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Seitenzahl: 150
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 371
Textanalyse und Interpretation zu
Juli Zeh
NEUJAHR
Von Thomas Möbius
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgabe: Zeh, Juli: Neujahr. München: btb, 6. Auflage 2019.
Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. phil. habil. Thomas Möbius, Studium Germanistik/ev.Theologie/Philosophie, Studienrat an einem Gymnasium in Mannheim und an der German European School in Singapur, Akademischer Oberrat an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, nach Professuren in Freiburg, Osnabrück, Greifswald und Aachen, Professor für Germanistische Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Für Philipp
1. Auflage 2022
ISBN 978-3-8044-7062-0
© 2022 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Straße auf Lanzarote, Bild von Christian_Birkholz auf Pixabay
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Juli Zeh: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Erster Teil
Zweiter Teil / Tag 1 ohne Eltern
Dritter Teil / Tag 2 ohne Eltern
Vierter Teil / Tag 3 ohne Eltern
Kapitel 4
Kapitel 5
3.3 Aufbau
Die Grundstruktur der Handlung
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Henning
Theresa
Luna
Lisa
Noah
Nebenfiguren
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Textgattung
Erzählperspektive
Narrative Struktur
3.7 Interpretationsansätze
Trauma-Bewältigung durch Erinnerung
Worin besteht das Trauma?
Wie reagieren die Eltern auf die traumatischen Erfahrungen der Kinder?
Wann bricht unverarbeitetes Trauma auf?
Wie gelingt die Aufarbeitung des Traumas?
Auseinandersetzung mit einem modernen Geschlechterrollenverständnis
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Definition „Roman“
Definition „Familienroman“
Definition „Neue Subjektivität“
Definition „Traumatheorie“
Definition „Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)“
Interview mit Juli Zeh zu Neujahr
Rezensionen zu Neujahr
Rollen- und Familienbilder
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 *
Aufgabe 4 ***
Literatur
Zitierte Ausgabe
Weitere Quellen
Lernhilfen, Materialien, Kommentare
Rezensionen und Forschungsliteratur
Internet-Adresse
Bildnachweise Wikimedia
Damit sich alle Leserinnen und Leser in unserem Band rasch zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht:
Im zweiten Kapitel werden das Leben von Juli Zeh und der zeitgeschichtliche Hintergrund beschrieben:
Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren. Sie studierte Rechtswissenschaft und Literaturwissenschaft in Passau und Leipzig, absolvierte 2003 das Zweite Juristische Staatsexamen und wurde 2010 zur Dr. jur. promoviert. Ihr erster Roman Adler und Engel erschien 2001. Seither ist sie literarisch äußerst produktiv.
Die Zeit seit der Jahrtausendwende war politisch geprägt durch den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und dem darauffolgenden „Kampf gegen den Terror“, der sich innenpolitisch vor allem durch zunehmende staatliche Überwachung bemerkbar machte. Daneben führte die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche zu einer immer stärkeren Verwischung der Grenze zwischen privatem und öffentlichem Bereich. Seit 2010 prägen die Themen Migration und Klimawandel, seit 2020 die Frage des angemessenen Umgangs mit der Corona-Pandemie die politischen Diskurse.
Der Roman Neujahr wurde 2018 veröffentlicht. Er zählt zu den realistischen Erzähltexten, ohne dass er explizit einem bestimmten Genre zugeordnet werden könnte.
Im dritten Kapitel bieten wir eine Textanalyse und Interpretation.
Neujahr – Entstehung und Quellen:
In einem Interview erzählt Juli Zeh, dass ihr die Idee für den Roman während eines Urlaubs auf Lanzarote gekommen sei. Auf der Insel habe sie den Roman dann auch geschrieben.
Inhalt:
Henning, der Protagonist des Romans, der seit einiger Zeit unter schweren Panikattacken leidet, macht mit seiner Familie Urlaub auf Lanzarote. Am Neujahrstag fährt er mit dem Rad nach Femés und gelangt dort zu einem Haus, das er zu kennen glaubt. In einer Rückblende erinnert er sich daran, als Kind gemeinsam mit seinen Eltern in dem Haus Urlaub gemacht zu haben. Während des Urlaubs verschwinden die Eltern und Henning gibt einem vermeintlichen Monster, das unter dem Haus leben soll, die Schuld daran, während er versucht, seine Schwester Luna zu beschützen. Am Ende stellt sich heraus, dass es während des Aufenthalts zu einem heftigen Ehestreit gekommen ist und dass die Mutter bei dem Versuch, den überstürzt nach Deutschland zurückreisenden Vater aufzuhalten, einen Verkehrsunfall erlitten hat, die Kinder kommen daraufhin in die Obhut des Gärtners Noah, bis die Mutter aus dem Krankenhaus entlassen ist. Dem erwachsenen Henning gelingt es durch die Erinnerung an das Trauma, sein übersteigertes Verantwortungsgefühl für seine Schwester und damit das den Panikattacken zugrunde liegende Trauma zu verstehen und angemessene Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen.
Chronologie und Schauplätze:
Der Roman spielt im Jahr 2018 und weist drei Erzählebenen auf. Die Erzählgegenwart der Kapitel 1, 2 und 4 ist der Neujahrstag 2018 und spielt auf Lanzarote. Die Analepse des dritten Kapitels, die Erinnerung Hennings an den Ferienaufenthalt auf Lanzarote als Kind, spielt wahrscheinlich im Jahre 1986/1987. Die Erzählgegenwart des fünften Kapitels spielt im Januar 2018, nach der Rückkehr der Familie nach Göttingen.
Personen:
Die Hauptpersonen sind:
Henning:
Protagonist des Romans, 35–37 Jahre alt, verheiratet mit Theresa, Vater von zwei Kindern, Verlagslektor, halbtags berufstätig
ausgeprägtes Verantwortungs- und Schuldgefühl, erlebt seit zwei Jahren Panikattacken, ohne die Ursache dafür zu kennen
Lanzarote-Urlaub ruft die verdrängte Erinnerung an ein hochtraumatisierendes Kindheitserlebnis hervor, die es ihm möglich macht, die Ursache für die Panikattacken zu identifizieren
Theresa:
33/34 Jahre alt, Steuerberaterin, Ehefrau von Henning, zwei Kinder, halbtags berufstätig
lebensfroh und kommunikationsstark, selbstbewusst und durchsetzungsfähig
kritisiert Luna wegen der fehlenden Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen
Luna:
33/34 Jahre alt, keine Ausbildung, unverheiratet, kinderlos, will Schriftstellerin werden
lebt in enger Verbindung zu ihrem Bruder Henning, dem sie nach seinem Auszug aus dem Elternhaus stets folgt
Charaktermerkmale sind Unbeständigkeit und eine wenig ausgeprägte Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Leben zu tragen
Lisa:
Mitte 50, verheiratet, leger gekleidet, gastfreundlich und hilfsbereit
spätere Eigentümerin des ehemaligen Ferienhauses auf Lanzarote, in dem das Kind Henning mit seiner Familie den Urlaub verbringt
zahlreiche Reminiszenzen an Hennings Mutter (Zopf, Tortilla, schwarze Steine) dienen der Plausibilisierung des Einbruchs der Erinnerung in das Bewusstsein Hennings
Noah:
arbeitet als Gärtner im Ferienhaus auf Lanzarote
hat eine sexuelle Affäre mit Hennings Mutter Ulla
rettet die Kinder aus der lebensbedrohlichen Situation nach dem Weggang der Eltern, bringt sie zu seiner Mutter, die die Kinder versorgt
Neben diesen Hauptfiguren existiert eine Reihe von Nebenfiguren wie z. B. die Kinder Hennings, Bibbi und Jonas, sowie dessen Eltern Werner und Ulla und die Schwiegereltern Rolf und Marlies.
Stil und Sprache:
Der Roman ist in Alltagssprache verfasst. In der Analepse wird das Geschehen im Haus auf Lanzarote aus der Perspektive des Kindes Henning sprachlich und inhaltlich wiedergegeben. Die Erzählweise lässt sich als heterodiegetisch beschreiben, der Erzähler ist intern (auf die Figur Henning) fokalisiert, es werden ausschließlich seine Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle geschildert. Die Kapitel sind durch wiederkehrende Leitmotive eng miteinander verknüpft, nach der Erinnerung in Kap. 3 wird die Bedeutung der Motive, die in Kap. 1 und 2 auftauchen, plausibel.
Interpretationsansätze:
Der Roman gestaltet das Thema „Trauma-Bewältigung durch Erinnerung“. Auch die Auseinandersetzung mit modernen Rollenbildern im Hinblick auf die Aufgabenverteilung in Familie und Beruf spielt eine Rolle.
Juli Zeh (* 1974)© picture alliance / Susannah V. Vergau / dpa
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
1974
Bonn
Geburt am 30. Juni
1993–1998
Passau, Leipzig
Studium der Rechtswissenschaft (Stipendiatin der Studentenstiftung des Deutschen Volkes) Erstes Juristisches Staatsexamen
19–24
1996–2000
Leipzig
Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig Erste Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Essays, später auch Romane und Bühnenstücke
22–26
1999–2001
Leipzig
Magisterstudium für Europarecht
25–27
2001
Leipzig
Debütroman Adler und Engel
27
2001–2003
Leipzig
Juristisches Referendariat beim Landgericht Leipzig Zweites Juristisches Staatsexamen
27–29
2007
Barnewitz
Umzug mit Familie nach Barnewitz/Havelland Tätigkeit als Volljuristin und Schriftstellerin
33
2008
Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des biometrischen Reisepasses
34
2010
Saarbrücken
Promotion zum Dr. jur.
36
2013
Berlin
Petition an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit über 67.000 Unterschriften und einen „Marsch aufs Kanzleramt“ für eine angemessene politische Reaktion auf die Spionageaktivitäten der amerikanischen NSA in Deutschland
39
2017
Berlin
Eintritt in die SPD
43
seit 2018
Potsdam
Ehrenamtliche Richterin am Landesverfassungsgericht Brandenburgs
44
Juli Zeh wurde am 30. Juni 1974 in Bonn als Tochter eines Juristen und einer Übersetzerin geboren. Ab 1993 studierte sie mit einem Stipendium der Studienstiftung Rechtswissenschaft an den Universitäten in Passau und in Leipzig; nach dem ersten Staatsexamen 1998 und der erfolgreichen Absolvierung eines Aufbaustudiengangs „Recht der Europäischen Integration“ (2001) legte sie 2003 auch das Zweite Juristische Staatsexamen ab. Neben ihrem rechtswissenschaftlichen Studium belegte sie seit 1996 Kurse am 1995 wiedereröffneten Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und erwarb dort im Jahre 2000 das Abschlussdiplom. Im Jahre 2010 wurde sie mit einer Arbeit zum europäischen Recht über die Rechtsetzungstätigkeiten von Übergangsverwaltungen im Kosovo und Bosnien-Herzegowina zum Dr. jur. promoviert (Das Übergangsrecht. Zur Rechtsetzungstätigkeit von Übergangsverwaltungen am Beispiel von UNMIK im Kosovo und dem OHR in Bosnien-Herzegowina, 2011). Zeh lebt mit ihrer Familie im brandenburgischen Havelland.
Sie veröffentlicht seit 1996 Erzählungen, Romane und Dramen, aber auch Kinderbücher (Das Land der Menschen, 2008; Feldmann und Lammer, 2013; Jetzt bestimme ich, ich, ich!, 2015; Alle Jahre wieder, 2020; Socke und Sophie – Pferdesprache leicht gemacht, 2021) und Sachbücher (Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte, mit Ilija Trojanow, 2009; Die Diktatur der Demokraten – Warum ohne Recht kein Staat zu machen ist, 2012; Was steht da zur Wahl? Über die Zukunft der Politik, mit Hamed Abdel-Samad und Herfried Münkler, 2013; Nachts sind das Tiere, 2014); Gebrauchsanweisung für Pferde, 2019). Unter den Sachbüchern finden sich auch zwei poetologische Schriften (Aufgedrängte Bereicherung. Tübinger Poetik-Dozentur 2010; Treideln. Frankfurter Poetikvorlesungen, 2013).
Häufig beschäftigen sich ihre Texte mit zeitaktuellen gesellschaftspolitischen Fragen: In dem zusammen mit Ilja Trojanow verfassten Sachbuch Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte (2009) beispielsweise warnt sie vor dem Verschwinden der Privatsphäre durch die immer perfekter werdenden technischen Instrumente der staatlichen und ökonomischen Überwachung des Individuums – das ist ein Thema, das im Zentrum des dystopischen Romans Corpus Delicti (2009) steht: Corpus Delicti spielt in der Mitte des 21. Jahrhunderts in einem Überwachungsstaat, der das Ziel verfolgt, seinen Bürgern ein gesundes und langes Leben zu ermöglichen. Zur Erreichung des Ziels kontrolliert der Staat die Lebensführung jedes Einzelnen, eine ungesunde Lebensweise wird bestraft.
Südosteuropa und Fragen des Europarechtes stehen nicht nur im Zentrum ihrer Dissertation, sondern auch im Mittelpunkt ihres Debütromans Adler und Engel (2001), der von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen wurde und in dem es um die Spannung zwischen Recht und Gerechtigkeit geht. Um Südosteuropa geht es auch in ihrem romanhaften Reisebericht Die Stille ist ein Geräusch. Eine Fahrt durch Bosnien (2002), in dem sie ein Land besucht, in dem die Spuren des kriegerischen Konfliktes nach wie vor deutlich sichtbar sind.
Um Macht und Verführung dreht sich der Plot im Roman Spieltrieb (2004), der 2013 von Georg Schnitzler verfilmt und von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet wurde. Im Jahre 2012 war bereits ihr Kriminalroman Schilf (2007), der von der Kritik überwiegend negativ bewertet wurde, in einer von Claudia Lehmann inszenierten Filmversion in die Kinos gekommen. Weitere Werke seit 2012 sind der kriminalistische Beziehungsroman Nullzeit (2012), der erfolgreiche Dorfroman Unterleuten (2016), der 2018 auch für das ZDF verfilmt wurde (Regie: Matti Geschonneck), der dystopische Roman Leere Herzen (2017), der Roman Neujahr (2018), der Gegenstand der vorliegenden Erläuterung ist, der Weihnachtsroman Alle Jahre wieder (2020) sowie der in der bundesrepublikanischen Gegenwart spielende sozialkritische Roman Über Menschen (2021),
Auch in ihren dramatischen Werken finden sich überwiegend zeitkritische Aspekte: Corpus Delicti erschien im Jahre 2007 als Bühnenstück, bevor es zwei Jahre später als Roman publiziert wurde. In der Komödie Der Kaktus (2009) wird auf satirische Weise auf einen Staat aufmerksam gemacht, der die Bürgerrechte aus Sicherheitsgründen immer mehr einschränkt; in Good Moring, Boys and Girls (2010) geht es um Amokläufe an Schulen, um das Thema „Überwachung“ dreht sich die Komödie 203 (2011), zeitkritische Stücke sind auch Yellow Line (mit Charlotte Roos, 2012) sowie Mutti (mit Charlotte Roos, 2014).
Darüber hinaus macht Juli Zeh in Talkshows, Zeitungen und Protestbriefen auf ihre politische Position aufmerksam, beispielsweise initiierte sie im Jahre 2013 gemeinsam mit zahlreichen anderen Schriftstellern einen in mehreren internationalen Tageszeitungen erschienenen Aufruf gegen die staatliche Massenüberwachung, 2014 protestierte sie mit einer großen Zahl von Mitunterzeichnern gegen den Online-Händler Amazon.
ZUSAMMENFASSUNG
In diesem Kapitel werden schlaglichtartig die wichtigsten Aspekte der bundesrepublikanischen Geschichte nach 1960 skizziert, ohne dass die Aufzählung Vollständigkeit beanspruchen kann. Viele dieser Aspekte, insbesondere die politischen Themen seit der Jahrtausendwende, greift Zeh in ihren Texten auf.
Wichtig für den Zeitraum von den 1960er Jahren bis heute:
nach dem wirtschaftlichen Wiederaufbau in den 1950er Jahren, Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit in den 1960er Jahren
Politisierung aller Lebensbereiche in den 1970er und 1980er Jahren
Wiedervereinigung in den 1990er Jahren
Auseinandersetzung mit den ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Folgen der Wiedervereinigung seit den 1990er Jahren
Ereignisse im Ausland, vor allem die Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien und die islamischen Terroranschläge, beeinflussen die deutsche Innenpolitik
seit 2010 bestimmen wirtschaftliche Themen („Finanzkrise“ 2007–2010), der Klimawandel, die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche und die Migration den politischen Diskurs
Die literarischen Texte wie auch die Sachtexte Zehs spielen entweder in der bundesrepublikanischen Gegenwart oder greifen aktuelle Gegenwartsthemen auf. Juli Zeh ist eine Autorin, die zu den politischen Fragen der Gegenwart Stellung bezieht. Obgleich sich Neujahr eher mit einer individuellen Trauma-Erfahrung in der Kindheit befasst, scheint in der Figurenzeichnung von Hennings Eltern oder von Lisa das politisch-kulturelle Klima der 1970er und 1980er Jahre durch.
In der Bundesrepublik waren die 1950er Jahre bestimmt durch den Wiederaufbau, der sich, auch unterstützt durch massive amerikanische Finanzhilfen („Marshallplan“), bald zum sogenannten „Wirtschaftswunder“ entwickelte. Am Ende der 1950er Jahre waren der Wiederaufbau und die politische Westintegration der Bundesrepublik (NATO-Beitritt 1955, EWG-Vertrag 1957) abgeschlossen. Die einseitige Ausrichtung auf wirtschaftlichen Erfolg und das nach den Kriegsjahren durchaus verständliche Nachholen von Konsumbedürfnissen zeigten in der sogenannten „Adenauer-Ära“ ihre Schattenseiten beispielsweise in der einseitigen Orientierung an materiellen Wünschen und in der Verdrängung der NS-Vergangenheit: Schon kurz nach Kriegsende forderten erste Stimmen, einen „Schlussstrich“ unter die deutsche Vergangenheit zu ziehen; viele ehemalige Nazis und Parteimitglieder konnten in der Bundesrepublik in Wirtschaft, Justiz und Politik Karriere machen. Nicht zuletzt an diesem Desinteresse an einer Aufarbeitung während der Adenauer-Ära entzündeten sich die Studentenproteste Ende der 1960er Jahre.
Juli Zehs Geburtsjahr 1974 fällt mitten in eine Ära, in der die Auswirkungen der Studentenproteste durch eine Politisierung aller Lebensbereiche spürbar wurden: Von 1966 an regierte die SPD die Bundesrepublik, zunächst in einer großen Koalition, ab 1969 dann in einer Koalition mit den Liberalen unter Bundeskanzler Willi Brandt bzw. Helmut Schmidt. Die SPD setzte mit ihrer innenpolitisch umstrittenen Ostpolitik auf Entspannung und Vertrauensbildung zwischen den Machtblöcken („Ostverträge“ 1972). Gesellschaftlich waren die 1960er und 1970er Jahre von heftigen Auseinandersetzungen, kulturellen Umbrüchen und Generationenkonflikten geprägt: Eine marxistisch-maoistisch orientierte „Außerparlamentarische Opposition“ (APO) richtete sich gegen die Politik der Großen Koalition (z. B. 1968 gegen die „Notstandsverfassung“), gegen den Krieg der USA in Vietnam sowie grundsätzlich gegen die Werte einer bürgerlichen Gesellschaft („Studentenrevolte“, Auseinandersetzung mit der verdrängten NS-Vergangenheit der Eltern-Generation). In den 1970er Jahren mündeten militante Ausläufer der Protestbewegung in den Terrorismus der RAF („Rote Armee Fraktion“), in deren Verlauf zahlreiche Straftaten (darunter über 30 Morde) begangen wurden.
Die DDR, die sich seit 1961 durch den Mauerbau vom Westen abgeschottet hatte, reagierte in den 1970er Jahren auf die lauter werdende Kritik ihrer Intellektuellen an der herrschenden Bevormundung und an der wirtschaftlichen Entwicklung mit der Bespitzelung durch die Staatssicherheit und einem Heer „inoffizieller Mitarbeiter“, der Verhängung von Berufsverboten, mit Inhaftierung sowie mit Ausbürgerungen und Abschiebungen. Prominente DDR-Dissidenten waren Jürgen Fuchs, Wolf Biermann, Rudolf Bahro, Erich Loest, Hans Mayer und Bettina Wegener.
Die 1980er Jahre waren in der Bundesrepublik gekennzeichnet durch den Regierungswechsel von der sozial-liberalen zur christlich-liberalen Koalition von CDU und FDP unter Führung von Bundeskanzler Helmut Kohl. Die Opposition gegen den sogenannten „NATO-Doppelbeschluss“ 1979 (Erweiterung der nuklearen Mittelstreckenwaffen in Westeuropa) und ein zunehmendes ökologisches Bewusstsein führten zur Gründung zahlreicher Bürgerinitiativen, Friedens- und Umweltschutzbewegungen sowie alternativer politischer Gruppierungen. Bei der Bundestagswahl 1983 zog erstmals die 1980 gegründete Partei „Die Grünen“ in den Bundestag ein. Die Neuausrichtung der sowjetischen Politik, die der neue Parteichef Michail Gorbatschow mit den Schlagworten „Perestroika“ (Umgestaltung, Umbau) und „Glasnost“ (Transparenz, Offenheit) betrieb, führte im Jahre 1989 zusammen mit dem gewaltlosen Widerstand der DDR-Bürger zur Öffnung der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten (9. 11. 1989) und im Jahr darauf zur offiziellen Wiedervereinigung (3. 10. 1990).
Die 1990er Jahre wurden außenpolitisch bestimmt durch die Neudefinition der Rolle, die