Office Grump - Nicole Snow - E-Book
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Office Grump E-Book

Nicole Snow

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Beschreibung

Magnus Heron, CEO der renommierten Werbeagentur HeronComm, ist ein Workaholic, Kontrollfreak und Miesepeter. Bei einem Werbedreh kreuzen sich seine Wege mit Sabrina Bristol, die ihn mit ihrer selbstbewussten und frechen Art herausfordert. Obwohl das Aufeinandertreffen nicht schlechter hätte laufen können, erkennt Magnus ihr Potenzial und bietet ihr prompt die Stelle als seine Assistentin an. Brina, die knapp bei Kasse ist und dringend einen Job braucht, zögert nicht lange und nimmt das Angebot an – auch wenn das Verhalten ihres neuen Chefs sie zur Weißglut treibt.

Doch so unterschiedlich sie auch sein mögen, in einem Punkt sind sich beide einig: Gefühle haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen …


Auftakt der "Bad Chicago Bosses" von Nicole Snow! Alle Bücher sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. 

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Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Magnus Heron, CEO der renommierten Werbeagentur HeronComm, ist ein Workaholic, Kontrollfreak und Miesepeter. Bei einem Werbedreh kreuzen sich seine Wege mit Sabrina Bristol, die ihn mit ihrer selbstbewussten und frechen Art herausfordert. Obwohl das Aufeinandertreffen nicht schlechter hätte laufen können, erkennt Magnus ihr Potenzial und bietet ihr prompt die Stelle als seine Assistentin an. Brina, die knapp bei Kasse ist und dringend einen Job braucht, zögert nicht lange und nimmt das Angebot an – auch wenn das Verhalten ihres neuen Chefs sie zur Weißglut treibt.

Doch so unterschiedlich sie auch sein mögen, in einem Punkt sind sich beide einig: Gefühle haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen …

Auftakt der "Bad Chicago Bosses" von Nicole Snow! Alle Bücher sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. 

Über Nicole Snow

Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.

Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.

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Nicole Snow

Office Grump

Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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ÜBER DIESES BUCH

KAPITEL 1: SCHWARZER FREITAG — SABRINA

KAPITEL 2: DIE FRAU AUF DER PARKBANK — MAGNUS

KAPITEL 3: UNVERHOFFT KOMMT OFT — SABRINA

KAPITEL 4: ALMA MATER — MAGNUS

KAPITEL 5 – ZIMTKAFFEE AM MORGEN VERTREIBT KUMMER UND SORGEN — SABRINA

KAPITEL 6: RETTUNG IN LETZTER MINUTE — MAGNUS

KAPITEL 7: EIN SCHLECHTES OMEN — SABRINA

KAPITEL 8: DER GLÜCKSPENNY — MAGNUS

KAPITEL 9: NOCH EIN KITSCHROMAN — SABRINA

KAPITEL 10: NETTE ACCESSOIRES — MAGNUS

KAPITEL 11: PECH IN SERIE — SABRINA

KAPITEL 12: SONNENUNTERGANG IN DER WÜSTE — MAGNUS

KAPITEL 13: DER HEIMLICHE WEIHNACHTSMANN — SABRINA

KAPITEL 14: DER ÜBERFALL — MAGNUS

KAPITEL 15: DER KLEINE BRUDER — SABRINA

KAPITEL 16: ARROGANTER GELDSACK — MAGNUS

KAPITEL 17: DIE VERSUCHUNG — SABRINA

KAPITEL 18: SCHÖNE AUSSICHT — MAGNUS

KAPITEL 19: ALLES AUS — SABRINA

KAPITEL 20: FROHES NEUES JAHR — MAGNUS

KAPITEL 21: SCHWARZE KATZE — SABRINA

KAPITAL 22: ON THE DESK — MAGNUS

KAPITEL 22: DAS ROTE CABRIO — SABRINA

KAPITEL 23: DER AUGENÖFFNER — MAGNUS

KAPITEL 24: DER NEUE FREUND — SABRINA

KAPITEL 25: EINFACH PERFEKT — MAGNUS

KAPITEL 26: DER SKYWRITER — SABRINA

KAPITEL 27: NEUANFANG — MAGNUS

KAPITEL 28: DIE MEERJUNGFRAU — SABRINA

Impressum

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ÜBER DIESES BUCH

Mein »Vorstellungsgespräch« mit dem arroganten Vollidioten verlief alles andere als normal.

Er hatte sich den denkbar ungünstigsten Tag ausgesucht, um mich von meiner Lieblings-Parkbank zu vertreiben, sodass ich ihm etwas von meinem Zimt-Latte über die italienischen Schuhe kippte.

Woraufhin Magnus Heron mir aus einem unerfindlichen Grund einen Job anbot.

Schon der Name klingt anstrengend.

Ein perfektes Beispiel für nomen est omen.

Aber wenn man Single ist, pleite und in Chicago irgendwie über die Runden kommen muss, schaut man einem geschenkten Gaul – in Form eines sechsstelligen Gehalts und einiger Extras – nicht ins Maul.

Ich sprang auf den Zug auf und landete geradewegs in der Hölle.

Ich meine damit nicht die endlosen Überstunden unter einem ewig übel gelaunten Boss. Auch nicht seinen schroffen Ton, seine hohen Ansprüche, sein fettes Bankkonto oder sein unglaublich gutes Aussehen.

Nicht einmal den nervigen Umstand, dass ich in seiner Gegenwart jedes Mal erröten muss.

Mag ist nun einmal der Boss und ich nur seine kleine Assistentin, und Hierarchien sind nun einmal unverrückbar.

Das war zumindest mein Mantra, bis wir einen unfassbar schönen Sonnenuntergang miteinander erleben. Einen prickelnden Moment mit Schmetterlingen im Bauch, geflüsterten Geheimnissen und einer sich anbahnenden Katastrophe.

Der Plan war eigentlich ganz einfach: arbeiten, dafür bezahlt werden und meinen Boss weiter hassen.

Aber da hatte ich wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Besser gesagt ohne Magnus Heron …

KAPITEL 1: SCHWARZER FREITAG

SABRINA

Schon in der Sekunde, als ich die Augen aufschlage, habe ich so eine Ahnung, dass es kein guter Tag werden wird. Es ist Freitag, der dreizehnte, der schlimmste Tag überhaupt.

Ein Datum, das ich mit fauchenden schwarzen Katzen, umfallenden Salzstreuern und kaputten Weckern assoziiere.

Ein Datum, das nichts Gutes bedeutet für hart arbeitende junge Frauen, die auf der falschen Bettseite aufwachen, mit Nackenschmerzen, die darauf hindeuten, dass das Unglück schon in der Nacht seinen Lauf genommen hat.

Na toll.

Irgendwie gelingt es mir, aus dem Bett zu kriechen, zu duschen und mich anzuziehen, ohne mir den Hals zu brechen, aber als ich in einem brandneuen Outfit aus dem Schlafzimmer hüpfe, wobei ich den Reißverschluss meines kniehohen Stiefels hochziehe und gleichzeitig mit dem Handy herumhantiere, um einen Blick auf die Uhr zu werfen, realisiere ich, dass mein steifer Hals nicht mein einziges Problem ist.

Ich komme zu spät.

Offenbar macht dieser Unglückstag auch vor meinem Handywecker nicht halt.

»Ohhh, Brina, hast du heute Abend ein Date? Du siehst umwerfend aus! Aber du bist zu spät.« Paige reicht mir mit einem freundlichen Lächeln meine Handtasche und einen Pappbecher Kaffee.

»Was würde ich nur ohne dich machen?«, murmele ich, wobei ich schwanke, ob ich die Augen verdrehen soll, weil sie mich auf das Offensichtliche aufmerksam macht oder weil ich ohne eine Freundin wie sie wirklich aufgeschmissen wäre.

Ich ziehe das letzte Stück Reißverschluss zu und schnappe mir Handtasche und Kaffeebecher. Mein Outfit – ein Strickkleid mit einer Jacke drüber und hochhackigen Stiefeln – ist weniger einem Modetrend als den milden Herbsttemperaturen geschuldet. Das walnussbraune Haar habe ich aus Zeitgründen heute Morgen nur fix zum Pferdeschwanz gebunden.

»Ich habe noch kein festes Date. Du weißt ja, wie sprunghaft die Typen auf Tinder sind«, sage ich, werfe noch einen Blick auf mein Telefon und wünschte, ich könnte irgendwie die Zeit verlangsamen.

»Keine Sorge, du schaffst das«, versichert mir Paige mit einer Zuversicht, die ich gerne mit ihr teilen würde. »Ich persönlich denke ja, du solltest deinen abergläubischen Spleen mal ablegen. Du hast den Namen, ja, aber wir haben das schon so oft durchgekaut …«

»Stimmt, und es endet immer mit derselben Frage: Sehe ich aus wie ein Teenager oder wie eine Hexe?« Sie klimpert unschuldig mit den Wimpern.

Gott. Ich wünschte, ich hätte Zauberkräfte. Wenn ich nämlich meinen Bus verpasse, kann ich mich warm anziehen.

Als ich zur Tür stürze, geht mir plötzlich auf, dass meine Mitbewohnerin, eine echte Nachteule, eigentlich noch gar nicht wach sein sollte. »Warum bist du schon auf?«

»Ich treffe mich mit einem potenziellen Kunden im Lincoln Park.« Sie fährt sich mit einer Hand durch das blonde Haar, als wäre es selbstverständlich, dass man so früh am Morgen schon so umwerfend aussieht.

Und so wünschte ich, ich hätte nicht nur ihren Optimismus, sondern auch ihr Aussehen.

»Heute ist Freitag, der dreizehnte«, warne ich sie. »Sei vorsichtig.«

Sie schnaubt laut in ihre Kaffeetasse. »Du und dein Hokuspokus. An diesem Datum passieren die tollsten Sachen.«

»Was denn zum Beispiel?«, rufe ich über die Schulter, habe aber keine Zeit, die Antwort abzuwarten. Stattdessen stürme ich die Treppe hinunter und hoffe inständig, dass sie recht hat.

Aber mal im Ernst.

Tolle Sachen?

Heute?

Wohl kaum. Nein. Niemals.

Ich hetze den Block hinunter und sehe gerade noch, wie mein Bus weiter vorn an der Haltestelle davonfährt.

»Verfluchte Sch…« Ich schlucke den Rest hinunter, als eine alte Dame, die es offensichtlich nicht eilig hat, mir einen missbilligenden Blick zuwirft.

Anstatt darüber nachzudenken, wie wunderbar es sein muss, wenn man so früh am Morgen ganz entspannt unterwegs sein kann, ohne sich Sorgen um seinen Job machen zu müssen, hebe ich den Kaffee an den Mund und schlürfe extra laut.

Es ist in diesem Monat das dritte Mal, dass ich zu spät komme. Wirklich super.

Glücklicherweise hat die letzten beiden Male niemand etwas dazu gesagt, vermutlich deshalb, weil alle wissen, dass ich mir tagtäglich den Arsch aufreiße und am Abend entsprechend länger bleibe.

Ich kippe meinen Kaffee herunter, werfe den Pappbecher in den Abfalleimer und warte auf den nächsten Bus, während ich die Augen aufhalte, für den Fall, dass noch mehr schiefgeht an diesem Morgen.

Keine schwarze Katze weit und breit, die sich vorgenommen hat, mir den Tag zu verderben.

Immerhin ein kleiner Trost.

Als ich endlich vor dem Büro aus dem Bus steige und durch die Eingangshalle renne, schließen sich prompt die Fahrstuhltüren vor meiner Nase.

Ich bin schon vierzig Minuten zu spät. Schon wieder.

Ich muss in diesen Fahrstuhl!

Entschlossen stecke ich einen Fuß durch die glänzenden Türen, um die Lichtschranke zu aktivieren, damit die Türen sich wieder öffnen.

Leider vergeblich.

Stattdessen schließen sich die Türen und klemmen meinen Absatz ein.

Oh.

O Gott.

Ich schnappe nach Luft, als ich ein lautes Knacken höre.

Knochen?

Mit klopfendem Herzen wackle ich mit den Zehen, auf das Schlimmste gefasst.

Aber der Fuß tut nicht weh.

Die Türen haben nur den Absatz erwischt. Als die Türen mit einem Ping wieder aufgleiten, knallt mein lädierter Absatz auf den Boden, und ich stürze in die Kabine, so schnell es mit einem kaputten Absatz geht.

Geschafft.

Okay. So etwas passiert. Erst recht an einem Freitag, dem dreizehnten.

Wenn mir heute nichts Schlimmeres passiert, als den Bus zu verpassen und einen Absatz zu ruinieren, ist alles gut.

Leider fällt mir plötzlich auf, dass etwas nicht stimmt. Unten in der Zentrale von Purry Furniture & More in der Innenstadt von Chicago war es seltsam still. Fast rechne ich damit, dass die niedlichen schwarzen Katzen auf den Plakaten sich mit ausgefahrenen Krallen auf mich stürzen.

Außerdem sehe ich, als die Stahltüren auseinandergleiten, meine Vorgesetzte Vanessa lächelnd am Empfang dieser Etage stehen.

Allerdings ist es kein warmes Lächeln. Vielmehr wirkt es hölzern, als wolle sie sagen: Ich tue so, als wäre alles in bester Ordnung, während ich tatsächlich mit Atombomben jongliere und dir gleich eine in den Schoß fallen lasse.

Was ist hier los? Liegt es an meiner Verspätung?

Ich verlasse den Fahrstuhl, meinen abgebrochenen Absatz in der erhobenen Hand.

»Vanessa, tut mir leid, dass ich zu spät komme. Mein Wecker hat nicht geklingelt, und ich bin mit dem Absatz in den Fahrstuhltüren hängen geblieben und …«

Sie unterbricht mich, indem sie eine Hand hebt. »Nicht schlimm, Sabrina. Könnten Sie kurz in mein Büro kommen? Ich muss mit Ihnen sprechen.«

Seltsam.

Auch, dass sie mich mit meinem vollen Vornamen anspricht. Warum hat sie mich nicht Brina genannt wie sonst? So wie es alle tun, seit ich denken kann.

Ich folge ihr humpelnd und schlucke schwer. Da ist ein Kloß in meinem Hals.

Freitag, der dreizehnte.

Und meine Vorgesetzte will mit mir »sprechen«.

Das ist übel.

Sie nimmt mit einem weiteren seltsam steifen Halblächeln hinter ihrem massiven Glasschreibtisch Platz und legt die Fingerspitzen dachförmig aneinander.

»Also … Sabrina, es gibt keinen schonenden Weg, so etwas zu kommunizieren, darum komme ich gleich auf den Punkt. Sie sind ein unglaublich talentiertes und hart arbeitendes Mitglied unseres Kreativteams. Wir lieben Ihre Designs. Leider … wurde unser Budget gekürzt.«

»Oh.« Das klingt nicht gut. Aber ich bin ein wertvolles Teammitglied. Mein Arbeitspensum ist beachtlich. »Ich … ich dachte, Sie fänden meine Designs phänomenal? Die Hälfte hängt in den Büroräumen.«

»Das ist richtig, ja. Aber Fakt ist auch, dass unser Inhaber Mr. Tillies der Meinung ist, dass wir Designer dort einstellen sollten, wo sich unsere Möbel-Fertigung befindet. Und Jack hat ähnliche Grafikdesigns in Bangladesch gefunden, für nur einen Dollar das Stück. Die Entwürfe sind natürlich nicht so ausgereift wie Ihre, aber …«

Ich höre gar nicht mehr zu.

Jack? Hat sie gerade Jack gesagt? Jack das Arschloch?

»Sie meinen den Praktikanten, den ich eingearbeitet habe?«

Vanessa räuspert sich stirnrunzelnd und nickt.

Es fällt mir schwer, nicht die Augen derart zu verdrehen, dass sie aus den Höhlen rollen.

Jetzt verstehe ich, warum der grüne Junge sich so dafür interessiert hat, welche Bereiche des Herstellungsprozesses wir – also eigentlich er – automatisieren oder auslagern könnten. Und das alles für ein unbezahltes Praktikum als Pluspunkt auf seiner College-Bewerbung.

»Dann bin ich gefeuert?«, frage ich wie vor den Kopf geschlagen.

Ihre Augen weiten sich, als wolle sie sagen Grundgütiger, nein!

Den Bruchteil einer Sekunde glaube ich, dass ich doch nicht in den Abgrund stürzen werde, der sich vor mir aufgetan hat. Aber dann …

»Wir lassen Sie gehen«, sagt sie leise, als würde das den Schlag mildern. »Mr. Tillies zieht diese Formulierung vor.«

Das Atmen fällt mir plötzlich schwer, und ich bin so sehr darauf fokussiert, Luft zu holen, dass ich ihr nicht reflexartig den Mittelfinger zeige.

Was für ein Hohn. Wer denkt sich denn bitte solche Schönfärbereien wie »gehen lassen« statt »entlassen« aus?

Wie immer man es nennen mag, es ändert nichts an den kalten nackten Fakten. Das ist die dritte Stelle, die ich in der Probezeit verliere.

Das letzte Mal, das war erst im Frühjahr, musste ich sogar Paige bitten, für zwei Monate meinen Mietanteil mitzubezahlen. Das war zwar keine große Sache für jemanden aus wohlhabendem Haus, aber es war mir extrem unangenehm.

Außerdem hatte ich mich mehr oder weniger nur noch von Ramen-Nudeln und Instant-Pasta mit Käse ernährt. Schon ein Sechs-Inch-Sandwich von Subway war für mich ein geradezu extravaganter Luxus.

Ich selbst weiß sehr gut, was es heißt, als junger Mensch in einer Großstadt wie Chicago an der Armutsgrenze zu leben, und ganz ehrlich, ich bin nicht scharf drauf, diese Erfahrung zu wiederholen.

Vanessa mustert mich besorgt.

Mir geht der ganze Bewerbungs-Albtraum durch den Kopf, der nun wieder auf mich wartet, das Klinkenputzen und die Arschkriecherei, und ich überlege, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, diesen Job zu behalten. Vielleicht, wenn ich beim Abschlussgespräch einen so guten Eindruck mache, dass sie zu dem Schluss kommt, es wäre ein fataler Fehler, mich »gehen zu lassen«.

Vielleicht würde sie dann den Möbel-Mogul-CEO Tillies davon überzeugen, mich weiter zu beschäftigen …

»Vanessa, nur eine Frage … Hätte ich irgendetwas anders machen sollen? Ich meine, wenn ich etwas falsch gemacht habe, würde ich das gerne bei meiner nächsten Stelle vermeiden.«

Sie schenkt mir ein entspanntes, bedauerndes Lächeln. »Sie arbeiten hart und sind eine engagierte Mitarbeiterin. Sie waren nicht lange genug bei uns, als dass ich Sie darüber hinaus beurteilen könnte, fürchte ich. So etwas kommt vor.«

Meine Augen zucken.

Ja, so etwas kommt vor, insbesondere an Scheißtagen, an denen das ganze Universum aus dem Lot gerät.

»Es handelt sich wirklich um eine Budgetkürzung. Es hat nichts mit Ihnen persönlich oder mit Ihren beeindruckenden Fähigkeiten zu tun«, fährt sie fort. »Sie bekommen Ihren letzten Gehaltsscheck nächste Woche, und den heutigen Tag bekommen Sie noch bezahlt, aber wenn Sie Ihre Sachen gepackt haben, sind Sie freigestellt und können gehen.«

Wunderbar.

»Gibt es nicht vielleicht eine andere Stelle für mich, selbst wenn sie schlechter bezahlt ist?«

Mitleid flackert in ihren Augen auf. Also nein.

»Die Betriebskosten sollen insgesamt gesenkt werden, sodass die meisten Assistentenpositionen auf die Philippinen ausgelagert werden. Ich kann gerne Ihre Unterlagen dabehalten und …«

Nein, danke.

Hat sich erledigt.

Ich stehe auf und verlasse das Büro ohne einen Blick zurück. Ich fühle mich, als hätte sie mich geohrfeigt. Aber das ist ja nichts Neues in der beruflichen Laufbahn von Sabrina Bristol.

Meine erste Anstellung hatte ich bei einem Start-up, das unterging, als ein großes Konkurrenzunternehmen zwei Wochen später ein eigenes revolutionäres App-Update herausbrachte, das die Neuentwicklung des Start-ups überflüssig machte.

Danach arbeitete ich bei einer Zeitarbeitsfirma. Die Bezahlung war grottenschlecht und ich nie übernommen worden, also hatte sich auch das als Sackgasse erwiesen.

Purry Furniture & More war wie ein Sechser im Lotto gewesen. Ich meine, abgesehen von Unglück bringenden schwarzen Katzen liebte ich Tiere.

Wenn man damit klarkam, dass sich alles nur um die Vermarktung von Haustier-Mobiliar drehte, war die Firma ein guter Platz für Berufseinsteiger. Schlecht bezahlt, sicher, aber man konnte viel lernen, und ich hatte den Posten als Türöffner betrachtet, als Sprungbrett.

Und jetzt war nach drei Monaten schon wieder alles vorbei. Das reichte nicht einmal, um nennenswerte Erfahrungen zu sammeln. Wohl aber, damit ein Pfennigfuchser in der Chefetage entschied, dass das bisschen Gehalt noch zu viel war.

Ohne ein Wort mit den Kollegen zu wechseln, die mich meiden wie die Pest, räume ich meinen Schreibtisch.

Viel zu räumen gibt es nicht.

Ein Foto von Paige und mir auf dem Navy Pier an Silvester. Und ein Foto meiner Eltern von Weihnachten vor zwei Jahren.

Meine letzten Designs liegen auf dem Tisch, mehrere lächelnde Comic-Katzen, die sichtlich begeistert sind von den neuesten Katzenbetten des Unternehmens. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sie ordentlich zu pitchen, und hoffe, dass Jack, die miese Ratte, sie noch nicht gesehen hat.

Entgegen der Meinung meiner Vorgesetzten kann nicht jeder Katzen- und Hunde-Begeisterung so anschaulich wiedergeben wie ich in diesen Entwürfen. Ich packe sie als Arbeitsmuster ein, bevor die Firma auf die Idee kommt, die Rechte an den Designs für sich zu beanspruchen. Die gerahmten Fotos stecke ich in die Handtasche, und als ich nichts finden kann, um die Entwürfe sicher unterzubringen, schnappe ich mir einen fuchsiafarbenen Hefter vom Schreibtisch einer Praktikantin. Ich spare mir die Mühe, eine Notiz zu hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass sie nicht einmal meinen Namen kennt.

Dann stopfe ich meine professionelle Arbeit in eine schreiend pinkfarbene Mappe. Nicht, dass ich etwas gegen Pink hätte, aber ich sähe mich lieber mit einer eleganten Aktentasche aus schwarzem Leder herumlaufen als mit einer Mappe, die aussieht wie die Kunstmappe einer Highschool-Schülerin.

Zehn Minuten nach meinem unspektakulären Abgang stehe ich wieder in dem Fahrstuhl, der meinen Absatz ruiniert hat, als mein Handy vibriert.

Brad B., ein Typ, den ich auf Tinder kennengelernt habe, fragt, ob ich Lust habe, mich um zwei mit ihm zu treffen.

Vielleicht hält dieser Tag ja doch noch etwas Positives bereit?

Auf dem Foto sieht er echt süß aus. Er scheint beruflich sehr engagiert zu sein, angeblich arbeitet er daran, zum Partner in einem Steuerberatungsbüro aufzusteigen. Er ist nett und witzig, und seine oft selbstironischen, bescheidenen Nachrichten vermitteln den Eindruck, als wäre er möglicherweise der letzte normale Single in ganz Chicago.

Ich schreibe zurück.

Sabrina: Klar, im Sweeter Grind?

Ich hoffe, dass ihm das recht ist. Denn ehrlich, wenn ich heute keinen vernünftigen Kaffee mit einem leckeren Stück Kuchen bekomme, sterbe ich.

Brad: Geht klar.

Cool. Hoffnung steigt in mir auf. Vielleicht hat Paige ja doch recht.

Obwohl ich meinen Job und einen Absatz verloren habe, könnte es unter Umständen doch noch ein guter Tag werden.

Um Viertel vor zwei nehme ich in einer Nische meines Lieblings-Cafés Platz und warte auf mein Date. Ich suche – vergeblich – online nach offenen Stellen für Grafikdesigner und schaue immer wieder zur Tür.

Um Viertel nach zwei schicke ich ihm eine Nachricht und frage, wo er bleibt. Keine Antwort.

Um zehn vor drei hat sich der Arsch immer noch nicht blicken lassen, und ich fühle mich erst recht wie ein Riesenversager. Ich male mir aus, wie ich Brad B.s grinsendes Tinder-Foto auf dem Körper eines Esels platziere. Wie das wohl aussähe?

Den Kopf schräg gelegt, überlege ich. Das wäre zwar keine sinnvolle Beschäftigung, würde mir aber dabei helfen, etwas Dampf abzulassen.

Zur Hölle mit Brad und allen Ghostern. Ich habe lange genug gewartet und hole mir an der Theke einen Kaffee.

»Was darf es sein?«, fragt mich eine gut gelaunte Rothaarige mit Pferdeschwanz.

Mein Magen knurrt, weil ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe. »Einen Medium-Zimt-Latte und eine Frischkäse-Bärenklaue bitte. Ach ja, und einen Heart’s Edge-Trüffel.«

»Hervorragende Wahl! Das macht dann neun Dollar und neunzehn Cent«, sagt die Verkäuferin.

Ich zucke innerlich zusammen und versuche, neun Dollar und neunzehn Cent von meinen letzten fünfzig Dollar abzuziehen, die sich heute Morgen noch auf meinem Konto befunden haben. Ich war nie besonders gut in Mathe, und vor einer Stunde habe ich noch gehofft, Brad B. würde sich als Gentleman erweisen und darauf bestehen, mich einzuladen.

»Alles okay?« Die Verkäuferin mustert mich prüfend.

Ich sehe an ihr vorbei und lasse den Blick über die großen Schwarz-Weiß-Fotos hinter dem Tresen schweifen. Sie zeigen alle Szenen eines idyllischen Bergdorfs – eine lächelnde Familie, einen Hünen mit einem vernarbten, aber attraktiven Gesicht, der Schokolade von einem Löffel leckt.

»Ich habe nur die Deko bewundert, alles gut«, entgegne ich und stelle mich mental auf einen Monat Ramen-Nudeln ein, als ich meine Geldkarte in das Lesegerät stecke. Ich sollte nicht so viel Geld für Kaffee und Süßes ausgeben, aber ich brauche jetzt einen Zucker- und Koffeinschub, um diesen grässlichen Tag zu überstehen.

Ein paar Minuten später reicht sie mir eine Papiertüte mit meinen süßen Seelentröstern und einen heißen Kaffee. Genüsslich atme ich den nach Zimt duftenden Dampf ein.

Göttlich.

Da ich ungewöhnlich früh am Nachmittag freihabe, kann ich die Gelegenheit auch nutzen und meinen Kaffee im Park auf der anderen Straßenseite trinken. Dann kann ich ganz in Ruhe über Vollidioten nachgrübeln, die sich verabreden, um dann nicht zu erscheinen. Und über meine Arbeitslosigkeit.

Der idyllische Park wirkt auf mich immer beruhigend.

Erst recht um diese Jahreszeit, wenn das Laub von Grün in ein Kaleidoskop von Rot-, Orange-, Gelb- und Brauntönen übergeht. Ich halte den warmen Becher in meiner Hand fest umklammert und stemme mich gegen die steife Chicagoer Brise, um die Straße zu überqueren. Meine Lieblingsbank ist Gott sei Dank frei. Ich lasse mich so abrupt auf die Bank fallen, dass etwas von meinem Zimt-Latte oben aus dem Trinkloch im Deckel spritzt.

Na super. Jetzt habe ich auch noch einen Fleck auf meinem Strickkleid.

Und ich habe einen Schluck von meinem Kaffee verschwendet, dabei wird dies der letzte Zimt-Latte sein, bis ich wieder Arbeit gefunden habe.

Mein Mietanteil beträgt tausend Dollar im Monat, und das war noch die günstigste Wohnung, die wir in einer anständigen Gegend finden konnten. Keine Ahnung, wo ich das Geld diesen Monat hernehmen soll.

Paige zahlt noch etwas mehr, weil ihr Zimmer ein wenig größer ist. Aber Paige hat reiche Eltern und muss keinen Studienkredit zurückzahlen, sodass sie sogar etwas sparen kann.

Ich für meinen Teil habe Schulden, die mit jedem Tag wachsen, erst recht, wenn ich nicht schnell eine neue Arbeit finde. Zudem muss ich meine Eltern unterstützen, auch wenn sie nichts davon mitbekommen. Es wird schwierig werden, Mom diesen Monat ohne Einkommen ihre Bücher zu kaufen.

Wie lange dauert es, bis man Arbeitslosengeld bekommt? Wobei ich nicht einmal weiß, ob ich überhaupt Anspruch darauf habe, weil ich nur so kurz bei Purry Furniture war.

Außerdem ist immer noch Freitag, der dreizehnte. Der Tag ist gerade einmal halb vorbei. Zeit genug für noch weitere Katastrophen, denke ich säuerlich, als ich mir den Trüffel in den Mund stecke.

Ich lasse mich zurücksinken und lächle glückselig.

Gott. Was immer heute noch schiefgehen mag, dieser Moment, in dem die Schokolade ihre süßen Aromen auf meiner Zunge entfaltet, verdrängt für volle dreißig Sekunden meine Sorgen.

Als ich die Augen wieder aufschlage, wuselt ein Kamerateam durch den Park. Ihre hektischen Bewegungen wecken meine Neugier. Plötzlich umrahmt ein kräftiger bärtiger Mann die Aufnahme mit den Händen, zählt rückwärts und ruft dann: »Action!«

Zwei Typen mit Kameras fangen an zu knipsen, während eine statueske Frau in der Mitte des Kreises steht, den Kopf leicht angehoben, das Kleid sacht im Wind wehend.

Wie schafft sie es an einem so windigen Tag, dass das Kleid sich nur leicht bauscht?

Auf meinem Weg zur Bank hätte der Wind mich beinahe umgepustet. Wobei … vielleicht hatte es auch mehr an dem abgebrochenen Absatz gelegen.

Models. Paa.

Die wissen, wie man jede Situation unbeschwert aussehen lässt. Nicht nur sie, die ganze Crew. Wahre Künstler, die ihre Visionen in Bilder umwandeln. Sie machen echte Kunst für gutes Geld.

Oha, ist da etwa jemand verbittert?

Ja. Bin. Ich.

Ich blicke auf die neonpinke Mappe auf meinem Schoß und frage mich, wen man umbringen muss, um ein echter Künstler mit einem anständigen Gehalt zu werden. Und überhaupt, warum muss diese Frau da drüben so perfekt sein?

Als ich von der Mappe aufblicke, sehe ich, dass ein Mann mich anstarrt.

Alter Schwede.

Wie hat mir der Blitz entgehen können, mit dem er auf die Erde gebeamt worden ist?

Der Typ ist ebenso makellos wie das Model. Ein Bild von einem Mann. Eins neunzig groß, gebaut wie ein griechischer Gott und in einem italienischen Anzug, der vermutlich mehr gekostet hat als die monatliche Hypothekenrate meiner Eltern.

Ein Kinn wie aus Stein gemeißelt. Sandbraunes Haar, das an die Mähne eines Löwen erinnert. Wangenknochen, Stirn und der getrimmte Bart lassen erahnen, dass sich hinter dem kühlen, abweisenden No-Nonsense-Gesicht eine innere Wildheit verbirgt.

Was mich aber wirklich dazu veranlasst, meinen Becher so fest zu umklammern, dass er verbeult, sind seine Augen. Sie sind mit Abstand sein hervorstechendstes Merkmal. Blau, aber sie mit einem Sommerhimmel oder Edelsteinen zu vergleichen, würde ihnen nicht gerecht werden.

Seine meerblauen Augen erinnern mich an schäumende Wellen voller ungezügelter Energie, die ich spüren kann wie das Ozon, das vor einem Unwetter in der Luft liegt.

Sein Blick jagt mir einen Schauer über den Rücken, und mein ganzer Körper kribbelt. Meine Zehen krümmen sich in den Stiefeln.

Bestimmt ist er ein männliches Model. Aber warum starrt er mich an wie ein abgewiesener Casanova?

Oh.

O Gott.

Sein Gesichtsausdruck kehrt mein Innerstes nach außen. Eine Braue ist hochgezogen, was ihm einen arroganten Ausdruck verleiht.

Verlegen senke ich den Blick. Habe ich einen modischen Fauxpas begangen, dessen ich mir nicht bewusst bin?

Ich denke nicht.

Mein Strickkleid ist okay.

Mein Herz schlägt auch noch.

Ist mir anzusehen, wie sehr er mich verwirrt?

Als ich ihn wieder ansehe, wendet er seine Raubtieraugen gerade ab und schaut hinüber zum Fotoshooting. Ich seufze erleichtert.

Dieser Fremde mit den sexy Augen, die meinen Hormonhaushalt durcheinanderbringen, steht für die Art von Ärger, die ich heute so gar nicht brauchen kann.

Jetzt funkelt der Adonis den pummeligen, bärtigen Typ, der zwischen dem Kameramann und Miss Perfect hin- und herhetzt und offenbar für das Shooting verantwortlich ist, zornig an. Er reibt sich das Kinn und verfolgt die Szene mit starrem Blick und angespanntem Kiefer.

Ich runzle die Stirn.

Alle scheinen sich den Arsch aufzureißen, um ihn zufriedenzustellen, aber er starrt nur grimmig vor sich hin und begnügt sich mit vereinzelten, sehr vagen Handgesten.

Das Modebusiness ist schon hart genug, aber vor einem solchen überheblichen Schönling kuschen zu müssen … puh.

Hab nicht so viel Mitleid mit den Leuten, Brina. Immerhin werden sie von dem Schönling bezahlt.

Hoffe ich zumindest.

Trotzdem. Typisch Designeranzug-Träger. Behandeln die Kunstschaffenden, deren Werbung den Verkauf ihrer Produkte überhaupt erst ermöglicht, wie den letzten Dreck. Dabei wären diese Typen ohne uns aufgeschmissen.

Ich mustere den verboten gut aussehenden Arsch zornig und schlürfe laut meinen Latte.

Sofort richtet der Adonis seine tiefblauen Augen wieder auf mich. Diesmal halte ich stand und befehle den Schmetterligen in meinem Bauch, die Füße – oder Flügel – stillzuhalten. Er hebt eine kräftige Hand, richtet sie auf mich und macht eine Bewegung in Richtung der Statue neben meiner Bank. Als befehle er mir zu verschwinden, anstatt herüberzukommen und mich höflich zu bitten, etwas zur Seite zu rücken.

Nicht mit mir, du Neandertaler.

Natürlich wiederholt er die Geste, diesmal nachdrücklicher.

War ja klar.

Echt jetzt? Du kennst mich nicht einmal und glaubst, du könntest mich herumkommandieren?

Mit einem Schnauben bohre ich die Absätze – oder genauer, den Absatz – in den Boden. Wenn Blicke töten könnten, befände sich dort, wo der selbstgefällige, unhöfliche, teuflisch gut aussehende Typ steht, ein rauchender Krater.

Eine Minute später macht die Truppe eine Pause, und der vollschlanke Bartträger kommt herübergejoggt.

»Hey, hallo«, sagt er atemlos und stützt sich auf die Rückenlehne meiner Bank.

Ich winke lässig, nippe an meinem Latte und wappne mich für das, was jetzt kommt.

»Also, ich wollte fragen, ob Sie vielleicht so nett wären, sich woanders hinzusetzen. Hier wäre das Licht besser für unser Shooting. Ich bitte Sie wirklich nur ungern. Ich meine, natürlich ist es Ihr gutes Recht, hier zu sitzen und den Moment zu genießen, aber … das Shooting ist sehr wichtig. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie zu einer anderen Bank wechseln könnten.«

Natürlich könnte ich mich mit einem verständnisvollen Lächeln anderswo hinsetzen, damit der Geldsack, für den du arbeitest, seine ach so wichtigen Fotos in den Kasten bekommt.

Bevor ich eine etwas freundlichere Erwiderung formulieren kann – immerhin ist der Typ so wie ich nur ein kleiner Angestellter, der seinen Job macht –, hält der arrogante Geldsack höchstpersönlich auf mich zu.

»Sie müssen sich woanders hinsetzen, Miss. Wir brauchen die Bank.« Die tiefe, barsche Stimme passt zu seinem Äußeren.

Ich sehe ihm in die Augen und lächle. Nicht, weil er aus der Nähe auf seine herrische Art ebenso heiß ist wie aus der Ferne, o nein.

»Sofort«, fügt er hinzu, als ich keine Anstalten mache, mich von der Stelle zu rühren.

Ich blinzle, schockiert von seiner Unverfrorenheit, und setze zu einer Erwiderung an, habe aber noch kein Wort rausgebracht, als er auch schon die Arme verschränkt und drohend die Brauen zusammenzieht. Sie erinnern mich an Blitze.

Wie passend, dass er auch das Temperament eines griechischen Gottes hat.

»Das hier ist ein öffentlicher Park, und ich sitze hier sehr gut«, antworte ich daher und blicke herausfordernd zu ihm auf. »Meine Mom sagt immer, Fliegen fängt man mit Honig und nicht mit Essig. Vielleicht sollten Sie das mal ausprobieren.«

Seine Brauen schießen in die Höhe. »Die Sprüche aus dem mittleren Westen mögen ja ganz nett sein, aber hier wird eine Werbekampagne geshootet, und wir haben nur ein sehr knappes Zeitfenster. Sie stehlen uns das Licht.«

Oha, ich stehle also Licht.

Na klar.

Wie genau stiehlt man denn Sonnenlicht? Ist der Typ so reich, dass er sich einbildet, dass ihm die Sonne gehört? Der Typ ist wirklich die perfekte Verkörperung von Arroganz und Anmaßung.

»Das tut mir aber leid. Die Kampagne kostet Sie bestimmt einen Haufen Geld, oder?«, frage ich honigsüß.

Er nickt, und seine Züge entspannen sich ein wenig. »Freut mich, dass Sie das verstehen. Wenn Sie also jetzt …«

»Ich verstehe nur, dass Sie sich für Ihre kleine Kampagne eine etwas abgeschiedenere Location hätten aussuchen sollen, wenn es um so viel Geld geht. Soviel ich weiß, ist das hier ein öffentlicher Park, und ich habe nicht die Absicht, diese Bank zu verlassen, bevor ich meinen Zimt-Latte ausgetrunken habe.« Ich hebe meinen Becher und schwenke ihn, sodass der Kaffee darin laut gluckert.

Er verschränkt wieder die muskulösen Arme vor der Brust, und der Stoff seines Sakkos spannt an den Schultern so stark, dass der edle Stoff zu reißen droht. »So, genug der Höflichkeiten, Lady. Wenn Sie Ihren Hintern nicht pronto von der Bank wegbewegen, helfe ich höchstpersönlich nach.«

Ach was. Er findet also wahrhaftig, er sei höflich gewesen? Wenn das höflich war, wie sieht dann bei ihm unhöflich aus? Was bildet der arrogante Geldsack sich eigentlich ein?

Nicht mit mir!

Ich hebe eine Hand mit den schicken French-Nägeln, die ich am vergangenen Wochenende habe machen lassen. »Überlegen Sie sich gut, was Sie tun. Wenn Sie mich anrühren, zerkratze ich Ihnen derart das hübsche Gesicht, dass Sie die nächste Zeit nicht mehr unter Leute können. Capisce?«

Er knirscht mit den Zähnen.

Mit dem Kerl ist wirklich nicht gut Kirschen essen. Der grimmige Gesichtsausdruck scheint bei ihm Standard zu sein. Ich frage mich, wie lange seine Zähne das noch mitmachen.

Nach einer Weile seufzt er, fährt sich mit einer Hand durch das Haar und mustert mich aus seinen ozeanblauen Augen. »Sehr witzig. Gratuliere. Und jetzt Schluss mit dem Theater. Bewegen Sie sich.«

Ich blinzle, nicht sicher, was ich darauf erwidern soll. Und habe ich wirklich gesagt, dass er ein hübsches Gesicht hat?

Leider lässt sich das nicht mehr zurücknehmen, aber so unsympathisch der Mann auch sein mag, seine Augen sind der Hammer. Er wäre die perfekte Besetzung für die Rolle des Mr. Darcy aus Jane Austens Stolz und Vorurteil. Zumindest vor seiner Wandlung. Ich trinke noch einen Schluck Latte, um mir Mut zu machen und zu überlegen, wie weit ich die Situation noch eskalieren lassen will.

»Es wäre auch für Sie von Vorteil, wenn Sie mich meinen Kaffee in Ruhe austrinken ließen«, sage ich schließlich ruhig. »Nicht mehr lange, und das Licht reicht nicht mehr für gute Bilder. Die Sonne geht um diese Jahreszeit viel zu schnell unter, nicht wahr?«

Er mustert mich mit einem so finsteren Blick, dass mir tatsächlich unbehaglich wird. Ich schlage die Beine übereinander, wobei mir die grellpinke Mappe von den Knien rutscht. Sie landet auf dem Boden, und ein halbes Dutzend Bilder von Cartoon-Katzen fällt heraus – eine Zurschaustellung meines ganzen Genies.

Als ich gerade mit dem Fuß darauf treten will, damit sie nicht wegfliegen, kommt der Adonis mir zuvor. Ich sehe das Spiel seiner Muskeln unter dem Stoff seines Sakkos, als er sich bückt und meine Entwürfe aufhebt, einen überraschten Ausdruck in den Augen.

Das ist so unfair. Warum sind so viele gut aussehende Männer solche Widerlinge?

Er betrachtet die Bilder schweigend, macht keinerlei Anstalten, sie mir zurückzugeben. Ich räuspere mich, und unsere Blicke treffen sich. Plötzlich fühle ich mich sehr klein.

»Ich schlage Ihnen einen Handel vor. Ihre Katzen, die ich davor bewahrt habe, davongeweht zu werden, gegen die Bank.« Er lächelt, ohne eine Spur von Wärme. »Sind Sie Zeichnerin? Cartoonistin? Oder genauer Cat-toonistin?«

Ich verkneife es mir, die Augen zu verdrehen, weil ich fürchte, dass die Geste so extrem ausfällt, dass ich mir selbst Schaden zufüge.

»Sehr witzig. Hat Ihnen jemand den Text geschrieben?«

»Meine Texter sind die besten der USA«, entgegnet er stolz.

»Cool. Das ist auch besser so. Mit Ihren lahmen Sprüchen würden Sie nämlich nicht weit kommen«, kontere ich.

»Sie sind vielleicht zickig«, knurrt er.

Das klingt eher wie eine Feststellung als wie eine Beleidigung. Und es schwingt sogar leichte Belustigung mit, als fände er zickige Menschen interessant.

Damit hätte ich nicht gerechnet.

Er kennt mich gerade erst drei Minuten, hat auf rüde Art versucht mich von einer Parkbank zu vertreiben und bezeichnet mich als zickig. Als wäre er nicht selbst schuld an meiner Reaktion auf sein unmögliches Benehmen.

Egal – was er kann, kann ich schon lange.

Er ist nicht nur ein arroganter Geldsack, ein unerträglicher Hottie und ein Tyrann, sondern scheint auch einer dieser Typen zu sein, die der Meinung sind, Frauen sollten den Mund halten.

Ich setze ein falsches unterwürfiges Lächeln auf. »Oh, das tut mir ja so leid, Hoheit. Ich werde mir in Zukunft mehr Mühe geben, nur gesehen, aber nicht gehört zu werden. Wobei ich auf dieser Bank zu sehen sein werde, bis ich Lust habe, mich von hier wegzubewegen.«

Seine Kieferpartie spannt sich wieder an, und ich sehe kurz weiße Zähne zwischen den Lippen aufblitzen. Er schaut nach oben in die Sonne und murmelt etwas vor sich hin.

»Ganz ehrlich, es interessiert mich nicht, wo Sie gesehen oder gehört werden. Hauptsache, nicht auf dieser Bank. Sie blockieren das Licht, wie man Ihnen ja bereits erklärt hat.«

Tatsächlich hätte ich vermutlich sofort das Feld geräumt, wenn er mich nur freundlich darum gebeten hätte. Auf seinen Befehlston reagiere ich jedoch allergisch, sodass ich jetzt schon aus Prinzip nicht bereit bin, nachzugeben. Ich werde so lange hier sitzen bleiben, wie es mir gefällt.

»Hat man das? Ich kann mich nicht daran erinnern«, entgegne ich gähnend und schaue auf mein Telefon.

Er verdreht die Augen derart, dass zu fürchten steht, dass sie stecken bleiben.

Ich verkneife mir ein Lachen. Wenigstens habe ich meinen Spaß mit dem Idioten. »Beeindruckend! Sie verdrehen die Augen besser als ein dreizehnjähriger Cheerleader«, stelle ich nüchtern fest.

»Nur, wenn ich es mit jemandem zu tun habe, der so stur, unreif und unerträglich ist wie Sie«, erwidert er zähneknirschend.

»Was Sie nicht sagen.« Ich zucke mit den Achseln. »Ich sehe hier nur einen, auf den das zutrifft, und der steht vor mir.«

»Wie wäre es mit etwas Selbstreflektion?«

»Sie haben recht«, entgegne ich bedächtig und lege den Kopf schräg. »Das stünde Ihnen gut zu Gesicht. Ich sehe nämlich nur einen Wichtigtuer in einem überteuerten Anzug mit übersteigertem Ego, der sich einbildet, er könne Normalsterbliche herumscheuchen.«

»Suchen Sie sich endlich eine andere Bank, auf der Sie Ihren Kaffee schlürfen, und jemand anders, dem Sie auf die Nerven gehen können. Verschwinden Sie. Auf der Stelle.« Seine Stimme ist schneidend wie eine Rasierklinge und ganz eindeutig als Drohung zu verstehen.

»Haben Sie mich gerade angeknurrt wie ein Hund?« Ich versuche mir ein Grinsen zu verkneifen.

»Warum zum Teufel laufen Sie überhaupt mit einer Mappe voller Katzenbilder durch die Gegend?« Er rückt seinen Krawattenknoten gerade und hält meinen Blick länger gefangen, als mir lieb ist.

»Was interessiert Sie das?« Ich reiße den Blick los und blicke zu Boden. »Ich arbeite für ein Unternehmen, das Möbel für Haustiere herstellt. Oder genauer, ich habe für ein solches Unternehmen gearbeitet.«

»Möbel für Haustiere?«, wiederholt er ungläubig, und ich rechne fast damit, dass er mir gleich ins Gesicht lacht.

Nichts da. Er hat sich mit der Falschen angelegt. Ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß. Ich will nicht darüber diskutieren.

Der Tag ist schon grauenhaft genug, und das Letzte, was ich jetzt brauche, ist der Spott eines Vollidioten, der sich für den lieben Gott hält. Ich hebe den Becher an die Lippen und lasse den Rest des köstlichen Kaffees in meinen Mund laufen.

Dann beuge ich mich vor, senke den Blick, ziele und spucke zimtfarbenen Latte auf seine teuren italienischen Schuhe.

So viel zum Thema genießen. Ärgerlich, dass ich fast zehn Dollar ausgegeben habe für den Kaffee, nur um ihn diesem Widerling auf die Schuhe zu spucken. Aber das ist es mir wert.

Ich schätze mein Gegenüber als einen Menschen ein, der zu keinerlei Emotion fähig ist abgesehen von Wut, aber jetzt flackert in seinen kalten Augen noch etwas anderes auf.

Blankes Entsetzen. Schock. Vielleicht sogar ein wenig Demut.

Ha! Wurde auch Zeit!

Er sagt kein Wort, sondern starrt nur schweigend auf seine fleckigen Schuhe und presst die Lippen zusammen, als überlege er sich, wie er auf diesen Angriff reagieren soll.

Ich lächle triumphierend.

Der stämmige, bärtige Typ war die ganze Zeit über so still, dass ich ihn ganz vergessen habe. Bis er sich jetzt entsetzt die Hände an die Wangen legt und flüstert: »Ich … ich besorge Ihnen sofort eine Serviette.«

Er eilt davon, und ich verbuche einen Punkt für mich.

Pechmarie: 1.

Riesenarschloch: 0.

Ich lächle zu dem arroganten Geldsack auf, von dessen Schuhen immer noch der Latte perlt, und stehe langsam auf. »Die Bank gehört Ihnen, Kumpel. Mein Kaffee ist alle.«

Nachdem ich meinen letzten, vernichtenden Schlag ausgeführt habe, stürme ich von dannen.

Nun ja, zumindest so gut es geht.

Stürmen ist schwierig, wenn ein Absatz zehn Zentimeter höher ist als der andere.

»Vergiss die Serviette, Hugo«, ruft Riesenarschloch hinter mir. »Das Shooting hat Vorrang. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Ich kann nicht widerstehen, noch einen Blick zurückzuwerfen. Der Geldsack blickt mir nach, einen Ausdruck auf dem Gesicht, den ich nicht zu deuten vermag.

Aber er sieht eindeutig nicht mehr wütend oder gedemütigt aus.

Mehr … belustigt?

Okay, ja, mein abgebrochener Absatz ist urkomisch. Man kann sich schon darüber amüsieren, wie ich davonhumpele.

Das Schlimmste an der Sache ist, dass ich ihn trotz allem, was passiert ist, immer noch heiß finde. Wie er lässig da steht, ist er trotz des Seidenanzugs die fleischgewordene Männlichkeit, und diese Ausstrahlung lässt mich nicht kalt.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich mit den Nerven am Ende bin. Ganz ehrlich. Ich will nur noch nach Hause und den Rest des Tages verschlafen. Wobei ich zuerst nach meinen Eltern sehen sollte. Freitage sind dafür am besten geeignet. Und ich sollte schon mal anfangen, nach einem neuen Job zu suchen und mich nach meinen Ansprüchen auf Arbeitslosengeld zu erkundigen, bevor ich mir die Bettdecke über den Kopf ziehe.

Ich sehne den vierzehnten herbei. Die Zeit bis dahin werde ich mir nicht von einem finsteren Egomanen verderben lassen, egal, wie gut er aussehen mag.

KAPITEL 2: DIE FRAU AUF DER PARKBANK

MAGNUS

Das lange braune Haar weht im Wind, als sie davonhumpelt. Ist sie verletzt? Vielleicht wollte sie ja darum nicht aufstehen.

In diesem Fall hätte ich jemanden damit betrauen sollen, ihr zu helfen, anstatt sie zu verscheuchen. Andererseits hätte sie auch wie jeder normale Mensch einfach sagen können, dass sie verletzt ist, anstatt mir einen Vortrag über ihr Recht zu halten, auf einer öffentlichen Parkbank sitzen zu bleiben, solange es ihr beliebt.

Aber Selbstgerechtigkeit beeindruckt mich nicht. Ich wette, dass ich mehr Steuern zahle als tausend Leute wie sie, und ich werde diesen Ort nur dann wieder nutzen, wenn wieder ein Shooting im Grünen ansteht. Sie kann gerne zu jeder anderen Zeit auf dieser blöden Bank hocken.

Nur schade, dass sich die prickelnde Hitze, die meinen ganzen Körper durchströmt, nicht verleugnen lässt.

Die Frau hat etwas an sich.

Leider.

Ich kann den Blick immer noch nicht von ihr abwenden. Das war schon so, als sie mir den Kaffee auf die Schuhe gespuckt hat. Ich war wie hypnotisiert von ihren vollen, unwiderstehlichen Lippen, als die nach Zimt stinkende Flüssigkeit auf meine Lederschuhe gespritzt ist.

Und jetzt? Schwer zu sagen, warum ich den Blick nicht von ihr losreißen kann.

Vielleicht liegt es daran, wie das lila Strickkleid ihren Körper umschmeichelt und Kurven betont, für die ich mich nicht so interessieren sollte. Das Kleid spannt über ihren vollen Brüsten, verjüngt sich an der Taille und hebt dann den verführerischen Schwung ihrer Hüften hervor. Dazu ein Hintern wie eine Pflaume, wie gemacht für eine sündige Hand.

Sie ist nicht zu zierlich, alles andere als zerbrechlich, sondern hat umwerfende weibliche Kurven, die mein Kopfkino befeuern.

Verdammt.

Ich lasse den Blick an ihr herabgleiten und bleibe an ihrem Stiefel hängen.

Sie humpelt also nicht vor Schmerzen.

An einem Stiefel ist der Absatz abgebrochen. Aus einem mir unerfindlichen Grund würde ich gerne erfahren, wie es dazu gekommen ist.

Ich schlucke ein Lachen herunter und schüttele den Kopf. Der Tag hat eine unerwartete Wendung genommen. Die Wildkatze, der ich zutraue, dass sie mir wie angedroht das Gesicht zerkratzt hätte, anstatt mir das penetrant nach Zimt riechende Zeug auf die Füße zu spucken, hat mich neugierig gemacht.

Sie blickt noch einmal zurück. Einen flüchtigen Moment begegne ich dem Blick ihrer mokkabraunen Augen. Ihre Stirn ist gerunzelt.

»Fahr zur Hölle«, sagt sie, wenn ich die Bewegungen ihrer Lippen richtig deute.

Meine Güte. So ein Theater wegen einer Parkbank?

Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass sie eine Riesenzicke ist.

»Mr. Heron? Soll ich die Parkaufsicht rufen?«, fragt Hugo. »Die Frau ist ja irre! Ich habe Angst, dass sie zurückkommt, sobald Sie ihr den Rücken kehren.«

»Die Parkaufsicht?« Ich schüttele den Kopf. »Sei nicht albern. Ich habe schon Schlimmeres abbekommen als Kaffee. Geh zurück an die Arbeit und vergiss den Zwischenfall.«

Hugo Little mochte alles Mögliche sein – linkisch, blitzgescheit und ständig unter Strom, sodass ich mir wegen seines Bluthochdrucks ernste Sorgen machte –, aber er war auch bedingungslos loyal und ein unermüdliches Arbeitstier. Ich habe kaum ausgesprochen, da flitzt er schon wieder herum, weist die Kameraleute ein und gibt Anweisung, das ganze Material herüberzuschaffen, weil das Licht hier besser ist.

Plötzlich realisiere ich, dass ich noch etwas in der Hand halte, das nicht mir gehört. Ich klappe die pinkfarbene Mappe auf, in die ich vorhin die eingesammelten Zeichnungen zurückgelegt habe, blättere sie durch und nicke anerkennend.

Offenbar ist das spuckende Lama in der Werbebranche tätig. Ihre Arbeit spricht für sich. Schwer zu glauben, dass sie die Abwehrmechanismen eines zotteligen Trampeltiers entwickelt hat, wenn sie in der Branche erfolgreich ist.

Katzen sind nicht so mein Ding, und auch Haustiermobiliar halte ich für überflüssig, aber ihre Entwürfe sind gut. Genauso gut wie die ausgefeilten Ideen, die mein Kreativteam mir jede Woche vorlegt.

Die Zeichnungen sind ansprechend, und die Farbwahl verrät, dass sie etwas von ihrem Job versteht. Sie ist keine Anfängerin.

Ich lächle. Meine letzte Assistentin hat dem Druck nicht standgehalten und vor ein paar Wochen gekündigt. Allerdings sind die Aufgaben einer Chefsekretärin anspruchsvoller als reines Grafikdesign.

Was, wenn diese Frau bei einem Meeting den gleichen Biss zeigt wie eben auf der Parkbank?

Möglicherweise ist sie genau das, wonach ich suche. Ich brauche jemanden mit Rückgrat, und jemand mit einer so scharfen Zunge könnte …

Nein. Verdammt.

Sollte ich so verrückt sein, sie tatsächlich einzustellen, wäre sie dadurch für mich tabu.

Arbeit und Vergnügen trenne ich strikt. Immer.

Aber sie hat Eindruck auf mich gemacht, was nur Wenigen gelingt, und ich kann nicht leugnen, dass ich scharf auf sie bin.

Ich will sie in meinem Team. In meinem Bett. Auf meinem Schreibtisch. Auf allen vieren.

Ich weiß selbst nicht, was davon ich am verlockendsten finde.

Erst einmal möchte ich sie nur wiedersehen und mit ihr sprechen, vorzugsweise ohne Revierkampf oder Flüssigkeiten, die sie mir auf die Schuhe spucken kann.

»Hugo?«

»Ja, Sir?«

»Machen Sie sie ausfindig. Ich möchte mit ihr über die Stelle als meine Assistentin sprechen.«

Hugo starrt mich ausdruckslos an und spielt an seiner Brille herum, als stimme damit etwas nicht.

Ich stöhne innerlich. Komm schon, Mann. Jetzt stell du nicht auch noch meinen Geisteszustand infrage. Nicht nach dem, was mir die Zicke an den Kopf geworfen hat.

Ich fühle mich nicht umsonst wie der Seelenverwandte von Ludwig XIV. Ich bin der Entscheider.

Andere befolgen meine Anweisungen, und zwar nicht nur, weil ich CEO, Firmeninhaber und Vorstand bin. Sie tun es, weil ich die Maschinerie, die Gold ausspuckt und von der sie alle gut leben, am Laufen halte.

»Sie meinen … die Frau mit dem Latte?«, fragt er schließlich leise und blinzelt ungläubig. »Mr. Heron …«

»Haben Sie hier noch eine andere Frau ohne Filter gesehen?«

»N-nein. Aber sind Sie sich ganz sicher? Ich finde immer noch, dass wir sicherheitshalber die Security einschalten sollten. Die Frau hat doch nicht alle Latten am Zaun. Und Sie wollen ihr einen Job anbieten, nachdem sie Ihnen Kaffee auf die Schuhe gespuckt hat?«, hakte Hugo nach.

Wenn man es so formulierte, klang es tatsächlich seltsam.

»Ja. Sie wäre die perfekte Besetzung für die Stelle. Ich bin mir sicher, dass sie das Zeug hat, mich zu vertreten, wenn ich anderweitig beschäftigt bin, und genau so jemanden brauche ich. Keine Ausreden, kein dummes Gerede, kein Kinderkram.«

Hugo schüttelt den Kopf. »Als wäre eine große Klappe genug …«, murmelt er und schweigt dann einen Moment. Dann verlagert er sein Gewicht und beugt sich leicht zu mir rüber. »Mr. Heron, bei allem Respekt, Sie verschleißen reihenweise Assistenten. Meinen Sie nicht, es würde mehr Sinn machen, jemanden zu suchen, der mehr zu bieten hat als Sturheit und schlechte Manieren?«

»Nein.« Ich mustere ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Los jetzt, bevor sie weg ist.«

»Aber das Shooting … das Licht …«

Ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. »Die Fotografen knipsen, das Model lächelt, und Sie vergeuden meine Zeit.«

Er nickt mir zu, legt dann die Hände trichterförmig um den Mund und rennt los.

»Hey! Hey, Sie mit dem Latte, warten Sie«, ruft Hugo und rennt über die Straße zur Bushaltestelle.

Unser Model – Sylvia heißt sie, glaube ich – kommt zu mir geschlendert, nachdem die Fotografen mit erhobenem Daumen signalisiert haben, dass die Bilder im Kasten sind.

Sie ist ihr Geld wert. Obwohl wir in einem Park shooten, in dem einiges los ist, sind ihre Stilettos noch blitzsauber – weder Dreck noch Gras haften an den Absätzen. Sie nähert sich mir mit einstudiertem Gang, hoheitsvoll und Respekt gebietend wie ein britischer Royal.

Die Ärmel des Blazers im Business-Stil, den sie trägt, sind aus hellblauer Seide, der Rock ist hinten länger als vorne und hat auf der Rückseite Rüschen aus der gleichen blauen Seide. Eine ungewöhnliche Mischung aus königlichem Pomp und Modernität, aber ich bin nur für das Marketing zuständig, nicht für das Design. Fehlt nur noch das goldene Diadem, und sie würde aussehen wie eine echte Prinzessin.

»Alles in Ordnung, Mr. Heron?«, säuselt sie und lässt ebenmäßige weiße Zähne aufblitzen. »Diese Frau war ja unmöglich.«

Sie beißt sich auf die Unterlippe und klimpert mit den falschen Wimpern.

Ich unterdrücke den Impuls, zurückzuweichen, weil sie mir für meinen Geschmack zu nahe gekommen ist, möchte sie aber nicht vor den Kopf stoßen. Sie muss dieses Shooting zu Ende bringen, das persönlich zu begleiten ich versprochen habe, und das Tageslicht schwindet jetzt wirklich rapide.

Nicht jeder ist in der Lage, seine Gefühle so gut zu kaschieren wie ich.

»Alles okay. Es war nur Kaffee«, antworte ich. »Ich habe im Büro Schuhe zum Wechseln.«

Sie tritt noch näher und legt mir eine Hand auf die Brust.

»Sie haben so souverän reagiert«, fährt sie fort. »Hugo hat recht. Wir sollten die der Parkaufsicht melden. Die Frau ist nicht ganz richtig im Kopf. Das war ein tätlicher Angriff.«

Jetzt trete ich doch einen Schritt zurück. Aber sie scheint nicht zu begreifen, was ich ihr damit signalisieren möchte. Diese Sprache verstehen Frauen, die mit der Subtilität eines Vorschlaghammers flirten, nie.

»Wohl kaum. Sie hat überreagiert, aber sie anzuzeigen wäre erst recht übertrieben«, entgegne ich knapp und rücke noch ein paar Schritte weiter von ihr ab.

»Ich kann gut verstehen, dass Sie verärgert sind.« Sylvia folgt mir wie ein Hündchen. »Wir sollten einen warmen Chai trinken gehen, wenn wir hier fertig sind. Das bringt mich nach einem harten Arbeitstag immer runter.«

»Wir sollten jetzt weitermachen«, sage ich schroff und scheuche sie zurück zu den Fotografen, denen ich bei der Gelegenheit einen strengen Blick zuwerfe. Sie sollen sich ranhalten und das Shooting endlich zu Ende bringen. Das Wetter ist diese Woche so unberechenbar, dass es möglicherweise unser letztes Shooting ist, wenn ich die mit dem Kunden vereinbarte knappe Deadline einhalten will.

Gleich darauf kommt Hugo schwer atmend zurück. »Habe … sie … nicht mehr … erwischt. Aber ich habe Ruby eine Nachricht geschrieben. Sie kümmert sich darum.«

Er übernimmt wieder die Leitung des Shootings, und ich verfolge das Geschehen aus dem Hintergrund, für den Fall, dass etwas übersehen wird oder ich einen Verbesserungsvorschlag habe. Mir wird nachgesagt, dass ich sehr strenge, hohe, ja sogar unmöglich zu erfüllende Ansprüche habe.

Das mag stimmen.

Genau deshalb ist HeronComm auch die angesehenste Agentur der Stadt.

Wenn diese Kampagne abgeschlossen ist, werde ich dem Kunden für die nächste zehn Prozent mehr berechnen, und er wird das gerne bezahlen. Um weiterzukommen, müssen wir Resultate erzielen.

Zurück im Büro, tausche ich die mit Latte bespuckten Schuhe gegen ein Paar Ersatz-Schuhe, die ich für den Fall eines kurzfristig angesetzten Meetings im Schrank aufbewahre. Dann gehe ich zum Sideboard, schenke mir einen Fingerbreit Scotch ein und schaue aus dem Fenster.

Die Aussicht wird mir nie langweilig.

Die Büros von Heron Communications sind in der oberen Etage eines der höchsten Gebäude Chicagos untergebracht. Die einzigen Gebäude in der Stadt, die noch höher sind, sind das Vista und die Willis Towers. Jahrzehnte harter Arbeit haben uns ganz nach oben gebracht – im buchstäblichen und im übertragenen Sinn.

Als ich höre, wie die Tür zu meinem Büro geöffnet wird, drehe ich mich um. Nur sehr wenige Personen betreten mein Büro, ohne anzuklopfen, darunter Ruby Hunting, die jetzt mit wippenden roten Locken hereinstürmt.

Sie schlägt die Tür hinter sich zu – auch eine Frau, die sich nichts bieten lässt.

Sie ist nur etwa zehn Jahre älter als ich, hat aber schon hier gearbeitet, als ich noch die Mittelschule besucht habe. Nach Meetings mit meinem Vater, dem damaligen CEO von HeronComm, habe ich mich nach der Schule mit ihr zusammengesetzt, um das Geschäft von der Pike auf zu lernen.

Ich verdanke ihr viel. Sie war meine Mentorin, hatte immer ein offenes Ohr für mich und hat sich nicht gescheut, mich in den Hintern zu treten, wenn es nötig war. Sie hat mir all das beigebracht, was mein Vater mich hätte lehren sollen, aber der hatte dort, wo andere Menschen ein Herz hatten, leider nur ein schwarzes Loch in der Brust.

Trotz des Altersunterschieds und ihres überlegenen Erfahrungsschatzes sind wir Freunde. Darum ist sie auch die einzige Angestellte, die jederzeit in meinem Büro willkommen ist und mit der ich mich länger hinter verschlossenen Türen unterhalte.

In Anbetracht des zweifelhaften Benehmens meines Vaters lege ich großen Wert darauf, eine klare Grenze zwischen mir und weiblichen Angestellten zu ziehen.