Neues von der Fratze mit Hut 2 - Monika Kubach - E-Book

Neues von der Fratze mit Hut 2 E-Book

Monika Kubach

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Beschreibung

Neue Satiren von der erfolgreich erfolglosen Hobbyautorin, die in Band 2 weiterhin mit den Widrigkeiten des Alltags, den kreativen Ratschlägen ihrer resoluten Nachbarin und ihrer eigenen Naivität und Fantasie kämpft. Zum Glück gibt es in ihrem Leben einen Fels in der Brandung in Form eines Ehemanns, der gar nicht versteht, was das Problem ist. Eine Satire zum Lachen, Verschenken und Nachbarn-Wiedererkennen.

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Seitenzahl: 186

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Über die Autorin:

Monika Kubach wurde 1970 geboren. Dagegen kann man leider nichts mehr unternehmen. Ihre Ideen sind immer ausgesprochen gut. Unausgesprochen wären sie allerdings besser für die Nerven ihres Umfelds.

Die Autorin über dieses Buch:

Eigentlich wollte ich lieber ein Sachbuch schreiben. Denn darin fallen die Tippfehler weniger auf, weil die Leser sie für Fachausdrücke halten. Aber nun wurde es aus Versehen doch wieder ein Klmfogigl. Ich bitte daher vielmals um Entschuldiglgmnf.

Bisher erschienen:

Gut gelaufen, Thisbe! – Ida Obersteyns Tagebuch 2011

ISBN 9783844818918

150 Limericks – Eine Reise durch Deutschland

ISBN 9783848227907

Neues von der Fratze mit Hut

ISBN 9783738600254

Die Fratze mit Hut dichtet dich dicht

ISBN 9783739203997

Kurzgeschichten ohne Hut

ISBN 9783848218905

Inhalt

Halloween

Eingemauert

Mein unfreiwilliger Namensvetter

Auf die Schippe genommen

Aufrüstung

Am Äquator

Das Märchen vom tapferen Klempnerlein

Auf 180

Köstlich!

Ein ganz normaler Tag

Verbote

Ihrsiedu

Parkplatzwahl 2016

Scheiden tut weh

Lesen und lesen lassen

Die Schaumverschwörung

Wie sieht’s aus?

Entspannt durch den Alltag

Achtsamkeit

Mal im Malbuch malen

Lexikon

Der große Social-Media-Psychotest

Online-Shopping

Zeit zum Essen

Tipp des Tages

Eine Frage der Grammatik

Statussymbole

Multitasking

Eingemummelt

Dreizehnmal zehn Albernheiten

Sie sind überall

Der Duft der Freiheit

Sonntagskrimi

Der schiefe Turm für Lisa

Halloween

Als ich das Fenster öffnete, um ein Staubtuch auszuschütteln, hörte ich einen markerschütternden Schrei. Ich sah mich in der friedlichen und von der Sonne beschienenen Nachbarschaft um, konnte aber zunächst niemanden entdecken.

Man las im Internet recht häufig über gespenstische Dinge, die an Halloween geschahen, aber ich hatte das bisher immer als Seemannsgarn von Landratten abgetan. Und selbst wenn etwas dran war, ging denn so etwas schon am helllichten Nachmittag los? Irgendwo auf der Welt war natürlich immer Mitternacht und Geisterstunde. Hatte eine der ruhelosen Seelen bei der Rückkehr falsche Koordinaten eingegeben oder einfach nur Mittag mit Mitternacht verwechselt und trieb jetzt schon ihr Unwesen?

Doch dann hörte ich ein Stöhnen von rechts und sah genauer hin. Aus Heikes Garage ragten ein Paar Waden und Füße mit hochhackigen Stiefeletten. Hatte ein automatischer Garagentoröffner ein neues Opfer gefordert? Ich schnappte mir den Haustürschlüssel und rannte los.

Aber als ich um die Ecke bog, sah ich zwar einen bejeansten Hintern aus dem offenen Kofferraum hängen, aber Heike, um die es sich zweifelsfrei handelte, war weder von einem Garagentor noch von einem Kofferraumdeckel eingeklemmt. War das wieder irgend so ein neuer Fitnesstrend, den ich verpasst hatte? Kofferraumgymnastik für Bauch, Beine und Po? War das nur ein Motivationsschrei gewesen, der vor Beginn der Übungen die verklebten Schwurbelmeridiane lösen sollte? Kam das anschließende Stöhnen von der Anstrengung? Blamierte ich mich gerade einmal wieder mit meiner Unwissenheit?

»Geht’s dir gut?«, erkundigte ich mich deshalb vorsichtig.

»Frag nicht so blöd! Mir geht’s beschissen!«

Das beantwortete alle Fragen auf einmal. Nein, kein neuer Trend. Ja, ich blamierte mich gerade einmal wieder. Bei mir also alles wie gehabt.

Heike lag jedoch mit dem Oberkörper im Kofferraum und schien einen von drei großen Kürbissen zu umarmen.

Warum hatte ich mir nur den Haustürschlüssel und nicht auch den Fotoapparat geschnappt? Zumindest war ich zur Abwechslung einmal nicht die Einzige, die sich hier zum Narren machte. »Was ist passiert, und was soll ich tun?«, fragte ich kurz und knapp.

»Ich glaube, ich weiß jetzt, was ein Hexenschuss ist«, stöhnte Heike und versuchte, sich etwas zu bewegen. Es folgte der obligatorische Schmerzensschrei.

Ah, es war also kein Geist, sondern eine Hexe, die heute am 31. Oktober zwölf Stunden zu früh ihr Unwesen trieb und harmlosen Nachbarinnen in den Rücken schoss.

»Ich weiß gar nicht, wie und wo ich dich anfassen soll. Ich will dir ja nicht wehtun«, erklärte ich der Leidgeplagten.

»Das ist wahrscheinlich egal, denn alles wird tierisch wehtun. Mach einfach irgendwie.«

»Sag Bescheid, wenn ich aufhören soll.«

»Is’ gut ...«

Ich legte ihr meinen rechten Arm um die Taille und schob den linken diagonal unter ihren Brustkorb. Vorsichtig hob ich sie ein wenig an, aber der Schmerzensschrei überzeugte mich davon, dass das keine gute Idee gewesen war. Ich brachte meine Patientin umgehend wieder in die Ausgangsstellung.

»Bescheid«, flüsterte Heike.

»Soll ich den Rettungsdienst rufen? Die wissen besser, was zu tun ist.«

»Eigentlich ist das doch kein Fall für den Rettungsdienst.«

»Na ja, für die Feuerwehr ist das aber auch kein Fall, obwohl die normalerweise dafür zuständig sind, Personen aus Fahrzeugen zu befreien.«

»Mach keine Witze. Mir geht’s echt nicht gut.«

»Ich will dir ja helfen, aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll.«

»Ich glaube, ich kann ein bisschen robben.«

»Kannst du rückwärts herausrobben?«

»Nein, nur vorwärts und hinein.«

Ich sah mir den Kofferraum kritisch an und fragte mich, wie groß wohl Heikes Wendekreis unter den gegebenen Umständen war. Zu groß. »Ich räume die Kürbisse aus dem Kofferraum, damit wir mehr Platz haben. Bleib du erst einmal, wo du bist.«

»Mir bleibt ja nichts anderes übrig«, wimmerte Heike.

»Uff! Seit wann enthalten Kürbisse Blei? Mit Gentechnik ist wohl alles möglich!«

»Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass die so irre schwer sind. Deshalb fuhr es mir ja in den Rücken, als ich sie aus dem Kofferraum nehmen wollte.«

»Wie hast du sie den hineinbekommen?«

»Da half mir der freundliche Verkäufer vom Hofladen.«

Ich wuchtete den ersten Kürbis aus dem Kofferraum auf den gepflegten Zierrasen, denn ein bisschen Spaß sollte mir ja auch gegönnt sein. »Und warum hast du so riesige Exemplare gekauft? Ihr seid doch nur zu dritt! Machst du eine vierwöchige Kürbissuppenkur?«

»Das ist doch Deko!«, piepste es aus dem Kofferraum. »Da schnitzt man gruselige Gesichter hinein und beleuchtet sie von innen mit einer Kerze. Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?«

»Auf einem, auf dem Lebensmittel in der Regel gekocht und gegessen und nicht von innen beleuchtet werden.«

»Britney und Manfred mögen aber keine Kürbissuppe.«

Der zweite Kürbis landete neben seinem Kollegen. »Wozu kaufst du dann drei riesengroße Kürbisse, mit denen man eine hungrige Fußballmannschaft im Trainingscamp eine Woche lang satt bekommen würde?«

»Ich hab’s dir doch eben erklärt! Sie hatten dort leider keine kleineren mehr. Ich war ein bisschen spät dran mit meiner Deko.«

»Das wäre meine nächste Frage gewesen. Heute ist doch schon Halloween. Bei Frau Branner kann man bereits seit Mitte September zusehen, wie die Kürbisfratzen langsam immer weiter zusammenschrumpeln. Wenn die nicht aufpasst, tritt am Montag das Gesundheitsamt auf den Plan. Oder ein paar Mykologen, Zoologen oder Ufologen rücken mit Atemmasken an und suchen diese merkwürdigen Flecken auf den Dingern nach bisher unentdeckten Spezies ab, um darüber eine Dissertation zu schreiben. Im Discounter gibt es seit Anfang Oktober Weihnachtsbeleuchtung zu kaufen. Wozu brauchst du jetzt noch drei Riesenkürbisdekogruselteelichthalter?« Der dritte Kürbis plumpste auf den Zierrasen. Geschafft!

»Ich wollte es uns eben doch noch schnell ein bisschen gemütlich machen für heute Abend. Außerdem hatte ich es Britney versprochen.«

Nun, gemütlich sah das, was sie da im Kofferraum machte, nicht gerade aus. Und schnell ging irgendwie auch anders. »So! Jetzt stelle ich mich neben dich, und du versuchst mal vorsichtig, aus dem Kofferraum herauszukommen. Halte dich an mir fest, wie und wo du willst. Lass dir Zeit!«

Sie ließ sich tatsächlich Zeit. Ich konnte keine nennenswerten Bewegungsabläufe bei ihr feststellen. Echt gruselig! Halloween war ein Dreck dagegen.

»Es geht nicht!«, schluchzte Heike. »Ich kann mich nicht drehen.«

»Wie soll das eigentlich weitergehen, wenn du es tatsächlich heute noch aus dem Auto herausschaffst? Wie bugsiere ich dich schmerzfrei ins Haus? Und du brauchst doch auch einen Arzt!«

»Ach, was! Manfred hatte das schon öfter. Das geht von allein weg. Ich brauche nur ein Wärmekissen und eine Schmerztablette.«

»Hier? Im Kofferraum?« Vor meinem geistigen Auge sah ich Heike bis in die Nacht hinein über dem Rand des Kofferraums hängend auf die Wirkung der Schmerzmittel warten. Ich könnte ihr natürlich ein orangefarbenes Gruselgesicht auf den Hintern malen – als Deko – und ein Teelicht auf den Rücken stellen – zum Wärmen.

»Nein, ich sollte schon irgendwie auf die Couch kommen. Wenn ich mich nur drehen könnte! Dann könnte ich auf allen vieren ins Haus kriechen.«

»Wenn du kriechen kannst und das aber nur vorwärts, dann lege ich einfach die Lehne der Rückbank um, und du kriechst über sie seitlich zur Tür raus. Meinst du, das geht?«

»Wir können es ja versuchen. Da musst du aber das Auto rausfahren, damit wir die Tür ganz aufmachen können.«

Ich legte die Rückbank um, und Heike robbte vorsichtig und im Zeitlupentempo auf die vergrößerte Ladefläche, bis sie dort flach liegen konnte. Nur die Füße ragten noch über die Ladekante nach draußen. Erschöpft machte sie erst einmal eine Pause. »Das ging leichter, als ich dachte«, hauchte sie. »Wenn das Aussteigen nicht klappt, kann ich auch einfach eine Weile hier liegen bleiben, bis es mir bessergeht.«

»Soll ich dir Schmerztabletten holen?«

»Ja, bitte!«

Ich ging zurück ins Haus, zog mir eine Jacke an, denn es war doch ganz schön frisch draußen und konnte wohl noch eine Weile dauern, und suchte aus meinen Vorräten und denen des gutmütigen Göttergatten eine Auswahl an Schmerzmitteln zusammen und brachte sie zusammen mit einem Glas Wasser an den Unfallort.

Dort unterhielt sich inzwischen Frau Branner mit Heikes Füßen und gab ihnen anscheinend Behandlungstipps. »... Franzbranntwein einreiben und ab ins Bett! Das hat bei meinem seligen Richard auch immer geholfen.«

»Guten Tag, Frau Branner! Gut sehen Sie aus!«, begrüßte ich sie freudestrahlend. »Na, haben Sie schon einmal solche Kürbisse gesehen?«

»Ja, ich sagte auch gerade, dass das Gemüse von Jahr zu Jahr größer wird. Das liegt bestimmt am Klimawandel! Ich esse ja nur noch kleine Portionen. Das ist so, wenn man älter wird. Manchmal denke ich, dass sich das Kochen eigentlich kaum noch lohnt, aber was soll ich sonst vormittags machen? Selbst gekocht schmeckt es doch einfach am besten!«

»Hast du die Tabletten gefunden?«, klang es etwas gedämpft aus dem Auto.

»Ich kann dir anbieten: Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen. Was möchtest du und wie viel davon?«

»Ich versuche es erst einmal mit 400 mg Ibuprofen. Wenn ich dann immer noch nicht aus diesem verdammten Auto rauskomme, gib mir zwei Packungen Paracetamol und eine Flasche Franzbranntwein zum Runterspülen! Ich kann nicht mehr!«

»Acetylsalicylsäure ist nicht gut für den Magen!«, erklärte uns Frau Branner, während ich Heike durch die hintere Tür erst zwei Tabletten und dann das Wasserglas reichte. »Ich kann Ihnen auch noch eine Packung Paracetamol bringen, wenn Ihre nicht reichen«, fügte sie hinzu und beobachtete uns interessiert.

»Ist Beihilfe zum Selbstmord nicht strafbar?«, fragte ich Heike leise. Sie flüsterte zurück: »Bitte, bitte, bitte, Monika, schaff sie mir vom Hals. Deine Fragen ertrage ich ja gerade noch so, aber gute Ratschläge geben mir den Rest.«

»Kennen Sie ein gutes Rezept für Kürbissuppe, Frau Branner?«, versuchte ich mein Glück.

»Oh, ja! Meine Tochter gab mir letztens eins mit Ingwer, als sie mir half, die Kürbisse auszuhöhlen. Ich dekoriere meine Eingangstreppe immer in den Wochen vor Allerheiligen ein bisschen. Ich weiß zwar nicht, wozu das eigentlich gut sein soll, aber man sieht das jetzt überall, und in der Wochenendzeitung war mal eine tolle Anleitung. Die habe ich mir ausgeschnitten und aufgehoben. Vor zwei Jahren verbrannte ich mir mal ganz schön die Finger, als ich das brennende Teelicht hineinstellen wollte. Da hat mir meine Tochter den Tipp gegeben, mir so ein ganz langes Feuerzeug zu kaufen. Wie heißen die nur?« Sie sah mich ratlos an.

»Mit Ingwer?«, half ich nach, denn mein Plan schien nicht aufzugehen, und Heike kam sicher schon fast um vor Ungeduld.

»Nein, irgendwas mit Stecken oder so. Stiel?«

»Stabfeuerzeug!«, klang es ziemlich genervt aus der offenen Kofferraumklappe.

»Ja, richtig!« Frau Branner strahlte.

»Das Suppenrezept war mit Ingwer?«, hakte ich nochmals nach.

»Ja, genau. Mit frischem Ingwer. Soll ich es Ihnen abschreiben?«

»Oh, ja, bitte, ich liebe Ingwer!«, log ich. »Heike gibt mir bestimmt etwas von dem Kürbisfleisch ab. Da kann ich nachher meinen Mann mit einer Suppe überraschen.«

Frau Branner verabschiedete sich hastig mit einem unternehmungslustigen Glitzern in den Augen, und ich konnte mich wieder ganz der Rückenpatientin widmen.

»Du kannst das ganze verdammte Kürbisfleisch haben und die Kürbiskerne und eine Buddel Cognac obendrauf, wenn du mich nur heil auf die Couch bringst!«, schallte es mir entgegen, als ich nach ihr sah.

»Wo ist der Autoschlüssel?«

»In meiner Jackentasche.«

»Bleib so! Ich hole ihn selbst heraus.«

»Was ist? Hast du ihn?«

»Ja.«

»Ich habe gar nichts gespürt!«

»Bist du gelähmt?«, rief ich entsetzt.

»Nee, aber du hast das Talent zur Taschendiebin. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Los, fahr das Auto raus, bevor Frau Branner zurückkommt!«

Vorsichtig setzte ich den Wagen ein paar Meter zurück, stieg aus und öffnete die rechte hintere Tür. »Soll ich eine Schubkarre holen?«

»Nein, ich mache mich lieber ohne technische Hilfsmittel zum Gespött.«

Im Zeitlupentempo robbte Heike zur Autotür, schob den Oberkörper ein kleines Stück hinaus und stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab. Dann schien es aber nicht mehr weiterzugehen, und ich lernte ein neues Schimpfwort.

»Soll ich vielleicht ziehen oder von hinten schieben?«, fragte ich und war bereit, über eventuelle unflätige Antworten großzügig hinwegzusehen, da ich mir nicht sicher war, ob es mir vollständig gelang, mir das Grinsen zu verkneifen.

Aber es kam lammfromm: »Ja, bitte, zieh mal vorsichtig ein kleines Stück.«

Ich griff ihr unter die Achseln und zog sie, vom Ausbleiben der Schmerzensschreie ermutigt, bis zur Hüfte aus dem Auto. »Soll ich noch weiter, oder versuchst du es lieber selbst wieder?«

»Lieber selbst.« Noch nie zuvor hatte ich sie so zahm und wortkarg erlebt. Ich entdeckte völlig neue Seiten an meiner Nachbarin. Sie drehte sich leicht auf die Seite, zog das rechte Bein an und ließ sich aus dem Auto rutschen. Danach nahm sie erstaunlich flott auf allen vieren eine Abkürzung über den Zierrasen und erklomm auf dieselbe Weise die Eingangstreppe.

Ich sperrte die Eingangstür auf und ging zurück zum Auto, um es abzuschließen und die Kürbisse in die Küche zu tragen. Dann sah ich im Wohnzimmer nach Heike, die es sich auf dem Teppich bequem gemacht hatte.

»Soll ich dir auf die Couch helfen?«

»Nein, ich habe Angst, dass ich nicht mehr herunterkomme. Kannst du mir etwas Wasser und Seife holen, damit ich mir die Hände waschen kann? In der Küche steht unter der Spüle eine Schüssel.«

Ich holte das Gewünschte und half ihr.

»Willst du wirklich etwas von dem Kürbis haben, oder hast du das nur so gesagt, damit sie verschwindet?«

»Bevor du das wegschmeißt, nehme ich es mit, denn ich esse gerne Kürbis und habe noch Platz in der Gefriertruhe.«

»Ich sage Manfred Bescheid, dass er beim Aushöhlen das Fleisch von den Kernen trennt.«

Ich dachte an einen netten Nachbarn, der völlig erschöpft von der Arbeit heimkam und dann auch noch Kürbisinnereien für Nachbarinnen sortieren sollte, und da entschlüpfte es mir auch schon: »Ich kann das auch selbst machen, wenn dir das recht ist.«

»Oh, würdest du das für mich tun? Ich habe Britney felsenfest drei leuchtende Kürbisse zu Halloween versprochen und es aber ständig aufgeschoben oder vergessen. Wenn ich das heute nicht bis zum Einsetzen der Dämmerung auf die Reihe kriege, hat das dramatische Folgen für meine Erziehungsarbeit, weil sie mir das jedes Mal vorhalten wird, wenn ich sie an ein Versprechen erinnere.«

Das war natürlich eine Notsituation, gegen die ein Hexenschuss geradezu harmlos erschien. Ich wuchtete die Kürbisse einen nach dem anderen ins Spülbecken und wusch sie gründlich ab.

Danach suchte ich mir das größte Messer heraus, schärfte es sorgfältig und nahm den Kampf gegen das Böse auf. Irgendwie schaffte ich es tatsächlich, drei avantgardistisch geformte Deckel abzusäbeln, und war dann selbst erst einmal ganz schön geschafft. Wenn etwas böse Geister vertrieb, dann doch bestimmt eine Satirikerin, die mit grimmigem Gesichtsausdruck und langem, scharfem Messer in fremden Küchen herumhantierte.

Als ich mich etwas erholt hatte, entfernte ich das Kürbiskerndurcheinander, das ich nicht auch noch verwerten wollte, und packte das Fruchtfleisch in zwei große Salatschüsseln. Danach kochte ich für Heike, die sich auf dem Bauch liegend, ein Heizkissen auf dem Rücken, ein albernes Mittagsmagazin ansah, und mich eine Kanne Tee und setzte mich ein wenig dazu.

Inzwischen konnte Heike schon etwas lächeln und stand – gestärkt vom Tee – vorsichtig mit meiner Hilfe auf. Ich begleitete sie ins Schlafzimmer, wo sie langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht die dreckige Hose gegen die Hose ihres Hausanzugs tauschte.

Als sie anschließend auf der Couch lag, war sie schon wieder munter genug, um mir einen schwarzen Folienstift in die Hand zu drücken. »Damit kannst du das Gesicht auf den Kürbis malen, das du ausschneiden willst.«

Eigentlich hatte ich nur mein Kürbisfleisch herauskratzen und verduften wollen, aber ich sah ein, dass ich sie mit ihrem wichtigen Erziehungsproblem nicht allein lassen konnte. Ich malte also munter ein Gesicht auf einen Kürbis und schnitzte mutig drauflos. Als ich wenig später der Hausherrin das Ergebnis präsentierte, war sie leider nicht so stolz auf mein Werk wie ich. »Das ist ein Smiley!«

»Ja, lustig, nicht?«

»Das soll eigentlich nicht lustig, sondern gruselig sein.«

Ich betrachtete den freundlich und zufrieden in die Welt blickenden Kürbis und stellte fest, dass ich definitiv zu viel Zeit im Internet verbrachte. Das beeinflusste heimlich meine Fantasie.

Ich schämte mich und malte dem nächsten Kürbis ein schaurig-scheußliches Gesicht. Aber irgendwie war es sehr schwer, beim Schnitzen nicht abzurutschen, und das Ergebnis guckte fürchterlich dämlich aus der Wäsche. Dummheit hatte natürlich auch etwas Erschreckendes, und Heike blickte auch ziemlich geschockt auf mein Werk, als ich es ihr zeigte, aber mein Feingefühl sagte mir, dass ich mich beim dritten Exemplar wirklich mal zusammenreißen musste.

Die Haustür wurde aufgeschlossen. Britney kam von der Schule nach Hause. Sie öffnete die Wohnzimmertür und stieß einen schrillen Schrei aus. Was hatte sie nur? Gut, ihre Mutter lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Couch, und ich beugte mich mit einem riesigen Messer in der rechten Hand und einem dumm dreinschauenden Kürbis unterm linken Arm über sie. Und dass ich manchmal etwas komisch drauf war, hatte sich sicherlich auch schon in der Nachbarschaft herumgesprochen. Aber war das ein Grund zum Kreischen?

Als Britney sich beruhigt hatte, kam man überein, dass sie mit einem Wurstbrot vorliebnehmen und abends vom Vater etwas Warmes gekocht bekommen sollte, und ich hatte die Küche bald wieder ganz für mich.

Ich setzte mich auf einen Küchenstuhl, nahm den Kürbis auf den Schoß, wiegte ihn hin und her und versuchte ein Brainstorming zum Thema Halloween. Viele gruselige Bilder tauchten vor meinem geistigen Auge auf und verschwanden wieder, um für neue Platz zu machen. Irgendwann begann meine Hand wie von selbst, ein Gesicht zu schnitzen, während mein Ich wie in Trance teilnahmslos zusah. Plötzlich schreckte ich hoch und hätte mich fast geschnitten.

Heike stand hinter mir in der Tür und blickte verstört auf mein jüngstes Werk. »Der hat wirklich etwas Gespenstisches! Nicht so, wie man sich das bei einem Kürbis vorstellt, aber auf eine subtile Art ... irgendwie ...«

Ich sah mir das Gesicht genauer an und fühlte mich an jemanden erinnert. Aber an wen? Der Mund. Es war der Mund. Er sah aus, als wolle er nuscheln. Oder granteln? Oder beides? An wen hatte ich da gedacht? Was war in meinem Kopf geschehen, als er sich in völligem Leerlauf befunden hatte?

Ich spulte im Geiste den Film zurück und hörte eine Stimme die »Halloween« flüsterte. Immer und immer wieder. Doch dann begann sie zu nuscheln, und es hörte sich mehr und mehr wie »Hallo, Wien!« an. Und ich sah ... ich sah ... Hans Moser.

Was ging denn bloß in meinem Kopf ab, wenn ich mal drei Minuten nicht aufpasste? Natürlich hatte ich mir als Kind mit meiner Oma diese schrecklichen Filme angesehen, aber waren sie so furchtbar gewesen, dass sie mich noch heute in meinem Unterbewusstsein verfolgten? Mich ansprangen, wenn ich an etwas Gruseliges denken wollte? Und konnte man das therapieren? Egal!

Ich räumte die Küche auf, platzierte die zweifelhaften Kunstwerke auf der Außentreppe, verabschiedete mich von Heike und Britney, die inzwischen nicht mehr ganz so blass war, und trug die beiden vollen Schüsseln mit dem Kürbisfleisch einzeln nacheinander zu uns nach Hause. Im Briefkasten fand ich das Rezept von Frau Branner, die wahrscheinlich vergeblich geklingelt hatte, und ich beeilte mich, sie telefonisch zu loben, mich zu bedanken und meine Abwesenheit zu erklären.

Später traf der gutmütige Göttergatte in seinem Heim eine müde Ehefrau an, die riesige Mengen Kürbis kochte und eindoste. Eine Halloweenmaske erübrigte sich bei mir genauso wie bei ihm die Frage »Was essen wir heute?«, denn mein erschöpfter Gesichtsausdruck war sicher auch so gruselig genug.

»Warum hast du eigentlich so viel Kürbis gekauft?«, fragte er mich später beim Essen.

»Das habe ich gar nicht. Das war ein Geschenk von Heike.«

»Seit wann baut die denn Kürbis im Garten an?«

»Sie baut ihn nicht an. Sie hat ihn gekauft.«

»Und dann verschenkt sie ihn? Muss ich das verstehen?«

»Nein. Ich verstehe es ja eigentlich auch nicht. Sie wollte bloß die Schalen als Deko.«

»Kürbisschale als Deko? Flicht sie daraus Türkränze? Nimmt sie auch Kartoffelschalen?«

»Nein. Sieh mal aus dem Fenster. Dann weißt du, was ich meine.«

Er stand auf und blickte hinüber. »Ach, so! Die sehen ja mal bescheuert aus! Wenn man keine künstlerische Ader hat, sollte man das Schnitzen besser sein lassen!«

»Ja, das finde ich auch. Deshalb lasse ich es ja auch normalerweise sein.«

»Hast du die geschnitzt?«

»Ja.«

»Muss ich das verstehen?«

»Nein.«

»Äh ... eigentlich sehen sie recht nett aus, wenn ich sie mir so genauer ansehe ...«

Ich musste lachen. »Wenn man keine lügnerische Ader hat, sollte man Komplimente besser sein lassen.«

»Los! Erzähl schon, was heute los war! Du platzt doch sonst!«

Doch gerade, als ich ihn in die Ereignisse des Nachmittags einweihen wollte, klingelt es an der Tür. Draußen standen ein Gespenst und ein Monster, die entweder an Riesenwuchs litten oder auch mit viel Wohlwollen nicht mehr als Kinder bezeichnet werden konnten. Da ich jedoch Verständnis für kindische Anwandlungen hatte, weil ich meine eigenen regelmäßig pflegte, bekamen sie auch ein paar der kleinen Gummibärchentütchen, die ich eigentlich für die Kinder gekauft hatte.