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Charmantes Geschenkbuch vom international erfolgreichen Autor und Illustrator
Philosophie müsse für Laien verständlich sein, forderte der Philosoph Karl Jaspers – und spricht Helme Heine damit aus der Seele. Der weltberühmte Zeichner und Autor, dessen Kinderbücher heißgeliebte Klassiker sind, hat sich von der Lust an der Erkenntnis beflügeln lassen. Die Kerngedanken bedeutender Denker hat er in knappe, schwebend leichte Texte gefasst. Ihre »Seelenbilder«, wie sie ihm in ihren Werken und Lebensläufen begegnet sind, hat er in amüsant-hintergründigen Porträts eingefangen. Bilder und Texte beflügeln Neugier und Phantasie. Wenn etwa Heraklit, für den der Weg hinauf derselbe ist wie der Weg hinab, die Leiter hinabstürzt. Oder wenn Pythagoras, der Gott für einen Mathematiker hielt, mit Kreis, Dreieck und Viereck auf einer von ihm als minderwertig erachteten Geraden balanciert. Helme Heine schöpft ohne Scheu aus den Schatzkammern der Philosophie und verführt mit leichter Hand zum Denken.
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Seitenzahl: 90
Helme Heine
Oh … diese Philosophen
C. Bertelsmann
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© 2015 by C. Bertelsmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Umschlaggestaltung: buxdesign München
Satz:DTPim Verlag
ISBN978-3-641-16432-4V002
Für KiKi
Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen
(frei nach Karl Valentin)
oder
Das Denken schadet der Dummheit
Prolog
Karl Jaspers forderte seine Kollegen auf, die Philosophie müsse für den Laien verständlich sein.
Dies ist ein wunderbarer Vorsatz, aber Philosophen sind oft mathematisch trainierte Sprachkünstler, Hirn- und Wortakrobaten, deren vornehmliches Interesse es ist, sich gegenseitig zu beobachten und zu bewerten. Alle schreiben über den Menschen, aber nicht für ihn. Die Namen der meisten Philosophen kennen wir nur noch aus dem Kreuzworträtsel. Gern würzen wir unsere Reden mit philosophischen Zitaten, witzeln über das Ding an sich, wir packen die Peitsche ein oder aus, wenn wir zum Weibe gehen, wir fahren am Wochenende ins Grüne, zurück zur Natur, wir gehen nicht mehr in die Kirche, weil Gott tot ist. Dieses Buch ist der Versuch, die abendländische Philosophie und ihre Schöpfer auf wenigen Seiten vorzustellen und die Neugier zu wecken. Als Maler und Zeichner hat es mich gereizt, alle Protagonisten zu portraitieren. Mir ging es nicht um äußere Ähnlichkeit, sondern um ein Seelenbild. Ich stelle sie so dar, wie sie mir in ihren Werken, in ihrer Sprache und in ihren Lebensläufen begegnet sind.
P.S. Die überlieferten Lebensdaten der antiken Philosophen variieren. Ich habe mich an den gängigen Angaben orientiert. In der Reihenfolge halte ich mich nicht streng an das Geburtsjahr der Protagonisten, sondern berücksichtige inhaltliche Bezüge, die, wie könnte es anders sein, meine persönliche Sicht der Dinge spiegeln. Ich folge Nietzsche: Aus drei Anekdoten ist es möglich, das Bild eines Menschen zu geben.Helme Heine
Philosophie, was ist das?
Die Philosophie ist im Niemandsland zwischen Naturwissenschaft und Theologie beheimatet.
Die Wissenschaftler wollen wissen. Die Theologen wollen glauben. Und die Philosophen glauben zu wissen.
Alles Personal dieser drei Disziplinen beschäftigt sich mit dem Geist. Die Theologen suchen den Heiligen Geist im Gebet. Die Wissenschaftler zählen, messen und wiegen den Geist im Versuch, und die Philosophen kritisieren den Zeitgeist.
Philosophieren heißt, alles in Frage zu stellen.
Woran erkennt man einen Philosophen?
Er ist männlich. Die gesetzliche Frauenquote hat in dieser Berufssparte wenig Aussicht auf Erfolg.
Er wird gern und oft zitiert. Man hütet einen dicken Wälzer von ihm im Bücherregal, hat diesen aber selten gelesen, weil er für den Laien so verständlich ist wie eine technische Betriebsanleitung.
Er ist weltfremd. Es geht ihm nicht um die Dinge in der Welt, sondern um das Wesen der Dinge.
Er ist unsportlich. Statt sich körperlich zu betätigen, sitzt er lieber still am Schreibtisch und aktiviert seine Hirnstromkurven.
Er ist streitsüchtig. Seit der Antike diskutiert er bis zum heutigen Tag das gleiche Thema: Ist die Welt vom materiellen Prinzip her zu verstehen, oder ist sie Ausdruck eines göttlichen Prinzips?
Er lacht selten, denn er ist ein Philo-sophos, ein Liebhaber der Weisheit, der das Leben todernst nimmt.
Er ist nicht verheiratet. In der Antike liebte er die Knaben, im Mittelalter die Kirche und in der Neuzeit sein Ego.
DIE ANTIKE
Die Antike
624 v. Chr. – 400 n. Chr.
Die Kindheit des Menschen währte Jahrtausende. Überleben konnte der Einzelne nur in der Familie, in einem Stamm, in einem Volk; er war Teil einer verschworenen Gemeinschaft. Das WIR war alles, das ICH existierte nicht.
Dann aber, urplötzlich, endete im vorchristlichen 6. Jahrhundert die Kindheit des Menschen. Es war, als hätte er einen Apfel vom Baum der Erkenntnis gepflückt. Man könnte auch sagen, er pubertierte, denn wie alle Pubertierenden entdeckte er die eigene Körperlichkeit, die Dreidimensionalität. Nackt und frei stellte er sich dar, erfand und begriff die Geometrie, die Lehre von den Körpern. Mit Erstaunen sah er sich in der Welt um, stellte Fragen, suchte nach Antworten und wurde philosophisch.
Thales von Milet
624 – 546 v.Chr.
Warum?
Wir erinnern uns an den Namen Thales von Milet aus der Schulzeit, an seine Lehrsätze aus der Geometrie: Die Winkelsumme eines Dreiecks beträgt 18o Grad, und alle Winkel am Halbkreisbogen sind rechte Winkel.
Vergessen?
Warum hat uns unser Mathematiklehrer nichts aus Thales’ privatem Leben erzählt? Dass er zum Beispiel berühmt wurde, weil er eine Sonnenfinsternis vorausgesagt hatte. Diese Erkenntnis scheint er von babylonischen Astronomen übernommen zu haben, die herausfanden, dass sich Himmelsverfinsterungen in Zyklen wiederholen. Fortan wird er viel nach oben geblickt haben, um die Sterne zu beobachten, denn eines Tages fiel er in einen Brunnen. Eine Magd, die das sah, lästerte über ihn. Er wolle wohl wissen, was am Himmel sei, dabei bleibe ihm verborgen, was vor ihm und zu seinen Füßen liege.
Ganz Milet wird über diesen peinlichen Vorfall gelacht haben, den Thales zum Glück für die Philosophie lebend überstand.
Erste geometrische Kenntnisse eignete er sich in Ägypten an, die es ihm ermöglichten, die Entfernung eines Schiffes auf See durch Beobachtung von zwei Landpunkten aus zu berechnen.
Daraufhin soll ihn der dortige Herrscher aufgefordert haben, die Höhe der Pyramide zu berechnen. Thales wartete, bis sein eigener Schatten seiner Körpergröße entsprach, und folgerte daraus, dass zu demselben Zeitpunkt der Schatten der Pyramide ihrer Höhe entsprechen musste. Eine geniale Analogie.
In den Augen der Zeitgenossen waren solche Erkenntnisse jedoch brotlose Kunst. Sie belächelten den armen Philosophen. Da bewies er ihnen, dass er auch als Geschäftsmann findig war: Er hatte frühzeitig erkannt, dass eine gute Olivenernte anstand, kaufte alle Ölpressen auf und lieh sie zu gegebener Zeit gegen eine horrende Gebühr aus. Damit zeigte er allen Spöttern, dass man auch als Philosoph reich werden konnte, wenn man nur wollte, dass dies aber nicht sein Ehrgeiz war.
Thales wird lange im Elternhaus gelebt haben, denn als seine Mutter ihn fragte, warum er nicht heiratete, war seine Antwort: zu früh. Zehn Jahre später wollte sie erneut wissen, warum er sich keine Frau suchte. Seine Antwort: zu spät. Philosophisch wurde er erst, als sie sich erkundigte, warum er keine Kinder zeugen wollte. Seine Antwort: aus Liebe zu den Kindern.
Thales schien für alles und jeden eine Antwort parat zu haben. Kein Wunder, dass sich viele Menschen Rat bei ihm holten. Sich selbst zu kennen hielt er für die schwierigste Aufgabe im Leben. Am leichtesten sei es, anderen einen Rat zu geben. Auf die Frage, wie man das Leben tugendhaft meistern könne, antwortete er: Tu niemals das, was du an anderen verurteilst.
Thales war der erste Philosoph der Weltgeschichte, der erste Mensch, der sich die Frage stellte: Was ist das Wesen von allem, was der Ursprung, das Prinzip?
Seine Antwort: Es ist das Wasser. Es sei ewigem Wandel unterworfen und bleibe dennoch immer dasselbe, mal als Dampf, mal als Eis, Regen, Schnee, Wolken, Fluss, See, Meer. Selbst die Erde ruhe auf Wasser.
Alles unterliegt einem ewigen Kreislauf. Die Welt ist ein tragisches Widerspiel. Geburt und Tod, Entstehen und Vergehen. Warum?
Anaximander
611 – 546 v. Chr.
Sterben heißt Platz machen
Anaximander war ein Schüler des großen Thales. Er griff die Idee seines Lehrers auf, dass Leben ohne Wasser nicht möglich sei. Das Ei sei flüssig, die Pflanze habe Saft, in allen Körpern fließe Blut. Er folgerte, dass alles Leben im Wasser entstehe, wie die Kaulquappe, die sich verwandelt und als Frosch auf dem Land lebt. Wie der Mensch, der vor der Geburt im Fruchtwasser der Frau schwimmt. Folglich komme alles Leben aus dem Meer, auch der Mensch, der vor Urzeiten noch fischartig war.
Außerdem betätigte sich Anaximander als Geograph. Er soll sowohl eine Landkarte entwickelt haben als auch eine Himmelskarte zur Orientierung für Schiffe bei Nacht.
Er glaubte, dass die Welt frei in der Luft schwebe, allerdings nicht in Kugelform, sondern in Gestalt eines Zylinders.
Darüber hinaus wissen wir wenig über ihn. Beim Tod seines Lehrers wird er an dessen dringlichste Fragen erinnert worden sein: Warum ist alles vergänglich? Warum kann das Leben nicht ewig währen? Warum muss alles entstehen und vergehen? Warum müssen wir sterben?
Am Grab des Meisters kam ihm die Erleuchtung:
Die Dinge müssen sterben, um Platz zu machen für das Neue.
Würde alles im Dasein verharren, behinderte sich das Schöpferische.
Parmenides
ca. 515 – 450 v. Chr.
Philosophie ist Musik
Parmenides, geboren in Elea, stammte wie so viele Philosophen aus wohlhabendem Hause, was ihm ermöglichte, über sich und die Welt nachzudenken. Geld macht sorgenfrei.
Um das Haus, die Wäsche und den Garten kümmerten sich Sklaven. Die gängige antike Auffassung zum Thema Menschenrechte und Gesellschaftsordnung war: ohne Sklaven keine Kultur.
Er ging nach Ägypten, um dort Logik und Astronomie zu unterrichten. Auf der Rückfahrt machte er Halt in Athen. Es wird berichtet, er habe dort mit Sokrates über Gott und die Welt diskutiert. Er glaubte, dass die Welt, in der wir leben, nur eine Scheinwelt sei, die wir mit unseren Sinnen nicht erfassen können.
Sokrates, der gerade ein Buch von ihm gelesen hatte, sagte, um es zu verstehen, müsse man tief in sein Werk eintauchen. Um es seinen Anhängern zu erleichtern, schrieb Parmenides seine philosophischen Gedanken in Versform nieder und trug sie gern gesungen vor.
Es mag abwegig klingen, aber die Musik war zu seiner Zeit ein nicht wegzudenkender Teil des philosophischen Unterrichts. Musik war kein musisches Fach im heutigen Sinne, sondern wurde zusammen mit Algebra, Geometrie, und Astronomie gelehrt, denn Musik bedarf der Zahl. Die Tonabstände von Quarte, Quinte und Oktave entsprechen den Zahlenverhältnissen 3:4, 2:3 und 1:2.
Es gab drei Stilarten der Musik: solche, die in Ekstase versetzte; eine andere, die zum heroischen Handeln anfeuerte, und eine weitere, die ein seelisches Gleichgewicht erzeugte. Es ist anzunehmen, dass Parmenides letztere wählte, wenn er die Leier schlug und sein Lehrgedicht über die Natur sang.
Pythagoras
570 – 495 v. Chr.
Die Welt besteht nur aus Zahlen