Officer Hot Cop - Laurelin Paige - E-Book

Officer Hot Cop E-Book

Laurelin Paige

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Beschreibung

Officer Chase Kelly genießt das ungezwungene Leben eines Mannes, den die Frauen nur so umschwärmen. Und er hat auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Nicht ahnend, dass die Begegnung mit Livia Ward sein Leben komplett auf den Kopf stellen wird, macht er sich daran, die bezaubernde und sexy Bibliothekarin auf seine immer erfolgreiche Weise zu verführen. Livia geht stramm auf die Dreißig zu. Diese Tatsache stürzt sie in eine Sinnkrise und der einzige Ausweg scheint ihr, ein Baby zu bekommen. Leider hat sie der Männerwelt abgeschworen, was diesem Plan nicht gerade zuträglich ist. Doch als sie Officer Kelly trifft, der genau die Art von Mann ist, die Livia aus ihrem Leben gestrichen hat, tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Er ist nicht nur verdammt heiß, sondern auch bereit, ihr zu geben, was sie möchte. Doch was passiert, wenn die Dinge sich ändern und aus einer rein erotischen Affäre Gefühle entstehen, mit denen niemand gerechnet hat? Ein sexy Romance von der New York Times Bestsellerautorin Laurelin Paige und USA Today Bestsellerautorin Sierra Simone

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Seitenzahl: 478

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OFFICER HOT COP

Laurelin PaigeSierra Simone

© 2020 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Umschlaggestaltung Andrea Gunschera

© Englische Originalausgabe Laurelin Paige, Sierra Simone 2017

© Übersetzt von Corinna Bürkner

ISBN Taschenbuch: 9783864439476

ISBN eBook-mobi: 9783864439483

ISBN eBook-epub: 9783864439490

www.sieben-verlag.de

Für Kiawah und einen Alligator namens Clive.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Danksagungen

Kapitel 1

Livia

Dreihundertvierundsechzig Tage.

Das ist mein erster Gedanke, als ich aufwache. Ich habe noch nicht einmal die Augen geöffnet. Es liegen noch dreihundertvierundsechzig Tage vor mir, bevor Untergang und Zerstörung in Gestalt meines dreißigsten Geburtstags über mich hereinbrechen.

Dreihundertvierundsechzig erbärmliche Tage.

Das ist nicht annähernd lange genug. Ich befinde mich praktisch schon auf dem Totenbett. Ich kann fühlen, wie meine Haut trocken und faltig wird, während ich hier liege. Wie meine Knochen spröde werden. Wenn ich hinfiele, würde ich mir wahrscheinlich den Oberschenkelhals brechen. Vorbei sind die Tage, an denen ich am Eingang von Clubs und Bars meinen Führerschein vorzeigen musste. Es ist für jeden ersichtlich, dass ich nur noch einen Steinwurf vom Grab entfernt bin. Stöhnend ziehe ich mir die Decke über den Kopf. Ich bin neunundzwanzig und habe in meinem Leben nichts erreicht. Das Ende zieht herauf.

Ich bin fast dreißig.

Bevor ich wieder einschlummern kann, klingelt das Telefon. Die Neugier treibt mich an, danach zu greifen. Nur zwei Menschen rufen mich jemals an. Meine Mom und mein Bruder. Und keiner von beiden würde es wagen, mich so früh am Tag zu stören.

Ich sehe den Namen auf dem Bildschirm und seufze. Wenn ich sie ignoriere, ruft mich Megan einfach noch mal an. Also gehe ich dran.

„Echt jetzt? Ein Anruf? Ist deine Tastatur kaputt oder so was?“

Weil, ernsthaft. Wer ruft schon an, statt einfach eine Nachricht zu tippen?

„Was?“, fragt sie, verwirrt von meiner Begrüßung.

Vielleicht kennt sie mich noch nicht lange genug, um meine Pedanterie reizend zu finden. „Ach nichts. Was gibt’s?“

„Nicht viel. Ich muss heute nicht arbeiten und wollte mal nach dir hören.“

Ich bin erst seit zwei Monaten in der Corinth Bibliothek. Das reichte für Megan Carter, der extrem fürsorglichen und extrem aufgeschlossenen Informationsfachfrau für Kinder, mich unter ihre Fittiche zu nehmen. Obwohl ihre Art manchmal beinah erdrückend sein kann, muss ich feststellen, dass ich sie sehr mag.

„Du hast ein bisschen niedergeschlagen ausgesehen, als du gestern Abend die Bar verlassen hast. Ist alles in Ordnung?“

„Außer, dass mich bald der Tod heimsuchen wird, geht es mir echt gut.“

„Au weia. Bisschen Drama-Queen-mäßig drauf oder wie?“

Ich werfe die Decke von mir und klettere aus dem Bett. „Bin ich das? Oder bin ich Realistin? Stelle ich mich meiner unausweichlichen Vernichtung?“

„Klingt nicht so, als würdest du dich irgendwas stellen. Du jammerst. Bist dramatisch. Jeder wird älter. Jeder wird mal dreißig. Außerdem liegt noch ein komplettes Jahr vor dir. Willkommen im Leben, Schwester.“

Ich schlurfe zur Küche und zu meiner Keurig Kaffeekapsel Maschine, die ich mir zum Geburtstag geschenkt habe. Ich habe sie erst einen Tag, bin ihr aber schon für immer verfallen. „Meinst du nicht eher Willkommen im Tod?“ Ich wähle die Sorte Southern Pekannuss, drücke den Knopf und warte auf die Freude in meinem Humpen mit der Aufschrift Ich würde sterben für eine gute Tasse Kaffee. Das scheint zu meinem Sterblichkeitsthema zu passen.

Megan findet meinen Witz nicht lustig. „Das macht dir wirklich zu schaffen, oder? Warum glaubst du das?“

Oh Gott. Ich wollte wirklich nicht über meine Gefühle reden. Ich seufze. Das mache ich gern. „Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl mir fehlt irgendetwas. Da muss es noch mehr geben, als das hier.“ Von der Küche aus blicke ich mich in meiner Zweizimmerwohnung um. Mit dem Rest vom Erbe meiner Großmutter konnte ich mir die Abzahlung leisten. Der andere Teil ging in die Finanzierung meines Studiums für Humanwissenschaften und abendländische Kultur an der Universität von Kansas. Meine Büchersammlung sprengt bereits fast meinen vorhandenen Platz, aber sie ist alles, was ich jemals gebraucht habe. Und genau das, was ich immer haben wollte. Warum also fühle ich diese innere Leere?

„Du brauchst einen Kerl“, entscheidet Megan.

„Tue ich nicht. Das ist es nicht, was ich brauche.“ Und das meine ich auch so. Aber ich brauche … irgendwas. Mit dem Finger berühre ich den Prospekt, der hinter der Rainbow China Restaurant Karte am Kühlschrank klemmt, seit ich die Kinderwunschklinik letzten Monat aufgesucht hatte.

Ist es das, was ich brauche? Die Kosten für eine künstliche Befruchtung sind nicht so hoch, wie ich erwartet hatte. Wenn ich es wirklich versuche, könnte ich mir das leisten, auch bei dem Gehalt einer Bibliothekarin. Aber ein unbekannter Vater … meine Mutter würde durchdrehen. Dennoch denke ich darüber nach. Jetzt, wo mein Tod auf mich zurast, sollte ich vielleicht schneller nachdenken.

„Vermisst du denn nicht einmal den Sex?“

Das scheint eine harmlose Frage zu sein, aber von Megan kommend bin ich mir sicher, dass ihre Frage zu einem Blind Date führt, wenn ich nicht aufpasse.

„Mein Vibrator funktioniert einwandfrei“, erkläre ich ihr. „Und dabei ist er weder großspurig noch selbstgefällig und verlässt mich nicht.“

„Stimmt, aber die Batterien halten nicht ewig.“

„Sie sind wiederaufladbar.“

„Das ist nicht dasselbe. Hör zu, Livia. Ich werde jetzt ganz ehrlich zu dir sein.“

Doch ich verstehe nicht, was sie sagt, denn eine Reihe von Brummgeräuschen überlagert ihre Rede. Ich habe Nachrichten erhalten. Einige.

Ich nehme das Handy vom Ohr und lese.

Ich glaube, ich stecke in mächtigen Schwierigkeiten. So wirklich. Also richtig große Schwierigkeiten, und jetzt sind die Cops hier und du musst vielleicht Kautionsgeld mitbringen, denn Mom steht im OP und Dad ist bei einer Geburt dabei, also können sie mir nicht helfen kommen, aber ich habe was gemacht.

LIVIA!

ERINNER DICH AN MICH, wenn ich im Knast vergehe. Was, wenn ich die nächste Staffel von SKAM verpasse?

Die Nachrichten sind von Ryan, einem Mädchen, mit dem ich in der Bibliothek oft zusammenarbeite. Also, sie ist eine richtige Drama-Queen. Ich halte mir das Handy wieder ans Ohr. „Bleib mal kurz dran, Megan.“ Dann tippe ich Ryan schnell eine Antwort.

Ich: Was ist los? Fasse dich kurz!

Sie antwortet in Form eines Panoramafotos. Es sieht aus wie der Parkplatz ihrer Highschool. Ich kann nicht viel erkennen, nur dass da viele Autos hinter ihr stehen und ein Polizeibeamter. Und es sieht so aus, als ob Ryan sich zwischen zwei Bäumen angekettet hat und somit eine Barrikade zwischen der Schule und der Zufahrt darstellt.

Drama ist heute wohl das Thema des Tages.

Nach einer schnellen Verabschiedung von Megan, schreibe ich Ryan eine kurze Antwort.

Ich: Bin gleich da.

Ich werfe mich in eine Leggings und ein übergroßes T-Shirt, das vielleicht schon in die Wäsche gehört, statt auf meinem Stuhl im Schlafzimmer rumzuliegen. Dann verknote ich mir die Haare zu einem unordentlichen Dutt und lese Ryans Antwort.

Ryan: Du bist die Beste! Bringst du mir einen kalten Karamell-Latte von unterwegs mit? Danke!

Ich hole ihr keinen Latte.

Der Verkehr scheint ganz gut zu rollen, als ich an der Shawnee Mission East, Ryans Highschool, ankomme. Ich parke auf dem, des Aufruhrs nächstgelegenen, freien Parkplatz und betrachte mir die Situation, bevor ich aussteige. Wie das Foto nahelegt, hält Ryans Blockade die Autos davon ab, auf die Runde Zufahrt zu fahren, wo man die Kinder ein- und aussteigen lassen kann. Die Ketten sind verschwunden, aber der Verkehr wurde zu einer anderen Einfahrt umgeleitet, weil sie noch immer mitten auf der Straße steht. Sie trägt eine goldene und lila Cheerleader-Uniform und hält ein Plakat hoch. Die Buchstaben sind so fett, dass ich sie von hier lesen kann.

Eure schmutzigen Gedanken sind nicht mein Problem.

Langsam dämmert es mir.

Ryan ist erst vierzehn, aber bereits eine Aktivistin. Sie nutzt jede Gelegenheit, um zu protestieren, wenn sie das Gefühl hat, eine Person oder eine Gruppe wird ungerecht behandelt. Einmal marschierte sie vor der Bibliothek auf und ab, um für das Recht von Müttern zu protestieren, in der Öffentlichkeit zu stillen. Ein andermal schloss sie sich der Jugendgruppe in der Stadthalle an, um gegen die Steuern auf Lebensmittel zu protestieren. Sie hat auch schon Infobroschüren über die Notlage der Zwergpottwale verteilt. Vielleicht liegt es daran, dass Kansas City im Inland liegt, aber es hat sich herausgestellt, dass den Menschen im mittleren Westen die Gefühle von großen Meerestieren nicht sehr am Herzen liegen.

Vielleicht sehe aber auch nur ich es so. Allerdings liegen mir die Gefühle dieser so leidenschaftlichen jungen Dame sehr am Herzen. Sie meint es gut und hat ein großes Herz. In welche Schwierigkeiten auch immer sie sich gebracht haben mag, ich hoffe, ich kann ihr raushelfen.

Ich trinke meinen letzten Schluck mitgebrachten Pekannuss Kaffee und bin froh, ihn mitgenommen zu haben, denn das Koffein werde ich brauchen. Ich steige aus und höre Ryan sofort.

„Bekommt ihr bei meinem Anblick schmutzige Gedanken?“, schreit sie einer Gruppe verspäteten Schülern zu, die in Richtung Schule eilen. „Und? Ist das so?“

Oje.

Obwohl der Unterricht sicher schon angefangen hat, hat sich in ihrer Nähe eine kleine Menschenmenge zusammengerottet. Ein paar erwachsene Frauen befinden sich darunter, wahrscheinlich Aufsichtspersonen, einige Schülerinnen und ein Polizist.

Ich gehe auf sie zu. Der Cop spricht mit einer der Erwachsenen, als ich näher komme. Er hat mir den Rücken zugewandt.

„Sie sind sicher stark genug, sie hochzuheben“, sagt die Frau zu ihm. „Man sieht, dass sie trainieren.“ Sie flirtet so heftig, dass ich es von hier aus höre.

„CrossFit“, sagt der Cop mit einem Schulterzucken. „Fünf Tage die Woche.“

Gott, einer von denen. Großspurig. Selbstgefällig. Copmäßig. Solche Typen kenne ich. Ich wappne mich für die mir bevorstehende Interaktion mit ihm.

„Das ist ja total offensichtlich“, sagt die Flirtende. „Warum schnappen Sie sie sich nicht einfach selbst? Im Feuerwehrgriff.“

Sie ist gut. Sie hat schwarzes Haar, weiße Haut, dass es so unnatürlich aussieht, als hätte sie sich angemalt. Und sie hat sehr, sehr rote Lippen. Ich habe den Eindruck, dass Verführung eins ihrer Hobbys ist, wenn nicht sogar ihr Nebenjob.

„Das verstößt gegen die Vorschriften, ich darf keine Minderjährige anfassen. Wir müssen auf die Polizistin warten, die ich angefordert habe. Aber ich weiß das zur Verfügung stellen des Bolzenschneiders sehr zu schätzen.“

Bolzenschneider. So sind sie also mit den Ketten fertig geworden. Jetzt, wo ich genauer hinsehe, kann ich einen Berg silberner Ketten erkennen, die an dem Baum neben der Straße liegen.

Ryan, Ryan, Ryan, was hast du getan?

Geduldig stehe ich hinter dem Polizisten und warte auf einen geeigneten Moment, um zu unterbrechen.

„Ich bin keine Minderjährige“, sagt eine der Teenagerinnen und zwirbelt dabei eine dunkelblonde Haarsträhne zwischen den Fingern. „Ich bin achtzehn. Mich könnten Sie berühren, Officer Kelly.“

Und schon ist der Moment gekommen. „Entschuldigung“, sage ich mit meiner Bibliothekarinnenstimme. Freundlich, aber bestimmt. „Was geht hier vor?“

Als sie mich hört, wirbelt Ryan herum und sieht mich an. „Livia!“ Sie ist dabei, zu mir zu laufen, doch scheint sich dann daran zu erinnern, dass sie sich absichtlich dort befindet. „Hey, wo ist mein Starbucks Latte?“

Ich werfe ihr einen strengen Blick zu und sehe dann wieder nach vorn, genau in dem Augenblick, in dem sich der Cop zu mir umdreht. Und jetzt verstehe ich auch, was das ganze Aufhebens soll. Er ist heiß.

Ungefähr Ich-vergesse-was-ich-sagen-will-heiß.

Ich-hätte-mir-die-Beine-rasieren-sollen-heiß.

Hier-ist-mein-Höschen-entschuldigung-dass-es-so-nass-ist-heiß.

Ich kann nicht einmal genau festmachen, was genau es ist. Sein Körper? Sein kurzrasierter Bart? Sein sachlicher Gesichtsausdruck? Das sexbesessene Schneewittchen hat nicht übertrieben. Ganz offensichtlich trainiert er. Seine breiten Oberarme füllen die Hemdsärmel aus und sogar in kompletter Polizeimontur sieht man, dass seine Schultern breit sind und seine Taille schlank. Er ist nicht nur fit, er ist megafit. Er ist darf-ich-deine-Waffen-anfassenfit und ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich einmal das Wort Waffen für Muskeln einsetzen würde, aber es ist passend. Aber so heiß sein Körper auch aussieht, es ist sein Gesicht, das meinen Herzschlag stolpern lässt. Wangen und Kinnpartie sind wie gemeißelt. Das Grübchen in seinem Kinn wird von dem Bart beinah verborgen. Die Nase ist gerade und stark und dann, verflucht, die Krönung des Ganzen ist die Pilotensonnenbrille, mit der er aussieht wie Sex in einer blauen Uniform.

Es ist gut möglich, dass ich mich mal kurz ablegen muss.

„Und Sie sind?“, fragt Officer zu heiß um sich an den Namen zu erinnern mit dem er gerade angesprochen wurde.

„Ich bin … hier“, sage ich, weil ich irgendwie keine Antwort auf seine Frage finden kann, wenn er mich so ansieht. Und ich kann fühlen, dass er das tut, sogar verdeckt von dieser Brille.

„Ja. Das sind Sie.“

Er lächelt fast und ich habe das Gefühl, dass er das in seinem Job nicht allzu oft tut. Er sieht zu ernsthaft dafür aus. Zu professionell. Zu sehr sich an die Fakten haltend und nichts als die Fakten. Und lieber Himmel, ich wäre froh, ihm welche zu liefern, egal welche Fakten er sich wünscht. Sobald ich mich an die Fakten wieder erinnere.

„Das ist Livia“, ertönt Ryan hinter uns und erinnert mich an diesen spezifischen Fakt. „Sie ist wegen mir hier.“

Von diesem Stückchen Information gestärkt, das ich mit Sicherheit geben kann, sage ich stolz: „Das ist korrekt. Ich bin Livia. Livia Ward.“

Mit beiden Händen an seinem Gürtel sieht der Cop von mir zu Ryan und wieder zu mir. „Und Sie sind ihre … Mutter?“

„Nein!“ Entsetzt keuche ich auf. „Oh Gott, sehe ich alt genug aus, um ihre Mutter zu sein?“ Ich wusste, ich hätte mit der Faltencreme anfangen sollen, als ich fünfundzwanzig war. „Sie ist vierzehn. Ich bin nicht alt genug, eine vierzehnjährige Tochter zu haben.“

„Ihre Mutter wurde angerufen“, sagt eine der Frauen hinter ihm. „Und ihr Vater. Beide waren nicht erreichbar.“

Ich verziehe die Lippen, als ob ich damit irgendein Argument unterstrichen hätte.

Der Cop, der seine Aufmerksamkeit nicht von mir ablenken lässt, sagt: „Es ist mein Job zu fragen, Ma’am.“

Mich schüttelt es. „Nennen Sie mich nicht Ma’am.“ Und schnell füge ich hinzu: „Bitte.“

Keine Reaktion von Officer Ernsthaft. Still grummele ich vor mich hin. Der einzig gute Nebeneffekt dieser demütigen Erinnerung daran, dass ich altere – und das offensichtlich nicht sonderlich anmutig – ist, dass es mich aus der Dieser-Cop-ist-zu-heiß-ich-kann-nicht-mehr-denken-Benommenheit katapultiert.

„Ich bin eine Freundin“, erkläre ich ihm. „Ich arbeite mit ihr in der Bibliothek. Sie hat mir eine Nachricht zukommen lassen, als sie dachte, sie wäre in Schwierigkeiten.“

Der Cop – Officer Kelly, wie ich mich wieder erinnere – sieht mich ernst an. Sein Ausdruck verrät nichts. „Können Sie sich ausweisen?“

„Sehe ich so aus?“ Ich habe keine Taschen und ich habe keine Geldbörse in der Hand. Tatsächlich glaube ich sogar, dass ich so schnell aus dem Haus gelaufen bin, dass ich sie nicht einmal ins Auto geworfen habe. Mist. Das hat mir noch gefehlt. Ein Strafzettel, weil ich ohne mitgeführten Führerschein gefahren bin. „Muss ich das denn?“

Er sieht mich von oben bis unten an. Ich wünschte, ich könnte seine Augen sehen, damit ich eine Ahnung hätte, was in seinem Kopf vorgeht. „Nein, ich schätze nicht.“

„Gut.“ Ich entspanne mich soweit, dass ich ordentlich Luft holen kann. „Dann können wir uns ja um das vorliegende Problem kümmern. Was genau ist passiert?“

„Nun, Sie sehen, die Minderjährige …“

„Ryan Alley. Sie hat einen Namen.“ Ich merke schon, dass Ryan Probleme bekommt. Officer Kelly sieht nicht so aus, als ob er irgendetwas durchgehen lässt. Wenn er sie vielleicht als eine Person wahrnimmt, statt einfach nur einer Minderjährigen, wird er sie möglicherweise verschonen.

„Die Minderjährige“, fährt er fort, als ob ich nichts gesagt hätte, „hat sich zwischen diese beiden Bäume links und rechts der Schuleinfahrt gekettet und damit einen Stau bei der morgendlichen Anfahrt der Eltern ausgelöst. Wir haben die Ketten mithilfe eines Bolzenschneiders aus dem Schulsekretariat von der Sekretärin …“

„Das bin ich, ich hab ihn gefunden!“

Großartig. Das sexbesessene Schneewittchen ist eine Heldin.

Er dreht sich zu der Frau und nickt ihr anerkennend zu, dabei lächelt er genau so viel, dass sie errötet. Sein Lächeln ist tatsächlich der Wahnsinn. Ich wünsche mir fast, ich hätte ihm den Bolzenschneider gebracht, nur damit er es mir schenkt.

Officer Kelly legt seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. „Aber die Minderjährige weigerte sich, ihren Platz zu verlassen. Wir warten auf Unterstützung, um weitermachen zu können.“

Ich werfe einen Blick auf Ryan. Sie weigerte sich, ihren Platz zu verlassen? Ich glaub, ich spinne. Natürlich kann sie meine Gedanken nicht lesen, aber sie ahnt, was ich denke und zuckt mit den Schultern.

„Wie groß sind die Schwierigkeiten, in denen sie steckt?“, frage ich den Cop und bin etwas sanfter, weil ich weiß, dass ich keinen Verhandlungsspielraum habe.

„Darüber können wir reden, sobald wir die Situation gelöst haben.“

Ich verlagere mein Gewicht auf ein Bein und rede während ich nachdenke. „Wenn ich sie überreden kann aufzugeben, und sie in die Schule kriege, bevor weitere Leute hier eintreffen, wäre das von Vorteil für sie?“

„Das liegt nicht nur an mir.“

Er dreht sich um und sieht zu der Gruppe hinter sich. Als ob er sie gerufen hätte, kommt eine der Frauen zu uns herüber. Nicht die flirtende Sekretärin, sondern die, die versucht hat, Ryans Eltern zu erreichen.

„Hallo. Ich bin Sharie Holden, die Direktorin. Danke, dass Sie gekommen sind. Wir würden es begrüßen, wenn wir das Ganze mit so wenig Aufregung wie möglich auflösen könnten.“ Den letzten Teil ihres Satzes hat sie geflüstert, als ob das Drama somit weniger groß ist.

Wenigstens scheint man sie leichter bequatschen zu können, als Officer Sachlich hier. „Wird es für sie irgendwelche Konsequenzen haben, wenn ich es hinbekomme?“, frage ich.

„Ich kann die Geschichte nicht komplett ungestraft lassen. Die halbe Schule hat gesehen, was sie hier heute getan hat. Das kann ich nicht durchgehen lassen.“

„Da haben Sie recht“, sage ich mit einem Tonfall, der durchblicken lässt, dass ich eindeutig nicht ihrer Meinung bin. „Was halten Sie davon, wenn ich Channel Nine anrufe, damit sie über den Protest berichten? Wenn ich dafür sorge, dass es auch alle mitbekommen, wenn sie nachher mit Handschellen abgeführt wird? Ryan könnte sogar eine Stellungnahme abgeben. Klingt das gut, Ryan?“

„Ja! Eine Stellungnahme!“ Sie hopst auf und ab. „Ich habe schon eine vorbereitet!“

Sharie Holden wird leichenblass. „Bei näherer Überlegung denke ich, wir könnten es bei einer Verwarnung belassen. Sofern Sie sie in ihren Unterricht kriegen, ohne dass die Presse involviert wird.“

„Okay, okay.“ Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Ryan und ich haben eine Verbindung. Sie mag vielleicht nicht auf die Stimme der Vernunft hören, aber sie hört auf mich. „Gegen was protestiert sie?“

Ryans Antwort ertönt: „Diese dumme Schule hat die Cheerleader-Uniformen an den Spieltagen verboten. Cheerleader-Uniformen! Weil irgendein Junge sich beschwert hat, sie würden ihn zu schmutzigen Gedanken animieren. Als ob Frauen schuld wären, an was Männer denken. Es ist lächerlich und unfair. Ich sage, das ist Vergewaltigungskultur! Ich sage, das ist Unrecht!“

„Was kümmert sie das überhaupt?“, sagt die blonde Teenagerin.

„Oder?“, sagt eine ihrer Freundinnen. „Sie ist nicht mal ein Cheerleader.“

„Ich bin ein Cheerleader, Officer Kelly“, ruft die Erste.

„Natürlich bist du das“, murmelt er sich in den Bart und tut mir beinah leid. Beinah.

„Das ist nur an Schultagen, Ryan“, erklärt die Direktorin. „Sie können sie bei den Spielen immer noch tragen.“

„Darum geht es doch überhaupt nicht.“ Ryan stöhnt.

Ich muss mich zurückhalten, um nicht mit ihr zu stöhnen. „Haben Sie die Cheerleader-Uniformen wirklich verboten, weil sich ein Junge schmutzige Gedanken gemacht hat?“, frage ich ungläubig. „Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Teenie-Jungs haben schmutzige Gedanken, egal, was Mädchen anhaben.“

„Da hat sie nicht unrecht“, gibt Officer Kelly zu.

„Sicherlich.“ Sie lächelt knapp. Gespielt. Es ist die Art von Lächeln, die immer mit einer Belehrung einhergeht. „Wir glauben an unserer Schule an respektvolles Verhalten, Ms. Ward. Ganz sicher werden wir nicht die Objektivierung von Frauen unterstützen.“

In meiner Brust blubbert Verärgerung hoch.

Tu es nicht, Liv. Lass es bleiben.

Aber ich tue es dennoch. Ich fange ein Streitgespräch an. „Objektivierung ist ein komplett anderes Thema. Im Augenblick schieben Sie die Schuld an dem, was Männer denken, auf die Kleidung, die Frauen tragen, und somit auch auf das, was Männer tun. Das ist eine längst überholte Ansicht, Ms. Holden. Sind wir nicht schon einen Schritt weiter?“

Das gespielte Lächeln ist verschwunden. Sie versucht kaum noch, nett zu sein. „Ich weiß Ihre Meinung zu schätzen, aber da Sie kein Kind an unserer Schule haben, zählt sie nicht wirklich.“

Das reicht. Ich bin über meine Verärgerung hinaus. Jetzt bin ich stinkwütend. „Da es sich hier um eine öffentliche Schule handelt und ich ein Steuerzahler bin, zählt meine Meinung sehr wohl. Und weil wir in den USA leben, wo wir das Recht auf freie Meinungsäußerung haben …“ Da Taten mehr sagen als Worte, beende ich meine Tirade abrupt an diesem Punkt und marschiere hinüber zu Ryan. Ich schnappe mir ihr Plakat und halte es stolz in die Höhe.

Ryan grinst breit und macht mit ihrem Protest weiter. „Bekommst du bei meinem Anblick schmutzige Gedanken?“, brüllt sie jemandem zu, der gerade mit seinem Hund am Rande des Schulgeländes Gassi geht.

„Ach, komm schon“, jammert die Direktorin laut.

Officer Kelly seufzt und kommt auf uns zu.

„Bekommst du bei meinem Anblick schmutzige Gedanken?“, schreit Ryan in seine Richtung.

Er ignoriert sie und ist unbeeindruckt. Als er nah bei mir angekommen ist, sehr nah, so nah, dass ich die Wärme spüre, die sein Körper abstrahlt, hält er an und sagt in einem leisen Tonfall, sodass nur ich es hören kann: „Also wenn du dieses Outfit tragen würdest, wäre die Antwort definitiv ein Ja.“

Ich sehe ihn an. „Was haben Sie gerade gesagt?“

„Sie helfen der Sache nicht wirklich“, sagt er lauter.

„Das ist nicht das, was Sie gesagt haben“, sage ich leiser. Denn ich will das andere noch mal hören. Will die Gänsehaut entlang meiner Wirbelsäule noch einmal fühlen, bei dem Gedanken, dass er solche Sachen denkt. Schmutzige Sachen. Über mich.

Er wiederholt es nicht. Geht nicht darauf ein. Er hält mir die Hand entgegen und sagt: „Geben Sie mir das Plakat.“

Ich umfasse die Stange fester. „Ich helfe ihr.“

„Tun Sie das? Ich habe den Eindruck, dass Ihnen etwas daran liegt, dass die ganze Sache mit dem geringstmöglichen Schaden in ihrer Schulakte verzeichnet wird. Oder nicht?“

Oh Gott, sein süffisantes Lächeln ist der Wahnsinn. Ich kann gar nicht direkt hinsehen.

„Fahren Sie fort“, sage ich, aber er hat schon genug gesagt. Ich weiß, was ich tun muss. Ich mag einfach nur, wie seine Stimme klingt. Wie sie in seinem Brustkorb rumpelt, wenn er so leise wird, dass Ryan nicht hört, was wir reden.

„Bringen Sie sie in ihren Unterricht und ich sorge dafür, dass es keine Konsequenzen für ihren Eingriff in den Straßenverkehr gibt.“

Er scheint mir nicht der Typ Cop zu sein, der Anklagen fallen lässt, also ist das hier untypisch für ihn. Ich weiß es einfach. Er ist ein Mensch, der auf die Vorschriften achtet. Warum also tut er das? Es macht mich skeptisch. Gleichzeitig kann ich nicht den Blick von ihm reißen. Ich bin wie gelähmt. In seinem Bann.

Ich gebe ihm das Plakat.

Er zeigt mir einen Hauch seines wahren Lächelns, dieses Mal ist es nur für mich. Meine Knie knicken praktisch ein. Wenn ich noch einen Moment länger hinsehe, falle ich vielleicht wirklich in Ohnmacht. Ich drehe mich um, schnappe mir Ryans Arm, um mich auf sie zu stützen, während ich vorgebe, auf diese Weise ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Ryan …“

„Du willst mir sagen, ich soll aufhören, oder?“ Sie zieht sich weg und ich halte mich gerade so auf den Beinen. „Das werde ich aber nicht. Ich werde meinen Kampf für die Frauen nicht aufgeben. Ich werde nicht aufhören, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen.“

Ich sehe sie direkt an. „Ich werde dir selbstverständlich nicht sagen, dass du aufhören sollst zu kämpfen. Das würde ich nie machen. Habe ich dich nicht immer bestärkt zu sagen, was du auf dem Herzen hast, egal ob mit Worten oder Taten?“

Sie verengt den Blick, unsicher, ob sie mir trauen soll oder nicht. „Vielleicht.“

„Ich bestärke dich jetzt auch genau das zu tun. Nur gibt es manchmal bessere Wege, sich Gehör zu verschaffen. Sieh mal.“ Ich zeige auf die Leute, die sich um sie versammelt haben. „Das hier ist eine sehr kleine Gruppe. Du könntest dir sehr viel mehr Gehör verschaffen, wenn du das Problem bei der nächsten Schulversammlung ansprichst, wo du tatsächlich eine Veränderung bewirken kannst. Glaubst du nicht auch?“

Sie verzieht die Lippen und denkt darüber nach.

„Das ist noch nicht einmal unsere Cheerleader-Uniform“, ruft eine der Cheerleaderinnen einfach so von der Seite der Auffahrt.

Ich lehne mich zu Ryan und wispere: „Außerdem sieht es nicht so aus, als wüssten die Frauen, für die du kämpfst, deinen Einsatz zu schätzen.“

Sie legt mir einen Arm um die Schultern. „Sie sind nur noch nicht aufgewacht, Liv.“

„Ich bezweifele, dass sie durch das hier aufwachen.“

Sie wirft den Kopf in den Nacken und stöhnt. Dann, ganz plötzlich, als ob sie nicht gerade total bereit gewesen wäre für ihr Anliegen Richtung Washington zu marschieren, zuckt sie mit den Schultern und sagt: „Okay. Ich sollte eh zur zweiten Stunde im Unterricht sein. Ist amerikanische Geschichte. Wir sehen uns eine Doku über die Suffragetten an.“

Sie legt die restlichen Ketten ab, die ich erst jetzt an ihren Armen und Händen bemerke, und gibt sie mir. Dann schlendert sie zum Schulgebäude.

„Wo geht sie hin?“, fragt Direktorin Holden bangend.

„Zum Unterricht“, verkünde ich selbstzufrieden.

„Nicht in diesem Aufzug! Keine Cheerleader-Uniformen auf dem Schulgelände!“ Sie stapft Ryan hinterher, wobei sie den Rest der Gruppe anweist, ihr zu folgen.

„Sie wird sich umziehen“, sage ich zu niemandem im Speziellen. „Hoffe ich jedenfalls.“

Mannomann, jemandes Mentor zu sein ist ein harter Job. Das ruft eventuell nach mehr Koffein, als nur einer Keurig Tasse voll.

„Officer Kelly, ich bin erst sechzehn“, ruft die Freundin von der Cheerleaderin zu ihm herüber. „Aber in Kansas ist das legal bei Einvernehmlichkeit.“

„Es macht mir Angst, dass du das weißt“, sage ich.

„Ab in den Unterricht, bevor ich euch noch eine Strafe wegen Schwänzen aufdrücke“, sagt Officer Kelly, aber nicht bevor ich sein leises Lachen über meinen Kommentar gehört habe.

„Was ist denn Schwänzen?“, fragen beide im Chor.

„Oh mein Gott“, rufe ich, „ihr müsst unbedingt in die Schule.“

Sie marschieren davon und auch wenn ich gern die Lorbeeren dafür ernten würde, tun sie es wahrscheinlich nur, weil es gerade klingelt. Und jetzt sind alle weg, bis auf mich. Und dem Cop.

Dem sehr heißen Cop.

Auf einmal fühlt es sich schwieriger an, Luft in die Lungen zu kriegen, als gerade noch eben noch.

„Gut gemacht“, sagt der Cop und nickt anerkennend. „Vielleicht kannst du sie ab jetzt aus Schwierigkeiten heraushalten.“

Da sträuben sich mir die Haare. „Nur weil jemand leidenschaftlich ist, bedeutet das nicht, dass sie noch mal in Schwierigkeiten geraten wird.“ Tatsächlich ist es das Kompliment, an dem ich mich störe. Es stört mich, wie ich mich dabei fühle. Was ich dabei empfinde.

„Richtig“, sagt er und ich schwöre, er denkt Dinge über mich, bei denen ich tausend Tode sterben würde, wenn ich sie jemals herausbekäme.

Ich runzele die Stirn und fühle mich unbehaglich. „Gut, na dann.“

Ich sollte ihm danken, aber er spricht zuerst. „Geh mit mir Abendessen.“

„Was? Abendessen? Warum?“ Das waren überhaupt nicht die Dinge, von denen ich hoffte, dass er sie über mich denkt. Überhaupt nicht die Dinge, von denen ich wollte, dass er sie über mich denkt. Und doch flattert es in meinem Bauch, als wäre das eine gute Sache. Dummer Bauch.

„Weil ich abends hungrig bin und ich finde, wenn man ein Essen zu sich nimmt, geht der Hunger weg.“ Er ist total ernst und das ist so sexy, ich bin mir nicht sicher, ob ich es ertrage.

Ich blicke nach unten, weg von diesem verflucht heißen Kinn und diesen verflucht heißen Lippen. „Dafür brauchst du mich doch nicht.“

„Allein essen ist einsam.“

Ich kann dieser verdammt heißen Stimme nicht entkommen. Meine Haut brennt im kühlen Frühlingswind. „Ich bin mir sicher, Fräulein Sekretärin Wieauchimmersieheißt wäre sehr erfreut, dir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten.“

„Ich frage aber nicht sie. Sondern dich.“

Ich sehe zu ihm hoch und mein Herz setzt einen Schlag aus. Sogar mit der Sonnenbrille im Gesicht kann ich sehen, dass er seinen Blick nicht von mir nehmen kann. Gänsehaut krabbelt über meine Arme.

Abendessen. Ich esse zu Abend. Ich könnte mit ihm zu Abend essen. Was wäre daran verkehrt? Wenn ich seine Augen sehen könnte, hätte ich schon längst Ja gesagt, da bin ich sicher. Vielleicht sage ich sowieso Ja.

„Hey, Officer Kelly.“

Offenbar war die Sekretärin doch noch nicht ins Gebäude zurückgegangen. Er dreht sich zu der Vampirin um. Ich schwöre es, sie hat seit mindestens zehn Jahren die Sonne nicht mehr gesehen.

„Ich habe eine Haftnotiz mit meiner Nummer an ihrem Motorrad hinterlassen. Rufen Sie mich doch mal an.“

Officer Kelly gibt einen nichtssagenden Laut von sich. Doch dann fügt er hinzu: „Danke noch mal für den Bolzenschneider.“

Die Vampir-Sekretärin lächelt einfältig. „Das war doch nichts, wirklich.“

Ich höre dem Rest ihrer Unterhaltung nicht mehr zu, denn ohne seine Aufmerksamkeit auf mir, kann ich wieder denken. Und auf einmal erinnere ich mich daran, was falsch daran wäre, mit ihm zu Abend zu essen und warum ich absolut nicht mit Officer-ich-habe-dir-bereits-dein-Höschen-geklaut Kelly ausgehen will.

Weil er ein Mann ist. Und Männer verlassen einen. Besonders diese Sorte Mann. Die Sorte mit dem selbstsicheren Lächeln und der eng sitzenden Uniform. Echt jetzt, die Art, wie sein Hintern in dieser Hose aussieht …

Bei einem heißen Cop wie ihm, ist immer auch eine andere Frau im Spiel. Oder sogar eine ganze Horde. In Kansas kommt ein Cop gleich nach einem Rockstar. Er könnte jede haben, wenn er wollte. Er muss nicht die Hippie-Bibliothekarin abschleppen, die einen Toyota mit einem Black Lives Matter Aufkleber hintendrauf fährt und National Public Radio hört. Wir sind wie Öl und Wasser. Er ist der Typ, der einen Ruf zu verlieren hat. Ich bin der Typ Frau, der auf Demos geht.

Ohne ihm irgendwas zu antworten oder mich zu verabschieden, gehe ich. Ich wette, ich sitze bereits im Auto, bevor er merkt, dass ich gegangen bin.

Kapitel 2

Chase

„Jedes Jahr denke ich, ich muss nicht hier hochkommen und Ihnen das erklären, aber dann bin ich doch jedes Jahr wieder hier.“

Die Stimme vom Personalchef hallt durch den großen Konferenzraum in unserem Rathaus. Man hört ein Husten und das Geräusch von jemandem, der hinter mir versucht, diskret etwas aus einer knisternden Tüte zu essen. Darüber liegt das Surren des Ventilators an der Decke. Der Personalchef seufzt schwer, seine Schultern hängen herab und er zeigt zu der PowerPoint-Präsentation hinter sich. Auf der Folie ist zu lesen: Kein Sex während der Dienstzeit.

„Das ist alles“, sagt der Mann ein wenig traurig. „Das ist alles, was man wissen muss. Kein Sex in Uniform. Geben Sie nicht vor, etwas bei Arby’s zu überprüfen und haben dann Sex auf der Toilette dort. Lassen Sie es einfach. Denn sonst müsste ich Sie feuern und das ist unfassbar viel Papierkram für mich, und dann muss ich im nächsten Jahr wieder herkommen und Sie bitten, es nicht noch einmal zu machen. Also bitte zwingen Sie mich nicht dazu.“

Verlegene Lacher sind zu hören und ein paar verschlagene Schulterschubser zu sehen. Jeder erinnert sich an letzte Weihnachten, als Captain Knust Zach Simmons dabei erwischte, wie er auf dem Rücksitz seines Dienstwagens ein bisschen in Weihnachtsstimmung geriet. Mit der Tochter des Captains, die vom College auf Besuch war. Oder an das Jahr davor, als Mike Fox und seine Frau ein kleines Rollenspiel machten und Fox’ Mikro irgendwie klemmte, was zur Folge hatte, dass alle im Dienst ihn Und das hier ist der lange Arm des Gesetzes, sagen hörten, direkt als er kam. Ich frage mich, wer so blöd sein konnte, so einen Scheiß zu machen. Einmal davon abgesehen, dass der Rücksitz der meisten Dienstfahrzeuge ein zu enges Gehäuse aus Vinyl ist, auf das schon draufgekotzt, gepisst oder noch Schlimmeres abgelassen wurde, war es gegen die Vorschriften. Und ich verstoße nicht gegen die Vorschriften. Vorschriften sind wichtig. Es gibt sie aus gutem Grund. Es ist mein Job, die Vorschriften und Regeln zu beschützen, und ich sorge dafür, dass sich jeder daran hält. Es löst in mir eine tiefe Befriedigung aus. Nicht wie ein Hunger nach Macht, oder so etwas. Sondern es ist das gleiche Gefühl, das ich habe, wenn im Fitness-Raum alle Gewichte der Reihenfolge nach sortiert sind. Oder, wenn das Haus geputzt und aufgeräumt ist und der Rasen gemäht. Sauber und ordentlich. Alles an seinem Platz. Ich bin ein Hüter des Gesetzes, damit alles seiner Ordnung nachgehen kann.

Obwohl ich heute an das Mädchen denken muss. An dem Tag herrschte definitiv keine Ordnung. Sie hat einiges an Verkehrsbehinderungen verursacht bei den Leuten, die vom Parkplatz wieder herunterwollten, nachdem sie ihre Kinder abgeliefert hatten. Es gab drei Auffahrunfälle, eine verbale Interaktion zwischen einem Vater und dem Konrektor, und Officer LaTasha Palmer musste einen Sachschaden aufnehmen, denn eine ungeduldige Mutter fuhr über den Randstein und krachte in den Schulzaun.

Es war das reinste Chaos. Unnötiges Chaos. Und dann tauchte die exquisiteste Frau auf, die ich je gesehen habe, und marschierte in ihren engen Leggings und Flip-Flops auf mich zu, und verursachte noch mehr Chaos. Normalerweise hätte ich nicht noch eine aufgebrachte Person begrüßt, die Antworten und Taten sehen wollte, während ich versuchte, das Durcheinander zu entwirren. Aber die Sache war die, dass mir das Mädchen leidtat. Sie erinnerte mich an meine Schwester. Tatsächlich bin ich gar nicht mal so sicher, ob Megan sich nicht auch einmal an die Schule gekettet hatte. Und es war fast eine Erleichterung, als Livia auftauchte und anfing, sie zu verteidigen. Denn ich wollte nicht, dass die Kleine in Schwierigkeiten kam, ich musste mich nur darum kümmern, dass sich der Parkplatz leeren konnte und die Autos aufhörten, ineinanderzuscheppern. Also war ich froh, dass jemand für das Mädchen da war. Und es hat nicht geschadet, dass Livia diese engen Leggings trug, die jede Rundung ihrer süßen Oberschenkel hervorhoben und diesen fabelhaften Hintern. Sogar das T-Shirt war unfreiwillig sexy. Unter dem dünnen Stoff war ein niedlicher rosa BH zu erkennen gewesen, als sie direkt unter der Frühlingssonne stand …

Während ich so darüber nachdenke, regt sich mein Schwanz in der Hose, genau wie heute Morgen, als ich sie ansah. Gott. Ich wollte diesen anbetungswürdig nachlässigen Dutt auseinanderpflücken und ihre Haare um meine Finger wickeln. Wollte die Frau über die Kühlerhaube meines Autos beugen und mit meinen gierigen Händen über ihren gesamten Körper fahren. Ich wollte sie mit einem drängenden Hunger, wie ich schon lange keine Frau mehr wollte.

Ich muss sie wiederfinden.

Schließlich hat sie mir noch keine wirkliche Antwort auf meine Abendesseneinladung gegeben.

Die entmutigte Stimme des Personalchefs holt mich wieder in die Gegenwart. Ich höre ihm zu, während er mehr Beispiele aufzählt, wie es uns verboten ist, im Dienst Sex zu haben. Obwohl ich mich jetzt weniger frage, wer so etwas tut, und mehr ob ich es tun würde. Mit der richtigen Frau. Wie mit einem, sagen wir, braunhaarigen Hitzkopf in Leggings und einem Gesicht, nach dem Disney seine Prinzessinnen kreiert.

Der Personalchef kommt zum Ende und verlässt den Raum mit der resignierten Haltung eines Mannes, der weiß, dass er nächstes Jahr genau hier wieder die gleiche Rede schwingen wird. Der Chief übernimmt die flache Bühne und schenkt uns allen ein schnelles Lächeln, während er das Mikrofon justiert.

„Danke für das Auffrischen der Grundsatzregeln, Eric“, sagt er zum Rücken des sich zurückziehenden Direktors. „Und auch wenn mir bewusst ist, dass wir die Dinge normalerweise anders handhaben, dachte ich, ich nutze die Gelegenheit und stelle mich euren Fragen, die ihr vielleicht habt. Ohne Vorgesetztenkette, ohne Formalitäten. Fragt einfach und ich werde antworten.“

Eine Welle des Interesses geht durch den Raum voller gelangweilter Officer. Unser neuer Chief war die meiste Zeit mehr oder weniger unsichtbar gewesen, steckte in Meetings oder seinem Büro. Jetzt so direkt mit ihm zu sprechen kommt unerwartet, aber nicht unwillkommen. Ich blicke zu meinem Sergeant, Theresa Gutierrez, die bereits eine Augenbraue hebt. Auf eine und, wirst du es tun, oder ich - Weise.

Ich hebe die Hand.

Der Chief lächelt und zeigt auf mich. Sein zweimaliges Blinzeln verrät mir, dass er meinen Namen nicht kennt. „Officer?“

„Hi, ja“, sage ich und mir wird urplötzlich bewusst, dass alle Augen im Saal auf mich gerichtet sind. Ich denke an Livia, ihren Wagemut und ihre Entschlossenheit in Flip-Flops und mit wuscheligem Dutt. Ich denke mir, dass sie mich jetzt gut finden würde und aus irgendeinem Grund jagt das ein sanftes Glühen durch meine Brust. „Ich war der Leiter des Body-Cam-Komitees letztes Jahr und wir haben eine Empfehlung für das Department abgegeben, so schnell wie möglich Kameras für jeden Officer anzuschaffen, der draußen im Einsatz arbeitet. Ich habe mich gefragt, wie weit die Sache ist?“

In der Luft liegt auf einmal eine gewisse Anspannung. Ich hatte nicht nur die Empfehlung des Komitees abgegeben, sondern dazu auch eine detaillierte Kostenanalyse und einen Kostenplan des Herstellers. Dazu hatte ich eine Umfrage im Department gemacht und herausgefunden, dass über siebzig Prozent der Kollegen im Einsatz eine Kamera haben wollten. Doch obwohl ich die ganzen Erkundigungen eingeholt hatte, und die meisten Cops diese Aufrüstung wollten, mauerte die Verwaltung immer wieder.

Das Lächeln des Chiefs gefriert zu etwas, das man nur mit verärgerter Höflichkeit beschreiben kann. „Ich glaube, letzten Monat wurde ein Memo herausgeschickt, das sich mit diesem Anliegen befasste.“

„Bei allem Respekt, Sir, das Memo befasste sich mit gar nichts. Aber wir“, ich mache eine Geste, die den ganzen Raum einschließt, „denken, dass diese Sache wichtig genug ist, dass wir das jetzt geregelt kriegen sollten.“

Nicken und zustimmendes Gemurmel um mich herum. Der Chief gibt sein gezwungenes Lächeln auf.

„Ebenfalls bei allem Respekt Ihnen gegenüber, Officer, diese Entscheidung liegt ein kleines bisschen über Ihrer Gehaltsklasse. Auch wenn ich Ihre Leidenschaft für das Thema zu schätzen weiß, die Budgetierung einer solchen Anschaffung ist kompliziert, ganz zu schweigen von den Aussagen der Bürger über ihre Befürchtungen bezüglich ihrer Privatsphäre. Eine solche Entscheidung kann nicht übers Knie gebrochen werden.“

„Sir, der Vorschlag ist bereits ein Jahr alt. Ich glaube, über eine übereilte Entscheidung müssen Sie sich keine Sorgen mehr machen.“

Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich weiß es schon in der Sekunde, in der es aus meinem Mund kommt. Das war mal ganz locker Insubordination, etwas, für das ich eine Verwarnung kriegen könnte. Und so wie der Chief die Augen verengt, frage ich mich, ob er das vielleicht tatsächlich in Betracht zieht.

„Ich bin mir sicher, was Officer Kelly meint“, grätscht Sergeant Gutierrez galant dazwischen, „ist, dass die meisten anderen Departments der Kansas City Metropolregion Body-Cams bereits in ihr Budget für die kommenden Jahre eingebaut haben. Wenn wir nicht aufpassen, könnte unsere Stadt die einzige sein, die eine veraltete polizeiliche Ausrüstung hat.“

„Ich möchte nur sichergehen, dass wir unsere Bürger so gut wie möglich beschützen und ihnen dienen können“, füge ich noch hinzu.

Der Chief hat wieder ein mechanisches Lächeln aufgesetzt. Wir haben ihn in die Ecke gedrängt und er ist sich dessen bewusst. Denn in einem Saal voller Officer, die täglich draußen im Einsatz sind, kann der Chief nicht zugeben, dass er sich mehr um den Erhalt von Sonderzulagen und Vergünstigungen für höhere Verwaltungsmitarbeiter schert, als Geld für die Sicherheit der Bürger und seiner Officer auszugeben.

„Ich habe es zur Kenntnis genommen“, sagt er nach einer Minute. „Ich werde nach dem Status der Kameras sehen und eine weitere Aktennotiz herausschicken.“

„Danke, Sir“, sage ich. Es ist nicht das, was ich wollte, aber auch kein totaler Reinfall.

Genau wie Livia und ihre kleine Freundin werde ich weiterkämpfen.

„Du musst damit aufhören, mein Sohn.“

Ich sehe von der Couch, auf der ich liege, zu meinem Opa, der in seinem Sessel sitzt und seine dritte, oder vielleicht sogar siebte Tasse Kaffee trinkt. Er sucht auf der Fernbedienung nach der Lautstärkenregelung, damit er die Sendung auf HGTV lauter machen kann, die er sich gerade ansieht. Mein Opa hat zwei Leidenschaften in seinem Lebensabend. Fernsehsendungen über Hauskäufe und schlechter Kaffee. Ersteres bedeutet, er wurschtelt ständig draußen herum, mit dem Ziel, dass die Vorderseite des Hauses immer tipptopp aussieht, obwohl er das Haus gar nicht verkaufen möchte. Und das Zweite bedeutet, dass es bei uns immer riecht wie in einem Diner.

Ja, bei uns. Ich lebe mit meinem Großvater zusammen. Lange Geschichte.

„Womit soll ich aufhören?“, frage ich seufzend.

„Das. Genau das. Das ganze Geseufze. Ich kann die Streiterei dieser Idioten welches Tiny House sie kaufen sollen gar nicht hören, bei all deiner Tagträumerei.“

„Ich tagträume gar nicht … was auch immer das heißen mag.“

Okay. Vielleicht lungere ich ein bisschen herum. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der seinen freien Tag auf der Couch verbringt. Nicht, wenn es Baristas gibt, mit denen man flirten kann, und draußen Asphalt herumliegt, auf dem ich herumstampfen kann bei meinem täglichen Jogging. Aber ich habe bereits sieben Meilen heruntergestampft und war sogar im Fitness-Studio. Meine merkwürdige Laune bin ich dennoch nicht losgeworden. Das liegt teilweise an dem Meeting gestern. Diese Body-Cam-Geschichte hinterlässt in mir das Gefühl einer nicht vollendeten Arbeit und so etwas hasse ich. Aber daran liegt es nur teilweise.

Es ist jemand anderes.

Dieser Jemand ist der Grund, warum ich heute früh mit gar keiner Barista geflirtet habe, oder irgendwelche Nachrichten beantwortet, die ich gestern Abend von meinen neuesten Polizeimarken-Bewunderinnen bekommen beantwortet habe.

Livia Ward.

Ich hatte den Blick nicht von ihr lassen können und jetzt, komplette vierundzwanzig Stunden danach, fühlt es sich an, als stünde sie immer noch vor mir und verdeckt alle anderen. Ich muss sie haben. Abendessen, Drinks, Handschellen. Das Kelly-Trio. Und ich brauche alles, das ganze Programm, vielleicht mindestens zwei- oder dreimal. Vielleicht kann ich dann wieder wie ein normaler Mensch denken.

Opa nimmt einen Schluck Kaffee und stellt die Tasse neben sein iPad mini, das er nur für Mahjong und ein Spiel namens Ant Smasher benutzt. Dann faltet er seine knubbeligen Hände über seinem Bauch und schickt einen Lass-den-Scheiß-Blick zu mir herüber. Ich nenne ihn auch den Vietnam-Blick. Es ist einer der sagt: Ich war in einem verfluchten Krieg. Glaubst du etwa, du kannst mir etwas vormachen?

„Mein Sohn“, sagt Opa, wobei er immer noch den Vietnam-Blick drauf hat. „Du hast den ganzen Morgen durchgeseufzt. Du hast vor dem Fitness-Studio geseufzt. Du bist heimgekommen und hast geseufzt. Jetzt seufzt du sogar die Tiny Häuser an, die das gar nicht verdient haben. Geht’s um eine Frau? Hast du eine kennengelernt?“

„Ich lerne viele Frauen kennen, Opa.“

„Ich rede nicht von den Frauen, die du dir aussuchst, um Schürzen zu jagen.“

„Schürzen jagen?“

Opa verdreht die Augen. „Na, jemanden klarmachen. Anbandeln! Ich dachte, deine Generation ist so superschlau!“

Ich sehe ihn nur an, blinzele einmal.

„Was ich sagen will, du seufzt nie über diese Frauen. Also muss sie etwas Besonderes sein.“

Etwas Besonderes. Ich muss an ihr dichtes Haar denken, das die Farbe von Kaffee mit einem Schuss Sahne hat. Ich muss an ihre Haut denken, glatt und rein in der Farbe von hellem Karamell. Ich denke daran, wie sie sich einer Horde Lehrerinnen entgegengestellt hat, um ihre Freundin in Schutz zu nehmen. Und ich denke an die Leggings, so eng und so dünn. So dünn, dass ich sie mit bloßen Händen auseinanderreißen könnte, um an diesen perfekten Hintern darunter …

Ja, Livia ist wirklich etwas Besonderes.

„Chase, mein Junge. Du tagträumst schon wieder.“

„Okay, okay. Da war eine Frau gestern beim Einsatz. Sie war wunderschön und temperamentvoll und …“ Ich suche nach dem richtigen Wort. „Zerbrechlich.“

Opa schüttelt den Kopf. „Also, man zieht nicht los und rettet die Jungfrau in Nöten, nur weil man denkt, sie wäre in Nöten. Sie muss wahrscheinlich gar nicht gerettet werden, ganz besonders nicht von jemandem wie dir.“

Es klingelt an der Tür, dann viermal hintereinander, als ob jemand echt viel Spaß an der Möglichkeit hat, auf eine Klingel zu drücken. Ich weiß genau, wer das ist. Ich schwinge die Beine von der Couch und frage Opa: „Von jemandem wie mir? Ich bin ein Cop. Jungfrauen zu retten steht in der Jobbeschreibung.“

„Ich rede nicht von deinem Job. Ich rede von dem Kerl, der ein Schürzenjäger ist.“

Ich öffne die Tür, während ich mir in den Bart murmele: „Ich hab immer noch keine Ahnung, was ein Schürzenjäger sein soll.“

Phil, mein Schwager, steht vor mir und hält ein müdes Baby im Arm und einen herumdotzenden Vierjährigen an der Hand, der mit ziemlicher Sicherheit der irre Klingler gewesen ist.

„Ah. Schürzenjäger“, sagt Phil und betritt mit seinen Söhnen das Haus. „Altmodische Bezeichnung für einen Mann, der ständig Frauen umwirbt und für erotische, sexuelle Beziehungen zu gewinnen sucht.“

„Siehst du? Du bist der Einzige, der nicht weiß, was das bedeutet, Chase“, sagt Opa aus dem Wohnzimmer.

Mein ältester Neffe, Keon, rennt zum Sessel und klettert auf Opas Bauch. Sofort greift er nach dem iPad. „Ant Smasher“, fordert er.

Bei der Erwähnung des Spiels hebt Josiah, mein anderer Neffe, den Kopf von der Schulter seines Vaters. Dieser stellt ihn auf den Boden, wobei der Schnuller fest in Josiahs Mund steckt und er die Plüschkuh fest im Arm behält. Er geht auch hinüber zu Pops Sessel. Bald sitzen die beiden glücklich links und rechts von Opa und das iPad liegt auf Opas Bauch zwischen ihnen. Opa ist sogar noch glücklicher mit seinen beiden Urenkeln zu kuscheln. Er streichelt ihnen mit seinen altersfleckigen Händen über die Lockenköpfe.

Ich wende mich an Phil und nehme ihm Josiahs Wickeltasche ab. „Gut gemacht, das mit dem Schürzen jagen.“

Er grinst. „Ein bisschen geschummelt, da ich derzeit Vorlesungen über Literatur des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts halte. Ich habe die letzten drei Wochen nichts anderes gelesen.“

Phil unterrichtet Amerikanische Literatur an der Universität von Missouri in Kansas City. Donnerstags arbeiten er und meine Schwester abends, was bedeutet, dass die Donnerstage meine Tage sind, an denen ich auf meine Neffen aufpasse. Die beiden bedeuten mir alles. Sie sind lebhafte, pausbackige, quirlige, kleine Energiebündel und ich würde alles für sie tun. Was nicht nur heißt, dass ich versuche, der allerbeste Onkel Chase zu sein, sondern auch der allerbeste Officer Kelly.

Denn Phil ist schwarz, was bedeutet, dass meine Neffen schwarz sind. Was bedeutet, dass es ab und zu in den letzten paar Jahren ein bisschen unangenehm für meine Familie war, weil ich bei der Polizei bin. Aber ich arbeite daran, ich lerne und höre zu. Phil half mir, den Body-Cam-Antrag für mein Department aufzusetzen und ich bin in seinen Unterricht gegangen, um über Polizeiarbeit zu sprechen. Es gab schwierige Phasen, schwierige Diskussionen, und es gibt noch eine ganze Menge, wovon ich keine Ahnung habe, aber wir geben uns als Familie alle Mühe. Für Megan, meine Schwester und Phils Ehefrau. Für Keon und Josiah, die sich gerade köstlich über tote Ameisen auf dem iPad amüsieren und Opa zum Lachen bringen, während sie gleichzeitig versuchen, die virtuellen Ameisen zu zerdrücken.

Phil gibt Pop die Hand, mir eine schnelle Einweisung über den Inhalt der Wickeltasche, während wir zur Tür gehen. „JoJo will heute nur Trauben, aber wenn Megan fragt, dann hatte er Gemüse und auch Eiweiß zum Essen. Sie steht auf diese Ernährungspyramide in letzter Zeit.“

„Verstanden. Und wenn sie mich beim Lügen erwischt, schiebe ich die Schuld auf dich.“

Phil schüttelt den Kopf. „Erwachsen und hat schiss vor seiner kleinen Schwester.“

„Hast du sie mal kennengelernt? Selbstverständlich hab ich schiss vor ihr.“

Nach einem kurzen Zögern lächelt Phil. „Ich auch.“

Nachdem mein Schwager gegangen ist, stehe ich noch einen Moment im Flur und denke an meine Schwester. Als Phil ihren Namen sagte, ist die Blubberblase eines Gedankens hochgekommen … eine Blubberblase mit dunklen Augen und Leggings …

Livia sagte, dass sie zusammen mit ihrer kleinen Freundin in der Bibliothek arbeitet. Heißt das, dass sie selbst in der Bibliothek arbeitet? Sicher nicht. Megan arbeitet dort schon seit Jahren, es kann nicht sein, dass mir Livia dort noch nicht aufgefallen ist. Vielleicht ist sie eine Lehrerin? Viele Lehrer treffen sich mit ihren Schülern und Studenten in der Bibliothek. Oder vielleicht ist sie eine freie Mitarbeiterin? Megan wird es sicher wissen. Megan kennt alle ihre Kollegen, freie Mitarbeiter und Besucher, die ihre Domäne aufsuchen. Ganz besonders jemand wie Livia, aufbrausend und bereit, sich mit der Polizei anzulegen, der Schule, und überhaupt jedem. Ich grinse in mich hinein, erinnere mich daran, wie sie mit dem Plakat gewedelt hat. Ich frage mich, ob sie auch so energisch im Bett ist. Und ich hege keinen Zweifel daran, dass sie in meinem Bett landen wird. Ich bin schließlich Chase Kelly. Ich kriege immer die Frau, die ich will. Und ich kriege sie schnell und mühelos. Es ist Zeit, mein Gemütstief über das Body-Cam-Drama auf der Arbeit abzulegen und wieder zurück ins Spiel zu finden. In mein Lieblingsspiel.

Ich schnappe mir Geldbörse und Handy, werfe einen Blick in den Spiegel auf meine Jeans und mein Captain-America T-Shirt und dann, sexy Hammertyp, der ich bin, schultere ich die Wickeltasche und hole den roten Bollerwagen aus der Garage. Ich gehe wieder rein zu meinen Neffen, bereit, sie mit Weintrauben und so vielen Bilderbüchern, wie sie nur tragen können, zu locken.

„Wer will mit mir Mama bei der Arbeit besuchen?“

Kapitel 3

Livia

„Ist es schon wieder passiert?“, sagt Megan halb fragend, halb rufend.

„Yep“, sage ich leise. In der Kinderbuchabteilung der Bibliothek ist heute Abend nicht viel los. Aber diese Art von Unterhaltung käme nicht besonders gut an, sollten ein paar überbehütende Eltern mithören.

„Er hatte einen Logan O’Toole Porno. Dieses Mal hab ich ihn mittendrin ertappt.“

„Du meinst … mittendrin?“ Sie hebt die Hände und sieht zu, dass keiner der Besucher sie sieht, und macht eine Bewegung, als würde sie jemandem einen runterholen.

Ich nicke. Es ist das dritte Mal diesen Monat, dass ich jemanden erwische, der die Computer der Bibliothek für etwas sehr Privates benutzt. Auch wenn ich mich schon daran gewöhnt haben sollte, erstaunt es mich doch jedes Mal.

„Was hast du ihm gesagt?“ Megans Augen sind riesig.

Bisher war das die einzige Aufregung an diesem sehr lahmen Abend. Als Chefin der Kinderbuchabteilung muss sie sich normalerweise nicht um solche Sachen kümmern, was die Geschichte besonders aufregend macht. Allerdings hatte sie einmal einen Exhibitionisten. Ein älterer Herr in einem Trenchcoat mit Wollmütze und weißen Kniestrümpfen, der seinen Gürtel mitten in der Vorlesestunde von Brauner Bär, wen siehst denn du? geöffnet hatte.

„Glaub mir“, sagt Megan jedes Mal, wenn sie davon erzählt. „Brauner Bär hatte nicht viel zu sehen.“

Obwohl ich schon einige Privatnutzer in meiner Karriere gesehen habe, war es heute das erste Mal, dass ich einen Mann mit seinem persönlichen Nutzer in der Hand erwischt habe. Ich bin immer noch etwas benommen, aber ich glaube, ich habe gut reagiert. „Ich habe ihm gesagt: Sir, diese Computer sind für die öffentliche Nutzung gedacht und das Ansehen von Pornografie ist strikt verboten. Bitte seien Sie so gut, loggen sich aus und verlassen Sie die Bibliothek.“

Megan lacht und legt sich die Hand über den Mund, als ihr klar wird, dass sie zu laut ist. „Desinfiziere das Gerät und sprühe es dann noch mal mit Chlorbleiche ein. Und sag mir, welcher Computer es war, damit ich den niemals selbst benutze.“

„Es ist egal, ob ich dir sage welcher es war, denn die sind alle schon einmal für diesen Zweck benutzt worden, da bin ich mir sicher. Männer sind widerlich.“

Ich lehne mich über ihren Tresen und stütze das Kinn auf den Händen ab. Ich bin immer noch dabei, sie kennenzulernen. Aber ich habe schon ein paar Dinge über sie erfahren. Ich habe ihren Mann und ihre beiden Söhne gesehen und sie hat ihren einzigen Bruder schon erwähnt. „Du bist umzingelt von Männern. Wie kriegst du das alles gebacken, mit so viel Testosteron um dich herum?“

Sie zuckt mit den Schultern und fährt fort, Formen aus buntem Pappkarton zu schneiden. „Mein Bruder und ich sind von unserem Opa großgezogen worden. Ich kenne nichts anderes.“ Sie neigt den Kopf und sieht mich an. „Hasst du Männer wirklich so sehr?“

Beleidigt stelle ich mich aufrecht hin. „Ich hasse Männer überhaupt nicht. Ich hasse doch auch keine Kängurus, aber ich hätte wahrscheinlich mehr Glück, dass so eins bei mir bleibt.“

„Das ist ein dummer Vergleich. Wo zum Geier findet man in Kansas ein Känguru? Du hast eben nur noch nicht den richtigen Typen kennengelernt. Der richtige Mann, der bei dir bleibt. Schau dir Phil an.“

Sie versteht mich nicht. Ich meine, dass es genauso schwierig ist, einen anständigen Mann zu finden, wie ein Känguru. Daher habe ich aufgehört zu suchen. Es ist nicht leicht, das verständlich zu machen, ohne wie eine Versagerin zu klingen. Oder asexuell. Aber ich mag Megan, also versuche ich es trotzdem.

„Du hast nicht gewusst, dass Phil der Richtige ist, bis du ihm die Chance gegeben hast, der Falsche zu sein, oder?“

Sie hält beim Schneiden inne und einen Moment befürchte ich, sie wird mir sagen, dass sie wusste, es war Liebe auf den ersten Blick. Nach einem Moment sagt sie: „Ich denke nicht, nein.“

„Genau“, sage ich, als ob ich gerade beim Bingo gewonnen hätte. „Und ich will das nicht tun. Ich will es nicht nicht wissen. Ich will diese Unsicherheit nicht. Ich bin durch mit Chancen geben.“

Sie öffnet den Mund und ich ahne, dass sie dagegen etwas einzuwenden hat, aber ich möchte es nicht hören. Ich habe meinen Entschluss dahin gehend gefasst. Also rede ich weiter, bevor sie reden kann. „Schau. Ich hatte drei feste Freunde. Nicht so viele, wie manch andere, aber genug, um meine Lehren daraus zu ziehen. Beziehungen sind wie ein Roulettespiel. Die Chancen stehen hoch, dass der Ball nicht auf deiner Nummer landet. Du hast mit Phil Glück gehabt. Aber wie oft ist der Ball woanders gelandet, bevor Phil auf dir gelandet ist?“

Sie gibt sich nicht einmal Mühe ihr Grinsen zu verstecken. „Keine Ahnung, Phil ist ziemlich schnell auf mir gelandet.“

Ich fahre mir mit zwei Fingern über die Stirn und seufze. „Ich habe nicht …“

„Ich weiß, was du meinst“, schnaubt sie. „So ist das Leben nun mal, Liv. Ohne Risiko kann dir auch nichts Gutes passieren.“

Ich erkenne, dass sie ungehalten ist mit mir und ich hasse es, wenn Leute wegen mir ungehalten sind. So sehr, dass ich ihr, wenn ich nicht gerade erst neunundzwanzig geworden wäre, sagen würde, dass sie recht hat. Auch, wenn sie das in meinem Fall eindeutig nicht hat. Da ich mich aber dem Tod nähere, bin ich kühner was die Dinge betrifft, an die ich glaube. Und an diese Sache glaube ich ganz besonders.

„Ich ziehe es vor, ohne gebrochenem Herzen zu leben, herzlichen Dank auch. Ich mag die Sicherheitszone. Vielleicht sind die Belohnungen nicht so aufregend, aber ich weiß, was ich kriege.“

Megans Kinnpartie verhärtet sich. „Lass mich raten. Nach Las Vegas zu fahren, um es richtig krachen zu lassen, gefällt dir auch nicht.“

„Igitt, nein.“ Ich schüttele mich.

Sie schüttelt den Kopf, nicht in der Lage das Rätsel, das ich bin, zu lösen. „Also, wenn du glücklich in deinem Job bist, in deinem Zuhause, und keinen Mann willst, dann weiß ich nicht, was dir fehlt. Vielleicht ein Hund.“

Ihre Augen leuchten auf und ich drehe mich um, um zu sehen, wo sie hinschaut, und sehe Keon, Megans ältesten Sohn auf uns zu laufen. Gefolgt von Josiah, seinem kleinen Bruder. Er schafft es kaum, den langen Weg zu gehen, ohne über seine eigenen Füßchen zu stolpern. Die Plüschkuh wippt an seiner Seite auf und ab, während er bemüht ist, mit den Ärmchen das Gleichgewicht zu halten. Mir wird warm ums Herz angesichts dieser überwältigenden Niedlichkeit. Ist dieses Gefühl mit dem Ausdruck explodierende Eierstöcke gemeint?

„Ja so etwas in der Art“, antworte ich, ohne dass ich vorhätte, mir einen Hund zuzulegen. Aber etwas will ich ganz sicher.

Josiah macht mit seinem Schnuller im Mund gurrende Geräusche, als er sich seiner Mama nähert, und ich grinse breit. Beiläufig fällt mein Blick auf den des Mannes, der hinter den beiden Jungs den Raum betritt. Ich erwarte, dass es Phil ist, also bin ich überrascht, dass er es nicht ist. Dann bin ich geschockt, als mir klar wird, wer es stattdessen ist.

Officer Hot Cop Kelly.

Officer Ich-bin-auch-in-Jeans-sexy Kelly.

Officer Ich-trage-keine-Sonnenbrille-und-jetzt-musst-du-in-den-Tiefen-meiner-Augen-ertrinken Kelly.

In seinen blauen, blauen Augen. Sie sind wie Seen aus Kobaltblau und ich vergesse zu blinzeln, während ich in sie hineinstarre. Vergesse, wie man atmet. Vergesse wegzusehen.

Also gut, das ist es, was sie meinen, wenn sie von explodierenden Eierstöcken sprechen. Meine explodieren gerade. Sie sind in die Luft geflogen. Kabumm. Seine männliche Aura hat Signale an meinen Babymacher gefunkt und eine spontane Verbrennung ausgelöst. So heiß ist dieser Mann. Und er trägt noch nicht einmal seine Uniform. Man stelle sich vor, er trägt überhaupt nichts … schlechte Idee. Ganz schlecht. Meine Knie knicken ein und ich muss mich am Tresen festhalten. Ich stelle mir schnell wieder vor, wie er Klamotten anhat, aber nicht, bevor ich mir seinen Waschbrettbauch vorgestellt habe, den er kaum unter diesem engen T-Shirt verbergen kann. Oh Gott, mir wird schwindelig. Zu schwindelig, um ihn zu fragen, warum er hier ist.

Danke Gott für Megan. „Lass mich raten“, sagt sie und zeigt mit der Schere auf die Wickeltasche, die über Officer Kellys Schulter hängt, wie ich jetzt erst sehe. „Phil hat was vergessen einzupacken.“