Neubeginn nach Trennungen - Matthias Euteneuer - E-Book

Neubeginn nach Trennungen E-Book

Matthias Euteneuer

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Beschreibung

Die Trennung der Eltern ist für alle Familienmitglieder ein einschneidendes Lebensereignis. Wie geht es danach weiter? Wie kann die Bewältigung der Trennung für alle gelingen? Was brauchen Eltern und Kinder für die Entwicklung neuer Lebensformen als Familie? Dieses Buch informiert Eltern über typische Prozesse einer Trennung sowie über Möglichkeiten und Modelle gemeinsamer Elternschaft und zeigt, wie der Übergang zu einer neuen Form des Familienlebens gelingen kann. Dabei werden die Kinder und ihre Bedürfnisse in den Blick genommen, Möglichkeiten der Beratung und Begleitung vorgestellt und rechtliche Aspekte erläutert. (Sozial-)Pädagogische Fachkräfte finden in diesem Buch grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema, die mit Fallbeispielen veranschaulicht werden.

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Inhalt

Cover

Titelei

Einleitung

1 Familienleben heute – Trennungen im Kontext einer neuen Vielfalt

1.1 Offenere Familienvorstellungen – ambivalente Praxis

1.2 Trennungen als Bruch mit dem selbstverständlichen Familienmodell

1.3 Familie im Wandel – Daten und Fakten

Demographischer Wandel – Weniger Kinder, weniger Familien, mehr geteilte Lebenszeit

Beziehungen in der Familie – mehr Gleichheit, mehr Augenhöhe, höhere Erwartungen?

Pluralisierung der Familienformen – Instabilität von Ehe und Partnerschaft

1.4 Als Familie nach Trennungen gemeinsam leben – eine neue Herausforderung

2 Die Paarbeziehung als zerbrechlicher Kern von Familien

2.1 Die Bedeutung der Paarbeziehung für die Familie – Das Elternpaar als Liebespaar

2.2 Die Zerbrechlichkeit der Liebe – Übertragung, Projektion und Kollusion als Mechanismen

2.3 Die »kollektive Schuld« – Gesellschaftliche Ursachen für Trennungen

3 Das Ende von Paarbeziehungen – Wenn die Liebe endet ...

3.1 Eine eigene Welt und ihre Auflösung – Soziologische Aspekte des Paar-Seins und Trennens

3.2 Sinnfindung in Trennungen – Gesichtswahrung und Identitätsfindung

3.3 Die Arbeit des Entliebens – Trennungsverläufe und Trennungsfolgen

Stille Vorentwicklungen

Dyadische Phase und Familienphase

Öffentlich machen und öffentlich werden

Verarbeitung der Trennung

3.4 Bewältigungsaufgaben nach einer Trennung

Ökonomische Folgen und Alltagsorganisation

Emotionen, psychische Folgen, Sinn- und Selbstkrise

Umstrukturierung sozialer Netzwerke

4 ... und das gemeinsame Elternsein weitergeht – Familienmodelle nach einer Trennung

4.1 Die Zusammenarbeit der Eltern nach einer Trennung

4.2 Familienmodelle nach Trennung

Residenzmodell

Wechselmodell

Alleinerziehend

Nestmodell

Familien-WG

Free Access Modell

4.3 Freiheit der Eltern bei der Suche nach einem passenden Modell – und ungewollte Grenzen

4.4 Multilokales Familienleben – Praxistipps zur Gestaltung

4.5 Fortsetzung folgt – Patchworkfamilien

5 Belastungen und Entwicklungschancen für Kinder

5.1 Was bedeutet die Trennung der Eltern für die betroffenen Kinder?

5.2 Schutz- und Risikofaktoren

5.3 Wie erleben Kinder eine elterliche Trennung?

5.4 Typische Emotionen

Trauer

Ohnmacht

Wut und Hass

Kindliche Schuldgefühle

Angst

5.5 Perspektiven der Bindungstheorie

5.6 Elterliche Trennungen mit Blick auf Triangulierung

5.7 Entwicklungspsychologische Perspektiven

Babys und Kleinkinder

Kinder im Kindergartenalter

Schulkinder zwischen 6 und 12 Jahren

Jugendliche

5.8 Was brauchen Kinder?

6 Hochkonflikthafte Konstellationen und Kontaktabbrüche zwischen Eltern und Kindern

6.1 »Normale« und eskalierende Prozesse der Trennungsverarbeitung bei Erwachsenen

6.2 Hochstrittige Paare

6.3 Kontaktabbrüche und Entfremdung

Kontaktabbrüche von Seiten der Eltern

Kontaktabbrüche von Seiten der Kinder

Umgangsweisen und Interventionen

7 Beratungs- und Begleitangebote – Ein Überblick

7.1 Trennungs- und Scheidungsberatung, Erziehungsberatung

7.2 Rechtsberatung

7.3 Therapeutische Angebote

7.4 Familienbildungsangebote, Elternkurse

7.5 Selbsthilfegruppen

7.6 Spezielle Angebote für Frauen, Männer, Kinder

7.7 Hilfen bei Gewalt – Frauenhäuser und Männertelefon

Literatur

Der Autor und die Autorinnen

Praxiswissen Erziehung

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/praxiswissen-erziehung

Matthias Euteneuer,Anke Kerschgens

Neubeginn nach Trennungen

Gestaltungs- und Entwicklungswege für Familien

Mit juristischen Hinweisen vonNina Reit-Born

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-039274-8

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-039275-5epub:ISBN 978-3-17-039276-2

Einleitung

Trennungen und Scheidungen kommen in Familien heute relativ häufig vor und sind Teil unserer gesellschaftlichen Normalität. Trotzdem stellt das Scheitern einer Paarbeziehung – gerade, wenn Kinder betroffen sind – eine ungewollte und schmerzhafte Erfahrung dar, die bei Außenstehenden oftmals auf Ablehnung stößt. Eltern trennen sich aber weder aus einer Laune heraus noch aus einer rationalen Abwägung von Risiken und Chancen, sondern weil sie ihre Partnerschaft aus ganz unterschiedlichen Gründen als gescheitert erleben. Viele Eltern fühlen sich den Kindern gegenüber schuldig, schämen sich und/oder sind wütend. Und trotz aller Konflikte und Belastungen muss gleichzeitig das Familienleben weitergehen.

Für Eltern, die sich trennen, ergeben sich daraus viele Fragen und es müssen neue Entwürfe für den Alltag und das Leben mit den Kindern entstehen. Was mache ich mit meiner Wut und meiner Traurigkeit? Wie und wo will ich leben? Wie wird die Familie danach aussehen? Was ist überhaupt (finanziell und alltäglich) möglich? Wie können vor allem die Kinder die Trennung gut überstehen?

Ausgehend von einem Blick auf aktuelle Veränderungen für Familien, beschreiben wir in diesem Buch typische Prozesse bei einer Trennung und erläutern, wie die entstehenden emotionalen und alltäglichen Herausforderungen gemeistert werden können. Wir stellen charakteristische Konflikte vor und geben Hinweise, wie ein neuer Entwurf von Familie gelingen kann. Dabei nehmen wir insbesondere die Kinder, deren Reaktionen und Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick. Schließlich gehen wir auch auf eskalierende Konflikte, sogenannte hochstrittige Eltern, ein. Das Buch berücksichtigt dabei aktuelle soziologische, pädagogische und entwicklungspsychologische Diskurse. Viele Fallbeispiele veranschaulichen die Inhalte und bilden eine Brücke in die (eigene) Praxis. Einblicke in grundlegende Rechtsfragen durch die Juristin Nina Reit-Born und ein Anhang zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten vervollständigen das Buch.Drei Erkenntnisse sind uns dabei besonders wichtig:

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Zum einen stellt das neue Ideal der gelingenden Zusammenarbeit der Eltern nach einer Trennung ein Dilemma dar, denn die Trennungsrealität ist gleichzeitig emotional, dynamisch und manchmal dramatisch. Das Kooperieren als Eltern und der Wunsch nach Distanzierung als Paar sind zunächst gegenläufig.

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Zweitens ist die Frage der »Wahl« eines Lebensmodells nach einer Trennung nie ganz frei – denn dieses hängt hochgradig vom Verhalten und den Wünschen des*der Ehemaligen ab und von vielfältigen finanziellen, beruflichen, räumlichen und biographischen Gegebenheiten.

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Und schließlich ist es eine wichtige Erkenntnis, dass die Qualität der Beziehung zu den Eltern, deren Verlässlichkeit und konstruktive Konfliktlösungen für das Wohlergehen von Kindern wichtiger sind als ein bestimmtes Familienmodell.

Wir haben dieses Buch als Wissenschaftler*innen und Berater*innen geschrieben, aber auch als Elternteile, die jeweils eigene Erfahrungen mit familiären Trennungen mitbringen. Wir hoffen, dass sich unser Buch für Eltern, Fachkräfte und alle anderen Interessierten als hilfreich erweist, um differenzierte Wahrnehmungen, konstruktive Umgangsweisen und mögliche Perspektiven für ein genügend gutes Familienleben nach Trennungen zu eröffnen.

1 Familienleben heute – Trennungen im Kontext einer neuen Vielfalt

Was Familie ist, wer zur Familie gehört und wie Familienangehörige zusammen leben ist sehr unterschiedlich. Trotzdem gibt es für eine bestimmte Kultur und eine bestimmte Zeit typische Muster des Zusammenlebens. Über die Kulturen und Zeiten hinweg ergibt sich jedoch wieder eine erstaunliche Vielfalt, wie Familie gelebt werden kann. Auch in heutigen westlichen Industriegesellschaften verändern sich die Lebensweisen von Familien laufend – ehemals typische Muster werden fraglich und schrittweise durch neue ersetzt.

Die Familienforschung zeigt dabei vor allem, dass Familie in den letzten Jahrzehnten vielfältiger geworden ist: Erwachsene und Kinder leben heutzutage in unterschiedlichen Kombinationen und Rollenmustern als Familie miteinander. Die gesellschaftlich anerkannten Gestaltungsspielräume für Familien sind größer als z. B. in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre, in denen das Ideal einer Kleinfamilie mit einem erwerbstätigen Vater, einer Mutter als Hausfrau und zwei Kindern besonders stark war. Ob und inwieweit dies nun die Familie in eine Krise führt, oder als Wiederkehr einer historisch ganz normalen Vielfalt von Familie zu bewerten ist, ist nicht nur unter Sozialwissenschaftler*innen umstritten (Peuckert 2019, 2). Auch in öffentlichen Debatten wird diese Entwicklung mal als Befreiung aus Zwängen begrüßt, mal wird etwas skeptischer auf die damit verbundenen Anstrengungen und Belastungen für alle Familienmitglieder verwiesen und gelegentlich wird die Entwicklung immer noch als bedrohlich für den Bestand der konservativ-traditionell gedachten Institutionen der Ehe und der Familie angesehen.

1.1 Offenere Familienvorstellungen – ambivalente Praxis

Unabhängig von der Bewertung kann man jedoch in vielerlei Hinsicht eine Öffnung der Vorstellungen von Familie feststellen. Nicht nur Wissenschaftler*innen thematisieren dies, sondern auch alltäglich und medial wird das Familienleben in seiner Vielfalt sichtbar: Hier sind Alleinerziehende, getrennt lebende und zusammen erziehende Eltern, Pflege-‍, Patchwork-‍, Stief- oder Fortsetzungsfamilien präsent, ebenso wie Familien mit queeren Eltern, Paare mit neuen Geschlechterrollen, aber auch Familiengründungen durch künstliche Befruchtung, Samen- oder Eizellenspende sind präsenter.

In der wissenschaftlichen Debatte ist zugleich aber auch umstritten, in welchem Ausmaß und im Hinblick auf welche Aspekte von einer Pluralisierung von Familie gesprochen werden kann. Dies liegt u. a. an drei Aspekten: Erstens bestehen in der alltäglichen Praxis von Familien traditionelle Elemente häufig gleichzeitig mit neuen Formen – man denke z. B. an eine Patchworkfamilie mit traditioneller Arbeitsteilung. Zweitens ist nicht nur die Praxis, sondern es sind auch Familienvorstellungen vielfältiger geworden, aber die verschiedenen Formen, Familie zu leben, werden implizit immer noch mit der »Normalfamilie« aus den 1950er Jahren verglichen. So wird alltäglich wie wissenschaftlich z. B. häufig danach gefragt, ob Kinder in den neueren Familienformen genauso gut aufwachsen können wie in einer »normalen« Familie. Drittens spielen bei Familien immer emotionale Bedürfnisse und Beziehungen eine Rolle, zwischen den Erwachsenen, aber auch zwischen Eltern und Kindern. Familie wird daher nicht (nur) bewusst entworfen und gestaltet, sondern auch unbewusst und ist daher sowohl ambivalent als auch veränderlich. Zudem müssen bewusste Vorstellungen, emotionale Bedürfnisse und die alltägliche Praxis in einer Familie keineswegs übereinstimmen – sei es, weil die Möglichkeiten die gewünschte Praxis umzusetzen fehlen, sei es, weil sich bestimmte Praxen ganz unbemerkt durchgesetzt haben, weil sie unveränderlich erscheinen oder auch weil sich Gefühle verändert haben. Das Familienleben stellt immer eine Kompromissbildung dar: Schließlich müssen zwei Erwachsene gemeinsam ein Zusammenleben mit Kindern unter bestimmten Rahmenbedingungen praktisch umsetzen und dabei Beziehungen gestalten.

Als ähnlich kompromisshaft muss man daher auch Familien mit getrennten Eltern verstehen. Auch hier gibt es nicht nur die Lösungen auf der Ebene von Vorstellungen, wie Familie gelebt werden könnte, sondern in die tatsächliche Alltagspraxis fließen (oft unreflektiert) emotionale Wünsche ein. Auch bei getrennten Eltern ist die Alltagspraxis von dem, was möglich und umsetzbar scheint, begrenzt. Die Tatsache der Trennung des Paares erschwert dabei oftmals die Suche nach Lösungen. Sie schränkt die Einigungsfähigkeit und die Fähigkeit gemeinsam zu handeln ausgerechnet zu einem Zeitpunkt ein, an dem komplexe Entscheidungen mit Blick auf das Familienleben gemeinsam angegangen werden müssten. Dies zeigt auch das folgende Fallbeispiel (Euteneuer/Uhlendorff 2020, 290):

Fallbeispiel Frau Ehlers – Wünsche und Vorstellungen, unerwartete Dynamiken und das Machbare

Frau Ehlers ist als Kind in einer aus ihrer Sicht »völlig durchschnittlichen« Familie der 1960er und 1970er Jahre aufgewachsen. Ihre Mutter war die Hauptsorgetragende für sie und ihren Bruder, ihr Vater eine wichtige Bezugsperson im Familienalltag, die aber vornehmlich im Rahmen von Freizeit- und Wochenendaktivitäten präsent war. Als sich ihr Partner, mit dem Sie bereits eine gemeinsame Tochter hat, kurz vor der Geburt eines gemeinsamen Sohnes von ihr trennt, ist für sie selbstverständlich, dass er ins Familienleben eingebunden bleiben soll, »so wie die Meisten das haben, die alleinerziehend sind, die dann irgendwie ne 14-Tage-Regelung haben oder so«. Allerdings gelingt ihr diese erwünschte Einbindung des Vaters trotz Inanspruchnahme eines Mediationsangebotes nicht. Nachdem eine Weile unzuverlässiger Kontakt besteht, »wie zu einem Onkel, der ab und an mal vorbeischaut und dann wieder verschwindet«, bricht der Kontakt ganz ab. Dies missfällt Frau Ehlers: »Ich find's schon scheiße so. Ich glaube, die Kinder bräuchten einen Vater, auch wenn er nur ab und zu da ist. Einfach um zu wissen, was dieses Vaterding ist.« Ihr Familiennetzwerk reduziert sich im Kern zwangsläufig auf sie und ihre Kinder, allerdings baut sie sich um diesen Familienkern ein Unterstützerinnennetzwerk aus Freundinnen und ihrer Mutter auf, mit dessen Hilfe sie den manchmal anstrengenden Alltag recht souverän meistert. Allerdings bleibt sie nicht nur finanziell auf sich allein gestellt. Auch männliche Bezugspersonen, die sie sich besonders für ihren Sohn wünscht, bleiben »Mangelware«. So versucht sie zwar über eine Familienbildungsstätte einen »Leihgroßvater« zu finden, erfährt aber nach längerer Wartezeit, dass überwiegend Frauen Interesse an der Vermittlung eines solchen Kontaktes haben und viele offener für einen Kontakt zu »vollständigen« Familien sind als zu Alleinerziehenden.

1.2 Trennungen als Bruch mit dem selbstverständlichen Familienmodell

Trennungen werden von den Beteiligten meist nicht nur als markanter Bruch mit dem bisher gelebten familialen Alltag, sondern auch als überwiegend ungewollter Bruch mit dem Selbstverständlichen, den Vorstellungen von Normalität erlebt. So sind z. B. bewusst geplante Mutterschaften ohne eine Beziehung zum Vater des Kindes selten (Peuckert 2019, 327). Die meisten Mütter und Väter sind ungeplant alleinerziehend bzw. in einer Trennungssituation – wie Frau Ehlers, die kurz vor der Geburt ihres Sohnes nicht mit einer Trennung gerechnet hatte. Sie denken aber zugleich offener wie auch grundsätzlicher über die Frage nach, was ihre Familie eigentlich ausmachen sollte und könnte, nachdem der gesellschaftlich »normale« und oft auch persönlich erhoffte Entwurf einer Kleinfamilie nicht oder zunächst nicht mehr verwirklichbar ist. Nicht selten bieten dabei biographische Erfahrungen Orientierung, sei es als (unbewusstes) Vorbild oder als Negativbeispiel – Frau Ehlers stellt sich zunächst vor, ihren ehemaligen Partner als »Wochenendpapa« zu integrieren, wie sie selbst einen hatte. Getrennte Eltern erleben, dass sie für sich eine neue Familienform finden und erfinden müssen – und das unter Mitwirkung aller Familienmitglieder. Genau an letzterem scheitert die Umsetzung der ersten Ideen von Frau Ehlers trotz Mediation. Alle Familienmitglieder erleben nach Trennungen eine Andersartigkeit, die ihnen auch gesellschaftlich gespiegelt wird – z. B. im Rahmen von Diskriminierung bei der Wohnungssuche und auf dem Arbeitsmarkt (Beigang et al. 2017), oder bei Frau Ehlers im Rahmen der Suche eines »Leihgroßvaters«. Insofern setzen sich Eltern nach Trennungen oft intensiv mit gesellschaftlichen Normalitätsmustern auseinander, die in Familien vor einer Trennung fraglos gegeben sind oder scheinen – wie viel »männliches Vorbild« braucht Frau Ehlers Sohn, und wo kann er dieses finden (Euteneuer/Uhlendorff 2020, 269)?

Wenn eine Trennung einen Bruch mit vorher selbstverständlichen Familienmodellen bedeutet, dann stellt sich zunächst die Frage, was das eigentlich für Modelle von Familie sind. Alle Familien heute sind in unterschiedlichem Ausmaß mit denselben gesellschaftlichen Veränderungsprozessen konfrontiert, wie der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, neuen Vorstellungen von Vaterschaft und Mutterschaft und einem hohen Anspruch an die Förderung der kindlichen Entwicklung. Im Folgenden möchten wir daher einen kurzen Überblick über Lagen und Veränderungsprozesse von Familien heute geben und dabei besonders auf Trennungen und Scheidungen eingehen.

1.3 Familie im Wandel – Daten und Fakten

Trotz der Debatten um das Ausmaß der Pluralisierung von Familie besteht Einigkeit darüber, dass besonders drei Tendenzen den Wandel der Familie seit den 1950er Jahren kennzeichnen: Erstens verändern demographische, d. h. mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängende Faktoren, Familie (z. B. Geburtenrate, Geburtenzeitpunkte, Lebenserwartung). Zweitens lässt sich feststellen, dass innerfamiliale Beziehungen stärker gleichberechtigt als früher gedacht werden. Und schließlich sind es tatsächlich Trennungen und Scheidungen, die seitdem maßgeblich zu einer wachsenden Vielfalt von Familienformen beitragen.

Demographischer Wandel – Weniger Kinder, weniger Familien, mehr geteilte Lebenszeit

Erstes Kennzeichen für den demographischen Wandel ist zunächst ein deutlicher Geburtenrückgang. So hätte sich nach Angaben der Weltbank (2022) aus den Geburten von 1964 ergeben, dass jede Frau in Deutschland durchschnittlich 2,54 Kinder in ihrem Leben bekommt. Bis 1994 sank dieser Wert auf 1,24, um sich seit dem leicht zu erholen und 2020 bei 1,53 zu liegen. Der Rückgang liegt daran, dass es weniger Familien mit drei und mehr Kindern gibt, aber auch an zunehmender (gewollter und ungewollter) Kinderlosigkeit. Dies führt zweitens dazu, dass Familien »seltener« werden. Der Anteil aller Haushalte, in denen Familien (also zwei Generationen) leben, ist stark gesunken. 2020 lebten dem Statistischen Bundesamt (2022a) zufolge in knapp der Hälfte aller Haushalte Alleinstehende, in einem Viertel Paare ohne Kinder und nur in einem weiteren Viertel Familien (Paare oder Elternteile mit Kindern). Zusammen mit einer steigenden Lebenserwartung sorgt dies drittens für eine »Alterung der Gesellschaft«, deren positive Seite aber auch darin besteht, das drei oder sogar vier Generationen einer Familie eine vergleichsweise lange Lebenszeit miteinander verbringen – im Schnitt jedenfalls länger als historisch je zuvor. Großeltern leben zwar selten mit ihren Kindern und Enkel*innen in einem Haushalt zusammen, aber ihre Einbeziehung in das Familienleben ist oft intensiv. Forscher*innen sprechen hier von einer multilokalen (an verschiedenen Orten lebenden) Mehrgenerationenfamilie (Bertram 2000).

Beziehungen in der Familie – mehr Gleichheit, mehr Augenhöhe, höhere Erwartungen?

Auch innerhalb der Familien zeigen sich Veränderungen. Besonders deutlich ist dabei die Suche nach neuen Beziehungsformen, die durch mehr Gleichberechtigung und Aushandlungsprozesse auf Augenhöhe geprägt sind. Dies betrifft zum einen die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, die beide gleichmäßiger in Familien- und Erwerbsarbeit eingebunden seien sollen und wollen. Dem stehen aus Sicht der Eltern konservative gesellschaftliche Vorstellungen gegenüber, in denen Müttern weiterhin vornehmlich die Fürsorgerolle zugeschreiben wird und Vätern die Rolle des Familienernährers. Aber auch Eltern selbst artikulieren Vorstellungen, die deutlich machen, dass man beides möchte oder sollte: So stimmten etwa in einer Studie zu Familienleitbildern rund 78 % der Befragten der Vorstellung zu, dass auch Mütter einem Beruf nachgehen sollten, um unabhängig von ihrem Mann zu bleiben. Zugleich waren aber auch 76 % der Meinung, dass Mütter nachmittags Zeit haben sollen, um ihren Kindern beim Lernen zu helfen (Diabeté 2015, 212). Ähnlich stimmen etwa 75 % der Väter der Aussage zu, dass es gut ist, wenn nicht nur Mütter, sondern auch Väter in der Erziehung präsent sind. Zugleich gingen sie aber zu etwa 75 % davon aus, dass gesellschaftlich von ihnen erwartet werde, die Familien finanziell alleine versorgen zu können (Lück 2015, 233). Neue Erwartungen an Väter und Mütter entstehen also, ohne dass alte Erwartungen verschwinden. Beide Elternteile sehen sich oftmals unter Druck, beruflich Karriere zu machen und viel für ihre Kinder da zu sein. Hinzu kommt auch eine weit verbreitete und ggf. frustrierende Kluft zwischen Einstellungen und Alltagshandeln – trotz aller Wünsche nach Gleichberechtigung und Emanzipation zeigt der Familienalltag vieler Familien immer noch deutliche Spuren traditioneller Geschlechterrollen. So verweisen Studien zur Arbeitsteilung immer wieder auf bestehende und sich im Rahmen von Ehe und Familiengründung tendenziell verstärkende Ungleichheiten (Schulz/Blossfeld 2010; Grunow/Baur 2014).

Einen deutlichen Wandel in Richtung Aushandlungsprozesse auf Augenhöhe haben zudem die Umgangsformen zwischen Eltern und ihren Kindern erfahren (Peuckert 2019, 247 ff.). So ist das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern klar partnerschaftlicher geworden und Kinder dürfen in den meisten Familien viel (mit)‌entscheiden. Besonders deutlich zeigt sich dies am Wandel der Erziehungsleitbilder: Seit den 1950er Jahren haben Erziehungsziele, die auf Selbstbestimmung setzen (Selbständigkeit, Interesse an Dingen wecken, Verantwortungsbewusstsein) solche Erziehungsziele abgelöst, die auf die Unterordnung des Kindes abzielten (Gehorsam, Sauberkeit, Ordnung, gute Umgangsformen). Familienforscher*innen nennen dies den Wandel vom Befehlshaushalt zum Verhandlungshaushalt (Ecarius 2002). Allerdings kann diese Entwicklung auch zu Verunsicherungen und Orientierungsproblemen von Eltern führen: Es ist schwieriger geworden, zu entscheiden, was Eltern wann von ihrem Kind einfordern können. In der Schwangerschaftsphase, im Rahmen der frühkindlichen Entwicklung und nicht zuletzt mit Blick auf den Schulerfolg des Kinders sehen sich vor allem Mütter mit immer mehr Wissen, aber auch mehr Forderungen konfrontiert, was Sie hinsichtlich einer guten Entwicklung des Kindes zu tun und zu unterlassen haben. Insgesamt sind die Anforderungen an die Ausgestaltung der Elternrolle also deutlich gestiegen und Eltern fühlen sich unter Druck (Merkle/Wippermann 2008). Der Bedarf an Beratung in Erziehungsfragen wird dementsprechend hoch eingeschätzt, obgleich Eltern vermutlich über mehr Wissen und Können verfügen und ihr Erziehungshandeln intensiver reflektieren denn je.

Pluralisierung der Familienformen – Instabilität von Ehe und Partnerschaft

Der dritte Wandlungsprozess betrifft schließlich die (leicht) steigende Vielfalt der Familienformen – und diese resultiert ganz wesentlich aus einer größeren Instabilität von Ehe und Partnerschaft.

Seit den 1980er Jahren ging die Zahl der Eheschließungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2022b) zunächst zurück – von etwa 450.000 Eheschließungen im Jahr 1991 bis auf 369.000 im Jahr 2007. Nach zwischenzeitlich leichter Zunahme (die auch auf die seit Oktober 2017 mögliche gleichgeschlechtliche Ehe zurückzuführen ist) lagen die Zahlen 2021 mit etwa 357.000 auf einem erneuten Tiefstand. Gemessen an der Gesamtbevölkerung gab es in den 1950er Jahren (im früheren Bundesgebiet) um die 10 Hochzeiten je 1000 Einwohner – 2021 sind es unter 5 gewesen. Paare, die heiraten, sind dabei auch älter als früher – im Schnitt Anfang bis Mitte 30. Interessanterweise ist es aktuell (2021) bei etwa 20 % der Hochzeiten für mindestens eine*n von beiden Partner*innen bereits die zweite (oder eine weitere) Ehe. Insgesamt ist Heiraten heutzutage also weniger eine gesellschaftliche Erwartung an die Einzelnen, aber dennoch für viele Menschen ein Ausdruck einer romantischen Liebe. Dass das Heiraten jedoch nicht nur eine romantische Angelegenheit, sondern ein staatlich gefördertes Vertragswerk ist, wird vielen Paaren erst im Prozess eines Scheidungsverfahrens offensichtlich.

Wie viele Ehen werden geschieden? Mit leicht sinkender Tendenz gibt die sogenannte Scheidungsziffer (wie viele von 1000 Ehen in ihrem Verlauf geschieden werden) Auskunft über die statistische Wahrscheinlichkeit einer Scheidung: Im Jahr 2021 betrug sie dem Statistischen Bundesamt (2022b) zufolge 309 Scheidungen von 1000 Ehen, das heißt, knapp jede dritte Ehe endet in einer Scheidung (Peuckert 2019, 261). Scheidung ist somit eine gesellschaftliche Normalität, auch wenn sie als Problem gesehen wird und für die Einzelnen auch krisenhaft und herausfordernd ist. Ehen, die 2021 geschieden wurden, dauerten Daten des Statistischen Bundesamtes (2022b) zufolge im Durchschnitt knapp 15 Jahre. Ungefähr die Hälfte der geschiedenen Paare waren Eltern von minderjährigen Kindern. In konkreten Zahlen bedeutet dies für 2021 z. B., dass 221.777 Kinder und Jugendliche (unter 18) von der Scheidung ihrer Eltern betroffen waren. Entsprechend ergab eine repräsentative Befragung 2019, dass 29 % der 15 – 17-jährigen Jugendlichen eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erlebt haben (Walper et al. 2021, 32). Hinzu kommt, dass aktuell etwas mehr als ein Drittel der Kinder in Familien geboren werden, bei denen Eltern nicht verheiratet sind (Peuckert 2019, 39). Die Statistik kann nicht erfassen, ob und wie häufig sich diese trennen, oder ob sie im Verlauf des Familienlebens zu einem späteren Zeitpunkt noch heiraten. Paare mit eingetragenen Lebenspartnerschaften werden gesondert erfasst, da diese nicht geschieden, sondern mit einem anderen Verfahren beendet werden.

§§ Worin unterscheiden sich Trennung und Scheidung rechtlich?

§

Nach der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen (§ 1353 Abs. 1 BGB), was ersichtlich nicht der Lebenswirklichkeit entspricht. Rechtlich gesehen wird bei Eheleuten zwischen Trennung und Scheidung unterschieden, bei Nichtverheirateten ist die Trennung kaum geregelt.

Die Trennung von Verheirateten ist rechtlich der notwendige Zwischenschritt auf dem Weg zur Scheidung, da die Trennung über einen längeren Zeitraum hinweg das Scheitern der Ehe belegt, welches wiederum Voraussetzung der Scheidung ist (§ 1566 BGB). Gemäß § 1567 BGB leben Ehegatten1 getrennt, wenn keine häusliche Gemeinschaft im Sinne einer Lebensgemeinschaft mehr besteht und mindestens ein Ehegatte diese Gemeinschaft auch nicht wieder herstellen möchte. Getrenntleben ist nach dieser Vorschrift auch innerhalb ein und derselben Wohnung möglich. Praktisch ist dies etwa von Bedeutung, wenn Paare aus finanziellen Gründen keine zweite Wohnung unterhalten können (Schwab 2019, 168). Getrenntleben innerhalb ein und derselben Wohnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann anzunehmen, wenn kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und keine wesentlichen persönlichen Bindungen bestehen, sondern lediglich ein räumliches Nebeneinander gegeben ist; so spricht die bloße funktionale Nutzung einzelner Räume (z. B. Küche, Bad) durch beide Ehepartner*innen nicht gegen eine Trennung in diesem Sinne (BGH 1978).

Diese formale Auflösung einer Ehe wird als Scheidung bezeichnet. Hierfür ist eine gerichtliche Entscheidung nötig (§ 1564 BGB). Voraussetzung für die Scheidung ist gemäß § 1565 BGB das Scheitern der Ehe. Scheitern der Ehe bedeutet nach dieser Vorschrift, dass keine Lebensgemeinschaft mehr besteht und auch nicht wieder hergestellt werden soll. Achtung: Es gibt hier kein Schuldprinzip (mehr) und es müssen auch keine bestimmten Gründe vorliegen (Trenczek et al. 2018, 313)! Ausschlaggebend für das Recht ist damit »nur«, ob die Ehe – egal aus welchem Grund – zerrüttet ist und dass diese Zerrüttung endgültig ist. Die Überprüfung dieser Zerrüttung obliegt dem Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens (Schwab 2019, 160 f.). Die Ehe gilt außerdem gemäß § 1566 BGB als gescheitert, wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Eine schnellere Scheidung ist nur möglich, wenn die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte für einen der Ehegatten darstellt und die Gründe hierfür in der Person des anderen Ehegatten liegen (§ 1565 BGB). Dies kann etwa in Fällen häuslicher Gewalt oder Missbrauch zum Tragen kommen (Trenczek et al. 2018, 314). Auch wenn der*die Partner*in nicht zustimmt, wird nach drei Jahren des Getrenntlebens vom Scheitern der Ehe ausgegangen. In beiden Fällen wird das Scheitern der Ehe also vermutet, ohne dass im Scheidungsverfahren ein allzu tiefer Blick in ihr Inneres geworfen werden muss (Schwab 2019, 161).

Eine eheähnliche Gemeinschaft »ohne Trauschein« kann jederzeit beendet werden. Das Eherecht ist hier weitestgehend nicht anwendbar (Schwab 2019, 253). Nach Ende der Gemeinschaft gelten die Vereinbarungen, die die Partner*innen getroffen haben; ohne Vereinbarung bestehen in der Regel keine wechselseitigen Ansprüche (Trenczek et al. 2018, 321). Unterhaltsansprüche von nicht miteinander verheirateten Eltern wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes sieht das Gesetz allerdings in § 1615 BGB vor. Regelungen für eingetragene Lebenspartnerschaften regelt das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG). Das Gesetz verliert in der Praxis zunehmend an Bedeutung, da die Begründung von Lebenspartnerschaften seit dem 01. 10. 2017 nicht mehr möglich ist und durch die »Ehe für alle« abgelöst wurde.Alle Gesetzestexte, die im Buch erwähnt werden, sind hier zu finden:https://www.gesetze-im-internet.de/

Trennung und Scheidung tragen auch dazu bei, dass sich neue Lebensformen in der Statistik niederschlagen. Zwar stellen Ehepaare mit Kindern noch die häufigste Form familialen Zusammenlebens in einem Haushalt dar, ihr Anteil an allen Familien (Haushalte mit unverheirateten Kindern, egal welchen Alters) ist zwischen 1996 und 2020 jedoch von 78 % auf 69 % gesunken. Dies geht vor allem auf eine Zunahme an »Alleinerziehenden« (statistisch als Einelternhaushalte erfasst) zurück. Diese machten 1996 18 % und 2015 24 % aller Haushalte aus. Ihr Anteil sank zuletzt wieder auf 22 % in 2020.

Diese Erfassung von Zahlen zu einem bestimmten Zeitpunkt kann die Entwicklungsprozesse einzelner Familien nicht darstellen. Auch kann man nur in einem Rückblick (am Lebensende) erkennen, welche Paare sich tatsächlich haben scheiden lassen und welche nicht. Die Werte sind also gewissermaßen »zu klein«, da einige der aktuell noch zusammenlebenden Ehepaare mit Kindern sich noch trennen werden. Andere Eltern haben sich bereits getrennt, leben aber wieder mit eine*r Partner*in im Haushalt – auch diese erfasst die Statistik dann nicht mehr als alleinerziehend – und eine Kategorie getrennt lebend, aber gemeinsam erziehend gibt es in der amtlichen Statistik nicht. Aus anderen Studien ist aber z. B. bekannt, dass etwa die Hälfte der alleinerziehenden Mütter fünf Jahre später wieder mit eine*r neuen Partner*in im Haushalt lebt (Peuckert 2019, 305). Solche Stief- oder Fortsetzungsfamilien werden in der haushaltsbezogenen Statistik entweder den Ehepaaren mit Kindern oder den unverheirateten Paaren mit Kindern zugeschlagen, und machen Studien zufolge etwa 10 – 14 % aller Familien aus (Peuckert 2019, 334 f.).

1.4 Als Familie nach Trennungen gemeinsam leben – eine neue Herausforderung

Die gegenwärtig erkennbare Vielfalt der Familienformen ist historisch nicht neu. Auch zu früheren Zeiten gab es Alleinstehende mit Kindern sowie Wiederverheiratungen. Während damals jedoch der Tod eine*r Ehepartner*in die zentrale Ursache darstellte, waren 2017 54 % der Alleinerziehenden geschieden oder getrennt lebend, 41 % ledig (fast ausschließlich Mütter, die mit dem Vater der Kinder nicht verheiratet waren) und nur 5 % verwitwet (Peuckert 2019, 304). Dies hat potentiell positive, wie auch negative Konsequenzen: Der*Die verlorene Partner*in lebt und kann (sollte oder muss) zum Unterhalt der Familie und Fürsorge für die Kinder weiter beitragen. Andererseits entstehen neue Herausforderungen: Mit ihm oder ihr muss nun weiterhin kommuniziert und im Alltag kooperiert werden, was vielfältige Aushandlungsprozesse nötig macht und mitunter gewaltige Konfliktpotentiale birgt. Dies gilt für geschiedene Eltern prinzipiell ebenso wie für Eltern, die nicht verheiratet waren.2