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Das Sequel zum sensationellen Tiktok-Erfolg BETTER THAN THE MOVIES auf Deutsch.
Für eine kurze wunderbare Zeit waren Bad Boy Wes und Liz das Traumpaar schlechthin. Doch gerade, als die beiden gemeinsam Pläne fürs College schmiedeten, passierte etwas Schreckliches in Wes' Leben ... und er brach Liz das Herz. Nun, viele Monate später, begegnet er ihr an der UCLA wieder und muss erkennen, dass sie nach wie vor die Einzige für ihn ist. Aber Liz verbringt nicht nur jede freie Minute mit neuen Freunden – männlichen Freunden –, sondern will auch nichts mehr von Wes wissen. Selbst seine Versuche, ein wahrer Rom-Com-Held zu sein, um sie mit filmreifen Aktionen zurückzugewinnen, lassen Liz kalt. Hat Wes das unwiderstehliche Mädchen von nebenan für immer verloren?
Dieses Buch gibt es auch in einer Ausgabe mit wunderschönem Farbschnitt 978-3-442-49577-1
Für alle, die diese Tropes lieben:
*First Love*
*Bad Boy/Girl Next Door*
*Friends to Lovers*
*Second Chance Romance*
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Seitenzahl: 536
Buch
Für eine kurze wunderbare Zeit waren Bad-Boy Wes und Liz das Traumpaar schlechthin. Doch gerade, als die beiden gemeinsam Pläne fürs College schmiedeten, passierte etwas Schreckliches in Wes’ Leben … und er brach Liz das Herz. Nun, zwei Jahre später, begegnet er ihr an der UCLA wieder und muss erkennen, dass sie nach wie vor die Einzige für ihn ist. Aber Liz verbringt nicht nur jede freie Minute mit neuen Freunden – männlichen Freunden –, sondern will auch nichts mehr von Wes wissen. Selbst seine Versuche, ein wahrer Rom-Com-Held zu sein, um sie mit filmreifen Aktionen zurückzugewinnen, lassen Liz kalt. Hat Wes das unwiderstehliche Mädchen von nebenan für immer verloren?
Autorin
Lynn Painter lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Nebraska. Sie schreibt für den Omaha World-Herald und ist ein Riesenfan von Mittagsschläfchen. Wenn sie an einem neuen Roman arbeitet, findet man sie oft eingenickt in ihrem Büro. Ihre Familie macht sich darüber lustig – sie empfindet es als ganz normalen Schreibprozess. Und heraus kommen dabei TikTok-Lieblinge, sowie New-York-Times- und Spiegel-Bestseller wie »Mr Wrong Number«, »Love Game« und »Better Than the Movies«.
Lynn Painter im Goldmann Verlag:
Mr Wrong Number. Roman
Love Game. Roman
Better Than the Movies. Roman
Nothing Like the Movies. Roman
( Alle auch als E-Book erhältlich)
Lynn Painter
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Bettina Hengesbach
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »Nothing Like the Movies« bei Simon & Schuster, Inc., New York.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Dataminings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
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Deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2024
Copyright © 2024 by Lynn Painter
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotive: Illustration © 2024 by Liz Casal
Nach einer Gestaltung von Sarah Creech, nach einer
Reihengestaltung von Heather Palisi
Redaktion: Dr. Ann-Catherine Geuder
MR · Herstellung: ik
Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss
ISBN: 978-3-641-32187-1V001
www.goldmann-verlag.de
Für meine verrückten kleinen WesLiz-Liebesfans:
Dieses Buch ist nur dank euch entstanden, und dafür bin ich auf ewig dankbar.
»Wenn mein fünfzehnjähriges Ich mich jetzt sehen könnte, würde es mir in die Eier treten.«
Set It Up
Wes
»Hier ist es ja megavoll.«
»Mann, hab ich dir doch gesagt.« Adam schob sich ein Stück Kaugummi in den Mund und grinste. Musik dröhnte aus einer Box irgendwo, und alle schienen extra laut zu reden, um sich irgendwie verständlich zu machen.
Ich folgte Adam und Noah die Treppe hinauf ins Wohnzimmer, in dem sich scheinbar alle versammelt hatten, die ich aus der Highschool kannte. Shit. Als ich sah, dass überall Leute waren, auf den Sofas und im Raum verteilt, bereute ich mit einem Mal meine Entscheidung, mitgekommen zu sein.
»Bennett!« Alex kam von der anderen Seite des Zimmers auf mich zugestürmt, schlang ihre Arme um mich und zog mich an sich.
»Schön, dich zu sehen, Benedetti«, erwiderte ich und schluckte schwer, während ich ihre Umarmung erwiderte.
»Wie geht’s dir?«, fragte sie.
Das Lächeln, das sie mir schenkte, als sie sich von mir löste, gefiel mir ganz und gar nicht. Es war von Mitleid durchzogen, als hätte sie sich erkundigt, wie ich mit der Tatsache klarkam, dass mein Leben gerade den Bach runterging.
»Gut«, antwortete ich, zerrissen zwischen einem Glücksgefühl darüber, dass meine Freunde aus der Uni zurück waren – Scheiße auch, ich hab wieder ein Sozialleben –, und Enttäuschung darüber, dass ich ab jetzt wieder mit anderen abhängen musste. Denn so nett sie auch alle waren, ich spürte deutlich, dass ich ihnen leidtat. Wegen meines Dads, weil ich die Uni geschmissen hatte und weil ich nicht mehr Baseball spielte.
Ich war ein total bemitleidenswerter Typ.
Seit Noah und Adam wieder zurück waren, war meine Antwort auf jede ihrer Einladungen zu einer Party »auf keinen Fall« gewesen. Aus irgendeinem Grund hatte ich mich an Silvester jedoch verpflichtet gefühlt. Die Tatsache, dass es so eine Art offizieller Feiertag war, hatte mich einknicken lassen, was ich jetzt aber definitiv bereute.
Denn nichts fühlte sich mehr so an wie früher.
Als ich das letzte Mal mit diesen Leuten abgehangen hatte, hatten wir alle große Pläne für die Zukunft gehabt.
Und … na ja, die hatten sie immer noch.
Bei mir dagegen sah die Sache ganz anders aus.
Als mein Dad (zwei Wochen nach meinem Einzug ins Studierendenwohnheim der UCLA) gestorben war, war ich nach Hause gekommen und dort auch geblieben. Ich schmiss das College, genauso wie alles sonst, was die Zukunft für mich bereithielt. Als hätte ich eine Wahl gehabt. Jetzt, ein paar Monate nach seinem Herzinfarkt, hatte ich einen Fulltime-Job im Supermarkt und arbeitete nebenbei als Uber-Fahrer. Das Leben war verdammt großartig.
»Kommt schon – Michael spielt Money Bet in der Küche.« Noah deutete mit dem Finger in die entsprechende Richtung. »Hier ist es zu laut.«
Bei Money Bet, dem neuesten Partyspiel, stellte man sich gegenseitig eine Challenge, mit Geld als Wetteinsatz. Ein paar Typen, mit denen ich im Laden arbeitete, hatten es erfunden, und als ich Adam und Noah davon erzählt hatte, waren sie völlig ausgerastet.
Ich folgte ihnen in die Küche, machte kurz halt, um mir einen Drink zu holen, und setzte mich dann an den Tisch.
»Wurde auch Zeit, Bennett«, sagte Michael, der am anderen Ende des Tisches saß, wobei mir sein leichtes Lallen verriet, dass er bereits einiges gekippt hatte. »Du warst die Ferien über der totale Eremit.«
Ich biss die Zähne zusammen, als ich die ersten Töne eines alten Songs aus Fearless im Nebenraum hörte. Natürlich musste ausgerechnet dieses Lied im Hintergrund laufen – es passte perfekt zu meinem derzeitigen Leben.
»Ich war ziemlich busy«, erwiderte ich, hob meinen Becher und leerte ihn in einem Zug. Ich legte es zwar nicht gerade darauf an, mich zu betrinken, versuchte aber auch nicht, es zu vermeiden. Da wir zu Hause bei Noah schon mit seinem Bruder vorgeglüht hatten, war es nicht mein erster Drink am heutigen Abend.
»Fünf Dollar, dass Bennett von hier aus nicht trifft.« Noah schob mir eine leere Dose hin und deutete zur Spüle.
»Die Wette gilt.« Ich warf die Dose in Richtung Spüle und sah zu, wie sie von der Arbeitsplatte abprallte und zu Boden fiel.
»Du hast echt keine Skills«, sagte Noah, worauf ich einen Fünf-Dollar-Schein aus meiner Tasche zog und ihm zuschob.
»Immer noch mehr als du.«
»Joss ist gerade gekommen«, verkündete Noah, den Blick auf eine Nachricht auf seinem Handy gerichtet. »Und zwar mit meinem Chicken-Sandwich. Mann, endlich!«
»Ich wette um ein Chicken-Sandwich, d…« Meine Stimme verlor sich, als ich sie sah.
Sie. War. Hier.
Heilige Scheiße.
Libby stand im Wohnzimmer.
Seit sie vor zwei Wochen über die Ferien nach Hause gekommen war, hatte ich es geschafft, ihr aus dem Weg zu gehen, aber nun waren wir auf der gleichen Party gelandet.
An Silvester.
Willst du mich verarschen, Universum? Ich hatte mich gegen drei unterschiedliche Partys heute ausgesprochen, auf denen ich sie vermutete, aber diese hatte ich für sicher gehalten.
Ich weiß nicht, ob es um mich herum leise oder laut wurde, verschwommen oder gestochen scharf, ich weiß nur, dass sich das Universum veränderte, als ich Liz ansah und alles andere zu impressionistisch unscharfen Hintergrundfarben zusammenfloss. Sie sprach mit Joss, lächelte, und die Leere, die ich angesichts ihrer Anwesenheit spürte, der nagende Schmerz, machte es mir beinahe unmöglich zu atmen.
Ich hatte sie seit der Beerdigung meines Dads nicht mehr gesehen. Danach hatten wir ein paar Wochen lang eine Fernbeziehung geführt, aber dann hatte ich die Sache beendet.
Mir war nichts anderes übrig geblieben.
I can’t breathe without you, but I have to …
Es juckte mich in den Fingern, sie zu berühren, zu ihr zu gehen, ihre Hand zu nehmen und sie mit mir in die Küche zu ziehen, damit wir über Money Bet lachen und jemanden dazu überreden konnten, etwas Dummes zu tun.
Doch es stand mir nicht mehr zu, sie zu berühren.
Es fühlte sich an, als würden sich tausend Erinnerungen an sie – wie sie mich anlächelte, mit mir lachte, in meinem Wohnheimzimmer in meinen Armen lag – miteinander vermischen und wie ein Baseball mit hundertfünfzig Stundenkilometer gegen meine Brust prallen.
Sie trug einen weiten Pullover, schwarz und weich und oversized, dessen Bund sie vorn in den karierten Rock gesteckt hatte. Sie sah gut aus mit der schwarzen Strumpfhose und den Boots, aber mein Blick war auf die sonnengeküsste Schulter gerichtet, die der Pullover freigab, sodass der Rand ihres Tattoos zum Vorschein kam.
Es schien mich anzulocken.
Denn dieses Tattoo kannte ich besser als mein eigenes – wahrscheinlich weil ich es niemals einfach nur angesehen hatte. Nein, ich hatte es erkundet, nachgefahren, geküsst, hatte es studiert, als wäre ihr Körper meine Landkarte und mein Wegweiser.
You’re the only thing I know like the back of my hand …
Verdammt!
»Ich wette drei Dollar, du kannst die Karte nicht erraten«, sagte ich zu Adam und griff nach einer Karte von dem Stapel in der Mitte des Tisches, um mich abzulenken. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mit den Erinnerungen nicht klarkäme, wenn ich weiterhin Liz anstarrte.
Und fast noch schlimmer als die Erinnerungen waren die Fragen, die niemals zu verschwinden schienen, wenn ich an sie dachte.
Geht sie immer noch zum Lesen an den Strand? War sie in unserem In-N-Out, seitdem ich weggezogen bin? Welche Songs hat sie unserer Freshman-Playlist hinzugefügt?
Die Frage, ob sie jemanden datete, verbot ich mir.
Es war besser, wenn ich es nicht wusste.
Nachdem ich beschlossen hatte, nicht wieder an die Uni zurückzukehren, hatte ich all meine Social-Media-Profile gelöscht – zum Teil, weil ich wusste, dass ich sonst den Rest meines Lebens damit verbringen würde, sie zu stalken, und zum Teil, weil es absolut nichts Interessantes gab, was ich hätte posten können. Wobei … wäre es nicht megacool, meinen Freunden, die Bilder von Partys und Lern-Sessions für die Prüfungen teilten, auch ein paar Einblicke in mein Leben zu geben?
Hab heute eine Doppelschicht im Supermarkt geschoben und dann den Gebläsemotor am Ofen repariert. Läuft wieder einwandfrei. #blessed
»Die Wette gilt. Es ist eine Dame.« Er grinste wie ein Arsch.
Ich zeigte ihm den Buben. »Voll daneben, Bro.«
»Wir wollen auch mitspielen.« Joss betrat die Küche und setzte sich auf den freien Stuhl zwischen Adam und Noah, wobei sie eine Fast-Food-Tüte auf den Tisch fallen ließ, während mir Adam drei Dollar hinwarf.
»Ich liebe dich und dieses Sandwich«, rief Noah und riss die Tüte auf. »Und wie.«
Es fühlte sich an, als wäre mein gesamter Körper in Alarmbereitschaft und würde kribbeln, weil ich wusste, dass kurz nach Joss wahrscheinlich auch Liz reinkäme. Ich hielt meinen Blick starr auf die Karten gerichtet, als Adam sagte: »Alles klar, Jo – ich wette um fünf Dollar, du kannst den amerikanischen Treueschwur nicht rückwärts aufsagen.«
Als sie begann, waren Gelächter und Zwischenrufe zu hören, aber ich konnte nichts verstehen, da es in meinen Ohren so laut rauschte – Liz ließ sich auf dem anderen Stuhl neben Adam nieder. Rotes Haar und Chanel N° 5 wurden meine Luft, die Mischung, die ich in meine Lunge einsog und die meine Poren durchdrang. Ich weigerte mich, sie anzusehen – das kann ich nicht, verdammt –, aber mein Gesicht brannte, als ich ihren Blick auf mir spürte.
Shit, Shit, Shit. Ich begann, die Karten zu mischen, während Joss fortfuhr.
»Netter Bart, Bennett«, sagte sie leise, und ihre Stimme drang in meine Blutbahn, um in jeden Teil meines Körpers zu fließen.
Ich nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase und schaute zu ihr auf.
Ich meine, ich konnte sie nicht einfach ignorieren.
In dem Moment, in dem ich meinen Blick von den Karten löste und sie mich anlächelte, kam alles in mir zum Stillstand. Alles war noch genauso wie vorher.
Das gleiche Lächeln, das sie mir geschenkt hatte, als sie mir zum ersten Mal gesagt hatte, dass sie mich liebte, auf dem Parkplatz vor dem Tierheim in Ogallala, Nebraska. Rote Lippen, funkelnde Augen, rosige Wangen …
Heilige Scheiße, sie hasst mich nicht.
Ich schluckte und wusste nicht, was ich tun sollte, da mir eine Million Fragen durch den Kopf gingen.
Warum hasste sie mich nicht? Beim letzten Mal, als wir miteinander gesprochen hatten, hatte sie geweint. Sie musste mich hassen.
Was zur Hölle soll ich jetzt tun?
Erst als Noah sprach, wurde mir bewusst, dass wir einander anstarrten.
»Um Gottes willen, Leute, nehmt euch ein Zimmer. Ich wette um zwanzig Dollar, dass Liz und Wes sich nicht küssen werden.«
Die Stille, die sich daraufhin in der Küche ausbreitete, war wie eine Ohrfeige mit der flachen Hand, deren Echo durch den Raum schallte, da niemand wusste, wie er reagieren sollte. Bevor ich mir überlegen konnte, wie ich aus der Nummer rauskam, hob Liz ihr Kinn und sagte: »Die Wette gilt.«
Hätte ich gestanden, wäre ich mit Sicherheit von der Wucht dieser drei Worte zurückgetaumelt. Mit einem Mal hörte ich nur noch meinen eigenen Herzschlag in meinem Schädel, während ich ihren in Retrograde Red geschminkten Mund anstarrte, der mich anlächelte und aufforderte, sie zu küssen.
Mit rasenden Gedanken biss ich die Zähne zusammen, denn ich hatte noch nie irgendetwas mehr gewollt, als sie in diesem Moment zu küssen. Ich wollte sie auf meinen Schoß ziehen und mich in dem Kuss und in ihrer Wärme verlieren, die ich nicht mehr gespürt hatte, seitdem sie mir kurz vor ihrem Flug nach L.A. an der Sicherheitskontrolle zugewinkt hatte.
Aber wenn ich das täte, wären wir wieder zusammen, und ich wäre nie im Leben stark genug, um sie noch einmal gehen zu lassen, selbst wenn es das Beste für sie wäre.
Und es war das Beste für sie.
I can’t breathe without you, but I have to …
Also schluckte ich, schob meinen Stuhl zurück, erhob mich und sah in ihre smaragdgrünen Augen. »Da muss ich leider passen«, sagte ich, selbst ein wenig schockiert darüber, wie emotionslos meine Stimme klang, obwohl jede Zelle meines Körpers in Gefühlen ertrank.
Ich verließ die Küche, weil ich keine Lust hatte, mir den Mist anzuhören, den Noah mir hinterherrief – »Warum bist du so ein Arsch?« –, genauso wenig wie den Abriss, den ich von Joss bekommen würde, wenn ich sie das nächste Mal sah.
Sollen sich doch alle ins Knie ficken, dachte ich, als ich zur Hintertür hinausging, weil ich verdammt noch mal hier rausmusste.
Aber als ich um Mitternacht allein auf der Terrasse saß und die orangefarbene Spitze einer Zigarre anstarrte, während alle im Haus »Frohes neues Jahr« riefen, wusste ich, dass ich mir niemals verzeihen würde, welche Wirkung meine Worte sichtlich auf sie gehabt hatten.
»Bevor du in mein Leben getreten bist, konnte ich alle möglichen Entscheidungen treffen. Jetzt kann ich das nicht mehr. Ich bin süchtig. Ich muss wissen, was du denkst. Was denkst du?«
Ein Chef zum Verlieben
Liz
O mein Gott – ist das …?
Es war sieben Uhr morgens, und die Sonne war kaum aufgegangen, sodass die meisten in Westwood noch schliefen.
Nicht jedoch ich.
Ich joggte.
Genau wie dieser Typ, Mr »Ich versuche, einen Rekord zu brechen« mit den langen Beinen. Er war weit vor mir, überdurchschnittlich groß und vermutlich ein Basketballspieler im ersten Semester.
Ich kniff die Augen leicht zusammen.
Nein, diesen Riesen kenne ich definitiv nicht.
»Ever Since New York« lief über meine AirPods, ein viel zu wenig gehypter Song von Harry Styles und meiner Meinung nach der perfekte Soundtrack für den Herbst. Obwohl es in L.A. warm war, war ich schon voll im Stars-Hollow-Vibe, denn das Herbstsemester hatte offiziell begonnen.
Und das bedeutete, meine Playlists waren versunken in musikalischen Haufen aus frisch geharktem Laub.
Ja, es ist noch ein bisschen zu früh für eine PSL-Playlist, aber das ist mir egal.
Denn der erste Vorlesungstag fühlte sich magisch an. Es war fast so, als könnte man die klare, unverdorbene Frische des neuen Semesters riechen. Es schien, als wäre alles möglich.
Besonders dieses Jahr.
Nachdem ich mich zwei Jahre lang auf bedeutungslose Jobs beworben hatte, die meiner Karriere nicht auf die Sprünge halfen, außer dass ich lernte, wie man Starbucks-Kaffee am schnellsten vom Laden ins Büro beförderte, hatte ich endlich ein Praktikum bekommen.
Und nicht nur irgendein Praktikum.
Sondern bei Lilith Grossman.
Als ich dem Hausmeister, der die Gehwege mit einem Schlauch abspritzte, zuwinkte, wurde mir bewusst, dass ich grinste wie eine Wahnsinnige, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Denn ich hatte tatsächlich ein Praktikum klargemacht, das das Potenzial hatte, meine zukünftige Karriere voranzutreiben.
Und es begann heute.
Im letzten Jahr hatte einer meiner Mitbewohner (Clark) für ein Videoproduktionsteam der Sportfakultät gearbeitet. Zwar wusste ich nicht viel über Sport, aber er hatte berichtet, dass sie eine bezahlte Teilzeitstelle zu vergeben hätten, also, Warum nicht?
Ich bewarb mich, weil ich das Geld brauchte. Es war kein Praktikum, sondern ein Teilzeit-Studi-Job.
Ein Job, in den ich mich verliebte.
Meine Aufgabe bestand lediglich darin, Fotos und Videos von den Sportlern zu machen – beim Training, bei Spielen, beim Gewichtheben. Im Prinzip tat ich alles, was gerade nötig war, sodass ich mein Equipment zu allen möglichen Sportveranstaltungen schleppte.
Am Anfang war ich richtig schlecht darin gewesen.
Und dann wurde ich ein bisschen besser.
Denn hier konnte ich meine kreative Seite ausleben. Genau wie Musik die Macht hatte, eine Filmszene zu verwandeln, erkannte ich, dass ein Schnappschuss eines Sportlers die Macht hatte, eine Geschichte zu erzählen. Obwohl ich nur als Aushilfe arbeitete, gab mir der Job viel.
Als ich gehört hatte, dass Lilith Grossman, eine preisgekrönte Produzentin von Dokumentarfilmen, eine Sportdokumentation über die UCLA plante und eine Praktikantin suchte, bewarb ich mich sofort.
Sie war nicht nur eine erfahrene Filmproduzentin der Sportwelt, sondern hatte auch schon an unzähligen Projekten mit meiner Traumfirma HEFT Entertainment gearbeitet. Das Unternehmen gehörte zu HEFT Motion Pictures, HEFT Television und HEFT Music. Alle Zweigstellen des Unternehmens waren riesig und arbeiteten mit den größten Namen aus Musik und Film zusammen.
Wenn jemand einen Oscar oder Grammy gewann, stand die Person in der Regel mit HEFT in Verbindung. Da ich Music Supervisor für Film und Fernsehen werden wollte, war das Praktikum für mich also eine große Sache. Viele meiner Heldinnen und Helden hatten ihre Karriere dort begonnen, und jetzt gehörte ich auch dazu.
Ich konnte es immer noch nicht glauben.
Streng genommen begann das Praktikum heute, aber Lilith und ich arbeiteten schon seit einigen Wochen zusammen. Sie hatte mich kontaktiert und gefragt, ob ich Interesse hätte, ihr zu helfen, alles auf dem Campus vorzubereiten. Für die Dauer des Projekts besaß sie ein Büro im J.D. Morgan Center (wo Mitarbeitende und Teams der Sportfakultät ihre Büros hatten), und da ich den Sommer in L.A. verbracht hatte, obwohl meine Freundinnen und Freunde nach Hause gereist waren, hatte ich die Chance ergriffen.
Und es hatte sich als die beste Entscheidung aller Zeiten erwiesen.
Ich weiß nicht recht, was ich von einer erfolgreichen Produzentin erwartet hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich mit einer Bitch gerechnet – aber sie war das genaue Gegenteil. Sie war eine unfassbar erfolgreiche Frau, die anscheinend alles, was sie wusste, teilen wollte. Mit mir!
Sie lud mich in ein Sushi-Restaurant in der Grove Mall ein und fragte mich nach meinen Zielen. Und als ich ihr berichtete, was ich mir ausmalte, holte sie einen Stift aus ihrer Handtasche und zeichnete eine Mindmap – auf einer Serviette –, wie ich am besten dorthin gelangen könnte.
Und ihr Wissen war Gold wert.
Denn mein Plan war gewesen, meinen Bachelor in Music Industry mit Fokus auf Music Supervision zu machen und dann … zu beten, dass ich einen Job im Bereich Music Supervision bekommen würde.
Lilith brachte mich allerdings darauf, zuerst einen Job im Bereich Musiklizenzen anzustreben. »So arbeitest du mit Musik, aber auch mit Film und TV. Du bekommst ein festes Gehalt – was absolut wichtig ist – und kannst wertvolle Kontakte knüpfen, die eines Tages der Schlüssel zu dem Job sein werden, den du wirklich willst.« Dann listete sie ein paar meiner Vorbilder auf, die offenbar auch im Lizenzbereich angefangen hatten.
Und es ergab durchaus Sinn.
Music Supervisors arbeiteten täglich mit Lizenzen – also welchen besseren Weg gab es, meine Karriere zu starten? Zusätzlich zu den Kursen, die für meinen Abschluss nötig waren, belegte ich also alles, was mit Lizenzen zu tun hatte, um mein Lizenzzertifikat zu erwerben.
Es fühlte sich tatsächlich an wie ein Aktionsplan, der mich meinem Traum näher brachte.
Ich grinse schon wieder, wurde mir bewusst, als ich an der Ecke anhielt, um an der roten Ampel zu warten. Ich grinste wie ein Trottel und joggte auf der Stelle, aber ich konnte nicht anders.
Denn dieses Jahr würde mein Jahr werden.
Ich strahlte immer noch wie eine liebeskranke Achtklässlerin, als ich den Raum für meine erste Vorlesung betrat.
»Das kannst du nicht ernst meinen, Buxbaum!«
Ich grinste noch breiter, als ich die erste Reihe in Horace’ Hörsaal ansteuerte. »Was?«
»Was?« Horace Hanks, Musikprofessor und mein absoluter Lieblingsdozent, gestikulierte in meine Richtung. »Am ersten Vorlesungstag kreuzt du hier ohne Notizblock auf? Und ohne Rucksack? Ohne Stift? Deinen Mangel an Utensilien empfinde ich als persönliche Beleidigung.«
»Komm schon, Hor«, erwiderte ich und nahm an dem Tisch Platz, an dem ich schon in den vier Kursen zuvor bei ihm gesessen hatte. »Wir beide wissen doch genau, dass du nicht einfach unterrichtest, sondern performst. Mir ist klar geworden, dass ich dich am besten filme, wenn ich deine … Brillanz einfangen will, und mir vor den Prüfungen noch mal die Videos ansehe.«
»Ich muss zugeben, dass mir diese Einschätzung nicht vollkommen missfällt«, sagte er und kratzte sich den kahlen Kopf. »Aber meine Gefühle sind aufgrund deiner Respektlosigkeit dennoch verletzt.«
»Ich bitte um Verzeihung.« Mit diesen Worten holte ich mein Handy hervor, um mich zu vergewissern, dass ich es auf lautlos gestellt hatte.
Horace regte sich immer schrecklich darüber auf, wenn ein Telefon klingelte.
Als der Kurs (Psychologie und Musik-Management) begann, betätigte ich den Aufnahme-Button, und der Mann enttäuschte auch diesmal nicht. Er erinnerte mich immer an den Schauspiellehrer aus Victorious (weswegen ich ihn wahrscheinlich so mochte), der auf diese abgefahren unorthodoxe Art unterrichtete, die ebenso witzig wie peinlich war.
Einmal hatte er eine gesamte Vorlesung gesungen. Mit Falsettstimme.
Seine Lehrmethoden waren verrückt, aber irgendwie funktionierten sie. Ich lernte immer viel von ihm.
Meine nächste Vorlesung fand im gleichen Gebäude statt (wenn sie auch weniger unterhaltsam war), und danach steuerte ich das Morgan Center für mein erstes offizielles Meeting im Rahmen meines Praktikums an. Ich war nervös – obwohl Lilith bei all unseren Treffen supernett gewesen war –, weil Lilith so grandios war und ich nicht wollte, dass sie erkannte, wie wenig grandios ich war.
Als ich mich ihrem Büro näherte, sah ich, dass sie am Computer arbeitete, und klopfte an die geöffnete Tür. »Klopf, klopf.«
Sie schaute auf und lächelte. »Komm rein und setz dich, Liz.«
Gott, diese Frau war so cool. Sie hatte einen blonden Bob mit scharf geschnittenen Spitzen, die aussahen, als wäre sie gerade erst beim Friseur gewesen. Über ihrer weißen Bluse mit aufgestelltem Kragen trug sie einen dunkelblauen Blazer, dazu eine zerrissene Jeans und hohe rote Pumps. Sie hatte diesen aufgeräumten L.A.-Look, als wäre sie jederzeit bereit, ein Fotoshooting für die Vogue mit dem Titel »Business Casual Chic« zu machen.
Ich nahm auf einem der Stühle vor ihrem Schreibtisch Platz. »Und, wie läuft’s?«, fragte ich. Ich konnte einfach keinen Small Talk, wenn ich so nervös war.
»Super.« Sie schenkte mir ein warmherziges Lächeln. »Ich hatte heute Morgen ein Meeting mit dem Leiter der Sportfakultät, und wir haben eine Menge spannender Ideen für dieses Projekt.«
»Das ist fantastisch«, erwiderte ich, glücklich darüber, ein Teil davon zu sein. »Kannst du schon was verraten?«
»Nun, dir verrate ich alles, weil wir ein Team sind, aber ich will noch warten, bis ich offiziell die Genehmigung habe. Ich möchte dir keine falsche Hoffnung machen, falls dieser meiner Meinung nach geniale Plan nicht umgesetzt werden kann.«
»Klingt vernünftig.«
»Also, hier kommt deine erste Praktikumsaufgabe.« Lilith verschränkte die Arme und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Zuallererst mailst du mir bitte deinen Stundenplan zu – und deinen Arbeitsplan –, damit ich weiß, wann du Zeit für Networking hast. Liste bitte auch auf, welche Kurse du hast und bei wem.«
»Okay«, erwiderte ich so cool, als würde ich innerlich nicht ausflippen, weil sie was von Networking erwähnt hatte.
»Deine Kurse haben oberste Priorität, weil du deinen Abschluss brauchst, aber ich finde, wir sollten auch in beruflicher Hinsicht das Beste aus deinem Praktikum herausholen, meinst du nicht auch?«
Wenn sie so was sagte, konnte ich nicht mehr länger einen auf cool machen. Ich meine, Lilith Grossman sagte diese Dinge zu mir? Nein, ich konnte mein nerdiges Grinsen absolut nicht mehr unterdrücken und nickte. Denn Lilith hatte alle Connections, von denen ich nur träumen konnte.
Meine Stimme klang ein wenig zu enthusiastisch, als ich ihr beipflichtete: »Doch, absolut.«
»Wenn du bereit bist, Zeit dafür zu opfern, würde ich vorschlagen, wir konzentrieren uns darauf, fundamentale Business-Connections aufzubauen.«
»Dazu bin ich definitiv bereit«, erwiderte ich und ärgerte mich darüber, wie piepsig meine Stimme klang.
»Perfekt. Und deine andere Aufgabe«, sie schaute auf ihre Uhr, ehe sie sich abrupt erhob und mit den Kniekehlen ihren Stuhl zurückschob, »ist, Hard Knocks auf HBO zu gucken – egal, welche Staffel.«
Ich nickte. »Okay.«
Lilith griff nach einem Schlüsselbund in der Ecke ihres Schreibtischs und schob das Handy in ihre Blazertasche. »Ich muss los, aber bitte schick mir deinen Stundenplan und schau dir eine Staffel der Serie an. Ich melde mich in den nächsten zwei Tagen bei dir, hoffentlich mit den ersten Infos zum Projekt.«
»Klingt super.«
Auf dem Weg in die Mensa wäre ich beinahe gehüpft, denn angesichts dessen, was in meinem Leben geschehen würde, kribbelte alles in mir. Es fühlte sich an, als würde die Sonne an diesem Tag heller scheinen und als würden die Vögel lauter zwitschern. Am liebsten hätte ich Radschläge über das gesamte Unigelände gemacht, doch ich riss mich zusammen, bestellte mein Mittagessen und trug es ins Produktionsbüro.
Endlich schien all das zu passieren, was ich mir immer gewünscht hatte, sodass ich nicht anders konnte, als zu »You Could Start A Cult« mitzusingen, das gerade über meine Kopfhörer lief (momentan mein absoluter Lieblingssong).
Als ich in meine Arbeitsnische kam, die sich auf einer höheren Etage und auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite von Liliths Büro befand, schaufelte ich mir am Schreibtisch meinen Salat rein und bearbeitete das Videomaterial, das ich am ersten Semestertag von den Footballspielern aufgenommen hatte, um ein Reel daraus zu machen. Ich hatte immer noch den schlecht bezahlten Job bei der Sportfakultät, deshalb fühlte sich die winzige Arbeitsnische irgendwie an wie mein zweites Zuhause.
»Hey«, begrüßte mich Clark und legte seine Sachen auf dem Schreibtisch ab. »Ich dachte, du gehst heute Morgen zum Krafttraining des Baseballteams.«
»Ich hab mit Cody getauscht, damit ich zu meinem ersten Meeting mit Lilith konnte«, erklärte ich, ohne von meinem Computer aufzuschauen. »Ich übernehme stattdessen das Nachmittagstraining.«
»Viele neue Erstsemesterleute.« Ich hörte, wie er seinen Laptop einschaltete. »Bin ich alt, weil ich finde, dass sie alle aussehen wie Babys?«
»Nee, tun sie echt«, stimmte ich ihm zu und dachte an mein eigenes Freshman-Jahr zurück, an das ich aufgrund des Stresses und der traurigen Songs, die ich ständig gehört hatte, zum Glück nur noch verschwommene Erinnerungen hatte. »Unfassbar, dass wir noch vor zwei Jahren genauso blauäugig und unerfahren hier angekommen sind.«
»Man kann sie schon aus einer Meile Entfernung erkennen.« Er tippte auf seiner Tastatur herum. »Allein die Art, wie sie zu den Vorlesungen gehen. Irgendwas an ihren Schritten schreit förmlich ›Das ist mein erstes Mal‹. Als würden sie vor Nervosität die Arschbacken zusammenkneifen und dadurch einen merkwürdigen Gang bekommen.«
»Weißt du, ob noch Ranchdressing im Kühlschrank ist?«, fragte ich und trank einen Schluck Wasser, um den sehr trockenen Salat runterzuspülen.
»Alles abgelaufen.«
»Verdammt.«
»Wir sollten den Kühlschrank eh neu bestücken. Mir ist aufgefallen, dass auch Ketchup und Meerrettich alle sind.«
Ich minimierte mein Dokument, um ein Bild zu suchen. »Wer braucht denn auf der Arbeit Meerrettich?«
»Wer braucht ihn nicht?« Clark klang vollkommen ernst. »Meerrettich schmeckt gut zu allem.«
»Behauptest du.«
Dann arbeiteten wir zwei Stunden Seite an Seite, ohne viel miteinander zu sprechen. So war es immer zwischen uns. Clark war wie ein platonischer Seelenverwandter. Ich fühlte mich mit ihm genauso wohl wie mit mir selbst, und manchmal kam es mir so vor, als wären wir miteinander verwachsen.
Na ja, abgesehen von der Meerrettich-Sucht. Die hatte nur er.
Endlich, um drei Uhr, erhob er sich. »Sollen wir rüber ins Jackie?«
Das Jackie-Robinson-Stadion war der Ort, an dem das Baseballteam spielte. Ich nickte und speicherte meine Arbeit ab. »Was wollen sie genau?«
»Nur allgemeinen Baseball-Content vor der Saison.« Clark zuckte mit den Schultern. »Gewichtheben, Training – ein paar Reels, in denen man die Mannschaft dieses Jahres sieht.«
»Cool«, sagte ich, klappte den Laptop zu und schob ihn in die Hülle. »Das sollte easy sein.«
»Jep. Keine große Sache.«
Auf dem Weg zum Parkplatz, auf dem sein Truck stand, wurden wir fast von zwei Typen auf Rollern umgemäht. Ich lächelte trotz des Fast-Unfalls, denn nichts fühlte sich mehr nach Semesterbeginn an, als beinahe von einem E-Scooter überfahren zu werden.
»Ich wusste es in dem Moment, in dem ich dich unten gesehen habe …«
Meine Lieblingsfrau
Wes
»Meinst du, du kannst Tickets klarmachen?«, murmelte AJ und dehnte seinen Ellbogen über dem Kopf. Er trug eine alberne Sonnenbrille, die er für fünf Dollar in Kanada gekauft hatte, aber ich würde mich ganz sicher nicht darüber lustig machen – die Sonne schien direkt in meine ungeschützten Augen.
Ausnahmsweise war ich mal neidisch auf seinen grottenschlechten Stil.
»Wahrscheinlich«, antwortete Mick, der seine Hüfte dehnte. »Aber ich muss wissen, wie viele wir brauchen.«
»Du bist am Start, oder, Bennett?«
Das Team wärmte sich gerade auf, aber AJ versuchte zusätzlich, uns Tickets für eine »legendäre« Party am Freitag zu besorgen. Da ich abgesehen von den Typen aus der Mannschaft an der UCLA noch niemanden kannte, hielt ich es für einen guten Plan, einfach bei allem mitzumachen und abzuwarten, was passieren würde.
»Klar«, erwiderte ich und dehnte meine Achillessehne. Party zu machen, war zwar nicht meine Priorität, aber ich hatte auch nichts dagegen, Leute kennenzulernen.
Nachdem die Hitter trainiert hatten, von Base zu Base zu sprinten und wir (die Pitcher) begannen zu werfen, hörte ich jemanden meinen Namen rufen.
»Bennett, du bist dran.«
Als ich zum Bullpen rüberschaute, sah ich, dass Ross mich auffordernd ansah. Er war der Pitching-Coach, doch niemand nannte ihn Coach, sondern einfach nur Ross.
Ich rannte in seine Richtung, bereit zu werfen, obwohl mein Magen Einwände zu haben schien. Einfach atmen und ruhig bleiben, sagte ich mir. Ich spielte schon mein ganzes Leben Baseball, also hatte ich keinen Grund, nervös zu sein.
Es war doch nur ein Training.
Aaaalles klar! Für mich fühlte es sich allerdings viel bedeutsamer an. Da ich zwei Saisons nicht hatte trainieren können, war es merkwürdig, hier zu sein – dass diese Chancen für mich wieder existierten, nachdem sie alle verschwunden gewesen waren.
Ich sah, dass Woody (der Bullpen-Catcher) sich bereitmachte, aber als ich bei Ross ankam, lehnte der sich locker an den Zaun. »Also, berichte mal, wie dein erster Tag so läuft.«
Ich war mir nicht sicher, was er als Antwort erwartete, wenn er tat, als wären wir zwei Freunde, die sich ungezwungen miteinander unterhielten. Ich schaute kurz zu Woody. »Äh, na ja …«
»Jetzt komm schon«, drängte Ross und schüttelte schief lächelnd den Kopf. Der Typ erinnerte mich an den jungen Kevin Costner (in Annies Männer), weil er kein typischer Coach war. Er schrie nie und war nie streng.
Um ehrlich zu sein, sah er nicht mal aus wie ein Sportler.
Er war einfach … cool. Ein netter Mensch, der zufällig eine ganze Menge über Baseball wusste. »Leg dir bloß keine erfundene Antwort für deinen Coach zurecht. Wir beide wissen, dass dieser erste Tag mehr für dich ist als für viele andere. Was hältst du von deinen Vorlesungen?«
Ross war derjenige gewesen, den ich angerufen hatte, als ich vor zwei Jahren aus der Mannschaft ausgetreten war, und er war derjenige, den ich angerufen hatte, um mir meinen Platz zurück zu erbetteln. Er war auch derjenige gewesen, der die ersten zehn Male Nein gesagt hatte.
Zwei Jahre Pause sind einfach zu viel, Kumpel.
»Die Vorlesungen sind super«, antwortete ich aufrichtig. »Ich meine, definitiv nicht einfach, aber wenigstens interessant.«
»Gut.« Er wandte den Kopf ab, um auf den Boden zu spucken. »Und alles andere läuft auch okay? Ist bestimmt ein bisschen seltsam, nach allem, was passiert ist.«
Was für eine Untertreibung. »Ja, total merkwürdig, aber auf eine gute Art.«
»Schon bei Fat Sal’s gegessen?«
»Noch nicht.«
»Dann lass es auch.« Er schmunzelte. »Das Zeug verstopft nur deine Arterien und macht einen wabbeligen Hintern. Halt dich an diesen Bruin-Meal-Plan-Mist.«
»Tu ich doch.« Von Fat Sal’s hatte ich zwar gehört, aber ich war zu sehr darauf fokussiert, Leistung zu bringen, als dass ich meinen Körper mit Müll füllen würde. »Hier ist ohnehin alles viel zu teuer.«
»Ja, oder? Dieses verdammte L.A.« Er schüttelte den Kopf und straffte dann die Schultern. »Bereit für ein paar Würfe?«
Ich folgte ihm in den Bullpen und begann zu werfen, was sich fantastisch anfühlte. Nichts ging über einen Fastball (wenn er genau dort landete, wo er hingehörte), und in dem Moment, in dem der Ball in Woodys Handschuh prallte, war meine Aufregung wie weggeblasen.
Ich war voll in meinem Element, bis ich bemerkte, dass mich ein riesiger blonder Typ filmte.
Was zur Hölle?
»Beachte ihn nicht weiter«, riet mir Ross, der meine verwirrte Miene offenbar gesehen hatte. »Es gibt ständig irgendwelche Crews, die für Social Media filmen. Daran gewöhnst du dich.«
»Ah.« Ein unbehagliches Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. Ich hatte so hart daran gearbeitet, gechillt zu sein und mich nicht auf die Tatsache zu konzentrieren, dass meine Leistung in der Vorsaison über meine gesamte Zukunft im Baseball entscheiden könnte. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, waren Fremde mit Kameras, die den Druck noch erhöhten.
»Ist doch nur Clark«, rief Woody und grinste den Riesen an. »Interessiert eh keinen, was dieses Arschloch denkt.«
»Also, deine Mom interessiert es schon«, erwiderte der Typ (Clark, offenbar) mit einem Grinsen, ohne die Kamera zu senken. »Sie lässt dir übrigens Grüße ausrichten.«
»Grüße zurück«, erwiderte Woody und zog seinen Gesichtsschutz wieder runter. »Und frag sie mal, ob sie mir Tickets für deine Party besorgen kann.«
»Sie ist ziemlich erschöpft, aber ich kann sie ja mal drauf ansprechen«, konterte Clark, was selbst mich zum Lachen brachte. »Und jetzt halt die Klappe, damit der Typ werfen kann.«
»Danke.« Ich atmete tief durch.
»Kein Ding.« Clark trat näher zu mir heran und ging in die Knie. »Glaub mir, ein Woody lässt sich nicht so leicht abschalten.«
»Lass die Angst vor dem Schlag dich nie daran hindern, das Spiel zu spielen.«
Cinderella Story
Liz
»Buxxie!«
Als ich mich umdrehte, winkte mich Jimmy Rockford zum Dugout heran. Er war ein Catcher im Senior-Jahr, der sich gerade von einem Kreuzbandriss erholte und gebaut war wie ein Gorilla.
Ein Gorilla mit roten Haaren und einem geflochtenen Bart. Er sah wirklich ungewöhnlich aus, was einen Teil seines Charmes ausmachte.
»Ja?«, fragte ich und pausierte meine Playlist, während ich zum Spielfeld zeigte, wo die Outfielder offenbar gerade ihre Übungen machten. »Ich muss ein paar Aufnahmen machen, danach kann ich reden.«
»Irgendwelche Tickets für Freitag über? Mein Bruder will mitkommen.«
Könnte ihm so passen. Sein Zwillingsbruder Johnny spielte Rugby mit Clark und war ein wandelndes Klischee. Er war riesig und grob und wild, und wenn er trank, geriet er oft in Prügeleien und randalierte. Ich mochte Johnny, aber ich würde ihn auf keinen Fall zu der Party in unserer hübschen neuen Wohnung außerhalb des Unigeländes einladen.
»Sorry.« Ich ging in die andere Richtung, froh darüber, dass meine Mitbewohner und ich uns darauf geeinigt hatten, uns strikt an die Partyregel zu halten. Die drei waren im Gegensatz zu mir ständig mit unzähligen Leuten unterwegs, sodass es einfach Sinn ergab, Tickets zu vergeben, um sicherzustellen, dass es nicht zu voll wurde. »Ich hab keine mehr übrig. Aber du kannst ja Clark noch mal fragen.«
Clark war drüben am Bullpen, um die Pitcher zu filmen. Ich konnte die Rückseite seines Haarschopfes sehen (aber er war mit seinen zwei Metern und dem blonden Man Bun auch schwer zu übersehen), also öffnete ich den Reißverschluss meiner Kameratasche, während ich auf ihn zulief und alles herausholte, was ich brauchte.
»Genau pünktlich«, merkte er an, während er jemanden beim Werfen filmte. Scheinbar wusste er, dass ich da war, ohne in meine Richtung zu schauen.
»Nur um dich vorzuwarnen, Johnny Rockford ist auf der Suche nach einem Ticket.«
»Dem Penner hab ich längst abgesagt«, murmelte Clark.
»Zehn Dollar, dass er trotzdem aufkreuzt.« Ich stellte meine Tasche ab, veränderte ein paar Einstellungen an meiner Kamera und hob sie, um den Typen zu fotografieren, den Clark gerade filmte.
Clark und ich waren gut darin geworden, unsichtbar zu sein, und da die meisten Sportler daran gewöhnt waren, dass man sie filmte, bemerkte uns niemand. Ich betrachtete durch das Objektiv den hochgewachsenen Pitcher, der gerade einen Fastball warf, und wow – er war beeindruckend schnell.
Auf den ersten Blick kam er mir nicht bekannt vor, also war er wahrscheinlich ein Freshman.
Da ich allerdings hinter ihm stand und sein Gesicht nicht sehen konnte, musste man streng genommen sagen, dass seine Rückseite mir nicht bekannt vorkam.
Nein, seine Rückseite sah einfach aus wie eine ziemlich nette Baseballrückseite.
Gott segne die Frau, die Baseballhosen designt hat.
Und ja – es musste eine Frau gewesen sein.
»Mist. Hast du noch einen Akku übrig?«, fragte ich, genervt von mir selbst, dass ich im Büro meine Kamera nicht aufgeladen hatte. Das kleine Icon in der Ecke blinkte, was bedeutete, dass mir nur noch zehn Minuten blieben.
»In meiner Tasche.« Er schaute immer noch nicht zu mir. »Hinten im Truck.«
»Okay.« Lad den verfluchten Akku auf, du Trottel. »Dann geh ich wohl mal zurück zum Truck.«
»Wenn du siehst, dass sie mit dem Schlagtraining begonnen haben, könntest du dann ein paar Aufnahmen davon machen?« Endlich ließ Clark die Kamera sinken und schaute mich an. »Ich hab im Gefühl, das gibt besseren Content her.«
»Wird gemacht.« Ich rannte zurück zum Truck, wechselte den Akku und verbrachte die nächste Stunde damit, Aufnahmen vom Schlagtraining zu machen. Es machte Spaß, viele der Spieler aus dem letzten Jahr zu beobachten – Mick und Wade waren meine Favoriten –, genauso wie die Neuen.
Die UCLA hatte die führende Recruiting-Klasse des Landes, was zwar nicht zwingend eine gute Saison garantierte, aber die Aktivitäten in der Vorsaison spannender machte als ein gewöhnliches Training.
Es wirkte eher wie ein Prolog.
Ich zoomte Wade heran, der gerade sein Schlagtraining vollführte, und machte ein Foto nach dem anderen von der Ernsthaftigkeit seines sonst nie ernsten Gesichts.
Gott, es ist toll, zurück zu sein. Ich hätte niemals damit gerechnet, jemals Sport zu lieben, aber dank dieses Jobs war es geschehen.
Denn abgesehen davon, dass ich gelernt hatte, wie man Bildmaterial etikettierte und das Equipment der Filmcrew hielt, war etwas absolut Verrücktes bei meinem nichtigen Job herausgekommen: Ich hatte erkannt, dass es mir Spaß machte, Fotos von Sportlern beim Training zu machen und sie zu einer fesselnden Geschichte über menschliche Erfahrungen zusammenzubasteln.
»Lust auf Starbucks, wenn du fertig bist?«
Ich ließ die Kamera sinken und schaute Clark an, der seine Ausrüstung zusammengepackt hatte und nun neben mir stand.
»Ich muss Kaffee für die Hälfte der Leute in meiner Abendvorlesung holen, also könnte ich Hilfe gebrauchen.«
Typisch Clark. Er kannte jetzt schon die Hälfte seines Kurses, obwohl es der erste Tag war.
»Du bist schon fertig?«, fragte ich. Ich schaute auf meine Uhr, und wow – wir waren schon seit zwei Stunden hier.
»Ja, aber ich kann warten.« Er fuhr sich mit einer Hand übers Haar. »Ich hab ungefähr zehn Leuten versprochen, ihnen Tickets klarzumachen, seitdem wir hier sind, also kann ich sie ihnen schicken, während du dein Ding machst.«
»Ich weiß übrigens, dass du zu viele Tickets vergibst«, erwiderte ich vorwurfsvoll. »Aber ich glaub, ich hab genug Fotos. Lass uns Kaffee holen und nachrechnen, wie geliefert wir sind.«
»Klingt gut.« Er holte seine Sonnenbrille hervor und schob sie sich auf die Nase. »Aber es ist auch nicht das Ende der Welt, wenn unsere Party ein bisschen größer wird, weißt du?«
»Du hast gut reden.« Ich verdrehte die Augen und ging neben ihm her in Richtung Parkplatz. »Du bist schließlich nicht derjenige, der nicht schlafen kann, wenn um drei Uhr morgens noch sechzig Leute im Wohnzimmer sind.«
»Es waren definitiv nicht sechzig«, verteidigte er sich und warf einen Arm um meine Schulter. »Und wenn du nur ein bisschen mehr getrunken hättest, hättest du ohne Probleme schlafen können.«
Darüber musste ich lachen, denn Clark konnte so schnell nichts aus der Ruhe bringen.
Nie.
Selbst wenn eine Bombe in seinem Zimmer hochgehen würde, würde er so etwas sagen wie: »Tja, dann fand das Universum wohl, dass es Zeit ist, mich neu einzurichten.«
»Sag mir bitte nur, dass du Woody kein Ticket versprochen hast«, flehte ich, obwohl ich wusste, dass er es höchstwahrscheinlich getan hatte. Alle, die ich kannte, liebten den Bullpen-Catcher aus Alabama, Mr Südstaaten-Charme, nur ich nicht. Er war kein schlechter Mensch, aber ich war letztes Jahr auf einem Date mit ihm gewesen. Es war das erste und einzige College-Date, ehe ich erkannte, dass ich nicht mehr an die romantische Liebe glaubte, als er mir A) erzählte, dass er keine Katzen mag, mich B) »Red« nannte, als wäre das eine akzeptable Bezeichnung für jemanden mit roten Haaren, und C) meinen Hals küsste, als wir im Kino am Popcornstand warteten.
Seit diesem schicksalhaften Date hatte ich jedes Mal, wenn ich ihm begegnete, das Vergnügen, seine zwanzig Fragen darüber zu beantworten, warum ich nie wieder mit ihm ausgehen wollte.
»Ich hab nur ein paar an Freshman-Pitcher verteilt«, verteidigte sich Clark. »Also musste ich auch Woody eins geben. Ich meine, er stand direkt daneben – mir blieb nichts anderes übrig.«
Ich schüttelte den Kopf über meinen lächerlich nachgiebigen Freund. »Wenn ich ihn ermorden muss, lasse ich ihn halt von dir vergraben und die Beweise vernichten.«
»Deal. Ich kaufe sogar die Schaufel.«
»Egal, was in den nächsten fünf Minuten passiert, du sollst eines wissen: Als ich die Tür geöffnet habe, war ich so glücklich, dich zu sehen, dass mein Herz einen Hüpfer gemacht hat.«
Aus Liebe zum Spiel
Wes
Die erste Woche verging wie im Flug.
Der Baseball-Teil davon war ziemlich intensiv – deswegen wurde sie auch Höllenwoche genannt. Training, Gewichtheben, auf die unterschiedlichen Positionen ausgerichtetes Training, Konditionstraining – ich hatte mehr Zeit damit verbracht, mit meinen Teamkollegen zu leiden, als zu lernen.
Trotzdem war ich jeden Abend in die Bibliothek gegangen, um im Stoff nicht zurückzufallen. Powell war die Hauptbibliothek auf dem Campus, die für meine Lernsessions sicherlich am praktischsten gewesen wäre, aber ich legte lieber einen etwas längeren Weg zurück und nutzte die Musikbibliothek.
Weil es dort leiser war.
Okay, das war absoluter Schwachsinn.
Ich lernte nur in der leisen Musikbibliothek, weil ich die Hoffnung hatte, einer gewissen Musikstudentin zu begegnen, die vielleicht auch dort lernte.
Eine Musikstudentin mit grünen Augen, kupferroten Haaren und einem Margeriten-Tattoo an der Hüfte.
Eine Musikstudentin, von der ich fast jede Nacht träumte.
Deren Stimme ich immer noch hören und deren Parfüm ich immer noch riechen konnte.
Bisher hatte ich sie nirgendwo gesehen, aber ich spürte ihre Nähe. Ich hatte ein paar Ideen, wie ich ihr zufällig über den Weg laufen könnte, zum Beispiel indem ich einen ganzen Tag in der Lobby der Schoenberg Hall lernte, wo all ihre Musikvorlesungen gehalten wurden; oder indem ich Elis Freundin, die im Verwaltungsbüro arbeitete, bat, einen Screenshot von Liz’ Stundenplan zu machen; oder indem ich Mr Buxbaum anrief und um Informationen bat; und so weiter. Aber ehe ich all das in die Tat umsetzen konnte, musste sich erst mein Leben beruhigen.
Am Freitagabend, als ich nach einer chaotischen ersten Woche und null Liz-Sichtungen zurück zu meinem Zimmer ging, freute ich mich also wirklich darauf wegzugehen. Nicht um mich zu betrinken, sondern nur, um mit den Jungs Spaß zu haben und einen Abend zu verbringen, an dem ich nicht an Lernen oder Baseball denken musste.
Oder an sie.
Ich tippte meinen Code in die Tasten und drückte die Tür auf.
»Wurde auch verdammt noch mal Zeit«, rief Wade (erster Baseman und einer meiner Mitbewohner), der in diesem Moment vollkommen lächerlich aussah. Er stand in einer engen Jeans, einem weißen T-Shirt, einem schwarzen Sakko – was zur Hölle – und mit einem Hut auf dem Kopf in unserem gemeinsamen Wohnzimmer. »Von mir aus können wir los.«
Außerdem waren Mickey (Catcher/weiterer Mitbewohner) und AJ im Raum, die zum Glück nicht gekleidet waren wie Bruno Mars und scheinbar ebenfalls auf mich warteten.
»Und wohin – auf eine Kostümparty?«, fragte ich und ließ meinen Schlüssel und den Rucksack auf den Tisch fallen.
»Sei nicht neidisch auf meinen Style, Bennett«, sagte Wade und klopfte die Vorderseite seines Sakkos ab, als wäre er der coolste Typ aller Zeiten.
»Oh, das bin ich garantiert nicht.«
»Mach dich einfach fertig, weil wir schon ein Uber gerufen haben«, erklärte AJ. »Wenn ich nicht bald tanzen kann, dreh ich durch.«
Was ich an AJ am liebsten mochte, war die Tatsache, dass es ihm egal war, was andere über ihn dachten. Und zwar nicht auf die arschige Art, sondern er war sich einfach treu. Er liebte Tanzen (und zwar intensives Tanzen, bei dem er richtig ins Schwitzen geriet) und K-Dramas, und er beharrte darauf, dass Mineralwasser besser war als Bier.
»Wie lange hab ich noch?«, fragte ich, denn nachdem ich in der kalifornischen Sonne zurück zu den Hitch Suites, unserem Studierendenwohnheim, gelaufen war, wollte ich eigentlich duschen.
AJ warf einen Blick auf sein Handy. »Hier steht, Larissa, unsere Fahrerin, ist in zwölf Minuten hier.«
»Zum Duschen brauch ich nur drei.« Eilig ging ich ins Schlafzimmer, holte saubere Klamotten und rief: »Jeans und T-Shirt gehen klar, oder?«
»Nein, du Penner«, erwiderte Wade im gleichen Moment, in dem AJ und Mickey »Ja« riefen.
Ich stieg unter die Dusche und war gerade rechtzeitig fertig, um mit den anderen in Larissas Wagen zu steigen.
Sie setzte uns vor einem protzigen Apartmentgebäude ab.
»Wow«, stieß ich aus, als ich den Aufzug betrat und die erleuchteten Zahlen auf dem Display betrachtete, während sich die Tür hinter uns schloss. »Hier wohnen Studierende?«
Ich wollte mir nicht mal ausmalen, wie hoch die Miete hier war. Es war kein Haus für Zwanzigjährige, sondern eins für wohlhabende Erwachsene.
Oder Leute mit reichen Eltern.
Ich meine, der Pförtner sammelte die Partytickets ein.
Was zur Hölle tun wir hier? Ich drückte auf die Zwei.
»Clark meinte, die Eltern seines Mitbewohners sind stinkreich«, erklärte Wade. »Und dass sie die Wohnung gekauft haben, nur damit ihr Kind dort wohnen und ihnen jeden Monat Miete zahlen kann.«
»Krass!«, sagte ich. Clark – der Typ, der mit der Videokamera zum Training gekommen war – wirkte total bodenständig und gechillt, daher überraschte es mich, dass er mit einer reichen Person zusammenwohnte. »Muss nett sein.«
»Darauf kannst du wetten. Warum hab ich nicht solche Freunde?«, fragte AJ, der sich im Spiegel betrachtete und mit den Fingern durch sein Haar strich.
Als sich die Tür öffnete, hörten wir Musik, die über den Flur schallte. Ich fragte mich, wie man so was abziehen konnte, ohne dass die Nachbarn die Polizei riefen. Vielleicht waren die einzelnen Wohnungen einfach so gut isoliert, dass man den Lärm nicht hörte?
Fraglich.
Wir folgten der Musik bis zur Wohnung 2C. Die Tür war geschlossen, aber es war trotzdem so laut auf der anderen Seite, dass Klopfen nichts gebracht hätte. AJ drehte den Knauf, und schon waren wir mitten im Partygeschehen.
Wir traten ein, und heilige Scheiße, war ich beeindruckt.
Heilige, heilige Scheiße.
Waren so etwa alle Partys in L.A., oder war das nicht die Norm?
Vom Eingangsbereich aus konnten wir das Wohnzimmer sehen, in dem sich Leute tummelten. Einige tanzten, andere unterhielten sich, aber was mich am meisten flashte, war das Soundsystem. Es klang, als hätten wir einen Club betreten. Klar, die Musik war laut, aber der Klang war hervorragend.
Und außerdem – »Heaven Angel« war ein echt guter Song, den ich schon viel zu lange nicht mehr gehört hatte. Rechts vom Wohnzimmer konnte ich eine riesige Küche sehen, in der offenbar noch mehr Leute quatschten und tranken. Trotz der Menschenmassen herrschte ein kontrolliertes Chaos. Im Gegensatz zu den Highschool-Partys bei uns zu Hause, auf denen manchmal Sofas Feuer gefangen und Prügeleien stattgefunden hatten, benahmen sich hier tatsächlich alle anständig.
Wie ist das möglich?
»Checkst du jetzt, warum wir Tickets brauchten?« Wade grinste. »Abgefahren, oder?«
»Total«, rief ich und lachte, weil es tatsächlich abgefahren war. Sind wir in einer Realityshow?
»Ich liebe dich, Mann«, rief AJ Wade zu, während er seinen Blick durch den Raum wandern ließ, als wäre er ein Kleinkind, das mitten in Santas Werkstatt aufgewacht war.
Als ich seinem ungläubigen Blick folgte, fiel mir auf, dass ziemlich viele Mädchen hier waren.
Wirklich, wirklich viele – aber das ließ mich kalt, denn die Einzige, die wirklich zählte, war nirgends zu sehen.
»Lass uns Bier holen«, rief Mickey und deutete in eine unbestimmte Richtung.
Ich wusste zwar nicht, wohin wir gingen, aber ich war all in.
»Ich weiß nicht viel über ihn, außer dass ich ihn liebe.«
Es geschah in einer Nacht
Liz
»Jetzt komm und trink deinen Shot, Bux!«
»Nein danke«, erwiderte ich – oder besser gesagt schrie ich und winkte Campbell von meinem Platz in der Ecke aus zu, während sich die Wohnung immer mehr füllte. »Ich brauch keinen Alkohol.«
»Du brauchst erst keinen Alkohol mehr, wenn wir das beschließen!« Sie nahm die vier Shotgläser von der Arbeitsplatte und bahnte sich mit meinen anderen beiden Mitbewohnern im Schlepptau einen Weg zu mir.
Es war Tradition, dass wir vier auf Partys zusammen einen Shot tranken, bevor alles vollkommen wild wurde.
Ich wohnte mit drei anderen Studierenden zusammen. Campbell, eine Fußballspielerin im Sophomore-Jahr, die umwerfend schön war und außerdem alle – Männer, Frauen und Verbindungsbrüder – unter den Tisch trinken konnte; Clark, ein Senior, der genauso gut Rugby spielte, wie er strickte; und Leonardo, ein charmanter italienischer Biologiestudent. Er hatte reiche Eltern, daher mieteten wir von ihnen die schicke Wohnung außerhalb des Unigeländes zu einem Spottpreis.
Es gab also mich – die nur mit anderen feierte, wenn man mich zwang – und meine drei Mitbewohner, die nichts lieber mochten als Partys. Als ich ihnen gestanden hatte, dass es mir immer zu laut, zu voll und zu alkoholisch abging, hatten meine tollen Mitbewohner kurzerhand eine Rolle für mich erschaffen, die mich dann doch noch zum Partyfan machte.
Ich war die DJane. Auf jeder Party, die wir schmissen.
Leo hatte ein kleines Podest in der Ecke des Wohnzimmers gebaut, von dem aus ich alles überblicken konnte, aber ein wenig abseits vom Geschehen war, sodass man mich nur wahrnahm, wenn man mich aktiv suchte.