mit wehenden Haaren und Mänteln auf dem Turm vom Marivent Palast, die Silbe VENT hat Goya groß und rot geschrieben, damit auch der Dümmste den Zusammenhang zum Wind, auf katalanisch »Vent«, mitbekommt. Zu ihren Füßen liegen zwei Hunde, offenbar Windspiele.

Picasso betrachtet stumm das Bild. Er setzt einen Blick auf wie Anthony Hopkins in Schweigen der Lämmer.

Salvador Dalí hat zu seiner Giraffe schmelzende Uhren hinzugefügt, die in einem heftigen Sturm flattern, und aus dem Bauch eines Stieres fliegen Schubladen heraus.

Picasso ist nicht beeindruckt.

Er stellt seine Staffelei ins Zimmer, darauf ein kleines Bild, von einem echten Vorhang verdeckt. Feierlich hebt er langsam den Stoff, was ist zu sehen?

Nichts. Graue Leinwand.

Pablo blickt triumphierend seine Kollegen an: »So muss man den Wind malen, nur so.«

Da fängt das Haus an zu zittern, die Fensterscheiben klirren, die Pinien draußen neigen sich, das Meer wirft immer höhere Wellen. Ein Sturm kommt auf.

Ein Fensterladen fliegt krachend weg, noch einer, der Wind wird stärker, Staubfahnen rasen durch die Straße, in dem Lokal Tigy’s krachen Geschirr und Metallstühle auf den Boden.

Picassos Augen leuchten vor Freude.

Goya und Dalí kriechen unter den Tisch, da reißt es das Dach mitsamt dem Tisch weg, sie stehen im Freien, Goyas und Dalís Bilder flattern davon, nur Picassos Nichts steht fest auf dem Boden. Die Mauern stürzen ein.

Dalís Schnurrbart wirbelt davon, er selbst wird von einer Böe erfasst und schwebt Richtung Himmel. Der Leuchtturm der Insel Dragonera saust auf ihn zu wie ein Torpedo. Dalí schwingt sich darauf wie Münchhausen auf die Kanonenkugel und lenkt das Geschoss nach Figueres auf dem Festland.

Goya klammert sich an Picasso. Da werden beide vom Orkan in die Luft gewirbelt, sie drehen sich wie ein Windrad. Picasso fängt an zu lachen, Goya wird angesteckt. Sie halten Pusteblumen in die Luft und lachen und lachen und der Sturm trägt auch sie höher und höher, eine behaarte Hand mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern schiebt sich aus den wirbelnden Wolken, fasst die zwei und zieht sie durch einen Spalt in den Himmel. Für den Bruchteil einer Sekunde erkennt man ein Schild über einem Tor: Himmel der Künstler.

DER URSPRUNG DES UNIVERSUMS

Das kann nicht sein! Die Zahl 2019 flirrt auf dem Display. Mein Kompagnon, mit Namen Cromagnon III, hat mir eine falsche Jahreszahl vors Auge gescannt. Ich muss zurückschweben zu meiner fliegenden Untertasse, wie die niedlichen Wesen hier auf diesem bizarren Planeten unser Raumschiff nennen, und ich muss meinen Kumpel nach der korrekten Jahreszahl fragen. Denn ich bin davon ausgegangen, dass wir im Jahr 3019 auf Mallorca landen. Da hat Cromi, wie ich ihn nenne, eine Zahl verwechselt oder ein Algorithmus hat versagt oder es liegt am Bima.

Unser Bima funktioniert im gesamten Weltall, nur auf dieser Insel nicht. Das wundert mich nicht, denn ich habe gehört, dass hier einiges nicht funktioniert.

Was ein Bima