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Smart und clever. Gutaussehend. Schlecht gelaunt. Darf ich vorstellen: mein neuer Chef.
Ember arbeitet gerne in ihrer neuen Stelle als Tierarzthelferin, allerdings sind ihre vierbeinigen Patienten alle kerngesund. Dafür sitzen im Wartezimmer unzählige, angeblich besorgte, Tierhalterinnen, die nur ein Ziel haben: eine Audienz bei dem überaus attraktiven Doktor Gray Caldwell, genannt Doc. Der heißeste Tierarzt aller Zeiten, umschwärmt, begehrt und ungemein sexy. Auch Ember kann Docs Ausstrahlung kaum widerstehen, aber natürlich lässt sie sich das nicht anmerken, schließlich ist Doc ihr neuer Chef. Stattdessen interessiert sich Ember immer mehr für seine Vergangenheit und ahnt nicht in welche Gefahr sie Doc und sich damit bringt…
Doc hat als einziger Tierarzt von Hearts Edge alle Hände voll zu tun. Kurzerhand stellt er die sympathisch klingende Ember Delwen nach einem Telefonat als seine neue Assistentin ein. Doch er hat niemals damit gerechnet, dass diese schüchterne, unscheinbare und nicht zuletzt auch ungeschickte Frau sein Herz so anrühren würde. Doch er wird seinen Gefühlen niemals nachgeben, denn er weiß um die Geheimnisse in seiner Vergangenheit und welche Gefahr sie bergen. Gefühle zu zeigen und eine Frau in sein Leben zu lassen, wäre lebensgefährlich.
Kann Doc Ember widerstehen oder wird seine Vergangenheit die beiden einholen und vernichten?
Der zweite Band der großen "Heroes of Heart´s Edge" Reihe!
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Seitenzahl: 644
Smart und clever. Gutaussehend. Schlecht gelaunt. Darf ich vorstellen: mein neuer Chef.
Ember arbeitet gerne in ihrer neuen Stelle als Tierarzthelferin, allerdings sind ihre vierbeinigen Patienten alle kerngesund. Dafür sitzen im Wartezimmer unzählige, angeblich besorgte, Tierhalterinnen, die nur ein Zeil haben: eine Audienz bei dem überaus attraktiven Doktor Gray Caldwell, genannt Doc. Der heißeste Tierarzt aller Zeiten, umschwärmt, begehrt und ungemein sexy.
Auch Ember kann Docs Ausstrahlung kaum widerstehen, aber natürlich lässt sie sich das nicht anmerken, schließlich ist Doc ihr neuer Chef. Stattdessen interessiert sich Ember immer mehr für seine Vergangenheit und ahnt nicht in welche Gefahr sie Doc und sich damit bringt…
Doc hat als einziger Tierarzt von Hearts Edge alle Hände voll zu tun. Kurzerhand stellt er die sympathisch klingende Ember Delwen nach einem Telefonat als seine neue Assistentin ein. Doch er hat niemals damit gerechnet, dass diese schüchterne, unscheinbare und nicht zuletzt auch ungeschickte Frau sein Herz so anrühren würde. Doch er wird seinen Gefühlen niemals nachgeben, denn er weiß um die Geheimnisse in seiner Vergangenheit und welche Gefahr sie bergen. Gefühle zu zeigen und eine Frau in sein Leben zu lassen, wäre lebensgefährlich.
Kann Doc Ember widerstehen oder wird seine Vergangenheit die beiden einholen und vernichten?
Der zweite Teil der großen »Heroes of Heart’s Edge« Reihe!
Über Nicole Snow
Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.
Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.
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Nicole Snow
No good Doctor – Gray
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Sonja Fehling
Inhaltsübersicht
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I: Ein verrückter Hund (Ember)
II: Welpenschutz (Doc)
III: So ein Hundeleben (Ember)
IV: Wie Hund und Katze (Doc)
V: Auf den Hund gekommen (Ember)
VI: Vorsicht vor dem Hunde (Doc)
VII: Wie ein bunter Hund (Ember)
VIII: Fledermaushaar, Hundeszahn (Doc)
IX: Wie ein Hund an meinen Fersen (Ember)
X: Ein trauriger Hund (Doc)
XI: Mal die Pfoten hochlegen (Ember)
XII: Gassi gehen (Doc)
XIII: Kampfgebell (Ember)
XIV: Ein geprügelter Hund (Doc)
XV: Wo der Hund begraben liegt (Ember)
XVI: Schlafende Hunde soll man nicht wecken (Doc)
XVII: Eine läufige Hündin (Ember)
XVIII: Wilde Hunde (Doc)
XIX: Hundeelend (Ember)
XX: Vor die Hunde gegangen (Doc)
XXI: Den Letzten beißen die Hunde (Ember)
XXII: Höllenhunde (Doc)
XXIII: Höllenhunde (Ember)
XXIV: Himmelhundjauchzend (Doc)
XXV: Treu wie ein Hund (Ember)
Epilog: Kein Hundeleben (Doc)
Impressum
Gerade bin ich ziemlich verwirrt.
Heute ist mein erster Tag im neuen Job, und ich habe bereits drei Tiere gesehen, die überhaupt nicht krank waren.
Ich meine, das freut mich natürlich – ich kann es ja nicht ausstehen, wenn Tiere Schmerzen haben; das ist auch einer der Gründe, warum ich Tierarzthelferin geworden bin.
Trotzdem ergibt das irgendwie keinen Sinn.
Keiner der Patienten hatte eine Routineuntersuchung oder Impfauffrischung nötig, und auch sonst liegt keine der Ursachen vor, wieso man üblicherweise mit einem gesunden Tier zum Tierarzt geht.
Dennoch ist jede – und ich meine wirklich jede – der ausschließlich weiblichen Besitzerinnen wahnsinnig besorgt wegen Mr. Luckys Gicht, Maunzis Magenverstimmung oder sonstiger Wehwehchen. Und jedes Mal stellt sich heraus, dass nichts ist.
Also, genau genommen habe ich hier ein Wartezimmer voller Frauen mit dicken, zufriedenen Katzen, Hunden, Vögeln – sogar einer Eidechse -, die sich alle bester Gesundheit erfreuen.
Während ihre Frauchen darauf hoffen, jemand anderen zu sehen als mich.
Dementsprechend ist die Dame, die gerade wartet, dass ich die Untersuchung ihres Bernhardiners beende – der sich offensichtlich einen imaginären Splitter eingetreten hat -, dann auch sehr enttäuscht darüber, dass ich nicht der richtige Doktor bin, wegen dem sie hergekommen ist. Ich würde ja sagen, Arielle Christianson ist eine ziemlich nervige Kundin, aber verglichen mit den zweien, die vor ihr dran waren, ist sie noch harmlos.
Immerhin hat sie mich bisher erst dreimal gefragt, wann er denn endlich in die Praxis komme.
Dr. Caldwell.
In Heart’s Edge von jedem »Doc« genannt. Ich glaube nicht, dass hier irgendjemand seinen Vornamen kennt, und ich bezweifle, dass er ihn mir nennen würde, wenn ich den Mut besäße, ihn danach zu fragen. Er ist echt der seltsamste Mann, der mir je begegnet ist – zumindest den zwei Sekunden nach zu urteilen, die ich bis jetzt mit ihm gesprochen habe.
Hatte ich schon erwähnt, dass diese Situation hier irgendwie seltsam ist?
Vielleicht kapiere ich es ja auch einfach nur nicht.
Aber es leuchtet mir nun mal nicht ein, wieso man sein Haustier in eine Transportbox setzt und es quer durch die Stadt fährt, wenn doch die Chance denkbar gering ist, mit dem – zugegebenermaßen sehr heißen - Tierarzt zu flirten.
Na, jedenfalls ist die halbe weibliche Einwohnerschaft der Stadt hier, um einen Blick auf ihn zu erhaschen.
Gott. Ich komme mir vor, als wäre ich in einer Staffel von Der Bachelor gelandet, allerdings nicht als Kandidatin.
Ich bin eher eine Kameraassistentin oder so was und schaue den Damen mit einer Art ungläubiger Faszination dabei zu, wie sie versuchen, die Aufmerksamkeit des begehrtesten Junggesellen von Heart’s Edge auf sich zu ziehen.
Ich dagegen versuche, mich nicht zu auffällig zu verhalten, als die Tür zum Behandlungszimmer aufgeht und Doc energischen Schrittes hereinkommt.
Er ist groß. Ohne Übertreibung. Ehrlich, er ragt so hoch auf, dass es schon irgendwie einschüchternd wirkt.
Außerdem hat er diesen fast militärischen Gang und Schultern, die bald die Nähte seines Arztkittels sprengen. Wenn er geht, lädt sich die Luft elektrisch auf, und es fühlt sich an, als käme das halbe Universum knirschend zum Stillstand, nur um seinem Wort zu lauschen.
Die Dame, die neben dem Untersuchungstisch wartet, dabei ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippt und eingehend ihre Nägel unter die Lupe nimmt, hebt umgehend den Kopf, richtet sich auf und drückt ihren Rücken so durch, dass ihre Brüste und ihr Hintern in entgegengesetzter Richtung hervorstehen. Dann lächelt sie - oh, wie verführerisch: die Augenlider halb geschlossen und die Lippen nur ein ganz kleines bisschen geschürzt -, woraufhin ich mich echt stark zusammenreißen muss, um nicht die Augen bis in meinen Schädel zu verdrehen.
Ehe Doc auch nur den Hauch einer Gelegenheit bekommt, irgendetwas zu sagen, drängt Arielle sich zu ihm vor, legt ihm eine Hand auf den Arm und blickt schmollend zu ihm auf. »Ach, ich bin ja so froh, dass Sie da sind, Dr. Caldwell, sie …« – aus ihrem Mund klingt das an mich gerichtete Personalpronomen wie ein böser Fluch – »… hat gesagt, meinem Jake würde nichts fehlen, aber ich hab doch gesehen, wie er heute Morgen gehinkt hat.«
Docs grüne Augen durchbohren mich prüfend. Was auch immer dieser Mann sonst noch so an sich haben mag, das Frauenherzen höherschlagen lässt: Auch ich kann nicht leugnen, dass seine Augen eine Wahnsinnswirkung haben.
Sie sind so leuchtend wie die Südsee, und auch genauso tiefgründig und mysteriös, als wäre er hier in Heart’s Edge ans Ufer gespült worden und hätte all die Geheimnisse des Ozeans mit sich gebracht.
Ich schaue sofort weg und konzentriere mich stattdessen auf den Bernhardiner, während ich so tue, als würde ich das Gespräch, das über meinen Kopf hinweg geführt wird, nicht hören.
»Dir geht’s gut, oder, Jake?«, murmle ich dem Hund zu. Der lässt freudig die Zunge heraushängen, als ich ihn im Nacken kraule und mich dabei zu der sensiblen Stelle hinter seinen Ohren vorarbeite. »Du wirst einfach nur langsam alt, deswegen war dir ein bisschen schwindlig heute Morgen, stimmt’s?«
Immer noch schweigend windet sich Doc so elegant aus Arielles Griff, dass es nicht abweisend wirkt. »Ihre Einschätzung, Ms. Delwen?«
Auf einmal richten sich alle Augen auf mich, und mir rutscht fast das Herz in die Hose. Ich beiße mir auf die Unterlippe und starre krampfhaft weiter den Hund an. »Hm … also, dass er gehinkt hat, haben Sie gesehen, als er aufgestanden ist, richtig?«
Arielle rümpft die Nase und reckt das Kinn in die Luft. »Ja, aber was hat das damit zu tun?«
Ich lächle – nur weil sie unverschämt ist, muss ich das ja noch lange nicht sein. Geht auch nicht, schließlich ist das hier mein Job, und der Kunde hat immer recht.
Außerdem möchte ich an meinem ersten Tag einen guten Eindruck hinterlassen, auch wenn ich bisher nicht mehr getan habe, als dem Bachelor den Rücken freizuhalten.
Wobei für mich eher Jake hier – mit seinem weichen, duftenden Fell und dem süßen schiefen Hundegrinsen – der eigentliche Kunde ist und weniger seine Besitzerin.
»Es hat kurz danach aufgehört, richtig?«, fahre ich mit meinen Fragen fort.
Stirnrunzelnd blickt sie mich an. Anscheinend versucht sie wirklich, sich daran zu erinnern, zumindest zieht sie angestrengt die Augenbrauen zusammen. Dass ihr der Hund wenigstens so wichtig ist, dass sie sich darüber Gedanken macht, nimmt mir etwas von meinen Bedenken. »Hm, vielleicht …«
Plötzlich nervös geworden, sieht Arielle zu Doc hinüber.
Es ist unschwer zu erkennen, dass sie hin- und hergerissen ist zwischen ihrer Sorge um Jake und der Angst, sich lächerlich zu machen, wenn rauskommt, dass sie hauptsächlich hier ist, um herauszufinden, ob der Doktor da ist und eventuell sogar für ein sexuelles Abenteuer zur Verfügung steht.
Und ausgerechnet ich muss ihr jetzt sagen, dass ihr Hund tatsächlich etwas hat. Ich hasse das – vor allem, da ich noch neu in der Stadt bin und niemandem auf die Füße treten will.
Aber Doc beobachtet mich, und sie beobachtet Doc – und ich glaube, Jake beobachtet das Glas mit den Leckerlis, das auf der anderen Seite des Zimmers steht.
Wenigstens einer hier sollte sich Gedanken um den armen Jake machen, oder?
Zärtlich kraule ich den sabbernden Hund unterhalb seines Halsbands. »In seiner Akte steht, dass er elf ist, richtig? Bei einem Hund dieser Größe sind das umgerechnet fast achtzig Menschenjahre, daher hat er die gleichen Beschwerden wie ein achtzigjähriger Mann. Nicht wahr, mein Guter? Ja.« Er stupst mit seiner kalten, feuchten Hundenase gegen meine Wange und stößt ein zustimmendes lautes »Wuff« aus. »Du bist einfach nicht mehr so beweglich wie früher, und wenn du aufstehst, musst du sich erst mal ein bisschen aufwärmen, bevor du laufen kannst, nicht?«
Arielle blickt verwirrt drein. Doc löst seine durchdringenden grünen Augen von mir und richtet sie stattdessen auf seine Kundin, so dass ich endlich wieder durchatmen kann, ohne von seinem Blick durchlöchert zu werden. »Wie Ms. Delwen schon sagte: Jake wird einfach nur älter, aber wir können ihn sicherheitshalber noch röntgen, um zu sehen, ob er vielleicht Arthritis hat, und um alles andere auszuschließen.«
Während er spricht, streckt er den Arm aus, ohne mich anzuschauen. Dabei kommt er mit der Hand so dicht an meinem Kinn vorbei, dass er eine kribbelnde Gänsehaut auf meinem ganzen Körper auslöst.
Ich muss mich stark zusammenreißen, nicht vor ihm zurückzuweichen, weil sich plötzlich eine überraschende Hitze in mir ausbreitet.
Wobei er mich gar nicht beachtet. Dafür ist er viel zu sehr damit beschäftigt, Jake über den Rücken zu streichen. Seine langen, tüchtigen Arbeiterfinger bewegen sich so sanft durch das Fell des Hundes, dass sie gar nicht zu dem Mann zu passen scheinen, der die Besitzerin jetzt mit einem eher kalten Blick bedenkt. Da seine Miene dabei vollkommen ausdruckslos ist, wirkt es so, als hätte sich eine Maske aus Eis auf sie gelegt – wie bei einem Märchenprinzen, der von einer bösen Hexe verzaubert wird.
Ich bin so fasziniert von diesem Anblick, dass ich es gar nicht mitbekomme, als er die Hand zurückzieht – und mein Kinn streift.
Völlig unbeabsichtigt, und trotzdem durchfährt mich ein Blitz.
Diesmal zucke ich tatsächlich zurück, als hätte ich etwas falsch gemacht. Als könnte er denken, ich hätte mich absichtlich vorgelehnt, um die Berührung herbeizuführen und …
Oh, Mist …
Ich stolpere.
Mein Herz stolpert ebenfalls.
Und der Boden stolpert mir entgegen, weil ich wahrscheinlich die ungeschickteste Person auf Erden bin und es sowieso schon ein Wunder ist, dass ich überhaupt geradeaus laufen kann – in flachen Schuhen.
In Sekundenbruchteilen zieht die Welt an mir vorbei – Jake stößt ein alarmiertes Bellen aus, starrt auf mich herunter und springt auf, als wollte er zu mir herüberrasen, um mich aufzufangen, wenn er denn Hände hätte -, dann stürze ich in Richtung Fliesen.
Doch der schmerzhafte Aufprall bleibt aus.
Von irgendwoher kommt ein kräftiger Arm, schlingt sich um meine Taille und hält mich so fest, dass ich gar keine Chance habe, mir ein Schleudertrauma zuzuziehen. Doc fängt mich mit seinem starken Griff auf und bugsiert mich mit einer eleganten Bewegung wieder in die Senkrechte. Das Ganze geht so schnell, dass sich mir der Kopf dreht. Leicht benommen kneife ich die Augen zusammen und klammere mich keuchend an seinen Arm, während mein Magen und mein Herz gegeneinander hüpfen.
Eine winzige Sekunde lang werde ich an Doc gepresst.
Mein gesamter Körper schmiegt sich an seine Seite, als hätte uns pure Hitze miteinander verschmolzen. Es ist so ähnlich, wie sich an eine Steinsäule zu lehnen, nur dass Stein normalerweise nicht über Muskeln verfügt, die sich jetzt leicht unter mir bewegen, als er mich wie eine Schaufensterpuppe auf die Füße stellt.
Heiliger Strohsack. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich ihm dankbar sein oder vor Scham für immer aus der Stadt verschwinden soll.
Ich fühle mich wie eine Schaufensterpuppe. Ich atme nicht, bewege mich nicht und meine Gelenke sind stocksteif vor … Überraschung. Jepp, genau das: Überraschung.
Ich gebe nämlich garantiert nicht zu, dass ich irgendetwas anderes gefühlt habe.
Vielleicht sind meine Knochen aber auch einfach zu Eis erstarrt unter dem kalten, hasserfüllten Blick, den Arielle mir zuwirft, während ich immer noch leicht benebelt zu Doc aufschaue – mit brennenden Ohren und weit aufgerissenen Augen.
»Miss Delwen«, sagt er gelassen und sieht mich ohne die kleinste Regung im Gesicht an. »Alles in Ordnung?«
Scharf atme ich ein, und die kalte Luft dringt so plötzlich in meine Lunge, dass der Schmerz wie eine Ohrfeige wirkt und mich ruckartig aus meiner Trance reißt. Oh Mann.
Oh Gott. Ich wäre fast auf dem Boden aufgeschlagen, vor meinem neuen Boss und einer Kundin.
Ich kann weder ihn noch sie ansehen. Stattdessen löse ich mich aus Docs Griff und schaffe es tatsächlich, dabei nicht wieder das Gleichgewicht zu verlieren – wenn auch nur, weil ich mich nun ersatzweise an Jake klammere, den massigen Hund umarme und mein Gesicht in seinem kuscheligen Fell vergrabe. Ich freue mich sogar darüber, dass er mir mit seiner warmen, feuchten Zunge über die Wange leckt – das hat irgendwie etwas Beruhigendes.
»Alles okay«, murmle ich. »Bin bloß gestolpert.«
Ja, sicher. Weil ja auch so viel auf dem Boden lag …
Oh, bitte, flehe ich innerlich. Bitte reite nicht weiter darauf rum.
Im Raum herrscht Stille, bis Arielle schließlich die Hand ausstreckt und Jake unter dem Kinn krault. Der wedelt daraufhin so heftig mit dem Schwanz, dass ich mich schon frage, ob er gleich abhebt wie ein Helikopter.
»Was soll ich denn jetzt tun, Doc?«, fragt Arielle. »Braucht er irgendwelche Medikamente?«
»Ms. Delwen?«, wendet Doc sich an mich.
Ich schlucke den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hat und der sich eher anfühlt wie ein riesiger Findling. Eigentlich will ich gerade gar nicht reden – viel lieber würde ich mich unter dem Behandlungstisch verkriechen und vor lauter Peinlichkeit für immer im Boden versinken.
Ich bin doch gar nicht qualifiziert dazu, eine Therapieempfehlung abzugeben, schließlich bin ich keine …
Oh.
Jetzt kapiere ich, was er da macht.
Er hat sie extra an mich verwiesen, weil sie meine Einschätzung als unwichtig abgetan und sich stattdessen an ihn gewandt hat.
Und vielleicht will er mir nach dem peinlichen Missgeschick von eben auch die Chance geben, meine Ehre zu retten.
Aber ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.
Ich bin doch nur eine tiermedizinische Fachangestellte; er ist der Tierarzt. The Menagerie ist seine Praxis, und bei der Erfahrung, die er hat, würde ich mich persönlich auch eher an ihn wenden. Klar bin ich keine Anfängerin mehr in meinem Job – ich weiß, was ich tue -, aber mein Fachwissen ist auch nicht so breit, dass er sich unbedingt wie ein Sadist verhalten muss, nur damit Arielle sich unwohl fühlt, weil sie meine Kompetenz angezweifelt hat.
Blöderweise kann ich spüren, dass sie mich beide abwartend ansehen, deshalb hebe ich widerwillig den Kopf von Jakes Flanke, drehe mich zu ihnen um und räuspere mich, um überhaupt sprechen zu können.
»Alles, was er im Haus erreichen muss, sollte auf seiner Höhe sein«, sage ich dann.
Zuerst nuschle ich noch leise vor mich hin, doch als ich so richtig in Fahrt komme, in meinem Gedächtnis herumkrame und überlege, was das Beste für Jake wäre, wird auch meine Sprache lauter und deutlicher. »Das gilt ebenso, falls es Arthrose sein sollte und nicht nur das Alter. Es wird ihm schwerfallen, auf Sofas oder Betten zu klettern, aber Sie können es ihm leichter machen, indem Sie ihm vor alle höheren Plätze, wo er gerne liegt oder spielt, eine gelenkschonende Hundetreppe hinstellen. Und Sie können außerdem alle Gegenstände, die er regelmäßig benutzt, auf den Boden legen. So ersparen Sie ihm das mühsame Klettern und die Schmerzen, die er hat, wenn er irgendwo herunterspringen muss.«
»Sehr gut, Ms. Delwen. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.« In seinem heiseren, knurrigen Tonfall schwingt nicht ein Hauch von Anerkennung und Herzlichkeit mit, aber er hat so eine samtig weiche, schokoladige Stimme, dass mein Name aus seinem Mund wie etwas Verruchtes klingt, obwohl er ihn fast tonlos ausspricht. Erneut muss ich mein Gesicht in Jakes Fell verstecken, weil meine Wangen rot werden, und der Hund schmiegt sich mit seinem ganzen Gewicht und einem zufriedenen Winseln an mich.
Dann erstarre ich. Schon wieder.
Denn für den Bruchteil einer Sekunde streckt Doc die Hand aus, um dem Hund ein weiteres Mal übers Fell zu streicheln, hält jedoch inne, kurz bevor er mich erneut an der Wange berührt – so dicht vor mir, dass ein Schauer über meine Haut läuft. Dann zieht er die Hand zurück. Zum Glück kann ich mich diesmal davon abhalten, herumzufahren und Richtung Boden zu stürzen. Allerdings …
Nein, nein, nein. Auf keinen Fall!
Ich weiß doch gar nichts über Doc. Oder über Männer im Allgemeinen.
Und das Letzte, was ich tun werde, ist, meinen seltsamen, respekteinflößenden neuen Chef anzuschmachten, nachdem ich noch nicht mal einen ganzen Tag hier gearbeitet habe.
Vor allem, da ich immer noch nicht verstehe, wieso er mich eingestellt hat, obwohl wir nur ein paar E-Mails ausgetauscht haben und das telefonische Bewerbungsgespräch keine zehn Minuten gedauert hat.
Doc legt den Kopf schief und betrachtet Jakes Besitzerin über seine Brille hinweg. »Ich schreibe Jake ein oral einzunehmendes entzündungshemmendes Mittel auf, damit er sich wieder besser bewegen kann, und ich rate außerdem zu einer Ernährungsumstellung. Bestimmte Futtermischungen, vor allem solche mit Getreide, können Entzündungen an den Gelenken und Bändern auslösen.«
Arielle nickt und sieht besorgt zu ihrem Bernhardiner hinüber. »O… okay. Das wusste ich gar nicht … Ist es denn schwierig, ihm die Pillen zu verabreichen?«
Ich rechne schon halb mit einem knappen »Ms. Delwen« und dem erneuten Verweis an mich, doch tatsächlich spricht Doc nicht etwa mich oder Arielle an, sondern den Hund, und das mit sanfterer Stimme, während er ihn zärtlich hinter den Ohren krault. »Du wirst ganz brav sein, nicht wahr? Guter Junge …«, sagt er schmeichelnd, als könnte der Hund ihn verstehen.
Ach du Schande, so langsam frage ich mich, ob Jake das nicht tatsächlich kann, denn er wedelt jetzt zweimal so heftig mit dem Schwanz, dass ich durchgeschüttelt werde, weil ich immer noch an seinem massigen Körper lehne – während ich selbst alles andere als massig bin.
»Wir geben dir einfach ein paar Pillenbeutel, und dann wirst du gar nicht merken, dass du Medizin geschluckt hast, nicht wahr?« Energisch reibt Doc dem Hund über den Kopf.
Jake reagiert darauf mit einem nachhallenden, selbstbewussten Bellen, was sein Frauchen zu einem strahlenden Lächeln veranlasst. »Hast du das gehört, Jakie? Es wird alles gut«, sagt sie. »Du wirst wieder ganz gesund.«
»Auf jeden Fall«, antwortet Doc lässig und voller Überzeugung, bevor er galant einen Arm in Richtung Tür streckt. »Ich gebe der Sprechstundenhilfe Bescheid und stelle Ihnen das Rezept aus. Lassen Sie uns außerdem gleich einen Termin zum Röntgen ausmachen, noch für diese Woche.«
Arielle nickt eifrig und lässt sich von Doc aus dem Zimmer führen. Er folgt ihr nach draußen, bleibt jedoch noch einmal kurz stehen und dreht den Kopf zu mir um. Zwei funkelnde grüne Punkte blicken mich an, überschattet von seinen ironisch gehobenen Augenbrauen.
Ich wage es nicht, mich zu bewegen, verstecke mich quasi immer noch hinter dem Bernhardiner und warte mit weit aufgerissenen Augen darauf, dass mein Chef irgendetwas sagt.
Doch er bleibt stumm.
Nur ein leises »Ts« dringt aus seinem Mund, bevor er mit flatterndem Arztkittel davoneilt.
Zitternd stoße ich meinen angehaltenen Atem aus und presse die Stirn gegen Jakes Kopf. »Hm«, murmle ich, »das war echt schräg.«
Eine feuchtwarme raue Zunge fährt über meine Wange. Lachend schiebe ich Jakes überdimensionierten struppigen Kopf beiseite. Auch wenn mein Chef kühl und merkwürdig ist und ich jedes Mal hyperschreckhaft bin, wenn er in der Nähe ist …
Die Patienten sind gar nicht so übel. Einzig ihre Besitzer erschweren mir den Job.
»Komm«, fordere ich Jake auf und lege meine Arme um ihn, um ihm vom Tisch herunterzuhelfen, ohne dass er dabei seine angegriffenen Gelenke belasten muss. »Holen wir mal deine Leine, damit du wieder nach Hause gehen kannst, mein Guter.«
Mit dem Bernhardiner an der Leine verlasse ich das Behandlungszimmer und übergebe ihn Arielle, die draußen am Empfangstresen wartet, während Doc leise mit Pam, der Sprechstundenhilfe, den nächsten Untersuchungstermin abklärt.
Da unsere Praxis ziemlich klein ist, wir keine umfangreiche Ausstattung haben und Operationen teuer sind, gibt es für kompliziertere Eingriffe und Untersuchungen eine Warteliste. Doch wie es aussieht, wird Jake schon bald wieder zu uns kommen. Während ich versuche, nicht zu auffällig über Pams Schulter auf den Bildschirm zu starren, haben sämtliche andere Frauen im Raum ihre Augen auf Doc gerichtet und warten darauf, welchen Namen er wohl als Nächstes aufruft.
Der heiß begehrte Junggeselle sagt allerdings kein Wort.
Immer noch nicht.
Lediglich zu Pam, von der er sich jetzt abwendet, um wieder im hinteren Bereich der Praxis zu verschwinden, ohne irgendjemanden eines Blickes zu würdigen.
Ein kollektiver Seufzer geht durch den Raum. Kopfschüttelnd stütze ich mich mit den Armen auf den Empfangstresen und strecke den Kopf zu Pam vor. »Ist das hier jeden Tag so?«, frage ich sie leise.
Kichernd nimmt sie die Hände von der Tastatur und unterbricht eine Millisekunde lang den maschinengewehrartigen Rhythmus ihres Getippes, um sich ihre ergrauenden Locken hinter die Ohren zu schieben. »Nur Freitagnachmittag, Schätzchen.« Ihr gedehnter Südstaatenakzent verrät mir, dass sie – genau wie ich - nicht aus dieser kleinen Bergstadt hier im Nordwesten stammt. »Dann haben die Leute früher Feierabend, und … na ja, die Single-Damen fangen an sich zu langweilen. Was das Nachtleben angeht, hat diese Stadt nicht gerade viel zu bieten – das Einzige, wo man am Wochenende hingehen kann, ist das »Brody’s«
Verstohlen werfe ich einen Blick über die Schulter auf die Ansammlung von erwartungsvollen Single-Frauen. »Hat das denn je bei einer funktioniert? Dass sie mit ihrem Tier hier vorbeikommt, meine ich?«
Pam mustert mich eingehend und bedenkt mich dann mit einem freundschaftlich verschmitzten Lächeln. »Versuchen Sie etwa herauszufinden, ob der gute Doktor noch zu haben ist, Ember?«
»Nein!«, zische ich sofort und schüttle mit entsetzt aufgerissenen Augen den Kopf, während mir das Herz bis hinunter zu den Füßen rutscht. »Und sagen Sie so was bitte nicht so laut!«
Genauso gut könnte sie mir eine Zielscheibe auf den Rücken kleben.
Ich habe keine Lust, mir direkt sämtliche Single-Frauen von Heart’s Edge zu Feinden zu machen und nur den leisesten Eindruck zu erwecken, dass ich ihnen im Wettrennen um ihren Angebeteten Konkurrenz machen will.
Die bösen Blicke von Jakes Besitzerin haben mir schon gereicht.
Davon abgesehen würde sich ein Mann, der so kühl und beherrscht ist wie Dr. Caldwell, sowieso nicht für mich interessieren.
Der wirkt eher so, als würde er auf keine Ahnung wen stehen. Wahrscheinlich irgendeine eiskalte, elegante Rothaarige mit Schmollmund.
Ich bin zu klein, zu jung und zu unscheinbar.
Ich bin wie eine Tapete im September-Delwen-Stil: Ich verschmelze mit dem Hintergrund und falle niemandem auf.
Genau aus diesem Grund mag ich Tiere so gern. Um von ihnen geliebt zu werden, muss man nichts Spektakuläres an sich haben; man braucht nicht geistreich, süß oder sexy zu sein – oder in der Lage, geradeaus zu gehen, ohne dabei über seine eigenen Füße zu stolpern.
Man muss ihnen einfach nur Liebe entgegenbringen.
Trotzdem fasziniert es mich, dass ein einziger attraktiver, geheimnisvoller Mann offensichtlich ausreicht, um in einer Kleinstadt wie dieser die Frauen scharenweise anzuziehen. Eigentlich bin ich nur wegen der angenehmen Größe nach Heart’s Edge gekommen.
Ich wollte endlich meine Flügel ausbreiten, das Nest verlassen und irgendwo ein neues Leben beginnen, an einem Ort, wo meine Mutter mir nicht ständig über die Schulter blickt, wo es aber auch nicht so extrem laut und stressig zugeht wie in einer Großstadt.
Ich wollte einfach nur ein neues Zuhause finden.
Andererseits: Wenn wir mal ganz ehrlich sind, suche ich nach dem Unmöglichen.
Zuhause ist für mich ein Ort, an dem Dad noch lebt. Ein Ort, wo alles schöner ist, weil er dort ist.
Und diesen Ort wird es nie mehr geben.
Es gibt kein Zurück dorthin.
Und weil es das nicht gibt, habe ich beschlossen, woanders hinzugehen.
Während ich zusehe, wie Pam die nächste Kundin aufruft, und eine Frau mit ihrer sehr verwirrt und panisch aussehenden Katze praktisch in den hinteren Praxisbereich stürmt, kommt mir plötzlich eine Frage in den Sinn.
Was, wenn ich von einem Problem ins nächste gestolpert bin; in ein Problem der ganz anderen Art?
Nee.
Dr. Caldwell ist doch nur mein Chef. Seine verrückten Beziehungen zu den anderen Bewohnern der Stadt gehen mich nichts an. Ich muss nur pünktlich in der Praxis erscheinen, meine Arbeit machen und mich gut um die Tiere kümmern.
Das ist doch nicht der Rede wert.
***
Oder auch nicht.
Mein Rücken ist jedenfalls definitiv der Rede wert, als wir die Praxis abends zumachen, und ich mit dem Saubermachen anfange. Es gibt eine Menge Zwinger, die gereinigt werden müssen, und als ich damit fertig bin, wartet noch Papierkram auf mich. Außerdem muss ich die Apotheke zurückrufen, um Verschreibungen zu bestätigen, und Patientendaten mit den Eintragungen in unserer Kartei abgleichen.
Ich bin gerade damit beschäftigt, mich an Pams Computer durch die Datenbank zu klicken und Datensätze zu bearbeiten, als die Eingangstür der Menagerie mit einem sanften Glöckchenklingeln geöffnet wird. Ich blicke auf und sehe eine Frau in leise klackernden High Heels auf mich zukommen, die eine schlichte hellbraune Transportbox in einer ihrer perfekt manikürten Hände hält.
Erstaunt reiße ich die Augen auf. Diese Frau passt irgendwie so gar nicht hierher.
Sie wirkt wie ein menschlicher Stiletto, und ich brauche gar nicht hier aus dem Ort zu stammen, um zu wissen, dass sie keine Einheimische ist. Die Frauen, die heute in der Praxis waren, wollten mit ihrem Outfit nur beeindrucken.
Sie dagegen will ihre Beute erlegen.
Passend zu ihrem schwarzen Kleid umrahmt ein glatter schwarzer Bob ihr ernstes Gesicht, das aussieht wie das eines Models, auf dem sich aber auch die Ruhe und Autorität fortschreitenden Alters abzeichnen. Gleichzeitig strahlt sie eine wahnsinnige Eleganz und Grazie aus.
Sie ist ein bisschen so wie die weibliche Version von Doc.
Mit ihrem stylischen schwarzen Mantel, der schwarzen Strumpfhose und den schlichten High Heels sieht sie aus, als wäre sie gerade einem Katalog entstiegen. Sie ist lässig. Sie ist tödlich. Sie ist atemberaubend.
Und genau wie Doc umgibt sie etwas Unnahbares, Wachsames, das den ganzen Raum einnimmt – als hätte sie Tausende von Geheimnissen, würde aber niemals freiwillig eins davon preisgeben. Es sei denn, sie bringt dich anschließend um.
Und ihr Lächeln? Auch das wirkt ähnlich wissend wie das von Doc, während sie mich mit ihren scharfen dunkelgrauen Augen ansieht. »Guten Abend. Ist der Doktor im Haus?«
Ich kneife die Augen zusammen und reiße mich gewaltsam aus meinem Zustand der Verwirrung, während ich mir innerlich befehle, mit dem verdammten Gestarre aufzuhören.
Entschuldigend lächle ich die Dame an und falte die Hände. »Ich glaube, er hat schon Feierabend gemacht. Wir haben auch schon seit einer halben Stunde geschlossen. Falls es sich nicht um einen Notfall handelt, können Sie gerne morgen Früh wiederkommen oder einen Termin ausmach …«
»Ich weiß nicht, ob es sich um einen Notfall handelt«, entgegnet sie kühl, wenn auch immer noch lächelnd – wobei mich ihr Lächeln eher an ein Zähnefletschen erinnert. »Ich bin keine Tierärztin. Aber ich denke, der Doktor könnte sicher entscheiden, ob mein Baxter eine sofortige Behandlung braucht.«
Bei Baxter handelt es sich, wie ich jetzt feststelle, um eine Katze, die in der Transportbox sitzt. Sie ist genauso pechschwarz wie das Outfit und Haar ihrer Besitzerin; ein dunkler Tintenklecks, dessen einziges hervorstechendes Merkmal ein Paar neugieriger goldener Augen ist, mit denen das Tier durch das Drahtgitter in der Käfigtür blickt.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Die Sprechstunde ist definitiv vorbei, aber was, wenn das kleine Fellknäuel wirklich Hilfe braucht?
Ich kann die Frau nicht einfach abweisen. Wenn sie den Doc also tatsächlich nur wegen ihrer Katze sehen will, reicht es vielleicht, wenn ich einen Blick auf Baxter werfe, um sie zu beruhigen und auf morgen zu vertrösten.
Deshalb stehe ich auf.
Bleibe mit dem Fuß am Stuhl hängen.
Taumele.
Und fange mich an der Schreibtischplatte ab.
Na super.
Tollpatsch könnte mein zweiter Vorname sein.
Ehrlich, es ist ein Wunder, dass ich während der Ausbildung überhaupt mit scharfen Instrumenten hantieren durfte.
Ich tue so, als wäre gar nichts passiert, und kratze die letzten Energiereserven zusammen, die ich nach diesem wahnsinnig langen Arbeitstag noch habe, um mir ein Lächeln abzuringen. »Dann gehen Sie doch schon mal mit Baxter nach hinten durch«, fordere ich die Fremde auf. »Ich schaue ihn mir an.«
Sie verengt die Augen und beäugt mich misstrauisch – oder nachdenklich? Ich weiß nicht, was.
Ich finde ja auch nicht, dass es an mir so viel anzugucken gibt, deshalb habe ich keine Ahnung, wieso sie mich so anstarrt. Doch schließlich lässt sie sich zu einem zustimmenden Nicken herab.
»Danke«, sagt sie und schwebt an mir vorbei in Richtung Behandlungsraum, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
Erst in diesem Moment fällt mir auf, dass sie Handschuhe trägt. Lange schwarze Lederhandschuhe – im Spätfrühling, wenn es draußen langsam heiß wird. Zu heiß. Auch für diesen langen schwarzen Mantel mit dem fedrigen Fellkragen.
Und trotzdem wirkt sie eiskalt.
Seltsam.
Ich folge ihr nach hinten, wo sie die Transportbox bereits auf dem Untersuchungstisch abgestellt hat. Behutsam stecke ich die Finger durch die Käfigtür und lasse Baxter daran schnüffeln.
Er – oder sie? – ist fast schon zu groß für die Box, die eher für ein Kätzchen ausgelegt ist, aber das scheint ihn/sie nicht zu stören. Die Katze riecht nur kurz an meinen Fingern, bevor sie gebieterisch ihren Kopf dagegen stößt.
»Also, was fehlt Baxter denn?«
»Sie übergibt sich ständig. Überall«, erklärt Baxters Frauchen leise. Sie wirkt abgelenkt und sieht sich mit kritischen, gedankenvollen Blicken in dem sterilen Behandlungsraum um. »Ich habe nichts an ihrem Futter verändert und auch nicht an ihren Leckerlis, deshalb mache ich mir Sorgen, dass sie vielleicht irgendetwas Giftiges gefressen haben könnte.«
Vorsichtig öffne ich die Tür des Käfigs. Baxter beobachtet mich, nutzt dann jedoch sofort die Gelegenheit herauszuschlüpfen, indem sie mit dem Kopf gegen meine Handfläche drängt. Im Gegensatz zu manchen anderen Haustieren, denen ein fremder Ort Angst einjagt, unternimmt sie allerdings keinen Versuch, vom Tisch zu springen.
Es ist offensichtlich, dass sie eine gesellige Katze ist, so, wie sie schnurrt und sich in meiner Gegenwart entspannt, obwohl mein Geruch neu für sie ist.
Und auch wenn ihre Besitzerin anscheinend keine Ahnung hat, dass die Transportbox zu klein ist für ihre Katze, hat sie Baxter zumindest viel Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt. Kaum zu glauben, aber wahr.
Und was ich außerdem kaum glauben kann, ist, dass der Katze definitiv nichts fehlt.
Noch seltsamer.
Gehört diese Frau etwa auch zu Docs Fanclub? Damit wäre sie heute dann die unglückselige Nummer dreizehn.
Ich werde jetzt nicht darüber nachdenken, wie passend das wäre, da sie sowieso aussieht wie Gevatter Tods neuestes Tinder-Date.
Trotz alledem schaue ich mir die Katze gründlich an. »Hm … Haben Sie vielleicht irgendwo Lilien im Haus? Oder überhaupt irgendwelche Blumen?«, frage ich, während ich Baxters Augen untersuche. Geweitete Pupillen sind oft ein Hinweis darauf, dass ein Tier Gift zu sich genommen hat, aber Baxters Augen wirken vollkommen normal und zeigen auch die üblichen Reaktionen – die Pupillen ziehen sich zusammen und weiten sich, während ich das Licht meiner kleinen Taschenlampe darüber gleiten lasse. »Dass Lilien giftig sind, ist meistens bekannt, aber Azaleen und Tulpen kommen direkt dahinter. Viele Leuten wissen das gar nicht, bis die Blüten auf den Boden fallen und das Haustier sie aus Neugierde frisst.«
»Nein«, entgegnet die Dame tonlos. »Ich habe keine Blumen im Haus. Das ist mir zu aufwendig.«
»Und ich nehme mal an, es hat dir auch keiner welche geschickt, richtig?«, dringt eine kühle Stimme hinter uns in den Raum.
O-oh.
Erschrocken ziehe ich die Luft ein und drehe mich rasch um. Die Frau hingegen bleibt ganz ruhig und wendet sich langsam zur Tür, als hätte sie erwartet, dass Doc dort steht.
Er beobachtet uns aus zusammengekniffenen Augen, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst.
Ich muss ihn gar nicht gut kennen, um zu wissen, dass irgendetwas an ihm anders ist. Seit unserer ersten Begegnung habe ich ihn als steif und zurückhaltend erlebt, doch jetzt hat er – obwohl er immer noch kühle Beherrschtheit ausstrahlt – gewissermaßen eine Drohhaltung eingenommen.
Wie ein grünäugiger Jaguar, der lauernd im Dickicht hockt, vollkommen bewegungslos, und doch hat er sämtliche Muskeln seines Körpers angespannt, bereit, jederzeit vorzuspringen und anzugreifen. Er mustert erst mich und dann die Fremde, starrt sie ziemlich intensiv an.
Es ist offensichtlich.
Zwischen den beiden war mal irgendwas.
»Dann erzähl mal«, sagt er mit einer schon fast harten Gleichgültigkeit, in der ein Hauch von Spott mitschwingt. »Was führt dich wieder hierher?«
»Baxter«, antwortet die Frau leichthin. »Ich glaube, der ganze Umzugsstress ist ihr nicht gut bekommen. Sie übergibt sich dauernd und ist richtig … schreckhaft. So scheu. Sie isst auch kaum was.«
Ihr Ton hat etwas Spitzes, genau wie ihr Blick.
Holla. Hier finden anscheinend gerade zwei Unterhaltungen statt.
Eine, die ich hören kann, und eine, die sich mir völlig entzieht.
Als wäre ich gar nicht dabei.
Doc legt jetzt leicht den Kopf schief. »Ich nehme an, meine Assistentin hat sich deine Katze schon angesehen?«
»Oh ja, das hat sie«, gibt die Frau mit funkelnden Augen zurück. »Ist sie nicht ein bisschen zu jung für dich, Doc? Oder hab ich mich etwa die ganze Zeit über getäuscht, was deine Vorlieben angeht?«
Diese Bemerkung entgeht mir nicht. Sie ist ja auch nur so subtil wie ein Schlag ins Gesicht.
Heiliger Bimbam.
Und was noch viel schlimmer ist: Ich erröte bis zu den Ohrenspitzen, mein ganzer Körper ist brennend heiß. Ich weiß nicht mal, wie ich eigentlich plötzlich in den Schusswechsel zwischen meinem neuen Boss und dieser gespenstischen Frau geraten bin, aber ich bin tatsächlich mittendrin.
Schnell schüttle ich den Kopf und werfe Doc einen Blick zu. Er hat das doch hoffentlich nur als bösen Scherz aufgefasst, weil die Dame offensichtlich noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat.
»Entschuldigung, aber ich … Es ist nicht … Ich h… hab nicht …«
Anscheinend bin ich gerade zu nichts fähig, außer undeutlich zu sprechen.
»Das wäre dann alles, Ms. Delwen«, unterbricht Doc mich und sieht mich immer noch nicht an.
Falls ich allerdings nicht völlig falschliege, schwingt in seiner Stimme etwas Sanftes mit: dieser Tonfall, den er nur bei Tieren wählt, während er deren menschliche Besitzer ignoriert. »Wenn Sie die Güte hätten, in meinem Büro zu warten. Ich kümmere mich um Baxter und unseren Gast.«
Irgendwie habe ich das Gefühl, er hat nicht wirklich vor, sich um Baxter zu kümmern. Und wie er das Wort »Gast« ausspricht, klingt eher wie das freundlichste Synonym für »Bitch«, das ich je gehört habe.
Einen Moment lang bin ich erneut wie erstarrt. Das ist sicher der schrägste Tag meines Lebens, und das will was heißen, nachdem sich, als ich sechzehn war, während meiner ersten Schicht in einer Eisdiele ein Exhibitionist im Trenchcoat vor mir entblößt hat und wollte, dass ich ihm zwei Kugeln Schokoeis mit Marshmallows auf seine haarige Brust pappe.
Ich schlucke schwer und nicke schließlich eifrig, während mir das Herz bis zum Halse schlägt.
»K… klar«, bringe ich irgendwie heraus, bevor ich ohne ein weiteres Wort aus dem Raum husche, durch die Tür stolpere und mir die Schulter am Türrahmen stoße. Ich atme erst wieder, als die Tür fest hinter mir ins Schloss fällt – nachdem ich noch einen letzten harten, seltsamen Blick von Doc kassiert habe.
Kann man von zu viel Scham eigentlich sterben? Ich glaube, ich stehe kurz davor, es herauszufinden.
Ich lasse mich gegen die Wand sacken und presse eine Hand an meine Brust. Irgendetwas an dieser kurzen Begegnung hat dazu geführt, dass mein Herz gerade Vollgas gibt und von null auf hundert beschleunigt hat.
Manche Leute kämpfen ja mit viel Getöse, Wutgeschrei und Gewalt. Die zwei da drinnen allerdings nicht. Es lässt sich absolut nicht leugnen, dass da gerade ein Duell ausgetragen wurde, ein Streit, der in vollkommener Stille stattgefunden hat, mit vielsagenden Blicken und im Raum schwebenden Worten.
Ich könnte nicht einmal sagen, ob Doc und diese Frau sich hassen oder ob da noch viel mehr ist zwischen den beiden.
Ist sie vielleicht eine verbitterte Ex?
Oder die zwei sind immer noch zusammen, aber es läuft gerade nicht so gut?
Puh. Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nichts über meinen Chef. Deshalb kommen unendlich viele Möglichkeiten infrage.
Ein säuerliches Lächeln zuckt an meinen Mundwinkeln. Also wenn das sein Frauengeschmack ist …
Dann können die hoffnungsvollen Damen aus Heart’s Edge einpacken. Mit der können die in einer Million Jahren nicht mithalten.
Ich hebe den Kopf, als von drinnen Stimmen ertönen. Gedämpft und geheimnistuerisch.
Leider verstehe ich nicht viel, zumindest nicht genug, um herauszufinden, was da vor sich geht, aber es klingt nicht nach einem Pärchenkrach.
Ich höre irgendwas von der Nummer neun und etwas, das so klingt wie … Kampftruppe? Hä?
Kampftruppe.
So einen Begriff benutzt doch nur das Militär.
Oder die Polizei.
Eine Gruppe von Leuten, die irgendwohin geschickt wird, um einen Job schnell und effizient zu erledigen - mit so wenigen Toten wie möglich – um dann sofort wieder zu verschwinden. Wobei der Zeitfaktor wichtiger ist als die Anzahl der Leichensäcke, falls ich den Actionthrillern glauben darf, die ich bisher gesehen habe.
Jetzt bin ich wirklich verwirrt.
Wieso um alles in der Welt sollte ein Kleinstadttierarzt – wenn auch ein äußerst attraktiver – mit einer Frau, die mit einer kotzenden Katze bei ihm auftaucht, über Kampftruppen sprechen?
Und in was zum Henker habe ich mich hier reingeritten, als ich den Job angenommen habe?
In einen Riesenschlamassel, wird mir bewusst, als die Tür so abrupt aufgerissen wird, dass ich mit einem Quieken zurückspringe und dann zur Seite taumle, bevor ich mich fange und mir die Hand vor den Mund schlage.
Die Frau kommt mit ihrer Transportbox aus dem Raum marschiert. Als sie mich sieht, hält sie mitten in der Bewegung inne, wirft mir einen herablassenden Blick zu und geht energischen Schrittes davon.
Das ohrenbetäubende Klackklack ihrer Absätze auf den Fliesen und ein klagendes Maunzen von Baxter sind die einzigen Geräusche, die durch die Praxis hallen.
Wieso kommt es mir plötzlich so vor, als wäre ich gerade einer Pistolenkugel ausgewichen? Mein Atem zittert, als ich mehrmals tief Luft hole. Nach dem Blick dieser Frau – als wäre ich ein Stück Dreck – fühle ich mich wie jemand, der ins Visier eines Killers geraten ist, und mein ganzer Körper kribbelt vor Nervosität, während ich hier stehe.
Dann zucke ich erneut zusammen, als unvermittelt Docs Stimme hinter mir ertönt.
»Ms. Delwen«, sagt er ausdruckslos, »ich glaube, wir müssen uns mal über den Ablauf hier in der Praxis unterhalten.«
Ich glaube, es war ein Riesenfehler, eine neue Assistentin einzustellen.
Vor allem eine so junge, zerbrechliche, wahnsinnig unschuldige – und wahnsinnig tollpatschige – wie diese.
Ember.
In ihrer Bewerbung stand zwar der Name September, aber sie hat mir gleich zu Anfang gesagt, ich solle sie Ember nennen.
Der Name passt zu ihr. Ember, die Glut.
Sie ist wie ein winziges Fünkchen Wärme in einer enormen, widerhallenden Finsternis; ein Flämmchen, das nur ganz zart flackert, wie ein kleines Glühwürmchen.
Und gerade starrt sie mich voller Schrecken an - die blauen Augen in ihrem arglosen herzförmigen Gesicht so weit aufgerissen, dass sie aussieht wie ein kleines Mädchen, das gerade zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Bösen gemacht hat.
Na, wenigstens ist sie diesmal nicht hingefallen.
Gott.
Ein Teil von mir würde sie am liebsten zurechtweisen, weil sie ganz offensichtlich mein Privatgespräch belauscht hat.
Aber es ist ziemlich schwer, jemandem den Marsch zu blasen, der aussieht, als würde er schon beim kleinsten Windstoß umfallen.
Außerdem ist es auch nicht Embers Schuld, dass ich so angepisst bin.
Nein, dafür ist ganz allein Fuchsia verantwortlich.
Wir haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen, und sie hat sich kein bisschen verändert. Sie ist immer noch dieselbe Frau, nur ein bisschen älter, ein bisschen vornehmer und ein bisschen tödlicher.
Und sie hat immer noch das verdammte Talent, die Leute zu den beschissensten Zeitpunkten zu überfallen, um sie dann mit ihrer rasiermesserscharfen Zunge aufzuschlitzen.
Ich will nicht, dass sie wieder da ist. Ich will weder, dass sie nach Heart’s Edge zurückkehrt, noch will ich sie in meinem Leben haben – schon gar nicht mit dem ganzen Gepäck und den Dämonen, die sie mit sich bringt. Ganz sicher nicht, denn die Tatsache, dass sie wieder hier ist, bedeutet nichts Gutes.
Im Moment habe ich allerdings andere Probleme.
Wie zum Beispiel das Mädchen vor mir, das offensichtlich mit seiner Kündigung rechnet.
Aber ganz ehrlich: Ich kann mir überhaupt nicht leisten, sie rauszuschmeißen.
Nicht, nachdem meine letzte Tierarzthelferin nach Oklahoma abgehauen ist zu irgendeinem Typen, den sie auf irgendeiner idiotischen Dating-Plattform kennengelernt hat.
Ich habe also keine andere Wahl. Mir fehlt schlichtweg die Zeit, um die ganzen Patienten, die in die Menagerie kommen, allein zu versorgen, und den Freitagsandrang hat Ember heute sehr gut gemeistert.
Wenn sie mal gerade nicht über ihre eigenen Füße gestolpert oder fast gegen eine Wand gerannt ist, hat sie ihren Job bestens erledigt.
Ich weiß zwar nicht, wie dieses Mädchen es geschafft hat, überhaupt erwachsen zu werden - oder wieso sie sich bei der Arbeit mit den Tieren nicht schon längst umgebracht hat -, aber es kommt mir fast so vor, als würde ein böser Fluch von ihr abfallen, sobald sie sich um ein Tier kümmert.
Das scheint sie zu beruhigen.
Und zu erden.
Es ist wirklich interessant zu beobachten, wie sich all ihre Unsicherheit, Koordinationsschwierigkeiten und Schreckhaftigkeit in Luft auflösen und eine tiefe Wärme in diese blauen Augen tritt, wenn sie den Blick konzentriert auf das jeweilige Tier richtet, mit dem sie gerade beschäftigt ist.
Wenn man bedenkt, wie schlecht die Jobaussichten in einem Kaff wie Heart’s Edge sind und wie wenige potenzielle Bewerber es hier gibt, kann ich es mir definitiv nicht erlauben, sie zu entlassen.
Und ich kann es mir auch nicht erlauben, sie zu verschrecken, verdammt.
Seufzend schüttle ich den Kopf und mildere die scharfen Worte ab, die mir bereits auf der Zunge liegen. »Keine Patienten mehr nach Praxisschluss, Ms. Delwen«, beginne ich. »Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Ansonsten sagen Sie den Leuten, sie sollen am nächsten Morgen wiederkommen.«
»Ich … Natürlich, Herr Doktor, es tut mir leid.« Sie zieht den Kopf ein und schiebt sich eine Locke ihres platinblonden, fast schon weißen Haars hinters Ohr, das so hell im Licht glänzt, dass es einen Strahlenkranz um ihr Gesicht bildet. »Sie hat nur so vehement darauf bestanden.«
Shit. Ja, so ist sie. Dessen bin ich mir leider mehr als bewusst.
Aber diesen Gedanken behalte ich für mich. Stattdessen gehe ich an Ember vorbei und halte ihr die Tür zum Wartebereich auf. »Ich begleite Sie zu Ihrem Wagen.«
Sie blinzelt mich an. Dann weiten sich ihre Augen erneut vor Schreck, und ihr Blick huscht kurz zu mir, bevor sie ihn schnell wieder abwendet.
Wird sie etwa rot? Gott, kann dieser Tag wirklich noch schlimmer werden?
Anscheinend schon, denn ihre Wangen nehmen jetzt die Farbe reifer Tomaten an, und sie senkt die Augenlider. Ich bete zu sämtlichen Göttern des Universums, dass sie Fuchsias bissigen Spruch über meine angeblich so lüsternen Absichten nicht ernst genommen hat.
»Oh … äh … hm …«, stammelt sie. »Das brauchen Sie nicht! Ich komme schon klar.«
Ich verkneife mir einen Seufzer, während ich immer noch die Tür aufhalte. »Heart’s Edge mag zwar eine Kleinstadt sein, aber wir leben in seltsamen Zeiten, und Sie sind eine junge Frau, die allein durch die Dunkelheit muss.« Als sie trotzdem noch zögert, füge ich hinzu: »Ich mache jetzt sowieso Feierabend. Und das, was Sie da noch am Computer eingeben wollten, kann warten.«
Das scheint sie endlich zu überzeugen. Sie nickt und beißt sich auf die Unterlippe, die daraufhin feucht zu glänzen beginnt. »Gut. Okay. Klar. Ich hole nur meine Tasche.«
Damit hastet sie in die kleine Nische, die auch als Umkleidekabine fungiert, und kommt wenig später mit einer winzigen hellgrünen Segeltuchtasche, auf die blaue Blüten aufgestickt sind, wieder zurück. Während sie sich das Täschchen um die Schulter schlingt, wirft sie mir einen kurzen Blick zu, ohne mir direkt in die Augen zu sehen. Dann huscht sie durch die Tür und streift mich beim Vorbeiflitzen ganz leicht.
Sie ist so klein. So zerbrechlich. Sie reicht mir kaum bis zu den Rippen, und ihr Schlüsselbein und die Knochen ihrer Handgelenke, die sich unter ihrer blassen Haut abzeichnen, sind ganz zierlich.
Vielleicht weckt genau diese Zerbrechlichkeit, diese Zartheit den Wunsch in mir, sie in die Dunkelheit des Abends hinauszubegleiten.
Ich folge ihr nach draußen auf den Parkplatz bis zu einem kleinen meergrünen Audi. Als sie eingestiegen ist, schenkt sie mir ein scheues Lächeln. »Danke, ab hier geht es. Dann sehen wir uns morgen früh?«
»Aber sicher, Ms. Delwen.«
»Ember«, entgegnet sie warm. »Sie können mich Ember nennen.«
»Dann also Ember«, stimme ich zu, wenn auch nur, um meine Ruhe zu haben. Doch ihr Mund verzieht sich zu einem Strahlen, und über ihre elfenbeinfarbenen Wangen zieht erneut ein sanftes Rosa. Ich muss mich fast dazu zwingen wegzuschauen, bevor dieses verdammte Lächeln mein Blut in brodelnde Lava verwandelt.
»Ich werde Sie nicht nach Ihrem Vornamen fragen«, fährt sie fort. »Aber ich hoffe, es ist okay, wenn ich Sie Doc nenne?«
Ich nicke bestätigend und wende mich dann ab.
Mittlerweile nennt mich sowieso jeder in Heart’s Edge Doc.
Ist mir auch lieber so.
Besser, der Mann namens Gray Caldwell verschwindet für immer zu den heulenden Geistern seiner Vergangenheit.
Als ich meinen alten Ford-Truck aufschließe und die Tür öffne, ertönt hinter mir ein röchelndes Stottern.
Begleitet von einer Tirade aus Mist, verdammt, Scheiße und diversen Oh Neins, die aus dem offenen Fenster von Embers Wagen dringen, während sie erneut versucht, ihn zu starten. Ohne Erfolg.
Na, herzlichen Glückwunsch.
Noch ein kaputtes Auto und eine Frau in Not. Bei meinem Freund Warren hat genau diese Situation vor nicht allzu langer Zeit damit geendet, dass er jetzt verheiratet ist.
Irgendwie scheint das hier zur Gewohnheit zu werden.
Wenn ich es nicht aus eigener Erfahrung besser wüsste, würde ich denken, Heart’s Edge wäre eine von diesen merkwürdigen kleinen Städten, wo Autos auf mysteriöse Weise plötzlich den Geist aufgeben; wo Uhren falsch gehen und die Leute seltsame Lichter am Himmel beobachten, während geheimnisvolle Militärfahrzeuge durch die Stadt fahren, deren Fahrer man nie wieder sieht.
Aber ich kenne die wahre Geschichte von Heart’s Edge.
Und ich kann versprechen, dass sie nichts mit Aliens zu tun hat.
Alles andere ist allerdings so düster, dass es sogar eine Meldung in den Nachrichten wert wäre – in einem Augenzeugenbericht von irgendeinem Spinner, dem sowieso niemand glauben würde.
Ich drehe mich um und sehe Ember einen kurzen Moment dabei zu, wie sie immer und immer wieder den Zündschlüssel umdreht.
Eigentlich sollte mich das gar nichts angehen, aber ich fühle mich für sie verantwortlich.
Davon abgesehen, dass ich sie gerade in meiner Praxis angestellt habe, ist sie auch eine junge Frau, die sich allein in einer fremden Stadt befindet. Sie ist ja gerade erst vor drei Tagen hierhergezogen, und im Bewerbungsgespräch hat sie mir erzählt, dass sie vorher nur ein paarmal in Heart’s Edge gewesen ist.
Und nein, ich habe nicht nachgefragt, wieso um Himmels willen sie ihr altes Leben aufgegeben hat, um in dieses Kaff zu ziehen. Die meisten Leute wissen nicht mal, dass es diese Stadt überhaupt gibt, aber sie hat anscheinend Familie hier. Genau genommen weiß ich gar nichts über sie, nur dass sie mit Felicity Randall verwandt ist, die »Das Nest« betreibt – das kleine Bäckereicafé, das den Großteil der Stadt mit Kaffee versorgt.
Mehr muss ich auch gar nicht wissen.
»Hören Sie auf, sonst säuft Ihnen der Motor noch ganz ab«, sage ich, während ich auf sie zugehe. »Öffnen Sie mal die Motorhaube, ich gebe Ihnen Starthilfe.«
Sie lässt die Hand vom Schlüssel sinken und sieht mich mit einem besorgten Blick durchs Fenster an. »Und wenn das nicht funktioniert?«
»Das funktioniert schon«, verspreche ich ihr.
Das muss es auch. Nach dem Tag heute brauchen wir beide Erholung – und zwar dringend.
***
Tja, es funktioniert natürlich nicht.
Weder nachdem ich mir meinen Kittel ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt und die nächsten zwanzig Minuten unter der Motorhaube verbracht habe, noch nachdem ich sämtliche Schläuche und Dichtungen geprüft habe. Alles ist richtig miteinander verbunden, nichts hat sich gelöst, ist geplatzt oder hat ein Loch. Es befinden sich auch keine Pfützen unter den Vorderreifen.
Ich hab schon so manches Tier wiederbelebt, das am Rande des Todes stand, und ich glaube, das war wesentlich einfacher, als dieses Biest hier zum Leben zu erwecken.
Ich schließe ihre Batterie an meine an und versuche es mit einer Überbrückung. Die hat allerdings nur weiteres Röcheln, Husten und Stottern zur Folge – und eine Wolke aus schwarzem Rauch, die mir direkt ins Gesicht weht.
Nach dem vierten Versuch muss ich mich endgültig geschlagen geben. Ich wische mir das Öl von den Unterarmen und den Ruß vom Kinn. »Am besten, Sie rufen morgen früh in der Werkstatt an. Ich kann Sie nach Hause fahren.«
»Sie?« Ember umklammert den Henkel ihrer Tasche. Sie hat die ganze Zeit über stumm neben mir gestanden und mir bei meinen kläglichen Reparaturversuchen zugesehen – so winzig in ihrem Kittel, der ihre elfenhafte Gestalt noch kleiner erscheinen lässt. »Das müssen Sie nicht, Doc. Ich rufe mir einfach ein Uber-Taxi.«
»Wir sind hier in Heart’s Edge, Ember. Hier gibt es nicht mal ein normales Taxiunternehmen.« Fast hätte ich gelacht – aber nur fast. »Wenn man alles zu Fuß erreichen kann, braucht man kein Taxi.«
Erneut blinzelt sie mich an. »Aber … bis zu mir sind es mehrere Kilometer. Das ist nicht gerade nah.«
»In einer Bergstadt schon.« Ich öffne die Beifahrertür meines Trucks. »Kommen Sie.«
Nach kurzem Zögern – sie ist so ängstlich wie ein kleines Vögelchen mit ihren zarten, schreckhaften Bewegungen – steigt sie schließlich ein und lässt sich auf den Beifahrersitz sinken. Ich nehme meinen Platz hinterm Steuer ein und lehne mich hinüber zum Handschuhfach, um ein paar Tücher herauszunehmen.
Als ich mit dem Handgelenk ihr Knie streife, das in einer Jeans steckt, gibt sie ein leises Geräusch von sich und krallt die Finger noch fester um die Handtasche auf ihrem Schoß. Dann sitzt sie stocksteif da, bis ich mich wieder zurückziehe und mir das Öl von den Händen abwische.
»Wo wohnen Sie denn?«, erkundige ich mich.
»Oh, im Moment noch im ›Charming Inn‹«, entgegnet sie, »bis ich was Eigenes gefunden habe. Meine Cousine hat mir den Tipp gegeben, dass es außerhalb der Urlaubssaison günstiger ist, sich ein Ferienhaus zu mieten als eine Wohnung.«
»Ah, das ›Charming‹. Gute Wahl.«
Auf einmal bin ich sehr froh darüber, dass ich sie nicht allein hier zurückgelassen habe. Das Hotel liegt recht abgelegen mehrere Kilometer außerhalb der Stadt, und man muss ein einsames Stück Highway entlanggehen, was eine Frau besser nicht allein tun sollte.
»Anschnallen«, sage ich, und sie gehorcht.
Nervös fummelt sie an ihrem Gurt herum; ihre Hände, die vorhin noch so sicher im Umgang mit den Tieren waren, sind plötzlich ungelenk und fahrig. Ich warte, bis sie sich richtig angeschnallt hat, bevor ich meinen Truck anlasse, rückwärts vom Parkplatz fahre und in die Hauptstraße einbiege, die zum Highway und damit zum »Inn« führt.
Im Wagen herrscht eine himmlische Stille. Ember scheint diese Tatsache allerdings eher zu beunruhigen, zumindest zupft sie die ganze Zeit über an ihrer Tasche herum.
Ich dagegen halte es mit dem Sprichwort »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold« und ziehe die Stille jederzeit vor. Keine Ahnung, wann ich angefangen habe, nur noch das Nötigste zu reden, oder wieso ich irgendwann nicht mehr so viel zu sagen hatte.
Vielleicht, als ich erkannt habe, dass ich bestimmte Sachen nicht eins zu eins wiedergeben darf und die Geheimnisse, die diese kleine Stadt umwittern, mit Worten verschleiern muss.
Wir sind gerade von der Hauptstraße auf den Highway abgebogen und jagen den Lichtkegeln meiner Scheinwerfer auf den gelben Fahrstreifen hinterher, als Ember doch zu sprechen anfängt: »Ist … ähm … ist alles okay bei Ihnen?«
Ich hebe eine Augenbraue und werfe ihr einen kurzen Blick zu. »Wieso sollte es das nicht sein?«
»Na ja … wegen … dieser Frau … mit der Katze … Baxter. Und dann mussten Sie sich ja auch noch um mein Auto kümmern …« Ember blickt aus dem Fenster. Sie hat die Augenbrauen zu einer geraden Linie zusammengezogen, und ihr kleiner rosafarbener Mund wirkt ganz sanft vor Mitgefühl. »Es kam mir so vor, als … als hätte diese Frau Sie irgendwie aufgeregt. Weil Sie sich kennen.«
»Sie haben ungefähr genauso viel mit ihr gesprochen wie ich«, wende ich ein. »Sie war einfach nur eine Kundin, anscheinend neu hier in der Stadt. Sie hat was von ihrem Umzug gesagt. Wieso sollte mich das aufregen?«
»Keine Ahnung …« Sie verstummt, und ihre Augen verengen sich, bevor sie den Kopf senkt und sich das Haar hinters Ohr schiebt. Ein selbstironisches Lächeln umspielt ihre Lippen. »Ignorieren Sie mich einfach. Ich mache mir ständig irgendwelche Gedanken. Ich glaube … Also, ich hab einfach nur gedacht, dass …«
»Was haben Sie gedacht?«
»Dass Sie vielleicht in irgendwelchen Schwierigkeiten stecken«, flüstert sie, »und vielleicht Hilfe brauchen. Bescheuert, ich weiß.«
»Und wie wollen ausgerechnet Sie mir helfen?«, gebe ich schroff zurück, bevor ich mich noch bremsen kann.
Ich stoße einen leisen Fluch aus. Diese Reaktion kam einfach instinktiv. Die Notwendigkeit, jeglichen Anzeichen von Ärger und Problemen aus der Vergangenheit sofort aus dem Weg zu gehen.
Das Blöde ist nur, besagte Probleme werden wahrscheinlich nicht mehr lange dort bleiben, wo sie vergraben liegen.
Ich weiß nicht, wieso Fuchsia in der Stadt ist.
Ehrlich gesagt, ist es mir auch egal. Ich will nur, dass sie so schnell wie möglich wieder verschwindet.
Und was ich gar nicht gebrauchen kann, ist, dass eine so junge Frau wie Ember Delwen in den Ärger hineingerät, den Fuchsia zwangsläufig mit sich bringt.
Wenn sich Unheil irgendwie personifizieren ließe, wäre Fuchsia genau die Richtige für die Rolle.
Und ich kann die böse Vorahnung nicht abschütteln, dass das Unheil schon bald nach Heart’s Edge zurückkehren wird, weil es an Fuchsia Delaneys hohen Hacken klebt.
Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass Ember wieder in Schweigen verfällt, stattdessen überschattet jedoch ein seltsam trauriges, wehmütiges Lächeln ihr sanftes Gesicht. »Da haben Sie wahrscheinlich recht. Was könnte ich schon für jemanden wie Sie tun?«
»Jemanden wie mich? Wie bin ich denn?«
Sie schüttelt ganz leicht den Kopf. »Ach, vergessen Sie’s.«
»Nee, nee, nee, Ember. Raus mit der Sprache.«
Verdammt. Schon wieder habe ich diesen kalten, schneidenden Ton drauf. Ich kann einfach nicht anders. Nicht, nachdem ich heute von einem Monster überfallen wurde.
Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass mir dieses unschuldige Mädchen so unter die Haut geht.
Oder wieso es mir wichtig ist, was sie von jemandem wie mir hält und wie sie mich einschätzt.
Zittrig atmet sie ein und beäugt mich aus dem Augenwinkel, beobachtet mich durch ihre zerzauste Mähne. Sie ist ein durch und durch natürlicher Typ, wie ein Blumenkind, und lässt ihr Haar einfach wild wachsen, ohne einen bestimmten Stil zu verfolgen. Auch das verleiht ihr etwas Zartes, Weiches und gibt ihr die Ausstrahlung eines unberührten Wesens, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden.
Entweiht, falls sie mir zu nahekommt.
Beschmutzt.
»Oh, ich wollte damit nichts Schlimmes sagen.« Schon wieder beißt sie sich auf ihre rosige Unterlippe, und ich muss mich zusammenreißen, mich davon nicht vom Fahren ablenken zu lassen. »Es ist nur … Sie wissen schon. Diese ganzen Frauen, die auf Sie gewartet haben …«
»Die haben auf mich gewartet, weil ich Tierarzt bin und mir ihre kranken Tiere ansehen sollte.«
Erneut huscht dieses seltsame Lächeln über ihre Lippen. »Die Tiere hatten nichts, Dr. Caldwell. Und zwar keins von ihnen.«
»Ist doch besser, als krank zu sein. Wollen Sie etwa andeuten, dass unsere Kundinnen nur an mir interessiert sind, Ember?«
Sie gibt einen leisen, unglücklichen Laut von sich, bevor sie den Blick wieder aus dem Fenster richtet. »Tut mir leid«, sagt sie fast flüsternd. »Ich hätte nichts sagen sollen.«
Ich runzle die Stirn. Irgendwie verstehe ich sie nicht, diese Ängstlichkeit, die sie ständig umgibt, als hätte sie sich wie ein zartes Tuch um ihre schlanken Schultern gelegt.
Und eigentlich sollte ich diese Frage nicht stellen, aber ich tue es trotzdem.
»Ember?«, murmle ich. »Was geht wirklich in Ihnen vor?«
Stille. Schweigen. Dann ein weiterer zittriger Atemzug, und ihre Lider senken sich. »Na ja … es ist wegen Arielle. Sie war ja mit Jake da, um Sie zu sehen, und dann mussten Sie mich vor ihr verteidigen. Weil ich so unfähig und inkompetent war.«
»Überhaupt nicht«, widerspreche ich sofort. »Sie haben Ihre Arbeit gut gemacht, und ich konnte es ihr nicht durchgehen lassen, dass sie eine meiner Angestellten so respektlos behandelt und deren Fachkenntnis infrage stellt.«
»Welche Fachkenntnis?«, gibt sie mit einem Hauch von Bitterkeit zurück. »Ich hab doch gerade mal das College absolviert und noch nicht lange meinen Anschluss. Ich bin nichts. Zumindest noch nicht.«
Ich bin nichts.
Noch nie habe ich jemanden diesen Satz mit so tiefer Überzeugung sagen hören.
Und ich frage mich, was genau zu dieser Einstellung geführt hat.
»Wenn Sie nichts wären, hätte ich Sie nicht eingestellt«, bekräftige ich. »Ihr Lebenslauf und Ihre Ausbildung sprachen sehr für Sie. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann; der arbeiten kann, ohne dass ich ihm ständig über die Schulter blicken muss. Und dass Sie dazu in der Lage sind, haben Sie mir heute, an Ihrem ersten Tag, schon bewiesen. Ich will nicht, dass meine Kunden versuchen, Sie zu übergehen, obwohl Sie sich genauso gut um die Patienten kümmern können wie ich, und dass die wegen jeder Kleinigkeit zu mir rennen, nur aufgrund persönlicher … Vorlieben.«
Ich beiße mir auf die Zunge, bevor ich »Gelüste« sage. Ich bin nicht blöd: Ember liegt mit ihrer Einschätzung gar nicht so falsch, aber das werde ich sicher nicht zugeben. Nicht, nachdem ich mich schon seit Jahren darüber aufrege, wenn mein Freund Warren meine Kundinnen Groupies nennt. Wenn der je mitbekommt, dass da durchaus ein Fünkchen Wahrheit dran ist, wird er mich bis zum Rest meines Lebens damit aufziehen.
Ich erwarte schon halb, dass Ember abwinkt und irgendeinen selbstkritischen Kommentar loslässt.
Doch sie starrt mich nur an, während die Grübelfalten auf ihrem Gesicht verschwinden und einem stillen, etwas erschreckten Ausdruck mit leicht aufgerissenen Augen Platz machen.
Meine Güte, sie errötet schon wieder.