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Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: sehr gut, Universität Hamburg (Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Grundschullehrerin, die eine multikulturelle Klasse unterrichtete, in der viele Kinder sehr unterschiedliche, zum Teil geringe Deutschkenntnisse hatten. Die Lehrerin meinte, sie könnte unter diesen Umständen nicht vernünftig arbeiten. Ich fand, dass diese Aussage eine falsche Einstellung zu ihrer Aufgabe und zum Kind verriet, verstand aber andererseits, dass sie sich in dieser Situation überfordert fühlte und ihren Ansprüchen an ihren Unterricht nicht gerecht werden konnte. Sie plädierte dafür, die Kinder so lange auszusondern, bis sie vernünftig Deutsch sprachen, und berief sich dabei auf ein nicht näher bezeichnetes kanadisches Modell. Mir reichte das nicht aus. Da ich selbst mit einem türkischen Muttersprachler verheiratet bin und unsere Kinder zwei- oder mehrsprachig aufwachsen sollen, fühle ich mich von der Thematik direkt betroffen. Als angehende Sonderschullehrerin werde ich auch im Beruf mit mehrsprachigen Kindern konfrontiert werden, die unterschiedliche Deutschkenntnisse, aber andere Kompetenzen haben. Die Aufgabe der Schulkinder ist nicht, mir oder anderen Lehrern einen Arbeitsplatz zu schaffen oder das Arbeiten leicht zu machen. Unsere Aufgabe als Pädagogen ist es, allen Kindern das Lernen zu ermöglichen. Es ist notwendig, nach einer Unterrichtsmethode zu suchen, die den Bedürfnissen der Kinder entspricht, anstatt die Kinder der Schule anpassen zu wollen. [...]
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Offener Unterricht als Methode in Klassen mit mehrsprachigen Kindernohne fremde Hilfe verfasst
und mich dabei anderer als der angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe. Mit einer späteren Ausleihe bin ich einverstanden.
Hamburg, den 20.12.2000 _________________________ Stefanie Lembcke-Kartal
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3. Schulpolitische Rahmenbedingungen 48
3.1 Richtlinien der Grundschulen 49 3.2 Vorgaben des Lehrplans 51
3.3 Die Beschulung von Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit 51
3.4 Fazit schulpolitische Rahmenbedingungen 53
4. Offener Unterricht in Klassen mit Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit 53
4.1 Der Gesprächskreis mit mehrsprachigen SchülerInnen 55
4.2 Die Wochenplanarbeit mit mehrsprachigen SchülerInnen 55
4.3 Die Freie Arbeit mit mehrsprachigen SchülerInnen 57
4.4 Vorüberlegungen der Lehrkraft - persönliche Grundeinstellung und Möglichkeiten 58
5. Offener Unterricht mit Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit anhand der fiktiven Grundschulklasse X 59 5.1 Vorstellung der Klasse 59 5.1.1 Klassenstruktur 60
5.1.2 Vorstellung der mehrsprachigen Kinder 60
5.2 Das Thema "Familie" im offenen Sachunterricht 64
5.2.1 Einführung des Projektthemas "Familie" 66
5.2.2 Das Thema "Familie" im offenen Sachunterricht der Klasse X 68
5.3 Relevanz der Muttersprache für den Unterricht 70
5.3.1 Mögliche muttersprachliche Lernhilfen 71
5.3.2 Einsatz muttersprachlicher Lernhilfen im Offenen Unterricht der Klasse X 72
5.4 Förderung der Bedeutungsentwicklung im Offenen Unterricht 73
5.5 Sprachliche Handlungsfähigkeit 75
5.6 Kulturelle Aspekte im Unterricht - Nutzung der Mehrkulturalität 77
5.6.1 Wir feiern das Opferfest (Kurban Bayrami) 78
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Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Grundschullehrerin, die eine multikulturelle Klasse unterrichtete, in der viele Kinder sehr unterschiedliche, zum Teil geringe Deutschkenntnisse hatten. Die Lehrerin meinte, sie könnte unter diesen Umständen nicht vernünftig arbeiten. Ich fand, dass diese Aussage eine falsche Einstellung zu ihrer Aufgabe und zum Kind verriet, verstand aber andererseits, dass sie sich in dieser Situation überfordert fühlte und ihren Ansprüchen an ihren Unterricht nicht gerecht werden konnte. Sie plädierte dafür, die Kinder so lange auszusondern, bis sie vernünftig Deutsch sprachen, und berief sich dabei auf ein nicht näher bezeichnetes kanadisches Modell. Mir reichte das nicht aus.
Da ich selbst mit einem türkischen Muttersprachler verheiratet bin und unsere Kinder zwei-oder mehrsprachig aufwachsen sollen, fühle ich mich von der Thematik direkt betroffen. Als angehende Sonderschullehrerin werde ich auch im Beruf mit mehrsprachigen Kindern konfrontiert werden, die unterschiedliche Deutschkenntnisse, aber andere Kompetenzen haben. Die Aufgabe der Schulkinder ist nicht, mir oder anderen Lehrern einen Arbeitsplatz zu schaffen oder das Arbeiten leicht zu machen. Unsere Aufgabe als Pädagogen ist es, allen Kindern das Lernen zu ermöglichen. Es ist notwendig, nach einer Unterrichtsmethode zu suchen, die den Bedürfnissen der Kinder entspricht, anstatt die Kinder der Schule anpassen zu wollen.
Daher stellt die folgende Arbeit die Frage nach der Möglichkeit einer besseren Beschulung von mehrsprachigen Kindern, und behauptet zunächst, dass der Offene Unterricht als Methode für die Förderung von Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit besonders geeignet ist, da hier sowohl die Bedürfnisse der Kinder, als auch die Möglichkeiten der Lehrkraft besser beachtet und in den Unterricht eingebracht werden können. Grundlegend für die Thematik ist die Annahme, dass die Mehrsprachigkeit einzelner Kindern innerhalb einer Klasse nicht nur für diese selbst, sondern auch für alle anderen Kinder von Bedeutung ist und eine Chance zur Bereicherung des Unterrichts darstellt, die unbedingt genutzt werden sollte. Hierbei ist es von besonderer Wichtigkeit anzuerkennen, dass Mehrsprachigkeit untrennbar im Zusammenhang mit Mehrkulturalität auftritt (vgl. Luchtenberg 1995, 108f.). Die Forderung nach dem Angebot muttersprachlichen Unterrichts und Ü bergangsklassen für Kinder, die die Zielsprache Deutsch nicht ausreichend beherrschen, ist angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse berechtigt (vgl. Rehbein 1986. 104ff.). Dieses darf jedoch keinesfalls als Legitimation für die Lehrkraft verstanden werden, die Verantwortung für die individuelle Förderung von Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit abzugeben. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass auf diese Weise "eher das Trennende als das Gemeinsame betont" wird und die
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Zuständigkeit für die Förderung der Erst- und Zeitsprache verschiedenen Bereichen zugeordnet wird (vgl. Kracht/Welling 1995, 394).
Unter Punkt1.soll zunächst in die Thematik von Kindern unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit und das Phänomen der Mehrsprachigkeit eingeführt und eingehend betrachtet werden. Es wird herausgestellt, dass es sich keinesfalls um ein modernes Phänomen handelt, ihm trotzallem aber heute besondere Aufmerksamkeit zugestanden werden sollte. Auch die Frage nach der Mehrkulturalität eines mehrsprachigen Kindes wird an dieser Stelle angesprochen. Neben der Relevanz, die Mehrsprachigkeit/Mehrkulturalität für mehrsprachige Kinder hat, wird hier auch ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen: die Relevanz des Themas für die Kinder, die unter der Bedingung von Mehrkulturalität leben, ohne selbst mehrere Sprachen zu sprechen, denn auch ""einheimische"Kinder können Zweisprachigkeit und Kulturenvielfalt im Kontext einer multikulturellen Gesellschaft als Wert erfahren" (zit.Kracht/Schümann 1994, 286).
Unter1.1erfolgt zunächst der Versuch, anhand von bestehender Literatur, den Begriff Mehrsprachigkeit/Bilingualismus einzugrenzen, und eine Definition als für diese Arbeit grundlegend anzunehmen.
Darauf folgen unter1.2Modelle zum Erst- und Zweitspracherwerb, um u.a. i n diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Erstsprache für den Erwerb der Zweitsprache zu betonen. Die Modelle des Zweitspracherwerbs werden unter1.2.3als Formen von Mehrsprachigkeit erläutert und untersucht. Hier wird sowohl auf die unterschiedlichen Erwerbstypen und die lebensweltliche Relevanz von Sprache, als auch auf die moderne Klassifizierungskategorie für mehrsprachige Kinder, die sogenannte Doppelte Halbsprachigkeit, eingegangen. Daran anschließend findet unter1.2.4der Versuch statt, die Interdependenz in der Entwicklung von Mutter- und Zweitsprache aufzuzeigen. Unter1.3wird die Relevanz der Beachtung der Mehrkulturalität der Kinder untersucht. Es wird hierbei behauptet, dass Mehrsprachigkeit immer im Zusammenhang mit Mehrkulturalität in Erscheinung tritt, Mehrkulturalität aber auch für Kinder ohne Zweitsprachkompetenzen zutreffen kann, z.B. innerhalb binationaler Familien, die sich für eine mehrheitssprachige Erziehung entschieden haben. Die Auseinandersetzung mit der eigenen und anderen Kulturen, und die Frage nach der eigenen Bewertung ist für den Umgang mit Mehrkulturalität essentiell. Unter Punkt1.3.1folgt daher ein Exkurs über die verschiedenen Haltungen in Bezug auf die eigene und die fremde Kultur, wie sie im vergangenen Jahrhundert kulturanthropologisch diskutiert wurden, basierend auf einem an die Vereinten Nationen gerichteten Friedensvorschlag des japanischen Philosophen Daisaku Ikeda.
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Abschließend sollen Statistische Informationen das Bild abrunden. Sie zeigen, dass Kinder nicht-deutscher Staatsangehörigkeit, für welche die Bedingung von Mehrsprachigkeit anzunehmen ist, in Schulen mit niedrigem Bildungsniveau überrepräsentiert sind. Unter Punkt2wird der Offene Unterricht in die Diskussion eingebracht. Zunächst erfolgt eine begriffliche Eingrenzung. Unter2.2werden dann die Bausteine, aus denen sich der Offene Unterricht zusammensetzen kann, eingeführt. Darauf folgt unter2.3eine Diskussion der Ziele der Methode. Unter2.4werden die Aufgaben der Lehrkraft speziell im Offenen Unterricht vorgestellt. Zum Ende dieses Kapitels wird die Relevanz der Gestaltung des Klassenraumes angesprochen.
Unter Punkt3.werden daraufhin die schulpolitischen Rahmenbedingungen diskutiert, die die Verwirklichung eines jeglichen Unterrichts determinieren. Es wird herausgestellt, inwieweit die Vorgaben und Richtlinien der Lehrpläne durch die Methode des Offenen Unterrichts zu verwirklichen sind. Zum Abschluss dieses Kapitels wird auch kurz die Beachtung mehrsprachiger Kinder und einer mehr-kulturellen Gesellschaft durch die Rahmenrichtlinien und Unterrichtsempfehlungen diskutiert.
Unter Punkt4.werden dann die im Vohergehenden bereits erarbeiteteten Kategorien zu den Themen "Mehrsprachigkeit" und "Offener Unterricht" miteinander in Verbindung gesetzt, und der Offene Unterricht auf seine Anwendbarkeit als Unterrichtsmethode in Klassen unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit untersucht. Zur Verdeutlichung der sich bietenden Möglichkeiten erfolgt unter5.der Versuch, die Möglichkeiten des Offenen Unterrichts als Methode in Klassen unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit anhand einer fiktiven Beispielklasse aufzuzeigen.
Zum Ende der Arbeit werden unter6.die Ergebnisse diskutiert, die Fragestellung, ob der Offene Unterricht anhand der theoretischen Bearbeitung für die Unterrichtung von Klassen unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit geeigneter ist als andere Unterrichtsmethoden, beantwortet, und ein Ausblick auf weiterführende Untersuchungen gegeben.
Das Leben von Menschen unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit ist eine gesellschaftliche Tatsache. Mehrsprachigkeit ist dabei kein Phänomen unserer Zeit (vgl. Kracht 2000, 52ff.), im Gegenteil ist es wohl eher die Regel als eine Ausnahme, dass Menschen ihr Leben unter zwei- oder mehrsprachigen Bedingungen gestalten (vgl. Rehbein
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1986, 105). In der Literatur spricht man hier von lebensweltlicher Zwei- oder Mehrsprachigkeit (vgl. Gogolin 1988). Gleichsam aber scheint die Thematik noch nie so intensiv diskutiert worden zu sein, wie in den letzten Jahrzehnten. Dabei geht es zumeist um ein Abwägen der Vor- und Nachteile einer mehrsprachigen Erziehung und um den Verweis auf deren Risiken und Chancen, und schürt vielfach tiefsitzende Ängste bei den für die Kindererziehung verantwortlichen Erwachsenen (vgl. Kracht/Welling 1995, 368ff.). In der Realität, einer Welt zunehmender Globalisierung, ist zu beobachten, dass die Lehrpläne aller Schularten und der Arbeitsmarkt Mehrsprachigkeit für wünschens- und förderungswürdig halten, "Mehrsprachigkeit stellt (...) einen besonderen Wert dar" (zit. Kracht/Welling 1995, 393). Allerdings scheint es sich hierbei nur um bestimmte Fremdsprachen zu handeln. Die natürlichen Kompetenzen vieler mehrsprachiger Kinder werden dabei nicht genutzt. An dieser Stelle tritt ein zweiter Aspekt in Erscheinung, die Frage nach der Kultur des Kindes. Seine Sprache als Teil und Trägerin seines kulturellen Erbes ist schwer gesondert zu betrachten.
Mehrsprachigkeit ist zwar ein gesellschafts-historischer Regelfall, aber dennoch nicht "natürlich", sondern immer in einer Situation begründet, die äußere Ursachen hat. Als solche gelten Migration der Eltern oder eines Elternteils, bzw. sozio-historische Hintergründe für die Nutzung zweier Sprachen innerhalb einer Region. Eine Sprache als Kommunikationsmittel zu entwickeln ist die natürliche Fähigkeit des Menschen, gleichsam ein Bedürfnis. Zwei oder mehrere Sprachen gleichzeitig zu entwickeln und zu beherrschen ist ebenso eine Fähigkeit des Menschen, jedoch soll hier betont werden, dass dieser Umstand immer mit den Gegebenheiten der Lebenswelt eines Menschen einhergeht. In dieser Arbeit wird der Begriff Mehrsprachigkeit anstelle von Zweisprachigkeit verwendet, um so die Annahme hervorzuheben, dass die Lebenswelt von allen Kindern durch die zunehmende Verwirklichung einer multinationalen/ multikulturellen Gesellschaft, sowie durch die Präsenz von Fremdsprachen in den Medien und anderen Bereichen ohnehin von Mehrsprachigkeit geprägt ist. Denn "Die Annahme, für heutige Kinder sei eigentlich einsprachiges Aufwachsen der Normalfall, ist irrig - und zwar nicht nur für Kinder, die in Familien aufwachsen, in denen eine andere Sprache als das Deutsche gepflegt wird" (Dirim 1995, 70). Trotzdem können nicht alle Kinder grundsätzlich als mehrsprachig bezeichnet werden, da diese Art der Bedingung von Mehrsprachigkeit für ein in Deutschland aufwachsendes Kind aus einem deutschsprachigen Elternhaus vermutlich nicht die gleiche lebensweltliche Relevanz hat, wie für ein Kind, dessen Familiensprache mit der Landessprache nicht identisch ist.
Weiterhin wird in dieser Arbeit der Terminus "Kinder unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit" bevorzugt, da diese Kinder nicht alleine auf ihre Mehrsprachigkeit
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reduziert werden sollen; in erster Linie sind sie Menschen mit Sprache, die unter der Bedingung von mehrsprachig gestalteten Lebenswelten ihr Leben organisieren müssen. Auf diese Weise wird die Relevanz der Umwelt für das Erlernen und die Verwendung von Sprache betont. Damit wird nicht nur der Mehrsprachigkeit ein Wert beigemessen, sondern gleichfalls auch dem Menschen gegenüber Wertschätzung ausgedrückt. Gleichzeitig leben auch Kinder, deren Primärsozialisation bis zur Einschulung ausschließlich muttersprachlich orientiert ist, unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit ohne mehrsprachig zu sein. Der Begriff ausländisches Kind oder Gastarbeiterkind ist aus Gründen mangelnder Aktualität zu vermeiden. Da viele dieser Kinder bereits in Deutschland geboren sind oder in der zweiten und dritten Generation in Deutschland leben, kann man eigentlich nicht mehr von Ausländern, bzw. Gästen sprechen (vgl. Seifert 1988).
Um der Einfachheit willen wird in dieser Arbeit allerdings auch von "mehrsprachigen Kindern" gesprochen. Desweiteren wird in dieser Arbeit von der Mehrsprachigkeit nicht als von der in der Literatur vielzitierten "Problematik" gesprochen, sondern von dem "Phänomen" Mehrsprachigkeit.
Für den Begriff der Mehrsprachigkeit, der im Folgenden mit d em in der Literatur verwendeten Begriff des Bilingualismus synonym verstanden werden soll, gibt es innerhalb der verschiedenen Fachgebiete keine einheitliche Definition. Ob ein Mensch mehrsprachig ist entscheidet sich folglich je nachdem, von welcher wissenschaftlichen Perspektive aus man diesen betrachtet. Auch unterscheidet sich das spezielle Interesse, welches die verschiedenen Fachgebiete mit der Erforschung des Phänomens Bilingualismus verfolgen: "Die Linguistik interessiert sich für den Bilingualismus insoweit, als er für Veränderungen in einer Sprache als Erklärung herangezogen werden kann, denn die Sprache, nicht das Individuum, ist der eigentliche Gegenstand dieser Wissenschaft" (Mackey 1968, zit. nach Fthenakis et al. 1985, 15). Eine rein linguistische Perspektive auf das Phänomen Bilingualismus oder Mehrsprachigkeit führt die Beherrschung beider Sprachen, bzw. den Grad ihrer Beherrschung, als Klassifizierungsmaßstab für den Menschen an. Dabei reichen die in der Literatur zu findenden Definitionen von einem geringen Grad der Beherrschung beider Sprachen (vgl. MacNamara 1969, ebd.) bis hin zu einer gleichberechtigten, der Muttersprache gleichen Beherrschung beider Sprachen (vgl. Braun 1937; Bloomfield 1933, ebd.), als Kriterium für die Bestimmung eines bilingualen Menschen. Die Psychologie "betrachtet den Bilingualismus als Einflußgröße auf geistige Prozesse" (Mackey 1968, ebd.), während die Psycholinguistik untersucht "wie und zu welchen