Nordseekrimi Der Deichläufer: Ein mitreißender Küstenkrimi mit spannenden Ermittlungen an der Nordsee - Krimi Empfehlung - Liv Holm - E-Book + Hörbuch

Nordseekrimi Der Deichläufer: Ein mitreißender Küstenkrimi mit spannenden Ermittlungen an der Nordsee - Krimi Empfehlung E-Book und Hörbuch

Liv Holm

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Beschreibung

  Deichläufer – und wenn er läuft, dann sterben sie   "Sie wurde bei lebendigem Leib zerquetscht." Selten hat Valentine Herzog so brutale todbringende Verletzungen gesehen wie bei der 17-jährigen Schülerin, die in den Morgenstunden von zwei Spaziergängern gefunden wird. Sofort ist klar, dass es sich hier um einen Fall für die Sondereinheit für besonders schwere Verbrechen handelt. Jannis Karlsson, der gerade erst Ermittlungen im Fall einer Mordserie im Harz abgeschlossen hat, wird nach Sankt Peter Ording zurückberufen und nimmt gemeinsam mit Herzog die Ermittlungen auf. Doch nicht nur privat läuft es zwischen dem Ermittlerteam unrund. Denn während die Spurensicherung den Strandbereich absucht, tauchen weitere Leichen auf, bis sich das Einzelgrab zu einem Massengrab ausgewachsen hat. Jedes Opfer wurde auf unterschiedliche Art getötet. Nur eines haben sie gemeinsam – sie alle sind minderjährig. Wird es Herzog und Karlsson gelingen, den Täter zu stoppen, bevor er den nächsten Jugendlichen ins Visier nimmt? Denn eines ist klar – im Grab ist noch mindestens ein Platz frei.   Also worauf warten Sie noch? Klicken Sie nun auf "Jetzt kaufen mit 1-Click" und lassen Sie sich an die Nordseeküste entführen!  

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Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zeit:4 Std. 8 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Nicole Baumann

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Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Auflage 2024

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Prolog

Er ging die dunkle Gasse entlang, hatte das Gefühl, dass die Blicke ihn noch immer verfolgten. Angst und Scham, die sich in ihm ausgebreitet hatten, bis sie ihm die Luft zum Atmen nahmen. Bittere Galle auf seiner Zunge und der Schrei einer Möwe, der wie durch Watte in sein Innerstes gelangte. „Ich wusste, dass du abnormal bist, Missgeburt“, hatte Friedrich gesagt und ihm den Mittelfinger gezeigt. Vor allen anderen. Friedrich hatte sein Leben mit diesem einen Satz auf den Kopf gestellt. Und die anderen hatten gelacht. Manche mit vor den Mund gehaltener Hand. Andere unverhohlen und offen. Einige hatten aus dem Fenster gesehen, beschämt, ihn in ihrer Nähe zu haben. Und er war ganz still geworden, hatte seine Mitschüler nicht mehr angesehen, stattdessen ihre bohrenden Blicke in seinem Rücken gespürt.

Schnell nach Hause. Er musste unbedingt allein sein, konnte nur hoffen, dass seine Eltern nicht erfahren würden, was Friedrich heute behauptet hatte. Sie würden ihm seine Andersartigkeit aus dem Leib prügeln, da konnte er sicher sein. Die Gasse zwischen den Häusern wurde dunkler, schien sich endlos in die Ferne zu ziehen.

„Hey, Schwuchtel!“ Als er die Stimme hinter sich hörte, wusste er, dass es zu spät war. Er war noch nie der schnellste Läufer gewesen – im Gegensatz zu dem, dessen Stimme an diesem dunklen Ort verschluckt wurde. Tunnelblick, die Gasse wurde rund, führte auf einen einzigen Punkt zu. Nur am Licht ankommen, dann wäre alles gut. Doch die dumpfen Schritte hinter ihm wurden schneller. Er begann, zu laufen, und die Schritte taten es ihm nach. Sie gehörten zu mehr als einem Paar Füße, doch er traute sich nicht, sich umzudrehen und nachzusehen, wie viele es sein würden. Ihm wurde klar, dass es nicht seine Eltern wären, die ihn prügeln würden. Wenn die, die hinter ihm her waren, ihn erreichten, bräuchte er sich um seine Eltern keinerlei Gedanken mehr zu machen.

Im nächsten Moment packte ihn eine starke Hand an der Schulter.

Kapitel 1

Valentine Herzog schloss die Augen und atmete tief durch. Die brütende Hitze des Tages war klarer, angenehm warmer Nachtluft gewichen und das Wasser, das zwischen ihren Zehen spielte, kühlte ihren Körper auf Normaltemperatur herunter. Sie war für einen solch heißen Sommer einfach nicht gemacht. Lange hatte sie sich im Bett herumgewälzt und versucht, einzuschlafen, bevor sie sich entschieden hatte, einen nächtlichen Spaziergang zum Strand zu machen. Tagsüber hielt sie sich die meiste Zeit in dem kleinen, klimatisierten Büro auf und versuchte, Außeneinsätzen weitestgehend aus dem Weg zu gehen. Leider taten ihre Kollegen es ihr nach, weshalb sie gerade heute deutlich zu viel Zeit am Strand hatte verbringen müssen, an dem ein Mann eine Frau belästigt hatte. Jeder hatte ihr mitteilen wollen, was er zu sehen geglaubt hatte. Und so hatten gleich mehrere Stimmen bei ihrem Eintreffen auf sie eingeschrien. Der Strand war ebenso überlaufen wie in den vergangenen Jahren in den Sommermonaten, sodass Herzog in der glühenden Hitze gestanden und versucht hatte, herauszufinden, was genau geschehen war.

Herzog war dankbar, dass der Tag, der als der heißeste des Jahres angekündigt gewesen war, nun hinter ihr lag. Der lange Steg, auf dem sie saß, reichte bei dem jetzigen Stand des Meeresspiegels weit ins Wasser hinein, sodass ihre hinunterbaumelnden Beine bis zu den Waden unter die Wasseroberfläche drangen. Ruhig war es in letzter Zeit geworden. Sie und Jannis Karlsson hatten in den letzten Monaten nahezu nichts miteinander zu tun gehabt. Nachdem der Mann der „Teetied-Morde“ sie im letzten Jahr auf Trab gehalten hatte, war Karlsson bereits Anfang des Jahres abgereist, um im Harz an Mordermittlungen teilzunehmen. Sie hingegen war vor Ort geblieben, einsatzbereit und doch nicht abgerufen. Sie hatte zusammen mit den Kollegen der hiesigen Polizeidienststelle einfache Aufgaben übernommen und war dankbar für die Atempause, die ihr vergönnt war.

Zu sehr war ihr Privatleben im letzten Jahr eingebrochen. Doch die Zeit, in der ihr Exmann Theo sie bedrohte und die letzten brisanten Mordermittlungen deutlich erschwerte, lag endlich hinter ihr. Endlich konnte sie wieder frei atmen, ohne das Gefühl der immerwährenden Bedrohung, die hinter der nächsten Ecke lauern konnte.

„Entschuldigung?“ Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Im ersten Moment klang das sonore Timbre, das sie wahrnahm, nach Jannis Karlsson und Euphorie stieg in ihr auf. Lange hatten die beiden sich nicht gesehen und Herzog wollte sich nicht eingestehen, wie sehr sie ihn vermisste. Dennoch strafte ihre Enttäuschung sie Lügen, als sie sah, dass es sich bei dem Neuankömmling nicht um Jannis handelte.

„Sind Sie hier, um allein zu sein, oder darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“ Herzog lächelte den Mann an, der sich bereits die Schuhe auszog, sich neben sie setzte und die Füße ins Wasser gleiten ließ. Ein Seufzen entfuhr ihm und im dämmrigen Licht erkannte sie, dass er weit älter sein musste, als seine Stimme ahnen ließ. Das Haar glänzte Silber und tiefe Falten umgaben vor allem die Umgebung seiner Augen. „Schön hier, nich?“, fragte er und sprach in norddeutscher Manier die Buchstaben breiter als nötig. „Sie sind zu Besuch hier?“

Herzogs Lächeln wurde noch breiter, als sie den Kopf schüttelte und dem Mann die rechte Hand hinhielt. „Valentine Herzog“, stellte sie sich vor. „Und ich lebe seit einigen Jahren hier, komme allerdings selten an den Strand.“ Der Mann ergriff ihre Hand und stellte sich seinerseits vor. „Albert Johansson. Moin.“

Mehr hatte er anscheinend nicht zu sagen und Valentine Herzog lächelte in sich hinein. Durch ihren Job hatte sie viel mit Menschen zu tun und sie hatte das Klischee, das den Norddeutschen nachhing, nicht selten wahrgenommen. Sie schienen sich langsamer zu bewegen als in der Stadt, schienen langsamer zu sprechen und besonnener zu leben. In stummem Einverständnis sahen Albert Johansson und sie gemeinsam aufs Wasser, sahen dabei zu, wie weiche Wellen ihre Füße umspielten und die Dünen über der Flut aufragten. Der Deich lag unweit vor ihnen und Herzog sah, wie ein Läufer in der Ferne seine nächtliche Runde drehte. Auch ihm schienen die Tage offenbar zu heiß für seine Strecke zu sein.

„Ich werde dann mal“, meinte Herzog und zog ihre Füße aus dem Wasser. Sie hinterließ Fußspuren auf dem Holz des Stegs und der Mann hob die Hand zum Gruß, bevor sie sich abwandte und in Richtung Parkplatz davonschlenderte. Der Tag würde in wenigen Stunden anbrechen und sie wollte versuchen, noch ein wenig Schlaf zu bekommen, bevor der Alltag sie wieder einnehmen würde.

Erstaunt hörte sie, wie ihr Handy in der Tasche klingelte. Wer sollte sie mitten in der Nacht anrufen? Sie kramte in ihrem Rucksack nach dem Telefon und spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, als sie den Namen auf dem Display las. „Jannis“, sagte sie, als sie das Telefon ans Ohr hob. Ein Lächeln breitete sich ganz automatisch auf ihrem Gesicht aus, wurde jedoch weggewischt, als sie die verschwommene Aussprache ihres Kollegen hörte.

„Valentine Herzog“, sagte er und klang dabei deutlich neben der Spur. „Meine große Lebensretterin. Ich musste unbedingt deine Stimme hören.“ Herzog wischte sich in einer fahrigen Bewegung mit der Hand über den Mund und fragte: „Bist du betrunken?“ Sie hörte, wie ihr Kollege leise zu kichern begann – was so ganz und gar nicht seinem geordneten, bis ins Detail perfektionierten Lebensstil entsprach. „Was, wenn es so wäre?“, fragte er und Herzog spürte, wie Unsicherheit in ihr aufstieg. „Geht es dir nicht gut?“ Die Frage war ihr herausgerutscht, bevor sie nachgedacht hatte. Nachdem sie Jannis Karlsson im letzten Jahr das Leben gerettet hatte, war die Stimmung zwischen ihnen aufregend gewesen. Immer wieder hatte er scheinbar nebensächlich ihren Arm gestreichelt, war näher an sie herangerückt, wenn sie ihm etwas zeigte, und hatte sie länger umarmt als nötig. Sie hatte schwer einschätzen können, ob er ihr einfach nur dankbar war oder ob mehr zwischen ihnen entstehen könnte. Als er schließlich in den Harz beordert worden war, um dort zu ermitteln, hatte er Herzog einen flüchtigen Abschiedskuss auf den Mundwinkel gegeben. In den Momenten, in denen sie sich daran erinnerte, schien sie ihn noch immer zu spüren.

„Jannis?“, hakte sie nach, als er nicht antwortete. „Geht es dir nicht gut?“ Doch Jannis‘ heitere Stimme ließ das genaue Gegenteil vermuten. „Doch“, sagte er und gluckste. „Ich musste nur gerade an dich denken und dachte, dass ich dir viel zu lang nicht gedankt habe, dass du mich aus dem Wasser gefischt hast.“ Valentine Herzog öffnete ihre Autotür und ließ sich auf den Sitz plumpsen. „In Ordnung“, sagte sie kurz angebunden. Sie wollte nicht mit ihm sprechen, musste zugeben, dass sein Zustand ihr peinlich war. Der Jannis, den sie kannte, ließ sich nicht gehen, hatte sich stets unter Kontrolle. Und sie war sich ziemlich sicher, dass er sich selbst peinlich wäre, wenn er dazu in der Lage wäre. „Du hast dich jetzt bedankt. Ich würde dann jetzt gerne die Zeit nutzen, in der es etwas kühler ist, und endlich ein wenig schlafen.“ Stille kehrte am anderen Ende der Leitung ein, bevor Jannis Karlsson lauter als zuvor ausrief: „Es ist drei Uhr nachts. Ich dachte, wir hätten schon Morgen.“ Herzog nahm ein Rascheln im Hintergrund ihres Gesprächspartners wahr, dann eine weibliche Stimme, die ebenso lallte wie er selbst.

„Jannis? Was machst du denn da? Mit wem telefonierst du, Honey?“ Angewidert legte Herzog wortlos auf. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen. Eines Tages hatte es ja so kommen müssen. Karlsson war ein gutaussehender Mann und auch, wenn er nicht der typische Weiberheld zu sein schien, waren Herzog die Avancen, die die Frauen um ihn machten, nicht entgangen. Und wenn Alkohol im Spiel war, wurden selbst die kontrolliertesten Menschen zu willenlosen Eseln. Herzog legte den Kopf aufs Lenkrad. Bleierne Müdigkeit überkam sie. Heute Nacht würde sie nicht mehr nach Hause fahren. Ebenso gut konnte sie hierbleiben. Zuhause würde sie ohnehin niemand vermissen.

Kapitel 2

Das Klingeln ihres Handys riss sie aus dem Schlaf. Valentine Herzog schrak auf und spürte, wie ihr Körper unter der unbequemen Haltung der letzten Nacht protestierte. Sie sah sich um und wusste für einen kurzen Moment nicht, wo sie war. Die Scheiben ihres Autos waren von innen beschlagen und im selben Moment erinnerte sie sich an das unliebsame Telefonat, das sie vor wenigen Stunden mit Jannis geführt hatte. Ihr Blick wanderte zu der kleinen Uhr am Armaturenbrett – sechs Uhr fünfundvierzig. Endlich sah sie aufs Display ihres noch immer klingelnden Handys und stöhnte auf.

„Was möchtest du?“, fragte sie schroff und Stille empfing sie. „Valentine?“, hörte sie endlich Jannis‘ Stimme. Er klang vollkommen aufgeräumt, ganz so, als hätte es ihr letztes Gespräch überhaupt nicht gegeben. Herzog atmete tief durch, bevor sie weitersprach. Dass sie sich mehr aus ihm gemacht hatte als er aus ihr, konnte sie ihm nicht vorwerfen. Auch nicht, dass die Zeit, in der sie getrennt voneinander gewesen waren, ihre Erwartungen an das Kommende naiverweise gesteigert hatte. „Guten Morgen“, setzte sie ein zweites Mal an und versuchte, freundlicher zu klingen.

„Entschuldige“, schob sie hinterher. „Ich habe schlecht geschlafen und du hast mich geweckt.“ Jannis lachte auf und dieses Mal klang es nicht wie das jugendliche alberne Kichern der letzten Nacht, sondern wie das Lachen des Mannes, den sie seit Monaten vermisste.

„Das tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Ich dachte, du wärst schon auf dem Weg zur Arbeit. Ich habe gute Neuigkeiten.“ Und noch bevor sie fragen konnte, platzte er heraus: „Ich komme nach Hause. Hab’s gestern Abend erfahren.“ Herzog wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenn es einen Zeitpunkt gab, zu dem sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte, dann war es dieser. „Wann?“, fragte sie. Karlsson, der ihre Abweisung nicht zu spüren schien, sprach noch immer freudig weiter: „Noch heute. Der Fall hier ist so gut wie abgeschlossen und den Rest können die Kollegen vor Ort ohne mich erledigen. Ich bin schon auf dem Weg zum Zug. Ich freue mich schon darauf, endlich die Nordsee wiederzusehen. Den ganzen Tag Berge – das ist nicht meins.“ Valentine schloss die Augen und ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. „Die Nordsee ist mal da und mal weg, wie immer“, sagte sie. „Hier erwartet dich nichts wirklich Aufregendes.“

Die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreitete, war unangenehm und greifbar. „Geht’s dir nicht gut?“, stellte Jannis die Frage, die sie ihm selbst in der letzten Nacht gestellt hatte. „Doch, doch“, meinte sie abweisend. „Ich habe nur viel zu tun. Wir sehen uns dann nachher.“ Und noch bevor Jannis etwas sagen konnte, legte sie auf. Herzog zählte langsam bis sieben, bevor ihr Handy erneut klingelte. Natürlich hatte Jannis das Gespräch nicht auf sich beruhen lassen können. Der Perfektionist in ihm war wieder zurückgekehrt und der konnte es nicht dabei belassen. Herzog nahm nicht ab, machte sich stattdessen daran, die beschlagenen Scheiben mit einem Tuch abzuwischen. Als sie die Hand nacheinander an die Fenster legte, spürte sie, wie diese sich unter der tief am Himmel hängenden Sonne bereits wieder aufzuheizen begannen. Es schien, dass ein weiterer heißer Tag vor ihr lag. Das „Pling“ auf ihrem Handy zeigte ihr eine eingehende Nachricht an. Ganz der Typ vom alten Schlag hatte Jannis ihr auf die Mailbox gesprochen, anstatt ihr eine WhatsApp-Nachricht aufzusprechen oder zu schreiben. Herzog seufzte und stellte die Nachricht auf laut, während sie sich mit immer heftiger werdenden Bewegungen weiter an den Scheiben ihres Wagens zu schaffen machte.

„Valentine“, hörte sie Karlssons Stimme aus dem Gerät. „Wenn ich meine Anrufliste richtig interpretiere, haben wir während der letzten Nacht telefoniert. Du musst wissen, dass ich mich an nichts erinnern kann, was letzte Nacht geschehen ist. Als ich gestern Abend gehört habe, dass ich heute abfahre, war ich mit einigen Kollegen etwas trinken und offenbar haben wir uns zu viel zugemutet. Jedenfalls …“ Eine Pause trat ein und Karlsson räusperte sich, bevor er weitersprach. „Sollte ich letzte Nacht etwas gesagt haben, was dich verärgert hat, dann tut es mir leid. Valentine?“ Eine Pause entstand, bevor es in der Leitung klickte. Valentine Herzog blickte auf das verstummte Handy. Er konnte sich an rein gar nichts erinnern und sie würde nicht diejenige sein, die daran etwas änderte.

Herzog griff zum Handy und wollte es gerade in ihrem Rucksack verstauen, als es erneut zu klingeln begann. Sie rümpfte die Nase, wollte den Anruf ignorieren, als ihr auffiel, dass es sich nicht um den Namen handelte, den sie erwartet hatte. Stattdessen zeigte ihr Handy den Namen ihres Chefs, Michael Hagedorn, an.

„Herzog? Haben Sie schon gehört, dass Karlsson zurückkommt?“ Valentine Herzog unterdrückte ein Aufstöhnen. Sie wollte sich beim besten Willen nicht mit Jannis‘ Ankunft beschäftigen. Sie schämte sich bei dem Wunsch, dass sie heute eine wichtige Aufgabe bekäme, mit der sie sich ablenken könnte. Denn wenn tatsächlich eine wichtige Aufgabe eintrudelte, dann bedeutete das, dass jemand anderes sein Leben gelassen hatte.

„Kein Tag zu früh“, hörte sie Hagedorns Stimme, der sie mit seinem stetig melodiösen Tonfall aus ihren Gedanken riss und ihre Nerven zum Spannen brachte. „Sie beide haben seit zehn Minuten einen neuen, gemeinsamen Fall.“

Kapitel 3

„Frau Kollegin, Sie sind schon da?“ Frederick Jahn ging auf Valentine Herzog zu und hob das im warmen Wind flatternde Absperrband, sodass sie fast aufrecht darunter hindurchgehen konnte. Jahn warf einen Blick auf die Uhr und sah sie anerkennend an, doch sie winkte ab. „Ich war sowieso in der Gegend“, meinte sie ausweichend. Niemand musste wissen, dass sie nur einen Parkplatz entfernt in ihrem Auto genächtigt hatte. Noch während des Anrufs ihres Chefs hatte sie sich die Haare mit den Fingern gekämmt und einen Kaugummi in den Mund gesteckt. Sie war ausgestiegen und hatte sich zu Fuß auf den Weg den Strand hinunter gemacht. Eine Viertelstunde später hatte sie die Einsatzwagen bereits in der Ferne auf dem Strandgelände erkennen können.

Der Leiter der Spurensicherung reichte Herzog die Hand. Er war neu im Team, hatte jedoch an dem Tag, an dem er vorgestellt worden war, verdeutlicht, dass er wusste, wovon er sprach. Bisher hatten er und Herzog nicht zusammengearbeitet, doch es war niemals die Frage, ob, sondern vielmehr, wann sie zusammenarbeiten würden. Und nun war es so weit. Jahn reichte der Ermittlerin die Hand und sein Händedruck war angenehm fest.

„Meine Leute sind noch nicht fertig“, sagte er und deutete auf den bunten Trubel an Menschen, die sich um eine im Sand liegende Person versammelt hatten. Einige von ihnen schossen Fotos, andere sortierten Beweisbeutel in dafür vorgesehene Kästen ein. „Wie lange werden sie noch brauchen?“, fragte sie und sah den abschätzenden Blick Frederick Jahns. „Eine gute Stunde auf jeden Fall“, sagte er und sah sie entschuldigend an.

Herzog nickte und fragte: „Gibt es schon Randinfos?“ Der Leiter der Spurensicherung deutete auf zwei Männer, die unweit entfernt standen. Beide waren mittleren Alters, einer von ihnen war klein und blass, der andere groß, jedoch offensichtlich ebenso durcheinander. Ein uniformierter Polizist stand bei ihnen und machte Notizen. „Sie kamen kurz nacheinander hier an. Sagen, sie hätten die laue Nachtluft zum Anlass genommen, einen Spaziergang über den Strand zu machen. Der Kleine meinte, er hätte etwas aus dem Sand ragen sehen und wollte nachschauen, worum es sich handelt. Als er erkannte, dass es eine Leiche ist, wählte er die 112. Der Große ist kurze Zeit nach ihm eingetroffen. Du hast also Glück. Gleich zwei Zeugen auf einen Streich – wann hat man das schon mal?“

Herzog sah zu den beiden Männern hinüber. Von Glück würde sie ungern sprechen. Schließlich hatten die Männer nur die Leiche im Sand gefunden und nicht dem Täter beim Morden zugesehen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit bedeutete das, dass eine Menge Papierkram auf sie zukam, jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse, die sie weiterbringen würden. „Dann werde ich mal sehen, was die beiden mir zu sagen haben.“ Sie lächelte Jahn zu und verabschiedete sich für den Moment mit einem Kopfnicken.

„Entschuldigung?“ Die Ermittlerin stellte sich neben den uniformierten Kollegen und zog ihren Ausweis. „Valentine Herzog, Mordermittlung“, stellte sie sich vor und sah, wie der kleinere der beiden Männer die Augen zusammenkniff und sich näher zur Visitenkarte hinunterbeugte. Er hatte gräuliches Haar und seine Brillengläser deuteten bereits an, dass seine Augen im Laufe seines Lebens langsam den Dienst versagten.

„Mordermittlung?“, fragte er und schien gleich noch eine Spur bleicher zu werden. Der größere Mann von ihnen verdrehte die Augen und klang genervt, als er sagte: „Natürlich. Was denken Sie denn? Dass das Mädel sich selbst im Sand verscharrt hat?“ Herzog warf ihm einen abschätzigen Blick zu. „Meine Herren“, sagte sie. „Es ist verständlich, dass die Situation für Sie unwirklich scheint. Schließlich findet man nicht jeden Tag eine Leiche.“ Der Polizist schob Herzog seine Notizen zu und entschuldigte sich bei den Zeugen. In dem Moment, in dem sie eingetroffen war, hatte die Zuständigkeit gewechselt. Herzog flog über die kurzen Sätze, die der Kollege bereits notiert hatte.

„Sie sind Arnold Müller?“, fragte sie den kleineren der beiden Männer. Der Mann nickte und verschlang die Hände miteinander. „Als ich heute Morgen um halb 5 über den Strand spazierte, habe ich einen Schatten im Sand gesehen.“ Der größere der beiden Männer, bei dem es sich laut Notizen um Felix Schmied handeln musste, verdrehte erneut die Augen. „Und noch einmal“, sagte er leise, doch Müller schien es gar nicht wahrzunehmen. „Ich dachte, da hätten schon wieder Strandbesucher ihren Dreck hinterlassen. Und das ist ganz und gar nicht in Ordnung, müssen Sie wissen. Schließlich ist das hier kein Mülleimer, sondern ein sehenswerter Sandstrand. Es ist schon genug Dreck im Meer und auch in den Dünen hat kein Abfall etwas zu suchen. Schließlich handelt es sich hier um geschützte Gebiete, in denen die Natur noch so sein darf, wie sie ist. Wissen Sie …“ Herzog legte dem Mann eine Hand auf die Schulter, wartete, bis er ihr in die Augen sah, bevor sie zu sprechen begann. „Was haben Sie getan, als Sie dachten, es würde sich bei dem Schatten um Müll handeln?“ Der größere von beiden Männern – Felix Schmied – atmete erleichtert auf. Sicher hatte er in den letzten Stunden schon mehrfach die ausartende Art Arnold Müllers kennengelernt.