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Matt Whyman

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Beschreibung

Schwein gehabt! – Charmant, offen und mit viel Herz bringt Matt Whyman den (fast) ganz normalen Familienwahnsinn auf den Punkt

Nachdem Matt Whymans sechsköpfige Familie eine der beiden Hauskatzen durch einen Autounfall und zwei der drei Haushühner durch einen Fuchs verloren hat, muss dringend ein neues tierisches Familienmitglied her. Das jedenfalls meint Matts Frau Emma, der das Haus nie voll genug sein kann. Im Scherz schlägt Matt ein Schwein vor. Ein Scherz mit Folgen. Denn was Emma sich in den Kopf setzt, führt sie auch aus. Und so dauert es nicht lange, bis der Whyman‘sche Familienverband neben den Kindern Lou, May, Honey und Frank, dem soziopathischen Kater Miso, der ehemaligen Legehenne Maggie und dem Schäferhund Sesi auch die beiden Minischweine Roxi und Butch umfasst. Die beiden – ach so niiiedlichen – Neuankömmlinge gedeihen prächtig. Und sie machen sich schnell daran, Haus und Familie völlig auf den Kopf zu stellen ...

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Inhaltsverzeichnis

InschriftPROLOGTEIL 1
1 - VON KINDERN UND TIEREN2 - DER BESTE FREUND EINES ECHTEN MANNES3 - INVASION DER HAUSTIERE4 - EINE FRAGE DER GRÖSSE5 - EIN SCHNELLKURS IN SACHEN SCHWEINEHALTUNG6 - STOLZ UND VORBEREITUNG7 - AUFTRITT DER MINISCHWEINE8 - ERZIEHUNGSVERSUCHE9 - WIE VIEL ARBEIT KÖNNEN SIE DENN SCHON MACHEN?10 - KRÄFTEMESSEN11 - EINE SCHANDE FÜR DIE FAMILIE
TEIL 2
12 - EIN TRUNKENBOLD MIT BAGGER13 - GEH AUF DEN MARKT, KAUF DIR ‘NE KUH, KÄLBCHEN DAZU …14 - AUF DEM PRÜFSTAND15 - VERLUST16 - MUSKELN UND SCHWEISS17 - KNASTVÖGEL18 - NÄCHTLICHE RUHESTÖRUNG19 - AUF DEN PUNKT GEBRACHT20 - ANS HAUS GEFESSELT21 - ALLES EINE FRAGE DER RÄUMLICHKEITEN22 - IN DER WILDNIS
TEIL 3
23 - DIE NÖTIGE AUSRÜSTUNG24 - OPERATION MINISCHWEIN25 - DEN KÜRZEREN GEZOGEN26 - NATUR UND SCHWERKRAFT27 - BEIM DRITTEN MAL KLAPPT’S28 - EINES UNSERER SCHWEINCHEN FEHLT
EPILOGUND NOCH EIN NACHTRAGDANKSAGUNGANMERKUNG DES AUTORSCopyright

Dieses Buch ist meiner Frau Emma gewidmet. Ohne sie wäre das alles nicht passiert.

Denk immer daran: Eine Katze sieht auf den Menschen herab, ein Hund schaut zum Menschen auf, aber ein Schwein blickt dem Menschen direkt in die Augen und erkennt seinesgleichen.

Winston Churchill

PROLOG

Das ist der Moment, den jede Familie mit Haustieren fürchtet. Die Kinder kommen fröhlich von der Schule nach Hause, wo man sie mit ernster Miene erwartet. Suchend sehen sie sich um, weil irgendetwas nicht so ist wie sonst, und dann muss man ihnen die Neuigkeiten beibringen. In unserem Fall war unsere geliebte Katze Misty auf der Landstraße vor unserem Haus überfahren worden.

»Hört mal, ich muss euch was sagen …«

Zumindest hatte Misty nicht leiden müssen. Aber das war für meine vier heulenden Kinder nur ein schwacher Trost, auch wenn ich diese Information aus sicherer Quelle hatte. Wie sich nämlich herausstellte, war der Fahrer des Unglücksfahrzeugs Tierarzt. Er war auf dem Weg zu einem Notfall gewesen, als sich der Unfall ereignete. Als er mir den sorgsam in ein Handtuch gewickelten Leichnam unserer armen Katze übergab, versicherte er mir nachdrücklich, dass alles ganz schnell gegangen war. Ich bemühte mich, versöhnlich zu reagieren, und meinte, dass solche Sachen eben passierten. Es wäre mir nur lieber gewesen, wenn es nicht genau in dem Moment passiert wäre, als ich zu einem Zahnarzttermin aufbrechen wollte und ohnehin schon zu spät dran war. Denn so legte ich das Bündel einfach auf den kleinen Schuppen hinter unserem Haus und nahm mir vor, mich später darum zu kümmern.

Während ich auf dem Behandlungsstuhl saß und mich über den Gebrauch von Zahnseide aufklären ließ, beschloss ich, Vorbereitungen für ein kleines Begräbnis in unserem Garten zu treffen. Das letzte Mal hatte der schreckliche Tiermörder in Gestalt eines Fuchses an unsere Haustür geklopft, der über zwei meiner drei Hühner herfiel. Damals hatte ich die sterblichen Überreste in einen Futtersack gestopft und in den Wald geworfen. Als meine Kinder das herausfanden, waren sie erschüttert. In ihren Augen hatte ich zwei Familienmitglieder einfach entsorgt, indem ich sie an wilde Tiere verfüttert hatte. Deshalb sollte es dieses Mal anders verlaufen. Als Erstes würde ich ein Grab ausheben. Dann stand einer würdigen Zeremonie nichts mehr im Wege. Nach dem Zahnarzt suchte ich also eine Stelle hinten im Garten aus, wo ich die Hühner gehalten hatte, und begann zu graben. Die Stelle erwies sich als ungeeignet. Ich mühte mich redlich ab, ein Loch in den lehmigen, von den dicken Wurzeln einer großen Eiche durchzogenen Boden zu graben. Noch dazu hatten wir gerade einen harten Winter hinter uns, und der Boden war noch gefroren. Nach einer halben Stunde hatte ich eine kleine Mulde zu Stande gebracht und beschloss, dass das reichen musste. Die Kinder würden gleich nach Hause kommen, und ich musste mir jetzt nur noch überlegen, wie ich es ihnen beibringen sollte. Als die Haustür aufgestoßen wurde, war ich bereit, meinen Kindern die traurige Nachricht zu eröffnen.

Nur wenige Minuten nachdem ich ihnen gründlich den Tag verdorben hatte, traten meine Kinder der Reihe nach in den Garten hinaus, so wie ich es ihnen gesagt hatte. Meine beiden Töchter Lou und May waren bereits Teenager und ließen ihren Tränen freien Lauf. Mit ihren sechs Jahren hatte Honey die Tragweite der Sache noch nicht erfasst, der vierjährige Frank erst recht nicht. Gemessenen Schrittes trat ich mit dem Bündel auf dem Arm zum Grab. Aber irgendetwas stimmte nicht. Das, was ich da so feierlich vor mir hertrug, fühlte sich gar nicht mehr schlaff an. Allmählich dämmerte es mir, dass die Leichenstarre bereits eingesetzt hatte. Das wäre an sich kein Problem gewesen. Aber das Loch, das ich mit so viel Mühe ausgehoben hatte, erschien mit einem Mal nicht mehr ganz passend für eine steife Katze mit ausgestreckten Beinen. Ich konnte unmöglich vorschlagen, die Zeremonie so lange zu verschieben, bis der Leichnam wieder biegsam war. Also sah ich meine Kinder der Reihe nach an, schluckte und bettete die arme Misty dann zur letzten Ruhe, so gut es eben ging.

Als meine Frau Emma später von der Arbeit nach Hause kam, teilte ich ihr die traurige Neuigkeit mit. Für eine knallharte Geschäftsfrau wurden ihre Augen verdächtig feucht. Gemeinsam gingen wir zum Grab und fanden dort ein kleines Kreuz vor, das wohl eines der Mädchen aus zwei alten Eisstielen gebastelt hatte. Ich fand das ergreifend, aber Emma schien etwas am Gesamteindruck des Arrangements zu stören.

»Was soll denn der große Erdhügel?«, fragte sie.

»Wir hatten ein Problem mit den Pfoten«, erwiderte ich. Emma fand ihre Fassung zwar sehr schnell wieder, doch mir war klar, dass ich nicht so einfach davonkommen würde. »Die Katze liegt diagonal, okay? Mit den Pfoten nach oben und diagonal. Sie passte einfach nicht in das Loch, und ich wollte die Kinder nicht noch mehr aufregen. Also habe ich ihnen erzählt, dass Katzen traditionell so begraben werden. In Nepal.«

Für einen Moment sah Emma aus, als wollte sie eine Grundsatzdiskussion anfangen. Dann stiegen ihr angesichts des Verlustes, den wir erlitten hatten, doch noch die Tränen in die Augen, und ich hoffte, dass ich durch eine Umarmung einen kurzfristigen Aufschub erwirken könnte. In ihrem Innersten wusste Emma, dass ich immer nur das Beste für meine Familie wollte. Auch wenn das in diesem Fall bedeutete, Misty bei Mondschein zu exhumieren und noch mal von vorne anzufangen.

Misty hatte uns einen Bruder hinterlassen. Doch das war ein schwacher Trost. Miso sah zwar genauso aus wie seine Schwester, schwarzes Fell und weiße Pfoten, aber charakterlich war er völlig anders. Kurz gesagt: Misty war freundlich und liebenswert gewesen, Miso war es nicht.

Der Kater war ein Meister darin, jeden Kontakt zu Menschen zu vermeiden. Zumindest in unserem Haus. Wir vermuteten, dass er sich eine andere Familie in der Nachbarschaft ausgesucht hatte, die ihm offenbar immer wieder etwas zusteckte. Außerdem hatte er eine Vorliebe dafür, Kaninchen zu jagen, sie zu zerreißen und einzelne Leichenteile vor unserer Haustür abzulegen. Unter Kaninchen genoss unser Kater sicherlich den Ruf eines berüchtigten Serienmörders. In einem Sommer war Misos Jagdtrieb derart ausgeprägt gewesen, dass ich der Bequemlichkeit halber einen Spaten neben der Haustür deponierte. Jedes Mal, wenn er wieder einen abgetrennten Kopf, einen Hinterlauf, Knochen oder Eingeweide abgeliefert hatte, schaufelte ich einfach alles in die Hainbuchenhecke auf der anderen Straßenseite. Leider musste ich im Herbst damit aufhören, weil die Hecke ihre Blätter verlor. Noch lange Zeit befürchtete ich, dass Passanten vielleicht meinen könnten, wir hätten eine heidnische Opferzeremonie abgehalten, um den Frühling herbeizubeschwören.

Miso kreuzte eigentlich nur zu den Mahlzeiten auf. Auch ließ ihn der Tod seiner Schwester vollkommen kalt. Beides trug nicht zu einer engen emotionalen Bindung zwischen uns bei. Nur May, unsere zweitälteste Tochter, startete einen ernsthaften Versuch, sich mit ihm anzufreunden. Niemand von uns wagte sie darauf hinzuweisen, dass der Kater sie ohne Zweifel genauso hasste wie uns alle. May war ein sensibles Kind und konnte in Miso wohl etwas sehen, was uns anderen verschlossen blieb. Der Kater nutzte das schamlos aus. May konnte es nicht mit ansehen, wenn Misos Futterschüssel leer war, selbst wenn er sie gerade erst ausgeschleckt hatte. Einmal ertappte sie ihn dabei, wie er aus einem Wasserglas auf ihrem Nachttischchen Wasser schlabberte. Sie hielt das für einen Hilfeschrei. May war der Ansicht, dass der Kater verdursten würde, wenn sie nicht überall im Haus Tassen aufstellte, bis zum Rand gefüllt mit frischem Wasser. Auch auf Treppenstufen. Miso lernte schnell, dass er mir schleunigst aus dem Weg gehen musste, wenn ich wieder einmal eine Tasse umgestoßen hatte. Ich fluchte vor mich hin, fand es aber ansonsten unpassend, meine ehrliche Meinung über unsere verbliebene Katze zu äußern. Meine Frau und die Kinder trauerten so sehr um Misty, dass ich die Sache nicht noch schlimmer machen wollte. Außerdem wussten wir es ja ohnehin alle: Die falsche Katze war überfahren worden. Misty hatte Freude in unser Haus gebracht, Miso brachte nur Trauer. Er taugte in meinen Augen lediglich dazu, Emma daran zu erinnern, dass in unserem Leben etwas fehlte. Niemals hätte ich mir träumen lassen, welche Form dieses Etwas annehmen könnte.

Ich mag Ordnung. Mehr verlange ich gar nicht. Die Frage nach Frieden und Ruhe stellt sich mit vier Kindern gar nicht erst. Nach meinem Ermessen sind wir eine große Familie, eine vollständige Familie. Meine Frau dagegen achtet darauf, ob irgendwo noch ein Platz frei ist und besetzt ihn dann neu.

»Was ist der Unterschied zwischen einer Wüstenrennmaus und einem Meerschweinchen?«, fragte mich Emma ein paar Tage nach Mistys Beerdigung.

»Ich kann dir sagen, was sie gemeinsam haben«, antwortete ich. »Sie haben beide keinen Platz in unserem Haushalt.«

»Aber für die Kleinen wäre es toll«, beharrte sie. »Ein Haustier für Honey und Frank ganz allein.«

»Hamster und Meerschweinchen sind eigentlich gar keine richtigen Haustiere«, entgegnete ich. Mir war klar, dass die Aufgabe des Käfigsäuberns auf jeden Fall mir zufallen würde. »Sie halten nichts aus. Das ist wie mit billigen Möbeln. Am Ende bereut man es immer. Wenn du schon ein weiteres Haustier anschaffen willst, dann jedenfalls ein richtiges.«

»Zum Beispiel?«

Ich sah in den Garten hinaus. In einem Hühnerhaus am Ende des Gartens, gegenüber von Mistys Grab, stand ein einsames Huhn, das schon viele Federn gelassen hatte. Ich hatte mich nach wie vor noch nicht ganz damit abgefunden, dass der Fuchs Maggies Schwestern den Garaus gemacht hatte. Noch dazu waren wir in eine Gegend gezogen, wo sich beinahe jeder Haushalt zumindest ein paar Hühner hielt. Einem Außenstehenden hätte vielleicht auffallen können, dass diese Hühner alle gleich aussahen. Das war kein Zufall. Tatsächlich stammten all diese braunen Nutzhennen aus ein und derselben Quelle, und zwar von dem Geflügelhof mit Freilandhaltung auf der anderen Seite des Waldes. Der Geflügelhof mit dem Loch im Zaun, das der Besitzer schon lange flicken wollte. Es war nichts Ungewöhnliches, dass das eine oder andere Huhn auf dem Friedhof herumlief oder sich auf einem Straßenschild niederließ. Wenn sich einmal eines in einen Garten verirrte, beanspruchte dessen Eigentümer das Tier entweder für seinen Suppentopf oder er gliederte es in seine eigene Hühnerschar ein. Ein alter Mann, der am Ende der Straße wohnte und dem seine Hühnerschar zu groß geworden war, hatte mir drei seiner zugelaufenen Hühner angeboten, und ich hatte nicht widerstehen können. Wie unser Wachhund erfüllten auch sie einen Zweck. Sie konnten vielleicht keinen Einbrecher vertreiben, aber immerhin versorgten sie uns mit Eiern. Nach allem, was Maggie in ihrem Leben schon durchgemacht hatte, war sie dazu allerdings leider nicht mehr in der Lage.

»Wie wäre es mit einem Tier, das einen Fuchs fernhalten kann?«, schlug ich etwas unmotiviert vor. »Vielleicht ein Grizzlybär, ein Gartenteich mit Piranhas oder vielleicht ein Schwein?«

»Ja, genau. Ein Schwein. In unserem Garten.« Emma warf mir einen strafenden Blick zu. Ich erkannte, dass das nun nicht der richtige Zeitpunkt für dumme Vorschläge war. »Wenn du die Füchse fernhalten willst, dann musst du nur dein Revier markieren«, wies sie mich zurecht. »Sie wittern angeblich das Testosteron im Urin und ergreifen die Flucht.«

»Glaubst du wirklich, das würde funktionieren?«, fragte ich.

Emma sah mich einen Moment prüfend an. »Wahrscheinlich nicht.«

Im Nachhinein gebe ich Maggie, dem Huhn, die Schuld. Wenn es mir nicht so einsam und verletzlich vorgekommen wäre, wäre ich niemals auf diesen Gedanken gekommen. Jedenfalls gab mein Vorschlag, dass unsere überlebende Henne vielleicht etwas mehr Gesellschaft gebrauchen könnte als eine tote Katze, wohl den Ausschlag für eine kleine Onlinerecherche. Warum ich mir da so sicher bin? Weil ich am nächsten Tag eine E-Mail von meiner Frau aus der Arbeit bekam. Sie hatte ein seltsames Foto angehängt: zwei Schweinchen, die sich auf einem Baumstamm niedergelassen hatten. Zuerst dachte ich, das wäre ein Witz. Aber dann las ich ihre Nachricht und erschauerte: »Sind die nicht niiiiedlich!«

TEIL 1

1

VON KINDERN UND TIEREN

Emma wollte schon immer eine große Familie haben, davor hat sie mich oft genug gewarnt. Immerhin besuchten wir schon dieselbe Grundschule, auch wenn wir natürlich erst später miteinander ausgingen. Als wir heirateten, wusste ich, dass sie mehr Kinder wollte als die typische englische Durchschnittsfamilie.

Ich fand, dass drei Mädchen vollauf genügten. Emma konterte, dass wir unbedingt noch einen Jungen bräuchten, und damit waren es auf einmal vier. Ich wage nicht daran zu denken, was passiert wäre, wenn wir unsere rosafarbene Babyausstattung noch ein viertes Mal hätten verwenden können. Unter uns gesagt, habe ich mich über die Geburt unseres Sohnes auch deshalb so sehr gefreut, weil ich ungeheuer erleichtert war. Ich hatte meine Aufgabe erfüllt.

Ich kannte auch jemanden, an den ich mich wenden konnte, um mich endgültig aus diesem Geschäft zurückzuziehen.

Über unseren Arzt gingen die Meinungen auseinander. Die einen hielten ihn für einen medizinischen Pionier. Für die anderen war er ein psychisch kranker Masochist. Als ich erfuhr, dass er der erste Mann war, der bei sich selbst eine Vasektomie vorgenommen hatte, schlug ich instinktiv erst einmal die Beine übereinander und äußerte Unglauben. Es überstieg mein Vorstellungsvermögen, warum irgendjemand so etwas tun sollte. In meinen Augen brauchte man dazu entweder ein heroisch ruhiges Händchen oder eine Menge Drogen. Wie auch immer, er war von seiner Berufung überzeugt und hatte einen entsprechenden Ambulanzservice im örtlichen Krankenhaus eingerichtet. Ich wette, dass man bei einer Umfrage in unserer Nachbarschaft keinen Vater von im Schnitt 2,4 Kindern gefunden hätte, der immer noch zeugungsfähig war. Ich war den Fängen des Doktors nur entkommen, weil Emma große Mühen auf sich nahm, um mich vor ihm zu schützen. Eine Zeit lang durfte ich auf keinen Fall krank werden. Falls ich Antibiotika gebraucht hätte, hätte Emma die Symptome wahrscheinlich selbst vorgeschützt, um an die Medikamente heranzukommen. Sie wollte nicht, dass ich eine weitere Ziffer in der Erfolgsrechnung des fruchtbarkeitsfeindlichen Projektes unseres Doktors wurde. Aber Emma hatte dabei die Vorsorgeuntersuchungen vergessen, für die der Doktor Hausbesuche machte. Als er sich während ihrer Schwangerschaft mit Frank zum ersten Mal bei uns ankündigte, wusste wohl auch sie, dass das Spiel vorbei war.

Wenige Wochen nach Franks Geburt bereitete ich mich darauf vor, in den Ruhestand versetzt zu werden. Ich ließ Emma im Wartezimmer zurück, wo sie ungewöhnlich konzentriert in einer Zeitschrift mit Rezepten für überreife Pflaumen blätterte. Währenddessen fügte ich mich in das Unvermeidliche. Unser Arzt brauchte für diesen Eingriff Emmas schriftliches Einverständnis. Sie gab es mir, ohne ein Wort zu sagen. Trotzdem begriff ich, noch bevor die Schwellung zurückgegangen war, was dieser kleine Eingriff für sie bedeutete. Nicht dass sie mir ein schlechtes Gewissen machte. Ganz im Gegenteil. Sie pflegte mich liebevoll und kochte mir Tee, während ich mich von dem Eingriff erholte. Aber ich konnte in ihren Augen lesen, dass sie unter diesem Verlust mehr litt als ich.

Ich wusste, dass Emmas Wunsch nach reichlichem Nachwuchs von ihren Erfahrungen als Kind herrührte. Sie hatte keine glückliche Kindheit gehabt, und daran war vor allem ihr Vater schuld. Er war ein verschlossener Mensch gewesen, der selbst eine schwierige Kindheit durchlebt hatte. Er tat sich schwer damit, Nähe zuzulassen, gerade bei Menschen, die ihn liebten. Seine Frau und seine zwei Töchter sahen das Gute in ihm, aber er konnte einfach nicht aus sich herausgehen. Stattdessen verfiel er auf einsame Trinkgewohnheiten, die sein ganzes Leben überschatten sollten. Emmas Mutter tat ihr Bestes, um ihn zu decken, aber das ging auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit. Sie glitt in einen Nebel von Medikamenten ab, dazu kamen noch die langen Perioden der Abwesenheit, als sie sich zum Ausgleich in die Arbeit stürzte. Deshalb verbrachten Emma und ihre kleine Schwester ihre prägenden Jahre mit einem Hausschlüssel um den Hals.

Ich erinnere mich noch daran, dass ich sie damals um ihre Unabhängigkeit beneidete. Emma konnte tun und lassen, was sie wollte. In meinen Augen stellte sie einen freien Geist dar. Natürlich fehlte mir der Blick fürs Ganze. Erst später wurde mir klar, dass sie gerne meinen familiären Hintergrund genossen hätte.

Emmas deutlichste Kindheitserinnerung ist, wie sie im Alter von fünf Jahren schreiend auf die Straße lief, weil sie morgens aufgewacht war und ihre Eltern nirgends finden konnte. Ich kann mich an kaum einen Augenblick erinnern, in dem ich alleine daheim war. Meine Mutter hatte eine Teilzeitstelle als Physiotherapeutin und glich ihre Arbeitsstunden unserem Stundenplan an. Das bedeutete, dass sie immer für mich, meinen kleinen Bruder und meine kleine Schwester da war. Mein Vater arbeitete als Ingenieur bei der BBC, und da wir nicht in der Stadt wohnten, musste er pendeln. Wenn er abends nach Hause kam, stand das Essen schon auf dem Tisch. Natürlich wusste ich diese stabilen Verhältnisse damals nicht zu schätzen. Ich nutzte sie auch nicht als Sprungbrett in die große weite Welt. Ich war nicht gerade der Mutigste, wenn es darum ging, neue Herausforderungen anzunehmen. Emma dagegen war direkt und unverblümt und hatte nie ein Problem damit, für ihre eigenen Belange einzutreten. Auf eine bestimmte Art und Weise zogen wir uns gegenseitig an. Wir sahen im anderen das, was wir an uns selbst vermissten, und es funktionierte gut. Ich konnte zwar nachvollziehen, dass Emma sich die Familie aufbauen wollte, die sie als Kind nicht gehabt hatte, trotzdem sah sie schließlich ein, dass ein fünftes Kind, tja, reiner Wahnsinn wäre.

»Ich wünsche mir eben eine große Familie«, erklärte Emma. »Ich kann nicht anders. Aber ich bin mir sicher, dass ich diesen Wunsch auch in andere Bahnen lenken kann.«

Kurz gesagt, nachdem das Thema Nachwuchs vom Tisch war, kam die Frage nach einem Haustier auf. Dem stand nur ein Hindernis im Weg. Wir wohnten damals einigermaßen beengt in einem Vierzimmerbungalow im Londoner East End. Ein Zimmer diente mir als Büro, deshalb hatten wir keinen Platz mehr für einen weiteren Mitbewohner übrig. Eine Zeit lang hielten wir uns zwei Goldfische. Leider bekamen wir sie nur selten zu Gesicht. Trotz größter Anstrengungen meinerseits bildete sich an der Innenseite des Aquariums eine immer dickere Algenschicht. Ab und zu schwamm einer der Goldfische so nah an die Scheibe heran, dass wir uns wieder an sie erinnerten. Irgendwann schwammen sie an die Oberfläche, um Luft zu schnappen, und tauchten nie wieder unter.

In gewisser Weise spiegelte das Schicksal der Fische unsere finanzielle Situation wider. Einige Jahre zuvor hatte Emma ihre viel versprechende Karriere an den Nagel gehängt, um sich ganz ihrer Rolle als Mutter zu widmen. Ich sorgte dafür, dass wir ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen auf dem Tisch hatten, indem ich Kinderbücher schrieb und als freiberuflicher Journalist jeden Job annahm, den ich in die Finger bekam. Doch mit jedem hungrigen Mäulchen, das wir stopfen mussten, wurde das Geld knapper. Wir waren zwar glücklich, aber chronisch pleite. Als Emma das Angebot bekam, ihre Karriere auf Teilzeitbasis wieder aufzunehmen, fiel die Entscheidung auch deshalb leicht, weil wir damit der Gefahr entgingen, in einen Wohncontainer ziehen zu müssen. Der Job war außerhalb von London angesiedelt und hatte daher noch einen anderen Nebeneffekt: Das war unsere Chance, die Kinder auf dem Land aufwachsen zu lassen und doch so nahe an einer Stadt zu wohnen, dass sie nicht vor Schreck in Ohnmacht fielen, wenn sie einmal eine Leuchtreklame oder einen Fahrstuhl zu Gesicht bekamen. Den endgültigen Ausschlag für unseren Umzug gab dann schließlich noch eine andere Begebenheit. Ich hatte entdeckt, dass die Jugendlichen, die regelmäßig ihr Auto vor unserer Tür parkten und dann eine Silberfolie auf ihrem Schoß auswickelten, gar kein Butterbrot aßen, wie ich erst geglaubt hatte. Als ich Emma davon erzählte, informierte sie mich vor versammelter Mutter-Kind-Krabbelgruppe, dass die Jugendlichen mit Crack dealten. Und so kamen wir schnell überein, dass wir die Chance ergreifen und aufs Land ziehen mussten.

»Wenn wir dieses Haus verkaufen, können wir uns vielleicht eins mit Garten leisten«, schlug Emma vor. »Die Kinder könnten dann Hasen halten.«

Grundsätzlich hatte ich nichts gegen diese Idee. Als Freiberufler konnte ich mir meine Zeit zwischen Schreibtisch und Haushalt frei einteilen. Insgeheim dachte ich jedoch, dass wir ruhig ein bisschen höher einsteigen könnten. Ich hatte als Kind einen Hasen gehabt und wusste aus Erfahrung, dass diese Tiere viel Pflege brauchten und wenig Zuneigung schenkten. Ich hatte etwas Größeres als einen Hasen im Sinn.

2

DER BESTE FREUND EINES ECHTEN MANNES

Ein Hund war die Lösung. Das wurde uns schon in der ersten Woche nach unserem Umzug klar. Wir hatten uns in ein Plätzchen am Waldrand in einer rauen Gegend von West Sussex verliebt. Es lag auf einer Hügelkuppe an einer kleinen Straße, die zu beiden Seiten von ein paar vereinzelten Häusern gesäumt wurde. Der heruntergekommene Zustand des Anwesens und der völlig verwilderte Garten machten das Ganze für uns erschwinglich. Tatsächlich waren die Verhandlungen recht einfach, denn der Vorbesitzer war verstorben. Das Haus stand seit achtzehn Monaten leer. Räumlichkeiten und Lage erfüllten alle Kriterien, und über das Gefühl, hier etwas einsam und schutzlos zu sein, mussten wir eben hinwegsehen. Dabei half es nicht gerade, dass wir nicht einmal Vorhänge hatten. Auch nicht, dass die nächste Straßenlaterne kilometerweit entfernt war. Wenn Emma und ich abends ins Bett gingen, hatten wir schlichtweg Angst. Angst vor der Dunkelheit und der Stille. Gegen sie mussten wir uns schützen.

Nach zehn idyllischen Jahren in der Großstadt fühlte sich hier jeder Sonnenuntergang hinter den Bäumen wie ein Remake von Blair Witch Project an. Wir einigten uns, dass wir uns einen Hund anschaffen müssen. Emma und die Kinder machten sich für einen Labradoodle stark. Ich sah jedoch nicht ein, wie ein Hund mit einem dermaßen albernen Erscheinungsbild unseren Seelenfrieden retten sollte. Da mir klar war, dass außer mir niemand mit dem Hund spazieren gehen würde, plädierte ich für einen echten Kerl. Allein die Vorstellung, mit einem lockigen Fellknäuel unterwegs zu sein, brachte mein Innerstes zu einem Aufschrei. Ich wollte etwas Edles, Aufrechtes und Starkes. Aber ich hatte zu wenig Ahnung von Hunden, um zu wissen, welche Rasse meine Ansprüche erfüllen würde.

Die Antwort darauf fand ich in jenem Sommer während unseres Campingurlaubs in Frankreich. Wir waren am Strand und bauten Sandburgen, als plötzlich ein weißer Wolf zwischen den Pinien auftauchte.

»Geht zurück ins Zelt und macht den Reißverschluss zu«, befahl ich meinen Kindern und ergriff eine Plastikschaufel, wie um mich damit vor Tollwut schützen. »Und keine plötzlichen Bewegungen! Ganz ruhig bleiben!«

Einen Moment lang beobachtete ich ehrfurchtsvoll, wie diese Kreatur den Strand entlangtrottete. Erst als ich ein Halsband an ihm entdeckte, wurde mit klar, dass ich einen zahmen Hund vor mir haben musste. Ich hatte noch niemals etwas so Respekt einflößendes, so Wunderschönes gesehen. Dieses kantige Maul, die fein gebogenen Ohren, die muskulösen Beine und der geschwungene Schwanz – dieser Hund sah aus, als käme er aus einem Märchen. Auch die anderen Feriengäste drehten sich nach ihm um, wobei ich zugeben muss, dass außer mir niemand seine Lieben aufgefordert hatte, sich in Sicherheit zu bringen. Als ich mich umschaute, ob meine Familie auch wirklich außer Gefahr war, sah ich, dass sie sich lediglich etwas näher um ihre Mutter geschart hatten.

»Wegtreten, Soldat!«, sagte Emma. »Offensichtlich gehört er jemandem.«

Und tatsächlich, dieses Fabelwesen hatte sich neben einer Frau niedergelassen, die mit einem Mobiltelefon in der Hand auf einem Handtuch lag. Es saß gehorsam da und sah auf das Wasser hinaus, als würde es von dort einen feindlichen Angriff erwarten. Ich wusste, dass ich meine Hunderasse gefunden hatte. Ich musste nur noch den Namen herausfinden. Doch dabei gab es ein Problem. Bei der Hundebesitzerin handelte sich um eine hübsche junge Frau – eingeölt und oben ohne. Ich konnte nicht einfach zu ihr hingehen, denn das hätte so ausgesehen, als wollte ich mich an sie heranmachen. Also wandte ich mich mit flehendem Blick an Emma: »Komm schon, geh du. Wenn du sie fragst, fühlt sie sich nicht bedroht.«

»Ich glaube nicht, dass du irgendeine Art von Bedrohung darstellst«, erwiderte sie. »Du willst den Namen herausfinden, also lass dich von mir nicht aufhalten.«

Ich seufzte und wünschte mir, dass ich mir für den Strandbesuch etwas mehr als diese übergroßen Shorts angezogen hätte, die mich überall sofort als Engländer im Urlaub outeten. »Nun gut«, sagte ich und zog meinen Bauch ein wenig ein. »Aber gib mir nicht die Schuld, wenn sie meinem Charme erliegt.«

Die Frau und ihr Hund bemerkten mich zwar gleichzeitig, doch nur einer der beiden knurrte. Ich hätte einfach weitergehen können, aber ich hatte eine Mission. Also achtete ich nicht auf meine wackligen Knie und blieb direkt vor den beiden stehen. Ich holte tief Luft, um mich vorzustellen und mein unschuldiges Ansinnen darzulegen, brachte jedoch kein Wort über die Lippen, da die Frau noch immer ihr Mobiltelefon ans Ohr hielt. Allerdings konnte ich jetzt auch nicht mehr zurück. Das hätte zu seltsam ausgesehen. Also stand ich einfach nur da und wartete, bis sie ihr Telefonat beenden würde. Ich hoffte natürlich, dass das jeden Moment der Fall sein würde.

Eine Minute verging, dann noch eine, und jede fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Während die Frau so tat, als würde sie mich nicht bemerken, und ihren Blick auf den Sand gesenkt hielt, fixierte mich ihr Hund kampflustig. Nur ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Egal was ich tat, es würde immer so aussehen, als wollte ich einen ausführlichen Blick auf ihre Brüste wagen. Selbst wenn ich nur die klare Luft betrachtete, musste ihr das ungehörig und aufdringlich vorkommen. Ich war mehr als erleichtert, als sie ihr Mobiltelefon endlich zusammenklappte.

»Hi!«, sagte ich fröhlich und starb dabei tausend Tode. »Ich habe gerade Ihren Hund bewundert. Es tut mir wirklich leid, wenn ich Sie belästige, aber könnten Sie mir vielleicht mehr über ihn erzählen?«

Einen Augenblick lang erwiderte die Frau gar nichts. Dann verschränkte sie zu meiner großen Enttäuschung ihre Arme vor der Brust. Automatisch tat ich es ihr nach. Sie sah verunsichert aus, aber zum Glück nicht verängstigt. Vielleicht lag das auch daran, dass ihr Hund seine schwarzen Lefzen hob und mir seine Fangzähne zeigte.

»Sie ist mein bébé«, sagte die Frau schließlich mit einem deutlichen französischen Akzent. »Eine Hündin.«

»Tatsächlich? Gut. Okay. Danke! Entschuldigen Sie die Störung.« Ich wollte mich schon zurückziehen und verwünschte mich, weil ich so kurz vor dem Ziel versagt hatte. Diese Information war schließlich nicht ganz so ausführlich gewesen, wie ich es mir erhofft hatte. Erst als ich mich zum Gehen wandte, schien sie Mitleid mit mir zu haben.

»Es ist ein Kanadischer Schäferhund. Wie ein Deutscher Schäferhund, nur eben nicht ganz, verstehen Sie?«

Ich drehte mich wieder zu ihr um und sah, dass die Frau aufgestanden war. Sie bedeckte noch immer ihre Brust mit den Armen, was mich dazu veranlasste, meine ganze Aufmerksamkeit dem Hund zuzuwenden. Er hatte aufgehört zu knurren und beobachtete jetzt sein Frauchen auf dem Weg zum Wasser. Ich sah den Hund an und hob fragend die Augenbrauen, wie um ihn um Erlaubnis zu bitten, ihr zu folgen. Der Hund stand auf und gab mir eindeutig zu verstehen, dass er mich nicht mit ihr allein lassen würde.

»Beißt sie?«, fragte ich, als ich die Frau eingeholt hatte.

»Das kommt darauf an.«

Der Hund beäugte mich argwöhnisch, dann ließ er mich stehen und tapste ins seichte Wasser.

Ich sah zu, wie die Frau ins Wasser glitt. Ein Teil von mir fragte sich, ob das vielleicht als Einladung zu verstehen war, ihr zu folgen. Der andere Teil von mir, der nicht in einer völligen Traumwelt lebt, wusste ganz genau, dass sie versuchte, Abstand zwischen uns zu bringen. Als sie bis zum Hals im Wasser war, drehte sie sich noch einmal zu mir um. Ich spreche kaum ein Wort Französisch, aber ihre Körpersprache konnte ich fließend lesen. Ich tauschte einen Blick mit ihrem Hund aus. Selbst wenn ich unlautere Absichten gehabt hätte, war klar, dass ich nicht einmal eine Zehe ins Wasser hätte tauchen können, ohne dass mir der Wolf die Kehle zerrissen hätte.

»Ich wollte wirklich nur etwas über ihren wunderbaren Hund erfahren«, versicherte ich mit einer abwiegelnden Geste. »Wirklich und ehrlich. Ich bin mit meiner Frau hier.«

Ich deutete hinter mich und sah mich dann um. Ich hatte angenommen, dass Emma mich genau im Auge behalten würde. Stattdessen baute sie mit den Kindern weiter an der Sandburg herum. Offensichtlich machte sie sich wegen meiner Verführungskünste keine Sorgen. Ich wandte mich wieder der Frau im Wasser zu. Ihrem schiefen Grinsen nach zu urteilen war sie zu derselben Schlussfolgerung gekommen.

»Okay«, sagte sie. »Was wollen Sie wissen?«

In den folgenden zehn Minuten lernte ich trotz der Sprachbarriere eine Menge über Kanadische Schäferhunde. Als wir uns verabschiedeten, war ich überzeugt, dass wir genau so einen Hund zum Schutz unserer Familie brauchten.

»Das scheint ja prima gelaufen zu sein«, sagte Emma belustigt, als ich mich neben sie auf die Picknickdecke setzte. »Wie heißt er denn?«

»Es ist eine Sie, das ist alles, was ich weiß.«

»Was ist los, hat sich die Frau über deine Shorts lustig gemacht?«

»Oh, die Frau hat gar nicht viel gesagt, wahrscheinlich aus Datenschutzgründen. Aber ich kann dir versichern, dass ich uns so einen Kanadischen Schäferhund besorgen werde. Offensichtlich sind sie sehr kinderlieb und nicht halb so aggressiv wie Deutsche Schäferhunde.«

»Und warum hat dieser dann die Zähne gefletscht?«

Ich griff nach der Sonnencreme. »Oh, das ist ein ganz natürliches Verhalten. Diese Hunde sind kompromisslos loyal. Wenn die Kinder ein bisschen älter sind, können sie mit ihm im Wald spazieren gehen, und wir müssen uns dabei keine Sorgen um sie machen.«

Währenddessen kehrten die Frau und ihr Kanadischer Schäferhund wieder zu ihrem Platz am Strand zurück. Ich hatte mich verliebt. Emma sah es mir an.

»Du willst wirklich so einen Hund, nicht wahr?«

»Das ist Schicksal«, erwiderte ich. »Was meinst du dazu?«

»Das will ich dir sagen«, antwortete Emma. »Das bedeutet eine Menge Arbeit und Verantwortung.«

»Wir haben so viele Kinder, dass wir nicht mal in einen normalen Mittelklassewagen passen«, gab ich zurück. »Wie viel Extraarbeit kann so ein Hund da schon bedeuten?«

3

INVASION DER HAUSTIERE

Zuhause machte ich mich sofort auf die Suche nach einem passenden Welpen. Während sich Emma auf ihre Rückkehr in den Beruf vorbereitete, verbrachte ich meine Freizeit damit, entsprechende Anzeigen in Hundemagazinen auszuwerten. Als ich fündig geworden war und den Handel telefonisch unter Dach und Fach gebracht hatte, war es nur noch eine Frage von Tagen, bis wir unseren eigenen Weißen Kanadischen Schäferwelpen abholen konnten. Und ohne ihn auch nur einmal gesehen zu haben, hatte ich bereits einen Namen für ihn herausgesucht. Wegen seines schneeweißen Fells sollte auch der Name etwas mit Schnee zu tun haben, stellte ich mir vor. Derart von der Muse geküsst, wollte ich im Internet nach einem Ausdruck aus der Eskimosprache forschen. Ich hatte mich auf eine komplizierte Recherche eingestellt, aber tatsächlich wurde ich auf einer Website mit dem Titel Eskimonamen für Ihren Weißen Kanadischen Schäferhund schnell fündig. »Sesi« erschien mir passend.

Die Frau am Strand hatte Recht gehabt. Unser Neuzugang war wirklich ein Schatz. Zumindest in den ersten paar Wochen. Als unser robbenartiger Welpe langsam längere Sehnen und größere Zähne bekam und schließlich die Kinder einschüchterte, wurde mir klar, was ich da angeschafft hatte.

Sesi wurde dem Wolf, den ich durch den Sand hatte trotten sehen, immer ähnlicher. Nur ihrer Herrschaft war sie nicht so treu ergeben. Ich ahnte, dass ich mich übernommen hatte. Innerhalb von drei Monaten verloren wir unsere Angst vor der Dunkelheit und der Stille und fürchteten uns stattdessen vor dem Hund.

Eines Abends, als ich mich mit meiner Frau und den Kindern im oberen Stockwerk verbarrikadiert hatte, wurde mir bewusst, dass etwas geschehen musste. Natürlich nahm ich meine Verantwortung ernst. Ich scherzte vielleicht manchmal darüber, aber ich hatte nicht wirklich die Absicht, Sesi wieder abzugeben oder gar einschläfern zu lassen. Ich hatte den Hund angeschafft, also war es nun auch allein meine Aufgabe, die passenden Maßnahmen zu ergreifen, damit Sesi ihren Platz in unserer Familie fand. Diese Maßnahmen fraßen einen Großteil meiner Ersparnisse auf. Bei einem Besuch der örtlichen Hundeschule erfuhr ich, dass Sesi eine einmonatige stationäre Erziehungskur brauchte. Der Trainer besaß – sozusagen als Visitenkarte – einen Rottweiler namens Satan, und er versicherte mir, dass er Sesis beste Seiten zum Vorschein bringen würde. Da meine Familie diese Auszeit dringend benötigte, unterschrieb ich den Scheck. Dabei schwor ich mir, in diesem Leben nie wieder ein Haustier anzuschaffen. Vier Wochen später kam Sesi zurück. Sie war ein anderer Hund. Zu meiner Bestürzung sagte der Trainer zum Abschied, dass sie nun das Wesen eines Labradoodles hätte.

Obwohl Sesi jetzt ungewohnt folgsam war, war ich durch diese Episode bei meiner Familie in Ungnade gefallen. Ich hatte meine Chance gehabt. Nun durften sie sich ein Haustier aussuchen.

Zuerst kamen die Kätzchen. Wir hatten ein paar Feldmäuse auf dem Dachboden, also waren Katzen durchaus sinnvoll. Ich äußerte lediglich zwei Bedenken. Zum einen wohnten wir jetzt auf der Kuppe einer ruhigen Landstraße. Es konnte passieren, dass hier stundenlang kein Auto vorbeikam. Aber wenn dann eines auftauchte, dann kam es in rasender Geschwindigkeit hinter dem Hügel hervorgeschossen, als wäre gerade die letzte Runde der Rallye-Weltmeisterschaft eingeläutet worden. Meiner Meinung nach hatte eine Katze, die von den Scheinwerfern erfasst wurde, keine Chance. Der zweite Grund, warum ich mich nicht unbedingt für die Anschaffung einer Katze begeistern konnte, hatte die Form eines Hundes.

Nach dem Kurs gab mir der Trainer einige Ratschläge mit auf den Weg. Er meinte, dass es bei Sesis Größe und ihrem Temperament das Sicherste für alle Beteiligten wäre, wenn sie ihren eigenen Bereich bekommen würde. Nicht etwa aus Angst, dass sie den Kindern etwas antun könnte, denn es war offensichtlich, dass Sesi die Kinder abgöttisch liebte. Der Trainer war vielmehr besorgt, dass sie die Kleinen bei einer Liebesbezeugung aus Versehen tottrampeln könnte. Also brachte ich Laufgitter an den Türrahmen zur Küche und zu meinem Büro an. Sesi bewohnte jetzt eine Mischung aus Stiefelkammer und Diele. Diese Regelung bewirkte Wunder. Der Hund nahm zwar direkt am Familienleben teil, aber er konnte es nicht mehr dominieren. Trotzdem war ich mir sicher, dass schon der Schatten einer Katze genügen würde, um Sesi ausrasten zu lassen. Und offen gestanden, wollte ich uns allen das ersparen.

»Wenn du dir Katzen anschaffst, dann trägst du allein die Verantwortung«, sagte ich zu Emma. »Falls Sesi sie in Stücke reißt, dann werde ich nicht dafür haften.«

»Meine Anwälte werden sich mit deinen in Verbindung setzen«, konterte Emma trocken. Dann rief sie bei einer Freundin an, deren reinrassiger Schmusekatze ein streunender Kater Nachwuchs beschert hatte.

Im Rückblick hätte ich wissen müssen, dass meine Frau sich nicht mit den Katzen begnügen würde. Kurz nach deren Ankunft erhöhte sie ohne jede angemessene Vorwarnung oder Verhandlung ihren Einsatz um die Hasen, die sie mir vor unserem Umzug versprochen hatte. Ein Hase pro Kind, um genau zu sein. Was Haustiere anging, so hatte Emma meinen Widerstand aufgerieben. Ich half ihr sogar dabei, die Hasenställe aufzustellen und den Auslauf auf dem Rasen abzustecken. Die Kinder liebten die vier Hasen, nur äußerte sich ihre Liebe nicht in regelmäßiger Fütterung, dem Ausmisten der Ställe oder dem zuverlässigen Einsperren der Hasen, damit Miso sie nicht abschlachten konnte. Still und leise tat ich alles Notwendige, um ihr Überleben zu sichern.

Schon bald hegte ich insgeheim die Hoffnung, dass die Hasen vorzeitig das Zeitliche segnen würden. Im Gegensatz zum Hund und den Hühnern erbrachten sie keinerlei Gegenleistung. Sie brauchten tägliche Pflege. Ich musste sie regelmäßig auf die Wiese setzen, damit sie ihre Bewegung an der frischen Luft bekamen, und anschließend wieder in den Stall bringen. Ich hatte die Rolle des Pflegepersonals übernommen. Emma beteuerte, dass die Hasen unsere Kinder glücklich machten. In meinen Augen nahmen die Hasenställe einen Großteil des Gartens ein. Die Hasen hatten zwar genügend Auslauf, dafür hatten wir keinen Platz mehr, um uns in den Garten zu setzen.

»Wohin ich auch blicke, überall Ställe!«, beschwerte ich mich. »Ich komme mir vor wie in einer Mischung aus Unten am Fluss und Guantanamo Bay.«

»Ohne den Hühnerauslauf hätten wir mehr Platz«, schlug Emma vor. »Warum baust du ihn nicht ab?«

»Weil wir immer noch Hühner haben«, erinnerte ich sie. »Maggie ist zwar jetzt allein, aber es ist unsere Pflicht, ihr einen guten Lebensabend zu bereiten.«

Tatsächlich dachte ich darüber nach, noch ein paar Hühner anzuschaffen, damit Maggie Gesellschaft hatte und wir mehr Eier bekamen. Aber ich hatte Angst, dass dann der Fuchs zurückkommen würde. Ein anderes Argument wog allerdings viel schwerer. Ein solcher Schritt würde zweifelsohne ein Wettrüsten in Sachen Haustiere nach sich ziehen. Wenn ich mehr Hühner anschaffte, dann würde Emma darin nur die Rechtfertigung sehen, sich ein weiteres Tierchen zuzulegen, das vielleicht süß aussah, in erster Linie aber inkontinent war. Diese Vorstellung ließ mich den Traum von einer größeren Hühnerschar schnell begraben.

Im Übrigen war Emma genauso klar wie mir, dass wir unsere Grenzen erreicht hatten.

Dann kam der rasende Tierarzt und reduzierte unsere Katzenquote um die Hälfte. Zweifelsohne war das ein schwerer Verlust. Aber für meine Frau war es außerdem die Gelegenheit, den Spielstand in Sachen Haustiere ein für alle Mal für sich zu entscheiden. Heimlich unternahm sie alle notwendigen Schritte, um unsere Haustierdichte zu erhöhen. Das sollte weitreichende Konsequenzen haben, nicht nur für mich, sondern für jedes einzelne Mitglied unserer Familie. Noch nicht einmal Emma war darauf vorbereitet, in welchem Ausmaß uns diese Tiere in Atem halten würden.

4

EINE FRAGE DER GRÖSSE

Nachdem Emma mir das merkwürdige Foto mit den zwei Schweinchen auf einem Ast gemailt hatte, startete sie ihre Offensive.

»Kinder«, fing sie an, als sie von der Arbeit nach Hause kam und ihnen das Foto zeigte, das sie ausgedruckt hatte. »Was würdet ihr davon halten, wenn wir uns ein Minischwein zulegen? Sie sind so gezüchtet, dass sie möglichst klein bleiben.«

»Ist das schlau?«, fragte ich, als die Kinder in Entzücken ausbrachen. »Sollten wir nicht lieber abwarten, bis sie eine Nanoversion auf den Markt bringen?«

»Noch kleiner, und sie gehen verloren!«, erklärte Emma fröhlich. Sie war ganz in ihrem Element, als die Kinder sich begeistert um das Foto scharten. »Das ist genau die richtige Größe für uns.«

Ich wollte mich nicht einfach so überrollen lassen. Früher hätte ich das durchgehen lassen, aber dieses Mal nicht.

»Emma«, sagte ich geduldig. »Wir haben schon einmal den Fehler begangen, Tiere bei uns aufzunehmen, die sich gerne gegenseitig auffressen würden. Es ist doch schon schwierig genug, den Hund von der Katze und die Katze von den Hasen fernzuhalten. Wenn wir jetzt ein kleines Schwein in unserer Mitte aufnehmen, ist das nicht nur ein Haustier mehr. Du würdest damit unsere eigene Nahrungskette erweitern.«

»Es gab noch nie einen Zwischenfall«, konterte sie.

»Aber zu welchem Preis«, sagte ich und deutete auf den Hund in der Diele. Sesi beobachtete uns durch die Stäbe des Kindergitters hindurch. »Manchmal habe ich nicht mehr das Gefühl, in einem Haus zu leben. Eher in einer Abfolge von Gehegen.«

»Aber es funktioniert doch.«

»Schon, aber wir können die Kinder nicht mal in den Garten lassen, wenn Sesi draußen ist. Sie ist einfach zu wild. Was wird hier erst los sein, wenn auch noch ein kleines Schwein herumläuft?«

»Es wäre ein Spaß«, erwiderte Emma und betonte das Wort Spaß, als hätte ich es noch nie gehört.

Manchmal spürt man einfach, wenn eine Schlacht verloren ist. Jeder Einwand von mir wurde sofort abgeschmettert. Das Haustier, über das wir diskutierten, war äußerst gesellig, vertrug sich mit Hühnern und anderen Tieren und würde den bösen Fuchs abschrecken. Seine tägliche Versorgung würden Emma und die Kinder übernehmen. Sie versicherten mir, dass sie seit der Anschaffung der Hasen etwas dazugelernt hätten. Diesmal würde alles anders werden. Mich würde das gar nicht betreffen. Außerdem waren Schweine intelligent, erklärte man mir. Auch kleine Schweine. Sie kamen in Sachen Klugheit gleich nach Menschen, Schimpansen und Delfinen. Meine mangelnde Begeisterung stachelte die Kinder zu der Aussage an, dass Minischweine es durchaus mit mir aufnehmen könnten.

»Studien haben sogar gezeigt, dass Schweine bei Videospielen dem Menschen überlegen sein können«, fügte Emma in einem dreisten Versuch, meinen wunden Punkt zu treffen, hinzu. »Denk mal darüber nach. Dann hast du jedenfalls Gesellschaft an deiner Playstation.«

Damit waren alle Fragen geklärt. Bis auf den Anschaffungspreis. Dieses Detail ließ Emma im letzten Moment einfließen, zusammen mit der Feststellung, dass unser Name auf der Warteliste stand. Nicht nur für ein Schwein. Für zwei.

»Auf gar keinen Fall!«, erklärte ich und suchte händeringend nach einem Argument. »In diesem Haushalt ist nur Platz für ein Schwein, und … ähm, das bin ich!«

Darauf folgte ein Schweigen, durch das mir meine Familie das Gefühl gab, ich wäre ein alter Hund, den man demnächst einschläfern lassen würde. Ich hätte schwören können, das Trappeln von ganz kleinen Klauen zu hören, die sich bereit machten, mein Leben zu verwüsten.

Was genau ist eigentlich ein Minischwein? Ich hatte noch nie von so einem Tier gehört. War das vielleicht alles ein groß angelegter Betrug?, fragte ich mich. Meine Online-Recherche öffnete mir die Augen. Nachdem ich erst einmal die Blogeinträge zu diesen winzigen Mastschweinen hinter mir gelassen hatte, typischerweise versehen mit einem »Ich will auch so eins!!!«, fand ich eine Website mit biomedizinischen Daten zum Thema, die sofort jede Niedlichkeit zunichtemachte. Minischweine gab es wirklich, erfuhr ich da. Nur waren sie nicht erfunden worden, um Frauen und Kinder zu betören. In den 1960er Jahren hatte man in Deutschland ein Zuchtprogramm gestartet, an dessen Ende ein Schwein stand, das genau einen einzigen Zweck erfüllte. Eine Kreuzung aus dickbäuchigem vietnamesischem Hausschwein, bekannt für seine Fruchtbarkeit, und einer Rasse aus Minnesota, anerkanntermaßen die geduldigste und ruhigste Schweinerasse der Welt. Was dabei herauskam, war ein Schwein, das perfekt für wissenschaftliche Experimente verwendet werden konnte.

»Diese Schweine sind ursprünglich Laborratten«, erklärte ich Emma.

Ich zeigte ihr die Website. Schweigend klickte sie sich durch den kurzen geschichtlichen Abriss, den ich gelesen hatte, um am Ende bei einem Foto zu landen, auf dem ein Schweinchen mit Elektroden am Kopf zu sehen war. Ich konnte nicht erkennen, welchem Zweck der Tierversuch galt, denn Emma schaltete sofort den Computer aus.

»Ein Grund mehr, zwei von ihnen bei uns aufzunehmen«, sagte sie. »Weißt du, ich habe auch recherchiert. Diese Züchterin ist schon seit Jahren im Geschäft. Sie züchtet ihre eigene Rasse von Minischweinen, aber nicht, damit man ihnen Shampoo in die Augen schmieren kann. Es sind schlicht und einfach Haustiere, davon lasse ich mich nicht abbringen. Rosa und Specki werden ein Teil unserer Familie sein.«

Ich sah zwar, wie ihre Lippen diese beiden Namen formten, glaubte aber nicht richtig gehört zu haben.

»Oh, bitte! Bessere Namen sind dir nicht eingefallen?«

»Die Kinder haben sie vorgeschlagen«, erwiderte Emma. »Willst du über ihre Köpfe hinweg entscheiden?«

»Im Interesse des guten Geschmacks bleibt mir nichts anderes übrig.«

»Aus dem Mund des Mannes, der die Hühner Maggie, Marge und … wie hieß doch gleich das letzte?«

»Das hatte einen tieferen Sinn«, gab ich zurück. »Das war eine Anspielung auf die Simpsons und Futurama.«

»Aber muss man ein Huhn deswegen unbedingt Bender nennen? Du weißt ja, dass die Kinder damals in der Schule ihren Lehrern davon erzählt haben.«

»Bender war ein niedliches Huhn«, sagte ich. »Und Marge auch.« Ich hielt inne und starrte aus dem Fenster. Seit der Fuchsattacke hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich unser letztes einsames Huhn hinten im Garten sah. Natürlich konnte ich Maggie nicht für die drohende Ankunft von zwei Minischweinen verantwortlich machen. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich mit diesen kitschigen Namen leben konnte, die meine Frau für sie ausgesucht hatte. »Wie wäre es, wenn wir einfach im Themenkomplex bleiben?«, schlug ich vor. »Bart ist cool, und Mister Burns. Oder wie wäre es mit Leela?«

»Wie wäre es, wenn du dich mit Rosa und Specki abfinden würdest?« Emma verschränkte die Arme. Ich stellte mir vor, wie eines Tages eines der beiden Schweinchen entlaufen würde, wahrscheinlich Specki, und ich durch den Ort laufen und laut seinen Namen rufen musste.

Im Gegensatz zu einem Wellensittich oder einem Hamster kann man ein Minischwein nicht einfach in jeder beliebigen Zoohandlung kaufen. Es gibt auch nicht annähernd so viele Züchter wie für Katzen oder Hunde. Also muss man sein Interesse anmelden, dann weinend sämtliche Ersparnisse zusammenkratzen und auf den nächsten Wurf warten. Aber da ist noch lange nicht Schluss. An jedem Schwein, egal wie groß es ist, hängt jede Menge Papierkram. Das wusste ich nicht. Es wurde mir eines Morgens klar, als ich beim Frühstück die Post öffnete.

»Was ist das?«, fragte ich Emma und reichte ihr ein Formular. »Post vom Amt für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft. Die Leute mit den wahnsinnigen Kühen.«

Emma nahm das Formular in die Hand und las es durch. Dann schien ihr etwas einzufallen. »Ich habe vergessen, dir das zu sagen«, meinte sie und reichte mir das Blatt Papier zurück. »Du musst dich als Landwirt eintragen lassen.«

»Der war gut!«, kicherte ich, hielt aber inne, als sie kein Zeichen der Belustigung zeigte. »Echt jetzt?«

»Ich habe neulich dort angerufen. Laut Gesetz musst du das Umweltamt in Kenntnis setzen, wenn du Schweine halten willst. Sie haben gesagt, dass du eine Registriernummer brauchst. Das ist ganz einfach.«

»Emma, ich bin kein Bauer. Ich schreibe Kinderbücher. Wenn ich mich für Traktoren begeistern würde oder auf einer Farm leben wollte, hätte ich eine andere Karriere eingeschlagen.« Ich schwieg, nahm einen Schluck Tee und versuchte, so vorwurfsvoll wie möglich auszusehen. »Außerdem, warum muss ich denn der Bauer sein? Das sind doch deine Minischweine. Du bist der Bauer.«

»Ich würde das ja machen«, antwortete sie. »Aber du bist jeden Tag zuhause. Da ist es doch nur logisch, dass du dich anmeldest, falls sie mal irgendwelche Fragen haben.«

Ich sah mir das Formular noch einmal genauer an. »Also, welche Kompetenzen erwerbe ich damit noch? Darf ich die Straße mit Schafskadavern blockieren und sie anzünden?«

»Das gilt nur für französische Bauern«, erklärte Emma und griff nach einem Stift, der neben dem Telefon lag. »Und hier musst du unterschreiben.«

Wenig später erreichte uns die Nachricht, dass Emmas Minischweine zur Welt gekommen waren. Tatsächlich mailte uns die Züchterin regelmäßig Fotos von unserem Wurf. Als sie uns das erste Bild schickte, fragte ich mich, warum wir uns rasierte Würmer hatten andrehen lassen.

»Ich bin doch nicht blöd«, meinte ich. »Du solltest deine Vorauszahlung zurückfordern.«

Das betreffende Foto zeigte die Neuankömmlinge, wie sie Milch aus einem Näpfchen tranken. Ich wollte wirklich nicht geschmacklos sein, aber sie hatten alle tatsächlich genau die Länge eines Würstchens.

»Das sind Minischweine, und jetzt sag bloß nichts Falsches.« Ich konnte am Ton ihrer Stimme erkennen, dass Emma keine andere Deutung zulassen wollte. In diesem Moment war endgültig klar, dass sie sich um nichts in der Welt davon abbringen lassen würde, diese Tiere anzuschaffen. Vielleicht sah sie die Verzweiflung in meinen Augen, denn ihr Gesichtsausdruck wurde um einiges weicher.

»Wenn es dir hilft, dann bin ich bereit, noch einmal über die Namenswahl nachzudenken. Wie wäre es mit den Namen, die du immer wieder vor der Geburt unserer Kinder vorgeschlagen hast?«

»Die beiden, die für dich nie infrage kamen?« Meine Stimmung hellte sich auf. Bisher hatte ich alles abgelehnt, was mit den Minischweinen zu tun hatte. Jetzt stand ich der Sache zum ersten Mal etwas positiver gegenüber. »Butch«, sagte ich, wie um den Klang des Namens auszuprobieren. Ich nickte und lächelte, als ich die beiden Namen aussprach. »Butch und Roxi.« Jedes Foto, das in den folgenden Wochen eintraf, sah ich mir genau an und hinterfragte seine Echtheit. »Butch sieht wirklich klein aus, aber woher willst du wissen, dass dieser Eimer im Vordergrund nicht gefälscht ist, damit er eben klein aussieht.«

»Warum sollte die Züchterin denn so etwas tun? Auf ihrer Website stehen jede Menge Erfahrungsberichte.«

»Und noch was«, beharrte ich. »Wenn Butch und Roxi aus demselben Wurf stammen, warum sehen sie dann so grundverschieden aus?«

»Tun sie nicht.«

»Butch ist schwarz mit weißen Söckchen, also ist bei ihm zumindest ein Teil Katze dabei«, erklärte ich. »Und Roxi hat eine ganz normale Schweinchenfarbe.« Ich scrollte zu einem anderen Foto, um ihr zu zeigen, was ich meinte. Das Schweinchen hatte ein paar schwarze Sprenkel, war aber im Gegensatz zu seinem Bruder ansonsten leuchtend rosa.

»Seit wann bist du denn ein Minischwein-Experte?«, fragte Emma.

»Seit ich Bauer geworden bin, schließlich trage ich auch die Verantwortung, mich um die Herkunft meines Rudels zu kümmern. Wenn man einen Haufen Schweine Rudel nennen darf.«

»Nein, darf man nicht. Das heißt Herde oder bei den wilden Verwandten Rotte«, klärte Emma mich auf. »Und die Tatsache, dass sie unterschiedliche Zeichnungen haben, zeigt nur ihren Stammbaum. Minischweine sind heutzutage eine Mischung aus vielen verschiedenen Rassen. Das bedeutet, dass alle möglichen Merkmale der einzelnen Blutlinien in ein und demselben Wurf zum Vorschein kommen können. Die Kreuzung ist mir egal, solange am Ende das perfekte Grunzerchen herauskommt.«

Das schluckte ich widerspruchslos. Warum? Weil ich mir das beste Argument bis zum Schluss aufgehoben hatte. »Schau dir mal das Foto an, auf dem auch die Züchterin zu sehen ist«, sagte ich und scrollte zum nächsten Bild. »Du kannst nicht abstreiten, dass die Minischweine hier erheblich größer aussehen. Das passt doch alles nicht zusammen!«

Emma betrachtete das Bild. Darauf war eine weibliche Person in Gummistiefeln zu sehen, die im Schneidersitz auf dem Boden einer Scheune saß. Das Foto zeigte sie vom Hals abwärts. Sie spielte mit Schweinchen, die ganz sicher nicht in eine Tasse passten.

»Sie sind ziemlich groß«, stimmte Emma zu.

»Ziemlich groß? Daraus kann sie eine Menge Schinkensandwiches machen!«

Emma sah sich das Foto noch einmal genau an. Eine Welle der Selbstgerechtigkeit erfasste mich. Ich hatte gewonnen. Aber dann tippte Emma auf den Bildschirm und drehte sich triumphierend zu mir um. »Das ist ja auch gar nicht die Züchterin. Das ist ihre Tochter. Sie ist fünf Jahre alt!«

Ich zog die Augenbrauen hoch und überprüfte mein Beweisstück noch einmal. »Ist sie nicht ziemlich groß für ihr Alter?«, fragte ich, wusste aber genau, dass ich keine Antwort mehr bekommen würde.

5

EIN SCHNELLKURS IN SACHEN SCHWEINEHALTUNG

Zwischen unseren ersten beiden Kindern und den beiden Nachzüglern liegt ein deutlicher Altersabstand. So groß, dass viele Leute glauben, wir wären beide zum zweiten Mal verheiratet. Lou und May kamen kurz nacheinander, zwischen ihnen liegen nur achtzehn Monate. Dann ließen wir die Sache erst einmal ruhen. Fünf Jahre später wiederholten wir das Ganze mit Honey und Frank. Tatsächlich hatte Emma von Anfang an einen Masterplan, um so eine große Familie aufzubauen. Aber bis die zweite Welle Kinder kam, versuchte sie noch, Mutterschaft und Karriere unter einen Hut zu bringen. Die Art von Karriere, in der Absätze üblich sind, mit denen man einen Glasboden durchtreten kann.

Emma war es von frühester Kindheit an gewohnt, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie glaubte fest daran, dass sie sowohl Kinder großziehen als auch Finanzdirektoren kleinkriegen könnte, damit sie ihr das Budget genehmigten, das sie für ihre Abteilung gefordert hatte. Es fiel ihr nicht leicht, den Businessdress und ihr Diensthandy aufzugeben, um ein drittes und dann sogar noch ein viertes Kind zu bekommen. Tatsächlich war es für uns beide ein Schock, wieder Windeln zu wechseln und Spucktücher auf der Schulter zu tragen, aber irgendwie wurstelten wir uns durch. Trotzdem war Emmas Teilzeitrückkehr in den Job keine Überraschung für mich. Sie tat es zwar in erster Linie aus finanziellen Gründen, aber im Stillen wusste ich, dass meine Frau sich ihre Fähigkeiten beweisen musste.

Was ich jedoch nicht voraussah, war die Tatsache, wie schnell Emmas Teilzeitjob nach unserem Umzug in eine Vollzeitverfügbarkeit umschlug. Natürlich nagte es an ihrem Gewissen, dass sie so wenig Zeit mit den Kindern verbrachte, und sie plagte sich damit ab, ihrer Verantwortung für die Familie so gerecht zu werden wie nur möglich. Mir blieb nur abends Zeit zum Schreiben um etwas zu unserem Lebensunterhalt beizutragen. Die Situation war angespannt, aber das zusätzliche Gehalt hielt uns über Wasser. Es verpflichtete mich außerdem, mich in einen Haushaltsgott zu verwandeln. Ein entspannter Mann inmitten lauter Mütter. Das war jedenfalls mein ehrgeiziges Ziel. Aber in Wirklichkeit war es nicht immer ganz einfach, wenn mich die Leute zu normalen Geschäftszeiten im Ort antrafen. Obwohl ich mich oft so fühlte, als wäre ich arbeitslos oder als würde ich eine elektronische Fußfessel tragen, schaffte ich es irgendwie, unsere beiden Jüngsten lebendig bis ins schulfähige Alter durchzubringen. Als Honey und Frank schließlich sicher im Klassenzimmer angekommen waren, gehörte mein Arbeitstag wieder mir. Zumindest bis um drei Uhr nachmittags die Glocke läutete.

Nur in einer Sache versagten wir leider kläglich. Es gelang uns nicht, die Freizeitbedürfnisse unserer großen und kleinen Kinder unter einen Hut zu bringen. Hier schieden sich die Geister. Wenn wir mit Honey und Frank auf den Spielplatz gingen, beschwerten sich May und Lou, dass sie lieber mit ihren Freundinnen shoppen gehen würden. Also kutschierten wir die beiden jungen Damen in die nächstgelegene Kleinstadt und fütterten die Parkuhr für zwei Stunden mit Münzen. Ohne Ausnahme benahmen sich Honey und Frank dann so daneben, dass wir den Parkplatz nach zehn Minuten freiwillig wieder räumten. Ein unvergesslicher Höhepunkt war der Tag, an dem Frank auf einer belebten Kreuzung einen Trotzanfall bekam. Er ärgerte sich darüber, dass wir aus dem Supermarkt flüchteten, nachdem er und Honey angefangen hatten, lauthals »Mami hat ’nen Penis!« zu singen – zweifelsfrei eine metaphorische Anspielung auf Emmas berufliche Tätigkeit und das Geld, das sie verdiente. Jedenfalls warf sich Frank genau in dem Moment auf den Asphalt, als die Ampel von Rot auf Gelb sprang. Ehrlich gesagt, wäre jeder Flughafendemonstrant beeindruckt gewesen, mit welcher Ausdauer Frank das Hupen der Autos ignorierte und sich weigerte, sich von der Stelle zu bewegen. Erst das Auftauchen eines Verkehrspolizisten und meine leise Drohung, dass er für immer ins Gefängnis wandern würde, brachten ihn wieder zur Vernunft. Unsere Familie glich in jeder Hinsicht einem großen Schiff, das auf hoher See ächzte und kämpfte. Wir wussten, dass wir irgendwann einen Hafen erreichen würden. Wir durften nur den Glauben nicht verlieren und mussten Kurs halten.

Dann kamen die Minischweine.

In der Woche vor ihrer Ankunft nahm die freudige Erwartung meiner Familie zu. Ich war überrascht, als mir der Gedanke kam, dass doch auch alles ganz anders sein könnte. Endlich gab es einmal etwas, das alle zusammenbrachte. Alle außer mir natürlich, aber die Aussicht auf zwei weitere hungrige Mäuler versetzte mich nun mal nicht unbedingt in Hochstimmung. Doch ich fühlte mich zunehmend unwohl in meiner Rolle als ständiger Zweifler, da Emma und die Kinder wild entschlossen waren, Butch und Roxi aus vollem Herzen in unserer Mitte zu begrüßen. Ich wollte nicht, dass sie mich für verstockt oder miesepetrig hielten. Anstatt also die zugegebenermaßen niedlichen Schweinchenfotos, die uns die Züchterin weiterhin mailte, zu verspotten, entschied ich mich dafür, meine Unterstützung anzubieten. Ich würde ihnen ein Geschenk machen. Es sollte eine Geste sein, dass ich mit im Boot saß.

»Überlasst die Unterbringung der Schweinchen mir«, verkündete ich. »Ich werde mich um alles kümmern. Ihr müsst euch um nichts Sorgen machen.«

»Das ist nett von dir«, antwortete Emma. »Aber weißt du denn über ihre Bedürfnisse Bescheid?«

»Nein. Aber ich kenne einen Mann, der mir helfen kann.« Der Ort, in dem wir leben, liegt gerade so außerhalb der Reichweite eines Londoner Pendlers. Nicht wegen der aufreibenden Zugfahrt. Vielmehr ist es ein riesiger Aufwand zur nächsten Bahnstation zu kommen und dort einen Parkplatz zu finden. Deswegen arbeiten die meisten Leute, die hier wohnen, am Ort. Wenn man also mal einen Maler, einen Innenaustatter oder einen Kammerjäger braucht, muss man nur den örtlichen Pub aufsuchen. Und genau das hatte ich vor, um mich wegen der Unterbringung unserer Minischweine schlau zu machen.

Ich war noch nie ein großer Handwerker. Ich bin sogar mit Möbeln, die man selbst aufbauen muss, überfordert. Während ich meine Bücher schreibe, fällt der Schreibtisch, den ich vor Jahren zusammengebaut habe, langsam aber sicher auseinander, wie ein Auto in einer Clownnummer. Das Gestell, oder wie auch immer man das nennen mag, hakt sich an einer Seite aus, sobald ich die Schublade etwas zu fest schließe. Es war also klar, dass ich den Stall, in dem Butch und Roxi es warm und gemütlich haben sollten, besser nicht selbst baute. Aber ich kannte jemanden, der im Gegensatz zu mir selbst mit geschlossenen Augen so einen Stall schreinern konnte.

Tom war der geborene Handwerker. Eigentlich war er Landschaftsgärtner und konnte in der gleichen Zeit eine Terrasse bauen, die ich dazu brauchte, mich von meinem eBay-Account loszureißen und endlich anzufangen, etwas zu Papier zu bringen. Er war von beachtlicher Körpergröße und hatte die wettergegerbten Züge eines Menschen, der viel an der frischen Luft arbeitet. Dieser Mann konnte mit großen Maschinen umgehen. Zufälligerweise hielt Tom auch Schweine. Normale Schweine. Er besaß ein Stück Land an der Straße neben dem Wald. Er hatte das verwahrloste Grundstück zu einem lächerlich niedrigen Preis gekauft und daraus ein Kleinbauernparadies gemacht. Als Erstes baute er einen Offenstall und zwei Koppeln für die beiden Pferde seiner Frau. Dann reservierte er einen Streifen neben den Bäumen für seine preisgekrönten Mastschweine.

Wenn Tom nicht gerade Holz nach seiner Vorstellung formte, ließ er sich ein Bier im Pub schmecken. Genau dort fand ich ihn auch. Als ich ihn auf einen Drink einlud, wusste er, dass ich etwas von ihm wollte. Tom hatte mir schon dabei geholfen, eine Umzäunung für die Hühner samt Gartentor zu bauen. Dabei hatte meine Aufgabe darin bestanden, die Pfosten festzuhalten, während er sie in den Boden rammte. Bald war ich mir aber überflüssig vorgekommen und hatte stattdessen jede Menge Tee gekocht.

Als ich ihm jetzt erklärte, was ich von ihm wollte, machte er ein Gesicht, als hätte ich ihn um den Bau eines Raumschiffs gebeten. »Minischweine?« Er nahm einen Schluck Bier und ließ sich meine Frage durch den Kopf gehen. »So etwas gibt es nicht.«

Geduldig erklärte ich ihm, dass Emma sich sehr gründlich mit diesem Thema beschäftigt hatte. »Ich bin jetzt sogar ein eingetragener Bauer. Das Umweltamt hat die Existenz von Minischweinen nicht angezweifelt.«

Tom lehnte sich in seinem Stuhl zurück und kaute auf seinem Daumennagel herum. Mir fiel auf, dass er schwarze Trauerränder unter den Fingernägeln hatte. »Was meinst du mit Mini?«

Ich deutete es mit meinen Händen an, ließ sie jedoch gleich wieder sinken, als Tom anfing zu grinsen. »Sagen wir so, die Züchterin hat Emma gesagt, dass sie die beiden in einem Katzenkorb abholen kann.«

»Warum willst du kleine Schweine?«, fragte er. »Daraus werden keine großen Schnitzel.«

»Ich glaube, den Markt decken andere schon ab«, sagte ich. »Emma möchte sie als Haustiere halten. Ich brauche einen Schweinestall für den Garten, so einen wie du hast. Nur kleiner.«

»Du willst Schweine im Garten halten?« Tom wischte sich mit dem Ärmel seiner Fleecejacke den Bierschaum von der Oberlippe. »Sie werden ihn verwüsten. Schweine graben immer, und ihre Rüssel sind wie Schaufeln. Sie werden deinen Rasen in kürzester Zeit umgegraben haben.«

Ich sah ihn hilflos an. »Das ist alles nicht meine Idee«, betonte ich. »Mit läuft nur langsam die Zeit davon. Sie kommen nächstes Wochenende.«

Tom hatte sein Glas noch fast halb voll. Er trank es mit einem langen Schluck aus. »Du brauchst einen Schnellkurs in Sachen Schweinehaltung«, sagte er und stand auf. »Noch kannst du es dir anders überlegen.«

Tom führte mich zur Schweineweide. Dazu mussten wir eine der Pferdekoppeln überqueren. Überall lagen Pferdeäpfel herum, auch im Stall, an dem wir vorbeikamen. Das machte mir den Gedanken an die Ankunft unserer neuen Freunde erträglicher. Zumindest würde ich nicht in diesem Ausmaß ausmisten müssen.

»Hier sind wir.« Als wir das Tor erreichten, fiel Toms Blick auf meine weißen Turnschuhe. »Na, hoffen wir mal, dass man die waschen kann, was?«