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Nick Brandt, gutaussehender Frauenschwarm und erfolgreicher Geschäftsmann, würde am liebsten im Erdboden versinken, als er auf der Firmenparty eine atemberaubende Frau trifft, die ihm als seine Fahrerin Reese vorgestellt wird.
Er hatte immer angenommen, dass sein schweigsamer Chauffeur, den er „Batman“ nennt und der stets Mütze und einen weiten Mantel trägt, ein Mann sei. Sie hatte ihn nie korrigiert und ihn in so manch peinlicher Situation gesehen. Wie soll er jemals dieses schlechte Image korrigieren können? Geschweige denn das Herz von Reese Halle erobern?
Alle Bücher der "Bad Chicago Bosses" sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Seitenzahl: 742
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Nick Brandt, gutaussehender Frauenschwarm und erfolgreicher Geschäftsmann, würde am liebsten im Erdboden versinken, als er auf der Firmenparty eine atemberaubende Frau trifft, die ihm als seine Fahrerin Reese vorgestellt wird.
Er hatte immer angenommen, dass sein schweigsamer Chauffeur, den er „Batman“ nennt und der stets Mütze und einen weiten Mantel trägt, ein Mann sei. Sie hatte ihn nie korrigiert und ihn in so manch peinlicher Situation gesehen. Wie soll er jemals dieses schlechte Image korrigieren können? Geschweige denn das Herz von Reese Halle erobern?
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Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.
Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.
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Nicole Snow
Perfect Grump
Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
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Kapitel 1: SCHLAFLOS — REESE
Kapitel 2: AUF DEN ZWEITEN BLICK — NICK
Kapitel 3: SCHULNOTEN — REESE
Kapitel 4: MEIN WAHRES ICH — NICK
Kapitel 5: DER MÄRCHENPRINZ, DER GAR KEINER WAR — REESE
Kapitel 6: DINGE ÄNDERN SICH — NICK
Kapitel 7: NICK THE PRICK — REESE
Kapitel 8: ERNÜCHTERNDE GEDANKEN — NICK
Kapitel 9: EINE FAMILIENANGELEGENHEIT — REESE
Kapitel 10: PUPPENHÄUSER — NICK
Kapitel 11: SEELISCHE NARBEN — REESE
Kapitel 12: IN BESTER ABSICHT — NICK
Kapitel 13: KUGELSICHER — REESE
Kapitel 14: FÜHL DICH WIE ZU HAUSE — NICK
Kapitel 15: KRÄFTEMESSEN — REESE
Kapitel 16: FRISKY BUSINESS — NICK
Kapitel 17: Psaketti mit Fleischbällchen — REESE
Kapitel 18: BIS ZUM MORGENGRAUEN — NICK
Kapitel 19: VOM REGEN FORTGESPÜLT — REESE
Kapitel 20: EIN GANZ BESONDERER GEFALLEN — NICK
Kapitel 21: SECHS GANZE HÄNDE — REESE
Kapitel 22: KRIEGSGESCHICHTEN — NICK
Kapitel 23: SAG ES — REESE
Kapitel 24: SELBSTZERSTÖRERISCHE SEQUENZ — NICK
Kapitel 25: SCHLUSSPLÄDOYERS — REESE
Kapitel 26: MAN NENNE MICH ATLAS — NICK
Kapitel 27: GROSSE NEUIGKEITEN — REESE
Kapitel 28: EINE LETZTE CHANCE — NICK
Kapitel 29: DIE VERLOCKENDE WAHRHEIT — REESE
Kapitel 30: EINE GROSSE ENTSCHEIDUNG — NICK
Kapitel 31: WIE CINDERELLA — REESE
Kapitel 32: ROSA WAGEN — NICK
Kapitel 33: WIE IM MÄRCHEN — REESE
Impressum
Lust auf more?
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REESE
»Reese, du musst aufhören, so viel Geld für Millie auszugeben«, teilt Abby mir am Telefon mit, während ich mich gerade durch den dichten Berufsverkehr quäle.
»Wieso denn? Mein Geld – meine Nichte.«
»Weil du es übertreibst. Das letzte Mal hast du ihr eine Puppe mitsamt einem Kabrio und einem Make-up-Koffer geschenkt. Das steht für einen Luxus, den wir uns im richtigen Leben nicht leisten können. Du brauchst dein Geld für dich selbst. Außerdem verwöhnst du sie.«
Ich lege den Kopf in den Nacken und lache.
Sie hat nicht ganz unrecht, trotzdem … warum beschwert sie sich ausgerechnet jetzt darüber?
Ich verwöhne meine süße kleine Nichte seit Jahren, und bisher hatte meine Schwester nichts dagegen. Warum also jetzt? Es ist doch kein Wettbewerb. Jeder gewinnt automatisch, wenn er ein so niedliches Mädchen mit Geschenken überhäuft.
Und inzwischen kann ich mir das locker leisten.
Aber vermutlich benehmen sich alle alleinerziehenden großen Schwestern so.
Sie sorgen sich eben.
»Mach dir keine Sorgen, Schwesterherz. Ich sagte doch, dass ich einen richtig gut bezahlten neuen Job habe. Hier werde ich nicht ausgebeutet, sondern verdiene sage und schreibe neunzigtausend Dollar im Jahr plus Zulagen. Ich gehöre jetzt zu den Besserverdienern.«
»Glückwunsch, Richy Rich«, sagt Abby lachend. »Und das kommt von Herzen. Dein letztes Gehalt hat kaum für die Miete gereicht. Ich freue mich für dich.«
»Ich glaube, diesmal habe ich das große Los gezogen. Ich meine, nichts ist perfekt, aber …«
»Aber? Du willst doch nicht an einem Job rummäkeln, der so großzügig bezahlt wird, oder?« Wieder lacht Abby. »Wie bist du daran gekommen?«
»Erinnerst du dich noch an die Architektin, die ich vor ein paar Wochen gefahren habe? Die alte Dame, die dieses unfassbar coole Haus im Blockhaus-Stil unten am See entworfen hat? Sie hat mich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie eine neue Chauffeurin suchte. Anfangs habe ich mir nicht viel davon versprochen, erst recht nicht, als ich erfahren habe, dass sie ein echter VIP ist. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie ausgerechnet mich einstellt. Aber das hat sie, und du hast recht. Ich könnte mich daran gewöhnen, nicht mehr arm zu sein.«
»Ist doch super! Wenn ich mir allerdings vorstelle, ich müsste mich im Berufsverkehr durch die Innenstadt quälen …« Ich sehe vor mir, wie sie eine Grimasse schneidet. »Das wäre nichts für mich. Da müssten sie noch eine Null dranhängen, bevor ich mir das antun würde.«
»Ach, ich bin das gewohnt.« Jetzt bin ich es, die lacht. »Ich fahre sehr gern für sie. Beatrice Brandt ist ein Engel mit Kampfgeist. Sie ist wahnsinnig nett, blitzgescheit und eine echte Lady. Und dazu noch erstaunlich bodenständig für eine Milliardärin. Für mich ist sie so was wie die Großmutter, die wir nie hatten.«
Nach kurzem Schweigen sagt Abby: »Klingt gut. Und alles, was du zu tun hast, ist, sie den ganzen Tag durch den mörderischen Verkehr zu kutschieren?«
»Fast.« Ich schlucke bei dem Bild, das sich mir aufdrängt. Das Bild eines ebenso nervigen wie unverschämt gut aussehenden Mannes, der … Stopp! Ich werde jetzt nicht an ihn denken. Heute. Nicht. Satan. »Wenn sie die einzige Person wäre, die ich chauffieren muss, wäre der Job das Paradies auf Erden …«
»Aha. Aber wie immer gibt es einen Haken«, schlussfolgert Abby.
»Genau. Ich muss auch ihre beiden Enkelsöhne fahren«, seufze ich. »Der eine ist eiskalt, unleidig und hat einen Stock im Arsch. Alle nennen ihn den Warden …«
Abby kichert. »Warden? Wieso das?«
»Er heißt eigentlich Ward und führt sich auf wie ein Gefängniswärter, daher Warden. Aber solange man ihn nicht reizt, ist er ganz okay.«
»Heißt das, der andere ist schlimmer? Inwiefern?«
»Sein Bruder ist … er ist …« Obwohl ich allein in einer Limousine mit geschlossenen Fenstern sitze, vergewissere ich mich, dass niemand in Hörweite ist.
Wie soll ich auch nur ansatzweise das Rätsel namens Nicholas Brandt beschreiben?
Wie beschreibt man, was passiert, wenn eiskalte arktische Luft auf ein tropisches Hochdruckgebiet stößt und der Sturm Menschengestalt annimmt, genauer, die Gestalt eines Mannes mit smaragdgrünen Augen, der aussieht wie in Granit gemeißelt?
»Er sieht wahnsinnig gut aus«, beginne ich. »Ich meine, er ist irre sexy. Stell dir eine Kreuzung aus GQ-Model und Insta-Fitness-Guru mit Laserblick vor.«
»Und inwiefern ist das bitte ein Problem?«
»Das Aussehen gar nicht. Aber er ist sonderbar. Gleichzeitig heiß und kalt mit allen Mitarbeitern, rastlos und unberechenbar. Er hat einen furchtbaren Humor, und seine Anmachsprüche sind unterirdisch. Mir gegenüber ist er dann wieder beinahe zu freundlich.« Ein Schauer läuft mir über den Rücken.
»Du meinst, er will dich ins Bett kriegen? Verdammt. Sag mir, wo er wohnt, dann bringe ich ihm Manieren bei«, schimpft Abby.
Ich muss lachen. »Nein, nein, so ist das nicht. Er gräbt mich nicht an und ist auch sonst nicht übergriffig. Keine Sorge. Er ist nur … unsensibel. Kann Signale nicht deuten.«
»Wie meinst du das?«
»Zum Beispiel fährt er nie die Trennscheibe hoch. Und ich glaube, er ist einsam, er kaut mir nämlich jedes Mal ein Ohr ab.«
»Okay. Und? Einsame reiche Männer sind doch nicht wirklich was Neues.«
»Du verstehst mich falsch, Abby. Er ist mir gegenüber so vertrauensselig, weil … ich glaube, er hält mich für einen Kerl.«
Das ist zwar nicht ganz richtig, kommt der Wahrheit aber ziemlich nah.
Rein technisch gesehen, tauschen sich nach meinem Verständnis Vertraute aus und führen richtige Gespräche. Sie halten keine lächerlich einseitigen, autofokussierten Monologe, so wie ich sie regelmäßig zu hören bekomme, sobald mein Boss im Fond Platz nimmt.
»Moment. Was sagst du da?« Abby schweigt einen Moment. »Unmöglich. An dir ist nichts Maskulines. Ist der Typ blind? Oder taub? Oder vielleicht beides?«
Mein Magen zieht sich zusammen. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll angesichts der Absurdität des Ganzen.
»Sag das ihm. Er spricht mit mir wie mit einem alten College-Freund. Und er redet ohne Punkt und Komma und lässt mich gar nicht zu Wort kommen. Ich glaube, er hat meine Stimme noch nie gehört. Wahrscheinlich gehört er zu den Chefs, die meinen, dass sie der beste Freund ihrer Angestellten sein sollten. Ich meine, je weniger die den Mund aufmachen, desto besser. Aber wenn man mich für einen Mann hält, sollte ich vielleicht doch überlegen, mich zu schminken und Röcke zu tragen. Die voluminöse Chauffeurjacke lässt keine Formen erkennen, aber um diese Jahreszeit ist es trotz Heizung so kalt, dass ich sie nicht ausziehen möchte.«
»Das wäre ja noch schöner, du solltest wegen dem Clown keine Erkältung riskieren. Wenn er dich wahrhaftig für einen Mann hält, sollte er mal zum Augenarzt gehen.«
Ich halte vor dem Bürogebäude, und sofort schlägt mir das Herz bis zum Hals.
Da ist er.
Seine Gestalt ist unverwechselbar. Er trägt einen eleganten schwarzen Anzug mit silbernen Nadelstreifen und ein grünes Hemd unter dem Jackett, dessen Farbe exakt jener seiner durchdringenden Augen entspricht.
»Wenn man vom Teufel spricht. Ich muss Schluss machen«, sage ich und hoffe, dass er nur eine kurze Strecke innerhalb der Stadt fahren möchte und nicht die vierzig Minuten lange Strecke zum Anwesen seines Bruders am Lake Michigan.
»Kein Problem. Wir unterhalten uns später weiter. Nimm es mit Humor.«
Das sagt sich so leicht. Einen Egomanen zu chauffieren ist wahrlich kein Spaß.
Im Hintergrund höre ich Millie rufen und muss lächeln.
»Reese, bist du noch dran?«, fragt Abby.
»Ja. Noch zehn Sekunden.«
»Millie möchte Hallo sagen. Geht das noch?«
Eigentlich nicht, mein Boss ist nur noch fünf Schritte entfernt, aber ich kann meine mitteilungsfreudige, vier Jahre alte Nichte nicht abweisen.
»Aber nur kurz.«
»Tante Reese!«, meldet sich Millie mit ihrer niedlichen Kleinkinder-Stimme.
»Hey, Kleines. Wir sehen uns ganz bald, ja? Sei schön artig, ja?«
»Otay.«
»Ich habe dich ganz doll lieb, Schneckchen. Bye!« Ich unterbreche die Verbindung und lege das Telefon auf den Beifahrersitz, bevor sie antworten und mich mit ihrem Gebrabbel in ein Gespräch verwickeln kann.
Gerade noch rechtzeitig.
Die muskulöse, hochgewachsene Gestalt meines Chefs nähert sich mit der Geschmeidigkeit eines Schneeleoparden, den Blick auf die Limousine geheftet. Ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob der Mann sein Hirn nur ausschaltet, wenn er in den Wagen steigt.
Gott. Ich mustere ihn eindringlich und wünschte, ich hätte einen Röntgenblick. Stählt er seinen Luxuskörper im Gym? Er sieht so atemberaubend aus, dass ich den Blick nicht von ihm losreißen kann, obwohl in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken schrillen.
Er geht um den Wagen herum und öffnet die hintere Wagentür auf der Beifahrerseite.
Vergiss es, Reese, es geht dich nichts an, wo er den Traumkörper herhat.
Ich wünschte, das wäre so einfach.
Aber als er dann den Mund aufmacht, wird es schlagartig viel einfacher.
»Reese Halle! Heute Abend lassen wir es richtig krachen«, sagt er grinsend und schlägt sich auf die Schenkel, kaum dass er sitzt.
Ach ja? Jetzt fluten neue unanständige Bilder ungebremst mein Hirn. Bilder von ihm und mir, wie wir es krachen lassen …
Stopp. Ernsthaft.
Ich nicke gezwungen, da ich aus Erfahrung weiß, dass keine verbale Antwort erwartet oder gewünscht wird und er sowieso ohne Pause fortfahren wird.
»Wir müssen Jorge am Flughafen abholen. Anschließend fahren wir zum coolsten Nachtclub Chicagos. Wissen Sie, wie viele Clubs er in Brasilien besitzt? Ich habe ihm versprochen, dass Brandt Ideas alles toppen kann. Heute Abend mache ich den Deal klar.«
Na super.
Was für ein Glück.
Jetzt muss ich Nick und seinen Kunden die ganze Nacht kreuz und quer durch die Stadt kutschieren. Und ich weiß jetzt schon, dass er mir unfassbar auf den Zeiger gehen wird, wenn er betrunken ist und sich aufplustert, um den ausländischen Clubbesitzer zu beeindrucken.
Ich stöhne innerlich.
Mit einem Nicken fahre ich los, kann es aber nicht lassen, ihn immer wieder im Rückspiegel zu beobachten. Er schenkt mir sein bestes Bad-Boy-Lächeln. Es ist ein richtiges Zahnpastalächeln, das leider auch bei mir seine Wirkung nicht verfehlt.
»Der Mann ist berüchtigt für seinen ausschweifenden Lebensstil, es könnte also heute Abend etwas ausufern. Aber keine Sorge. Ich weiß, wo die Grenze ist. Wir werden wohl keinen Defibrillator brauchen.«
Allmächtiger.
Ich hege schlimmste Befürchtungen hinsichtlich des angekündigten Krachenlassens. Dieses Riesenbaby hat nicht einmal sich selbst im Griff, geschweige denn einen ausländischen Clubbesitzer mit ausschweifendem Lebensstil. Das könnte zu einem internationalen Zwischenfall führen.
»Sie wissen ja, wie sehr die Presse es liebt, in meinem Leben herumzuschnüffeln, vor allem dieser Osprey und sein Gefolge von The Chicago Tea. Damit muss man leben, wenn man Milliardär ist und dazu noch ein Brandt. Wenn die Paparazzi uns auflauern, müssen wir sie abhängen, aber das dürfte für Sie ja kein Problem sein, nicht wahr? Sie haben das sicher drauf. Grandma hält große Stücke auf Sie. Der Clown von der Presse ist eine Pest.«
Ich verdrehe die Augen und nicke ansatzweise.
Dann muss ich ein Lachen unterdrücken.
Nick Brandt und den Mund halten? Niemals.
Ja, er ist ziemlich fabelhaft, und das weiß er auch. Aber es fällt ihm unsäglich schwer, auch mal den Mund zu halten. Wenn er es denn nur nicht immer kundtun müsste!
Granny Beatrice und Ward tun mir leid.
»Wie lange brauchen wir zum Flughafen?« Noch bevor ich antworten kann, tippt er auf seinem Telefon herum. »Vergessen Sie’s. Offenbar an die zwanzig Minuten. Wie gefällt Ihnen der Job bis jetzt? Wann haben Sie bei uns angefangen? Vor zwei Wochen? Sie sind bestimmt überglücklich. Alle lieben Grandma. Wissen Sie, was mein Bruder immer sagt? Wenn es nicht Gottes Werk ist, dann ist es von Brandt.«
Wieder stöhne ich innerlich.
Der Slogan wäre der Gipfel der Arroganz – wenn es nicht zutreffend wäre. Brandt Ideas ist tatsächlich unfassbar gut. Beatrice Nightingale Brandt zählt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Entwürfe zu den besten Architekten weltweit.
Leider ist mit ihren Enkeln der Apfel doch sehr weit weg vom Stamm gefallen und in den Dreck gerollt.
Gut, dass ich nichts sagen muss, weil er wieder einen seiner Monologe führt. Jetzt telefoniert er und gibt damit an, dass er heute Abend einen Krankenwagen für seinen brasilianischen Kunden brauchen wird.
Ich lege die Hände auf dem Lenkrad aneinander und bete, dass er das nur im übertragenen Sinne meint.
»Tja, du kannst mich mal, Ward. Es wird einen Grund geben, weshalb Grandma mich damit beauftragt hat. Bei dir würde der Mann einschlafen und bei jemand anders unterschreiben, bevor er nach Rio zurückfliegt.« Einen Moment ist es still. »Unsinn. Alle lieben meine Geschichten, sogar unser Freund Halle hier.«
Er beugt sich vor und klopft mit der Hand auf meine Nackenstütze.
O Mann.
Ich hoffe, ich bekomme heute Abend keinen scharfen Gegenstand in die Hände, sonst werde ich noch gefeuert und in Handschellen abgeführt.
Ich beschließe, den Idioten auf dem Rücksitz zu ignorieren, atme mehrmals tief durch und konzentriere mich auf den Verkehr.
Einen Lichtblick gibt es immerhin: Ich habe Autofahren immer als entspannend empfunden. Und ich bin glücklich, dass ich mit dem, was ich am liebsten mache, meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Es hat etwas Beruhigendes, Meile um Meile zu fahren. Ich empfinde es beinahe als meditativ, so wie andere die Betrachtung eines Flusses oder ein Workout bis an die Grenzen der Belastbarkeit.
Nachdem Ward aufgelegt hat, setzt Nick seinen Monolog bis zum O’Hare International fort. Jede einzelne Frage, die er mir stellt, beantwortet er selbst.
Als wir uns dem Flughafen nähern, will ich gerade fragen, welcher Spur ich folgen soll, als er auch schon in die entsprechende Richtung zeigt.
»Da rüber. Ankunft international«, sagt er. »Er kommt mit einer brasilianischen Airline. Direktflug aus Rio. Ich weiß zwar, dass unsere Clubs nicht mit dem Karneval dort konkurrieren können, aber ich werde ihm trotzdem zeigen, dass auch wir was vom Feiern verstehen. Waren Sie schon mal dort? Ich sage Ihnen, als ich das letzte Mal da war … unglaublich.«
O nein.
Nein, nein und nochmals nein.
Jetzt erzählt er mir gleich wieder von den Drillingsschwestern mit den Riesenbrüsten, die kein Wort von dem verstanden haben, was er sagte, ihm aber die besten Body Shots aller Zeiten beschert haben, wobei die Gläser …
Ich biege hinter einem Bus in die Spur für Taxen und Shuttles ab und bete, dass mir so der Rest seines Gequatsches erspart bleibt.
Mein Handy auf dem Beifahrersitz vibriert. Ich greife danach und tippe einmal auf das Display.
»Hey, kein Texten beim Fahren«, ruft er mir lachend zu.
Das ist das Vernünftigste, das ich ihn je habe sagen hören. Aber ich habe inzwischen geparkt, und die Nachricht ist von Beatrice Brandt, der ich diese gut bezahlte Tortur verdanke.
Beatrice Brandt: Hallo, Reese. Nur eine kurze Info wegen heute Abend. Jorge Franca ist ein Partylöwe – ebenso wie Nick. Würden Sie bitte heute Abend ein Auge auf meinen Enkel haben? Passen Sie auf, dass er keinen Unsinn macht. Das kann leicht passieren, wenn er in Fahrt ist.
O Mann, für Beatrice Brandt bin ich sogar bereit, für diesen aufgeblasenen Mann, der mehr Energie hat als meine vierjährige Nichte, aber leider auch in etwa so viel Vernunft, den Babysitter zu spielen.
Ich schätze, dafür werde ich früher oder später den Wagen verlassen müssen, was ihm aber vermutlich gar nicht auffallen wird. Nach ein oder zwei Flaschen wird er so blau sein, dass er mich weiter für einen Mann hält.
Aber Beatrice Brandt bezahlt mir das Dreifache meines früheren Gehalts, dazu bekomme ich Rabatte bei Cadillac. Wenn jemand wirklich geschlagen ist mit den Brandt Boys, dann ist sie das.
Immerhin muss ich sie nur ein paarmal die Woche für eine begrenzte Zeit ertragen. Kein Problem.
Also beiße ich die Zähne zusammen und nicke entschlossen.
Ein Job, der sich anfühlt wie eine ernst zu nehmende Karriere ist ja wohl die eine oder andere Unannehmlichkeit wert, oder?
Ich gähne und schlage mir leicht auf die Wange.
Es ist kurz vor ein Uhr nachts, und ich warte im Wagen, während Nick und der fette, glatzköpfige, großspurige Geschäftsmann aus Rio sich in einem Nachtclub amüsieren. Damit habe ich mir den Bonus, den Beatrice mir in einer anderen Nachricht vor Mitternacht für die Überstunden zugesagt hat, redlich verdient.
Es macht mir nichts aus, Überstunden zu machen. Mit der zusätzlichen Kohle kann ich Abby und Millie unterstützen. Trotzdem lassen sich Instinkte nicht so einfach ablegen, und dazu gehört auch der Schlafrhythmus.
Jetzt gerade, an diesem eisigen Winterabend, würde ich alles dafür geben, in meinem warmen Bett zu liegen. Und Ward steht immer schon vor Morgengrauen auf und lässt sich entsprechend früh ins Büro fahren. Ich werde also heute Nacht nicht viel Schlaf bekommen.
Benommen starre ich auf die Neonreklame des Dazzle. Der Club sieht von außen aus wie eine Drogenklitsche. Ich kann dröhnende Bässe und Gegröle hören, obwohl ich auf der anderen Straßenseite stehe und alle Fenster geschlossen sind. Manchmal spüre ich sogar, wie die Limousine vibriert.
Kein Zweifel, die beiden lassen es wie angekündigt krachen.
Soll ich reingehen und versuchen, Mr. Brandt zu überreden zu gehen? Ich schürze die Lippen und denke darüber nach. Was genau versteht Beatrice Brandt unter »ein Auge auf ihn haben«? Ich habe es ihr zwar versprochen, aber er ist ebenso sehr mein Boss wie sie, und ich möchte ihn nicht gegen mich aufbringen. Außerdem wird er sich ganz sicher nichts von seinem Chauffeur sagen lassen.
Das hier ist der dritte Club des heutigen Abends, und sie waren nach jedem Club lauter, betrunkener und rüpeliger. Nach den Gesprächsfetzen zu urteilen, die ich aufgeschnappt habe, plant Jorge einen Nachtclub in Vegas oder Chicago. Wo genau, konnte ich nicht verstehen. Die Männer wollten unbedingt grässliche Technomusik hören, von der mir jetzt noch die Ohren klingeln.
Ich komme zu dem Schluss, dass es besser ist, den Mund zu halten.
Als mein Handy vibriert, fahre ich erschrocken zusammen und muss im nächsten Moment lachen. Als ich nach dem Telefon greife, sehe ich ein Daumen-hoch-Emoji von Nick und eine Nachricht. Wenigstens ist er noch klar genug, um zu texten.
Könnten Sie direkt vor die Tür fahren? Ich bin mir nicht sicher, wie weit wir gehen können. Halle, mein Freund, LOL. Sie hätten mitkommen sollen. Die Frauen hier werfen sich jedem an den Hals, der einen Anzug trägt.
Toll. Genau das, was ich brauche. Anhängliche betrunkene Weiber.
Und Halle, mein Freund?
O Gott.
Ich kann nicht fassen, dass der Blödmann mich wahrhaftig immer noch für einen Kerl hält und dazu noch glaubt, ich wäre irgend so ein erbärmlicher Übriggebliebener, der nichts anderes im Sinn hat, als sich abzuschießen und Frauen flachzulegen.
»Neunzigtausend Dollar«, murmele ich, als würde ich ein Mantra aufsagen. »Neunzigtausend im Jahr. Das reicht für Miete, Essen und den einen oder anderen Luxus.«
Ich wende und halte unmittelbar vor dem Eingang des Clubs. Es ist dunkel, aber ich erkenne Nick an seiner Statur, als er auf den Wagen zuwankt, den Arm um eine untersetzte Gestalt gelegt, die ebenso unsicher torkelt. Mit jedem Schritt gerät er mehr ins Wanken.
Als sie den Wagen erreichen, reißt er die hintere Tür auf, und die Innenbeleuchtung fällt auf sein Gesicht. Er hält Jorge umklammert wie ein betrunkenes Nilpferd. Außerdem sind beide schweißgebadet und »oben ohne«.
Was zum …?
Bevor ich nachfragen kann, fällt mein Blick auf seine Bauchmuskeln, und es verschlägt mir die Sprache.
Alter Schwede.
Nicholas Brandt hat ein Sixpack!
Am liebsten würde ich die klar definierten Muskeln berühren, möchte aber nicht riskieren, gefeuert zu werden. Er sieht unfassbar gut aus. Sein Körper scheint nur aus Muskeln zu bestehen. Und der Schweißfilm auf seiner Haut weckt bei mir schmutzige Gedanken. Und ist das ein Tattoo an seiner Schulter? Und erst der Brustkorb … Den Anblick werde ich nie mehr vergessen.
Mein Versprechen an Beatrice fällt mir wieder ein. Halb nackt und betrunken aus einem Club zu torkeln macht ganz sicher keinen guten Eindruck – weder für Nick noch für die Firma.
Ich blicke in den Rückspiegel und sehe mit hochgezogener Braue in Nicks funkelnde grüne Augen.
Auf seinem Gesicht liegt wieder dieses verschmitzte Lausbubenlächeln, dazu der sexy Bartschatten. Gott. Wie ist es nur möglich, dass dieser Mann noch Single ist?
Weil er es sein möchte, beantworte ich mir die Frage selbst. Offensichtlich. Wenn er eine Frau wollte, bräuchte er nur mit den Fingern zu schnippen, und die Hälfte der Junggesellinnen in Chicago würde Schlange stehen.
»Es ist geritzt, Halle. Brandt Ideas bekommt den Zuschlag für Jorges ersten Club in den Staaten. Wir werden ihm seinen ganz persönlichen Garten Eden bauen, einschließlich einer Schanklizenz«, verkündet er und schlägt Jorge klatschend auf den Rücken.
Jorge gibt ein glucksendes Lachen von sich, stöhnt und sackt dann in sich zusammen. Ich betrachte ihn genauer, um sicherzugehen, dass er noch atmet, und wünschte, ich hätte für den Notfall einen Defibrillator dabei.
Ich verkneife mir einen unwirschen Kommentar und fahre los.
»Jorge wohnt im Palmer House. Fahren Sie zuerst dort vorbei«, weist Nick mich an und reibt dem schmatzenden Jorge die Stirn.
Fast finde ich es süß, wie Nick sich um den Kerl kümmert, der es offenbar noch wilder treibt als er selbst – sähe mein Boss nicht gerade aus wie der Hauptdarsteller in einem zweitklassigen Film für Erwachsene.
Wo. Ist. Sein. Hemd?
Die Frage brennt mir auf der Zunge, aber mit einem Kunden im Wagen halte ich doch lieber den Mund. Und so begnüge ich mich mit der Kommunikationsform, die er von mir gewohnt ist, und nicke stumm.
Als Nick mich im Rückspiegel anlächelt, sieht er aus wie ein verschmitzter kleiner Junge. Ob er sich schämt? Weiß Nicholas Brandt überhaupt, was Schamgefühl ist?
»Sie fragen sich bestimmt, warum wir halb nackt sind. Es gab einen Tanzwettbewerb, und ich konnte Jorge nicht hängen lassen. Ich musste mitmachen und ihm helfen.«
Okay … aber warum haben sie dafür die Hemden ausgezogen? Ich ziehe eine Braue hoch. Das genügt, da Nick sowieso nicht mehr sehen kann als meine Augen.
»Es war rappelvoll in dem Laden. Wie in einer Sardinenbüchse, und es war heiß wie in einer Sauna. Und bei dem Tanzwettbewerb ging es ganz schön ab. Wir haben alle Register gezogen, und als wir uns ausgezogen haben, gab es Standing Ovations.«
Ich werfe im Rückspiegel noch einen Blick auf Jorge. Er hat Hängebrüste. Nicht schwer zu erraten, wem die Ovationen gegolten haben. Er sackt zur Seite und fängt an zu schnarchen.
Viel Spaß dabei, ihn aus dem Auto und ins Hotel zu schaffen, Boss.
Wenigstens haben Nicks Unterwäsche-Model-Vibes meinen Tag gerettet. Ich war ein paarmal auf seinem Instagram-Account unterwegs, und auf fast jedem Foto präsentiert er an irgendwelchen tropischen Stränden seinen perfekten Body.
Likes, Kommentare und Heiratsanträge ohne Ende.
Was immer man sonst von ihm halten mag, der Mann könnte es glatt mit Herkules persönlich aufnehmen.
»Ich rechne zwar damit, dass mein Strip morgen in der Klatschpresse Schlagzeilen macht, aber was soll’s. Ist ja nicht das erste Mal. Manchmal muss man eben Opfer bringen, und für einen Abschluss tue ich – fast – alles.«
Ich nicke.
Nick lässt sich in seinem Sitz zurücksinken und lacht, ohne unseren Blickkontakt abzubrechen. »Warum bist du immer so schweigsam? Bist du sauer auf mich? Halten nächtliche Fahrten wie heute dich von einem heißen Date ab oder so was?«
Ich beiße mir auf die Lippe. Er schweigt wahrhaftig lange genug für eine Antwort. Lange genug, um das Missverständnis hinsichtlich meines Geschlechts aufzuklären.
Andererseits hat Abby gesagt, ich soll Spaß haben, oder?
Ich schüttele den Kopf.
Ihn zu fahren erinnert mich daran, warum es schlauer ist, Single zu bleiben.
Nick Brandt und ich leben in verschiedenen Welten. Er besteht aus reiner Energie, hat ein Sixpack wie Jason Momoa und ist nicht die hellste Kerze am Leuchter. Er schuftet in der Firma und stürzt sich nach Feierabend ins Getümmel, wobei das heute streng genommen geschäftlich war, da er ja einen Deal an Land gezogen hat.
Nicholas Brandt ist für mich der Inbegriff dessen, was ich in meinem Leben nicht brauchen kann. Der Mann hat das Wort Herzensbrecher auf die Stirn tätowiert – wenn wir mal rein hypothetisch von einem Szenario ausgehen, in dem ein Mann wie er sich überhaupt für jemanden wie mich interessieren würde.
Niemals.
Außerdem ist Nick ein so abschreckendes Beispiel, dass ich sogar auf Tinder verzichte.
Ich wünschte wirklich, er würde sich etwas anziehen. Mal von dem Anblick abgesehen, der einen ganz wuschig machen kann, ist es ein komisches Gefühl, seinen halb nackten Boss durch die Gegend zu fahren.
»Eine Tages machen wir zusammen einen drauf«, sagt er leise. »Ich finde schon noch raus, wie Sie ticken.«
Es liegt mir auf der Zunge, ihn darauf hinzuweisen, dass ich nicht mit meinem Boss ausgehe, weil sich das schlicht nicht gehört, aber er ist betrunken, und ich gehe davon aus, dass er sich morgen früh sowieso nicht mehr an dieses Gespräch erinnern wird.
Ich halte vor dem Palmer House, und Nick merkt auf.
Er tippt Jorge auf die Schulter. Der schwere brasilianische Geschäftsmann wacht erst auf, als mein Boss ihn mit beiden Händen bei den Schultern packt und schüttelt.
»Häh?« Jorge richtet sich auf und reibt sich die glasigen Augen. »Was ist?«
»Wir sind bei deinem Hotel.« Nick steigt aus und hält ihm die Tür auf, scheinbar immun gegen den schneidenden Wind, der über seinen nackten Oberkörper fegt.
Es dauert fünf Minuten, bis Jorge seine Beine so weit sortiert bekommt, dass er aussteigen kann. Beinahe stürzt er kopfüber in den frisch gefallenen Schnee.
Nick schafft es, ihn aufzufangen, was eine beachtliche Leistung ist in Anbetracht der Leibesfülle des Brasilianers. Glück gehabt. Es wäre doch dumm, wenn ein Kunde volltrunken zu Tode stürzen würde, nachdem man gerade ein lukratives Geschäft mit ihm abgeschlossen hat.
»Wie ist deine Zimmernummer, Jorge?«, fragt Nick.
»Drei…drei, dreiunddreißig. Glaube ich«, grunzt er.
Nick nickt. »Kannst du gehen?«
Jorge nuschelt irgendetwas auf Portugiesisch. Ich verstehe kein Wort, aber es klingt, als würde er fluchen. Er klappt zusammen, stolpert nach vorn und droht erneut, aufs Gesicht zu fallen.
Nick lacht mit einer Unbekümmertheit, die ich unter den gegebenen Umständen nicht nachvollziehen kann.
»Keine Sorge, Mann. Wir schaffen das.« Er wirft einen Blick zu mir in den Wagen. »Können Sie bitte aussteigen, Halle? Sie müssen mit anpacken.«
Auch das noch. Ich habe mich bereit erklärt, den Babysitter zu spielen, ja, aber das hier … Er verlangt allen Ernstes von mir, dass ich ihm helfe, einen halb nackten, volltrunkenen Kerl auf sein Hotelzimmer zu schleppen?
Ich starre ihn mit offenem Mund an und rede mir ein, dass nicht mal mein großzügiges Gehalt für so was ausreicht.
Nick mustert mich unterdessen grimmig. »Ich weiß, dass das nicht in Ihren Aufgabenbereich fällt. Ich werde bei der Auszahlung der Quartalsboni daran denken. Beeindrucken Sie mich und kassieren Sie Ihren Bonus. Außerdem gebe ich einen aus«, sagt er sachlich.
Alter … Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich mache das nicht! Für keinen Bonus der Welt. Ich habe meine Prinzipien.
Außerdem werde ich nicht mit meinem Boss einen heben, schon gar nicht, nachdem ich jetzt weiß, was passiert, wenn er zu tief ins Glas schaut.
Aber er wartet. Und das mit einem so eindringlichen Blick, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft.
»Idiot«, murmele ich, bevor ich aussteige.
Der weite Mantel hüllt mich ein wie ein Umhang, verbirgt meine Figur und hält mich warm.
Gott sei Dank. Ich möchte nicht, dass er ausgerechnet jetzt dahinterkommt, dass ich eine Frau bin, und der dicke Stoff ist mir als Schutzschicht zwischen mir und schlaffen Männerbrüsten mehr als willkommen.
Nick legt sich einen von Jorges Armen um die Schultern. Ich folge seinem Beispiel, und zusammen schleifen wir seinen Kunden durch das elegante Hotelfoyer, in den Fahrstuhl und den Flur hinunter zu seinem Zimmer.
»Jorge? Wo ist deine Schlüsselkarte?«, fragt mein Boss.
Jorge lehnt an der Wand und antwortet nicht, sondern gibt nur Grunzlaute von sich und blinzelt.
Wunderbar.
»Hast du deine Schlüsselkarte?«, fragt Nick noch einmal, überraschend ruhig und klar.
Er ist viel zu geduldig für meinen Geschmack. Ich bin so weit, den Saufkopf zu ohrfeigen, wenn er nicht innerhalb der nächsten drei Sekunden in die Gänge kommt. Andererseits geht es hier wahrscheinlich um einen Auftragswert von mehreren Millionen Dollar, da wäre das womöglich unklug.
Jorge sagt etwas, spricht aber so undeutlich, dass er nicht zu verstehen ist.
»Was sagst du?«, fragt Nick nach.
»Svbackic. Tasche.«
»Was?«
»Tasche«, wiederholt Jorge barsch. Nick mag ja ein geduldiger Betrunkener sein, aber Jorge ist das offensichtlich nicht.
Mein Boss sieht mich an. Ich schüttele den Kopf. Auf gar keinen Fall. Ich werde nicht die Hosentaschen eines fremden Mannes nach einer Schlüsselkarte durchsuchen.
»Sie bekommen eine Gehaltserhöhung«, zischt Nick. »Machen Sie schon.«
Ich schüttele den Kopf. Es gibt Grenzen, und diese werde ich nicht überschreiten.
»Herrgott noch mal«, flucht er. »Welche Tasche, Jorge?«
»Svbackic.«
»Was?«
»H-h-hinten.«
Nick schiebt eine Hand in die Gesäßtasche auf seiner Seite und wühlt darin herum.
»Hier ist sie nicht.« Er greift herüber und durchsucht auch die andere Gesäßtasche. Seine Augen leuchten auf, bevor er eine schlichte weiße Plastikkarte herauszieht.
Er hält sie vor den Kartenleser, dann schleifen wir Jorge ins Zimmer und lassen ihn auf das riesige Doppelbett fallen.
»Wir haben unsere Schuldigkeit getan«, seufzt Nick und wischt sich die Hände ab.
Ich schlucke ein Stöhnen herunter.
Das Schlimmste ist seine Lässigkeit. Als würde er so was öfter machen.
Wenn das hier eine normale Nachtschicht bei Brandt Ideas ist, muss ich meine Anstellung doch hinterfragen. Wir haben einen volltrunkenen Mann durch ein Hotel zu seinem Zimmer geschleppt, mein Boss hat seine Taschen nach der Schlüsselkarte durchsucht, und mein Mantel ist feucht vom Schweiß des Brasilianers.
Ganz ehrlich, ich bin bedient.
Im Moment würde mir jedenfalls eine Dusche mehr Freude machen als ein Bonus.
Ich mag gar nicht daran denken, wie spät es sein wird, bis ich aus der Dusche komme.
»Alles okay, Halle?«, reißt Nick mich aus meinen Gedanken. Ein Anflug von Sorge blitzt in seinen Augen auf.
Ich vergrabe das Kinn im Mantelkragen, ziehe die Mütze tiefer ins Gesicht, nicke und folge ihm hinaus.
»An manchen Tagen muss man sich sein Gehalt hart verdienen, oder?«, brummt er und drückt im Fahrstuhl den Knopf fürs Erdgeschoss.
Wenn du meinst. Ich halte Abstand zu ihm. Am liebsten würde ich nicht einmal den Sauerstoff mit ihm teilen. Ich will nur noch, dass diese Nacht endlich ein Ende hat.
Die Stahltüren gleiten auf, und wir durchqueren die Eingangshalle.
Ich versuche zu verdrängen, dass ich meine Nacht mit einem unfassbar gut aussehenden Adonis verschwende, der zufällig mein Boss ist und mich immer noch für einen Mann hält.
Das ist so richtig aufbauend. Es war schon immer mein Traum, für einen Kerl gehalten zu werden. Wozu jogge ich eigentlich jeden Tag und investiere ein kleines Vermögen in Körperpflege und Friseurbesuche?
Das alles nur, damit dieser egozentrische Irre mich fertigmachen kann, jedes Mal, wenn er einen furchtbaren Männerwitz erzählt, oder mich beim Nachnamen nennt wie einen alten Kneipenkumpel?
Ich verschränke die Arme vor der Brust, als wir das Hotel verlassen.
»Alles okay?«, fragt er noch einmal.
Es ginge mir besser, wenn du aufhören würdest zu fragen. Das ist natürlich keine passende Antwort für seinen Boss, aber ganz ehrlich, genau das liegt mir gerade auf der Zunge.
Neunzigtausend Dollar.
Neunzig. Tausend. Dollar.
Das werde ich vor mich hin stammeln, wenn sie mich in eine Zwangsjacke stecken und in die Klapse bringen, wenn ich nicht bald nach Hause komme.
Endlich erreichen wir die Limousine.
»Ist das Ihr Wagen?«, fragt der Portier.
Ich nicke.
»Sie können sich glücklich schätzen. Sie haben bereits einen Strafzettel kassiert. Wir wollten Sie schon abschleppen lassen.«
Tatsächlich klemmt ein weißer Umschlag unter dem Scheibenwischer. Ich ziehe ihn unter dem Wischer hervor und reiche ihn Nick.
»Mist. Verkehrspolizisten sind eine Pest. Ich kümmere mich gleich morgen darum«, knurrt er naserümpfend.
Ich wünschte, wir könnten das alle einfach so abtun.
Er steigt ein und seufzt wohlig, als er den warmen Sitz im Rücken spürt. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, ob er ähnlich klingt, wenn er splitternackt im Bett liegt, während ich um den Wagen herum gehe und mich wieder hinters Steuer setze. Wir fahren einige Meilen, ohne dass seine Stimme an meinen Ohren kratzt wie Kreide auf einer Schiefertafel.
»Danke für die Unterstützung, Mann«, sagt er schließlich leise.
O Gott.
»So was von ungern geschehen, Blödmann«, murmele ich so leise, dass er mich nicht hören kann.
»Sorry wegen der Schlüsselkarte. Ich hätte Sie nicht darum bitten dürfen. Ich sorge dafür, dass Sie einen ordentlichen Bonus bekommen, Halle. Auf Sie ist Verlass – das ist heutzutage selten.«
Könnten Sie vielleicht auch dafür sorgen, dass ich nachts etwas Schlaf bekomme?
Ich werfe einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Halb drei, und ich muss ihn noch zu Hause absetzen, bevor ich nach Hause fahren kann. Und nach der längsten Dusche aller Zeiten kann ich dann exakt eine Stunde schlafen, bevor ich wieder aufstehen muss, um Ward abzuholen.
So ein Scheiß.
Ich werde morgen tiefschwarze Ringe unter den Augen haben, aber das spielt wohl keine Rolle, da ich ja offenbar sowieso aussehe wie ein Kerl. Wenigstens bekomme ich einen fetten Gehaltsscheck zum Ausgleich für mein Singledasein.
Fast handle ich mir einen weiteren Strafzettel ein, weil ich auf der Fahrt zu Brandts Penthouse zu schnell bin.
»Können Sie Musik anmachen? XM vielleicht?«
Ich drücke an der Stereoanlage den dritten Knopf, wo ich seinen Lieblings-Radiosender gespeichert habe.
Er lacht leise.
»Sie sind so unglaublich still, Halle.« Er lässt den Arm vorschnellen, als hielte er eine Peitsche in der Hand. »Aber das gefällt mir an Ihnen, Mann. Sie sind ein Denker. Und geheimnisvoll. Sie erinnern mich an Batman.«
Ich wünschte, ich hätte so viel Geld wie ein millionenschwerer Superheld. Dann wäre ich reich genug für meinen Boss und müsste mir nicht als Firmenchauffeur die Nächte um die Ohren schlagen.
Glücklicherweise ist es vom Hotel nicht weit bis zu Nicks Penthouse.
Ich fühle mich gleich besser.
Mit etwas Glück bleibe ich die nächsten vierundzwanzig Stunden von seinem Mist verschont.
NICK
Sechs Wochen später
Halle, die treue Seele, wartet mit der Limousine am Straßenrand. Es ist seltsam, so viel Zeit mit einem Chauffeur zu verbringen, der scheinbar ein Schweigegelübde abgelegt hat. Normalerweise kann ich jeden zum Reden bringen.
Ihn nicht. Er ist so verschlossen wie ein Buch. Wenigstens ist er immer pünktlich und tut auf Zuruf alles, worum ich ihn bitte.
Er ist zuverlässig. Vertrauenswürdig. Und heute kann ich gar nicht schnell genug von diesem verfluchten Meeting wegkommen.
Auf dem Weg zum Wagen vibriert mein Telefon. Ich sehe erst nach, wer es ist, nachdem ich eingestiegen bin.
Natürlich weiß ich, was mich erwartet. Noch mehr Vorhaltungen wegen meiner halb nackten Tanzeinlage mit Jorge Franca. Ich lasse das Telefon mit einem ärgerlichen Grunzen sinken.
»Ist es zu fassen, dass immer noch über diesen Mist geredet wird? Das ist jetzt sechs Wochen her. Sechs verfickte Wochen, und offenbar haben diese Leute kein Leben, sonst würden sie sich nicht so für meins interessieren. Ich meine, ich verstehe das. Ich bin reich, gut aussehend und klug, aber mal ehrlich. Ich kann nicht die ganze Stadt auf meinen Schultern tragen. Ich bin doch nicht Zeus.«
Halle räuspert sich und murmelt etwas, das wie »Atlas« klingt.
Typisch für ihn. Tatsächlich ist es überraschend, dass er überhaupt etwas gesagt hat.
»Wie auch immer. Griechische Mythologie war noch nie mein Ding. Wenn man gut aussieht und tanzen kann, braucht man den Scheiß nicht, um die Frauen zu beeindrucken. Ich weiß, ich sollte den Ball flach halten und froh sein, dass ich so glimpflich davongekommen bin. Schade nur, dass Grandma und Ward solche Spaßbremsen sind. Den Deal über eine halbe Milliarde, den ich für die Firma an Land gezogen habe, nehmen sie aber natürlich gerne. Und Jorge hat sich ausdrücklich für den denkwürdigsten Abend seines Lebens bei mir bedankt. Ward sollte mir auf Knien danken. Und wenn ich nicht das schwarze Schaf der Familie wäre, würde er das auch tun.« Ich knirsche laut mit den Zähnen, und Halle gibt ein seltsam hohes spöttisches Lachen von sich.
Er findet mich also komisch? Meinetwegen.
Aber mal ehrlich.
Das meiste, was ich so treibe, würde unbemerkt bleiben, wenn Roland Osprey – die Kackstelze, wie ich ihn liebevoll nenne – und seine erbärmlichen kleinen Pisser von der The Chicago Tea mich nicht auf dem Kieker hätten. Der Typ hat es sich zum Lebensinhalt gemacht, jeden Brandt schlecht aussehen zu lassen, der nicht mit Vornamen Beatrice heißt.
Ich wünschte, Chicago würde sich nur halb so sehr für Grandmas letztes architektonisches Meisterwerk interessieren wie für mein Privatleben.
Seit meine Eltern in einen Bootsunfall verwickelt waren, bei dem ein beliebter Nachwuchsschauspieler ums Leben gekommen und zusammen mit der Jacht auf den Grund des Lake Michigan gesunken ist, ist der Name Brandt trotz aller Annehmlichkeiten, die mit dem Familienvermögen einhergehen, ein Fluch. Allein wenn ich daran denke, kommt mir die Galle hoch, und ich knirsche mit den Zähnen.
»Der Drecksack von The Tea ist nicht fair, wissen Sie. Bestimmt kennen Sie seine Artikel. Er hat ein paar Fotos getürkt (Videos machen in einer Zeitung wenig Sinn), um mich betrunkener aussehen zu lassen als ich war. Verdammt, beim Tanzwettbewerb war ich fast wieder nüchtern, erinnern Sie sich?«
»Kein Kommentar«, trällert eine weiche weibliche Stimme mit einem Seufzer.
Was … Moment. Die Stimme klingt …
Ich beuge mich vor und werfe einen Blick auf den Beifahrersitz, um zu sehen, ob Halle seine kleine Freundin im Wagen dabeihat.
Nein, wir sind allein. Ich muss mich verhört haben. Das muss der Stress sein. Ich sollte mal zum Ohrenarzt. Entweder höre ich schlecht, oder ich drehe durch.
Oder beides.
Ich schüttele lachend den Kopf und fahre mir mit den Fingern durchs Haar.
»Sie sind ein kluger Mann. Halten sich immer bedeckt. So landet man auch nicht in der Klatschpresse. Ich sollte mich auch anziehen wie ein Kapitän zur See. Tolle Verkleidung. Inklusive Mütze natürlich.«
Halle schweigt wieder, die hellblauen Augen auf die Straße geheftet.
»Andererseits … seien wir ehrlich. Es mag bescheuert klingen, aber ich liebe die Aufmerksamkeit«, sage ich achselzuckend. »Das Scheinwerferlicht fühlt sich von mir ebenso angezogen wie ich von ihm. Es geht doch nichts über das eine oder andere kleine Erdbeben, um diese spießige Stadt ein wenig aufzurütteln, oder? Haben Sie nicht auch manchmal Lust, die Leute aufzurütteln?«
Ich beuge mich vor und warte auf seine Antwort.
Schweigen.
Also doch Batman.
Ich verkneife mir ein belustigtes Grinsen.
Bevor ich ihn weiter zutexten kann, pingt mein Telefon, und die fünfzigste Mail des Tages landet in meinem Postfach. Ich überfliege Wards neueste Drohung, mich bei den Eiern aufzuhängen, wenn ich bis zum Ende der Woche keinen Bauunternehmer für den Glaspalast gefunden habe, den Jorge in der Chicagoer City errichten will, und tippe zornig eine Antwort.
Als ich das nächste Mal aufblicke, halten wir gerade vor dem Bürokomplex, in dem Brandt Ideas untergebracht ist, und haste zu meinem nächsten Meeting.
Ward: Gib Gas. Ich hasse es ebenso wie du, trotzdem bin ich hier.
Ich sitze in meinem Penthouse, versuche runterzukommen und denke gerade daran, wie gern ich heute Nacht Sex hätte, als die Nachricht meines Bruders eingeht.
Scheiße. Das habe ich total vergessen. Ich greife nach dem Handy.
Nick: Ich bin im Geiste anwesend.
Ward: Du bist wieder einmal nicht da, Nick. Im Gegensatz zu mir. Wie immer.
Bullshit. Er übertreibt mal wieder.
Meine Großmutter hat diese Meetings schon immer geliebt. »Für unser wichtigstes Gut – unsere Mitarbeiter«, sagt sie immer. Konkret bedeutet das, dass jedes Quartal eine kleine Versammlung stattfindet, an der wir alle teilnehmen und schleimen. Nicht missverstehen, unsere Angestellten sind toll, und die Treffen sind gut fürs Betriebsklima. Aber tatsächlich frage ich mich, ob die Leute es nicht vorziehen würden, wenn wir sie einfach zum Zeichen unserer Dankbarkeit mit einer Flasche Tequila früher nach Hause schicken würden. Leider ist die Rechtsabteilung dagegen.
Nick: Ich hasse diese blöden Betriebsfeiern ebenso sehr wie du. Warum besteht Grandma darauf?
Ward: Weil die Mitarbeiter sie lieben. Schwing die Hufe. Wie kommt es eigentlich, dass ich im Gegensatz zu dir als Spaßbremse verschrien bin, obwohl du dich drückst, wann immer es irgendwie geht?
Schnaubend schreibe ich zurück: Weil ich besser aussehe als du, Ward.
Das hat gesessen. Da er nicht sofort antwortet, scheint ihm das fürs Erste die Sprache verschlagen zu haben.
Aber er hat recht. Ich muss in die Firma. Nicht wegen meines Bruders – der macht mir keine Angst –, aber wenn ich mich nicht auf ihrem Kaffeekränzchen blicken lasse, reißt Grandma mir den Arsch auf.
Was soll’s. Wenigstens gibt es immer gutes Essen, wenn wir wieder einmal ein kleines Vermögen ausgeben, um die Leute zu verwöhnen, die dazu beitragen, unsere Entwürfe umzusetzen.
Ich texte Halle.
Nick: Ich muss ins Büro.
Ich binde mir gerade die Krawatte, als seine Antwort eingeht.
Halle: Sorry. Ich kann nicht. Ich bin schon im Büro und Mrs. Brandt möchte, dass ich bleibe.
Verdammt, Grandma. Sie verlangt, dass ich erscheine, und verbietet dem Chauffeur, mich abzuholen?
Ich kann also entweder selbst fahren und eine Stunde im Verkehr verschwenden oder laufen. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. Draußen pfeift ein Schneesturm, der dicke Flocken durch die Nacht wirbelt, sodass ich mir vorkomme wie in einer geschüttelten Schneekugel.
Laufen also nicht. Auch gut. Dann fahre ich eben. Umso später bin ich dort. Und wenn ich noch die Parkplatzsuche dazurechne … das kann dauern.
Ich weiß jetzt schon, dass ich richtig Ärger bekommen werde, trotzdem bin ich froh wegen der Verzögerung. Ich bin nicht gern unter fremden Leuten. (Jaja, das passt nicht ganz zu meinem Image als Rampensau. Ich kenne die Leute, die auf meiner Etage arbeiten, aber die anderen nur vom Sehen. Die meisten Leute außerhalb der Führungsriege glauben hingegen, sie kennen mich, nur weil sie regelmäßig irgendwelchen Klatsch lesen oder mitbekommen, was sonst über mich kolportiert wird.) Unter Menschen zu sein, die von mir erwarten, Partylaune zu verbreiten, ist mir unangenehm, und im Gegensatz zu meiner Großmutter verstehe ich auch nicht, warum meine Anwesenheit so wichtig sein soll. Aber nach der Sache mit Jorge darf ich kein Öl ins Feuer gießen, ich möchte es mir ja nicht gänzlich mit Grandma verscherzen.
Eine Stunde später stoße ich zu den anderen und quetsche mich zwischen Grandma und Ward an einen runden Tisch. Ich beiße von einem Stück der besten Salamipizza ab, die ich je gegessen habe, als eine hübsche junge Frau am Tisch gegenüber aufsteht. Ich habe sie noch nie gesehen.
Sie hat kurzes, lockiges karamellfarbenes Haar. Die schwarze Seide ihres Kleids flattert und schmiegt sich eng an einen so perfekten runden Hintern, dass ich spontan ein Pricken in den Händen spüre. Es sieht aus, als würde sie schwerelos dahingleiten. Von meinem Platz aus kann ich ihr Gesicht nicht sehen, aber so wie ihr Kleid ihre Sanduhr-Figur betont, bin ich extrem neugierig, wie sie von vorn aussieht.
»Jemand zu Hause?« Ward wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht herum, zwei Finger aneinandergelegt, als wolle er schnipsen. »Aufwachen.«
Ich schüttele den Kopf, und mir wird bewusst, dass ich mitten in der Bewegung erstarrt bin, die Pizza vor dem geschlossenen Mund. Ich habe abgebissen und bin dann beim Anblick der geheimnisvollen Fremden versteinert.
»Wer ist das?«, frage ich und lege das Stück Pizza zurück auf den Teller.
Ward folgt verärgert meinem Blick und sieht mich dann mit hochgezogenen Brauen wieder an. Auch Grandma sieht zu dem anderen Tisch hinüber und klopft mir unter dem Tisch auf das Knie.
»Hör auf, sie anzustarren«, raunt sie mir zu. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du siehst diese hübsche junge Dame jeden Tag. Willst du mir erzählen, dass du sie nicht wiedererkennst? Du hast ihre Telefonnummer, Nicholas. Du hast sie vorhin erst angeschrieben.« Ich blinzle sie verständnislos an, und sie legt sich eine Hand an die Stirn. »Meine Güte, jetzt bin ich fast geneigt, zu glauben, was der The Chicago Tea über dich schreibt.«
Ich verdrehe die Augen. »Ich bitte dich, Grandma, jetzt übertreibst du. Aber im Ernst, wer ist sie?«
»Ich übertreibe nicht! Wie kannst du das fragen, wo du sie doch jeden Tag vor Augen hast? Auch wenn ich zugeben muss, dass ihre Arbeitskleidung unvorteilhaft ist.«
Aber wer ist sie denn nun? Ich komme mir vor wie in einem Psycho-Thriller.
»Unmöglich. Wenn ich diese Traumfrau je gesehen hätte, würde ich mich an sie erinnern.« Keine Frage. Dann hätte ich zwei Wochen Urlaub eingereicht und alles darangesetzt, sie zu umgarnen, um sie ins Bett zu kriegen, und zwar ohne jeden Funken schlechten Gewissens. Und vergesst das Bett, mir würde da so manche Alternative einfallen. Ein Quickie im Besenschrank, im Fahrstuhl oder auf einem Autorücksitz.
»Sie kutschiert dich seit Wochen täglich durch die Gegend, Blödmann«, bemerkt Ward barsch.
Ich höre, was er sagt, kann es aber nicht verarbeiten.
Was ist das für ein blöder Witz? Ich sehe von einem zur anderen. Beide machen ernste Gesichter.
Verdammt, vielleicht sollte ich mal zum Seelenklempner. Der Einzige, der mich in den letzten Wochen herumkutschiert hat, ist der schweigsame Halle.
»Unsinn. Du irrst dich, Ward. Seit wann haben wir zwei Fahrer?« Und wie komme ich auf den Rücksitz dieser Schönheit? Warum muss ich mich mit dem wortkargen Halle begnügen, während diese Schönheitskönigin meinen Bruder chauffiert?
»Wir haben nur einen Fahrer, oder genauer, eine Fahrerin, Schatz«, seufzt Grandma und zupft an einer ihrer silbernen Haarsträhnen.
»Was? Ich verstehe nicht … ich … sie hat mich noch nie gefahren. Mich chauffiert seit über einem Monat ausschließlich Halle«, entgegne ich genervt.
Wahrscheinlich hat Grandma das eingefädelt, weil sie fürchtet, es könnte Ärger geben, wenn ich mit der geheimnisvollen Schönen allein unterwegs bin.
Grandma und Ward starren mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen.
»Was?«, sage ich ungeduldig. »Ihr zwei macht mich fertig. Sagt mir einfach, was ich tun muss, damit sie mich in Zukunft fährt. Es ist unfair, dass ich mit Halle Vorlieb nehmen muss. Wenn es eine Fahrerin gibt, sollte ich sie kennenlernen.«
Ward bricht als Erster in schallendes Gelächter aus. Das kommt äußerst selten vor bei ihm. Für gewöhnlich ist er nämlich eher der grimmige Typ, der sich höchstens mal ein Lächeln erlaubt. Wenn überhaupt.
»Bedauerlicherweise für sie ist sie seit ihrer Einstellung auch deine Chauffeurin«, klärt er mich auf und wird wieder ernst.
Ich schüttele den Kopf. »Red keinen Scheiß. Ich würde es ja wohl wissen, wenn …«
»Nicholas«, fällt Grandma mir ins Wort.
»Nicht. Lass ihn selbst drauf kommen«, sagt Ward zu ihr. »Das ist wirklich zu komisch.«
»Und wenn er nie dahinterkommt?«, fragt Grandma mit gespielter Sorge.
»Dann brauchen wir uns um sie wenigstens keine Sorgen zu machen«, entgegnet er achselzuckend.
Das Ganze ist also ein Scherz. Sie amüsieren sich auf meine Kosten.
Es ist zu absurd, dass sie so tun, als gäbe es eine Parallelwelt, in der diese atemberaubende Erscheinung mich gefahren hat.
»Wenn das ein Streich sein soll, finde ich ihn nicht komisch«, knurre ich genervt. »Ich bin nicht in Stimmung für …«
Dann plötzlich trifft es mich wie ein Schlag auf den Hinterkopf. Ich breche mitten im Satz ab.
Moment.
Grandma, die behauptet hat, dass ich sie kenne, und richtig schockiert war, dass ich sie nicht erkannt habe. Ward, der behauptet hat, dass sie mich gefahren hätte. Und beide sagen, wir hätten nur einen Fahrer – eine Fahrerin. Grandmas Behauptung, ich hätte ihr erst vorhin eine Nachricht geschrieben. Und abgesehen von Ward habe ich heute Abend nur einer Person getextet. Und zwar … Halle.
»Sie ist Halle?«, krächze ich, meine Zunge plötzlich spröde wie Pergament, so leise, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie mich überhaupt gehört haben.
»Wie sie leibt und lebt«, sagt Grandma nickend und kämpft sichtlich gegen einen Lachanfall.
Mir schießt durch den Kopf, welchen Eindruck ich bisher auf unsere Fahrerin gemacht haben muss. Oh. Mein. Gott.
Den denkbar schlechtesten, und das nicht nur beim ersten Mal, sondern auch beim zweiten, dritten, vierten und fünften Mal.
Ich bin im Arsch. Das lässt sich nicht wiedergutmachen. Niemals. Mein Magen krampft sich zusammen. Ich denke zurück an die Nacht, in der ich von ihr verlangt habe, mir zu helfen, den halb nackten, beleibten, schweißtriefenden Brasilianer auf sein Hotelzimmer zu schleppen.
Kein Wunder, dass ihr das so widerstrebt hat. Hätte ich gewusst, dass sie eine Frau ist, hätte ich das niemals von ihr verlangt!
Ich habe ihr auf der Fahrt angesehen, wie unwohl sie sich gefühlt hat.
Verständlich.
Es muss ihr schrecklich unangenehm gewesen sein, ihren halb nackten Boss und dessen ebenso leicht bekleideten Kunden zu chauffieren.
»Ich habe es verkackt«, stelle ich ernüchtert fest.
»Wie üblich«, stellt Ward achselzuckend fest.
Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu.
»Du brauchst gar nicht so böse zu gucken, Nicholas. Wahrscheinlich ist es besser so, da du ja offensichtlich an ihr interessiert bist und sie eine Angestellte ist. Deine eigene Blödheit hat verhindert, dass du Unsinn machst. Entschuldige dich bei ihr und entspann dich in dem Bewusstsein, dass sie dich vermutlich hasst und nicht einmal etwas von dir wissen wollen würde, wenn du nach einem Atomschlag der letzte überlebende Mann auf dem Planeten wärst. Ganz am Rande bemerkt würde ich, wenn ich eine Frau wäre, auch Enthaltsamkeit vorziehen.«
Idiot! Aber im Grunde hat er recht. Halle ist eine Angestellte. Was sie von mir hält, sollte mir egal sein, einmal abgesehen davon, dass ich mich ihr gegenüber wirklich beschämend benommen habe und mich dringend bei ihr entschuldigen muss.
Was sie nicht annehmen wird. Warum sollte sie auch?