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+++Haarsträubendes True Crime: Erstmals die wahre Geschichte der gesamten Mafia mit all ihren Gesichtern – Camorra, Cosa Nostra, 'Ndrangheta. Von Bestsellerautor John Dickie+++ Sie stehen für Korruption, Subventionsbetrug, Menschenhandel, Erpressung und Mord. Jeder dieser Mafiaclans hat seine eigene Geschichte, dunklen Rituale, Grausamkeiten und speziellen Geschäftmethoden. Alle drei haben ihre erbarmungslose Herrschaft international etabliert, die 'Ndrangheta hat Deutschland fest in ihrer Hand. Den blutigen Werdegang dieser einstmals lokalen Verbrecherorganisationen bis hin zu international kooperierenden Unternehmen erzählt der Bestsellerautor und Historiker John Dickie anhand beeindruckender Recherchen. Die brutale Wahrheit hinter den Mythen, glänzend erzählt, packender als jeder Krimi.
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Seitenzahl: 1341
John Dickie
Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia
Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta
Aus dem Englischen von Irmengard Gabler
FISCHER E-Books
Zum Gedenken an Gilbert Dickie (1922–2011)
»Die schwärzeste Verzweiflung, die eine Gesellschaft befallen kann, rührt von der Befürchtung, ein ehrbares Leben könne zwecklos sein.«
Corrado Alvaro
Vor langer Zeit landeten drei spanische Ritter auf der Insel Favignana vor der westlichsten Spitze Siziliens. Sie hießen Osso, Mastrosso und Carcagnosso und waren auf der Flucht. Einer ihrer Schwestern war von einem hochmütigen Edelmann Gewalt angetan worden, und die drei Ritter waren aus Spanien geflohen, nachdem sie die schändliche Tat blutig gerächt hatten.
In einer der vielen Höhlen und Grotten auf Favignana fanden Osso, Mastrosso und Carcagnosso Zuflucht und zudem einen Ort, wo sie den Zorn ob des ihnen widerfahrenen Unrechts in einen neuen Verhaltenskodex münden ließen und einen neuen Geheimbund gründeten. In den folgenden 29 Jahren ersannen und verfeinerten sie die Regeln der Ehrenwerten Gesellschaft, ehe sie ihre Botschaft schließlich in die Welt hinaustrugen.
Osso weihte sein Leben dem heiligen Georg, begab sich auf das nahe gelegene Sizilien und gründete dort jenen Zweig der ehrenwerten Gesellschaft, der als Mafia bekannt werden sollte.
Mastrosso wählte sich die Muttergottes zur Schirmherrin und segelte nach Neapel, wo er einen weiteren Zweig ins Leben rief: die Camorra.
Carcagnosso schließlich verehrte den Erzengel Michael. Er überquerte die Meerenge zwischen Sizilien und dem italienischen Festland nach Kalabrien und gründete dort die ’Ndrangheta.
Omertà handelt von den Ursprüngen und Anfängen der drei meistgefürchteten kriminellen Vereinigungen oder Mafias in Italien. Allerdings kann kein Historiker von sich behaupten, er habe als Erster das Rätsel lösen wollen, wie die sizilianische Mafia, die neapolitanische Camorra und die kalabrische ’Ndrangheta ihren Anfang nahmen. Die Ersten waren nämlich die Mafiosi selbst. Jedes der großen Verbrechersyndikate verfügt über einen eigenen Entstehungsmythos. Die Geschichte von Osso, Mastrosso und Carcagnosso beispielsweise ist die offizielle Version der ’Ndrangheta zu ihren Ursprüngen: Sie wird kalabrischen Rekruten erzählt, die dem örtlichen Clan beitreten wollen, um sich einem von Mord, Erpressung und Drogenhandel bestimmten Leben zu verschreiben.
Aus historischer Sicht haben die drei spanischen Ritter in etwa so viel Substanz wie die drei Bären aus dem gleichnamigen Märchen. Die Geschichte ist purer Unsinn, wenn auch todernster, pseudosakraler Unsinn. Die Erforschung des Nationalismus gemahnt uns daran, dass eine verklärte Vergangenheit jede Schandtat rechtfertigt. In den vergangenen 150 Jahren ist es den Mafias außerdem immer wieder gelungen, die Wahrheit zu verschleiern, indem sie ihr die eigene Version überstülpten. So entpuppte sich die offizielle Geschichtsversion allzu oft als ein Produkt aus den Mythen der Mafia, die weitaus heimtückischer sind, als der Unsinn über Osso, Mastrosso und Carcagnosso zunächst vermuten ließe. Keine einzige gewöhnliche Gang, und sei sie noch so mächtig, hat so lange überlebt wie die Mafias; oder so viel Einfluss auf die Art und Weise, wie ihre eigene Vergangenheit geschildert wird. Allein die Tatsache, dass die Mafias der Historie einen so hohen Stellenwert beimessen, verrät den ungeheuerlichen Grad ihres Ehrgeizes.
Die Geschichte der Mafias ist mit weitaus größeren Ungeheuerlichkeiten angefüllt. Am sichtbarsten sind die von erschreckender Brutalität begleiteten Aktionen. Die verstörende Grausamkeit der Mafiaorganisationen ist wesentliche Grundlage ihres Seins und Tuns. Eine gewaltfreie Mafia existiert nicht. Dabei ist die Gewalt nur die Spitze des Eisbergs. Mit Hilfe der Gewalt und des großen Handlungsspektrums, das sie ermöglicht, korrumpieren die Mafias die demokratischen Institutionen der Republik, beschneiden drastisch die Lebenschancen ihrer Bürger und setzen ihre eigennützigen Machenschaften an die Stelle des Rechts. Das wahrhaft Ungeheuerliche an den Mafias in Italien ist daher nicht etwa die Tatsache, dass durch sie zahllose Leben – auch innerhalb der Vereinigungen – auf grausame Weise beendet wurden. Ebenso wenig sind es die vielen Existenzen, die vernichtet, die Ressourcen, die vergeudet, die kostbaren Landschaften, die zerstört wurden. Das wirklich Ungeheuerliche ist die Tatsache, dass diese Mörder im Süden Italiens eine Parallelregierung bilden. Sie unterwandern Polizei und Justiz, Stadt- und Gemeinderäte, regionale Ministerien und Wirtschaftsunternehmen. Sie verfügen auch über ein gewisses Maß an öffentlicher Unterstützung, und zwar seit der Gründung des italienischen Staates im Jahr 1861. Als Italien größer wurde, wuchsen die Mafias mit ihm. Ungeachtet dessen, was die faschistische Propaganda vielen Menschen weiszumachen versuchte, überlebten die kriminellen Vereinigungen unter Mussolinis Regime, unterwanderten es sogar. Im Frieden und der Demokratie, welche die Zeit seit 1946 prägten, gediehen sie schließlich besser denn je. Als Italien sich in den 1960er Jahren in eine der reichsten kapitalistischen Wirtschaften verwandelte, wurden die kriminellen Vereinigungen stärker, reicher und brutaler als je zuvor. Sie vervielfältigten und verbreiteten sich, erzeugten neue Mafias und neue Plagen in Gegenden des Staatsgebiets, die zuvor immun zu sein schienen. Italien ist ein junges Land, eine moderne Schöpfung; und die Mafias sind eines der Symptome dieser Modernität, auf italienische Art.
Dort, wo die Macht der Mafia am stärksten ist, in den ländlich geprägten Regionen, ist sie heute nichts weniger als ein verbrecherisches Regime. In einem geheimen Bericht aus dem Jahr 2008, der auf die Website von Wikileaks geriet, schilderte der Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Neapel die Zustände in Kalabrien, der Region an der Spitze des italienischen Stiefels, in der die ’Ndrangheta heimisch ist. Man kann sich über die eine oder andere seiner Statistiken streiten, aber der Kern der Diagnose ist ebenso wahr wie ernüchternd:
»Das Verbrechersyndikat ’Ndrangheta kontrolliert große Teile des Hoheitsgebiets und der Wirtschaft Kalabriens und erzielt mindestens drei Prozent von Italiens Bruttoinlandsprodukt (wahrscheinlich weit mehr) durch Drogenhandel, Erpressung und Wucher (…) Ein Großteil der kalabrischen Industrie ist bereits vor über zehn Jahren zusammengebrochen. Das Ergebnis: Umweltschäden und wirtschaftlicher Ruin. Die Region steht in beinahe jeder Wirtschaftsdisziplin innerhalb Italiens an letzter Stelle. Die meisten Politiker vor Ort, mit denen wir sprachen, waren der fatalistischen Auffassung, dass der ökonomischen Abwärtsspirale des Landes und dem Würgegriff der ’Ndrangheta wenig entgegenzuhalten sei. Andere wiederum behaupteten verlogen, das organisierte Verbrechen stelle längst kein Problem mehr dar (…) Niemand hier glaubt, dass die Regierung in Rom auch nur den geringsten Einfluss auf die Verhältnisse in Kalabrien hat, und Politiker vor Ort gelten ausnahmslos als ineffektiv und/oder korrupt. Würde Kalabrien nicht zu Italien gehören, wäre es ein gescheiterter Staat.«
Italien war schon immer eine Gesellschaft mit tiefreichenden Problemen. Dennoch ist das Land weder eine südamerikanische Bananenrepublik oder eine verarmte Warlord-Domäne in Asien noch die Ruine eines zerschlagenen osteuropäischen Staates. Wenn sich unsere Landkarten nicht fatal irren, befindet sich die wie ein Stiefel geformte Halbinsel keineswegs in einer Region der Welt, in der die Autorität des Staates erwartungsgemäß durch eine gewalttätige raubgierige alternative Macht untergraben wird. Italien ist ein vollwertiges Mitglied in der Familie westeuropäischer Nationen. Doch als einzige unter diesen Nationen beherbergt es die Mafias. Hierin liegt sowohl die Faszination als auch die dringende Notwendigkeit einer Geschichte der Mafia begründet.
Die Beschäftigung mit der Geschichte der Mafia ist allerdings ein junges Forschungsfeld, entstanden nach der beispiellosen Mafiagewalt der 1980er und frühen 1990er Jahre, als italienische Wissenschaftler begannen, ihre Empörung in geduldige und konsequente Forschung umzusetzen. Die überwältigende Mehrheit dieser Historiker, deren Zahl beständig wächst, stammt gerade aus jenen südlichen Regionen, die am schlimmsten von Italiens permanentem kriminellen Ausnahmezustand betroffen sind – Regionen, in denen auch heute noch Mafiageschichte geschrieben wird. Einige dieser Forscher sind, so wie ich, in der glücklichen Lage, einen Lehrstuhl innezuhaben. Andere sind Richter und Juristen, wieder andere einfach nur engagierte Bürger. Doch sie alle sind fest entschlossen, den Lügen und Mythen der Mafia, die weitaus heimtückischer sind, als es der Humbug von den spanischen Rittern zunächst glauben machen könnte, mit harten Fakten und offenen Debatten zu begegnen. Es gibt wohl nur wenige Bereiche in der Geschichte, in denen die Erforschung der Vergangenheit einen so direkten Beitrag zu einer besseren Zukunft leisten kann. Um die Mafias zu besiegen, gilt es zunächst zu verstehen, was sie eigentlich sind; und sie sind genau das, was die Geschichtswissenschaft uns offenbart, nicht mehr und nicht weniger. Den Bemühungen einer Vielzahl von Historikern ist es zu verdanken, dass wir mittlerweile imstande sind, ein wenig Licht in das Dunkel der frühen Jahre des organisierten Verbrechens in Italien zu bringen und Fakten offenzulegen, die nicht nur erschreckend sind, sondern von erschreckender Relevanz für die Gegenwart.
Das vorliegende Buch entspringt meiner Überzeugung, dass die Erkenntnisse dieses wachsenden Forschungszweigs zu wichtig sind, um sie den Spezialisten vorzubehalten. Der Text vereint die bereits bekannte Dokumentation mit den besten Ergebnissen der jüngeren Forschung, so dass, wie man sagen könnte, eine Art Chor entsteht, eine vielstimmige Erzählung. Meine eigene Stimme ist insofern Teil des Chors, als das vorliegende Buch die Geschichte, die aus der aufregenden Forschungsarbeit in Italien hervorgegangen ist, mit maßgeblichen neuen Erkenntnissen ergänzt und korrigiert.
Dieses Buch unterscheidet sich noch in anderer Hinsicht: Es will die Geschichte aller Mafias in Italien erzählen. Bei Historikern ist ein vergleichender Ansatz noch immer sehr selten. (Für Soziologen und Kriminologen dagegen gehört der Vergleich zum Rüstzeug.) Vielleicht ist verständlich, dass Historiker hinterherhinken – nicht nur, weil das Schreiben einer zusammenhängenden Geschichte des organisierten Verbrechens in Italien eine beängstigend große Aufgabe ist. Die kriminellen Bruderschaften Siziliens, Kampaniens und Kalabriens passten sich jeweils den charakteristischen Zügen der Region an, aus der sie sich nährten. So war zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrer Entwicklung der Unterschied zwischen ihnen größer, als das verallgemeinernde Etikett »Mafia« es vielleicht vermuten ließe.
Die einzelnen Mafias haben jedoch nie unabhängig voneinander existiert. Ihre Gemeinsamkeiten sind ebenso wichtig wie die vielen Merkmale, die sie unterscheiden. Im Laufe ihrer Geschichte haben die drei Mafias miteinander kommuniziert und voneinander gelernt. Deshalb erinnert die isolierte Beschäftigung mit jeder einzelnen Mafia Italiens, bei allen individuellen Eigenheiten, manchmal an die Arbeitsweise eines Wissenschaftlers, der die Dynamik der natürlichen Auslese zu ergründen sucht, indem er auf Käfer starrt, die in einem verstaubten Schaukasten auf Stecknadeln gespießt sind. Ein weiter gefasster, vergleichender Kontext zeigt uns, dass es in Italien nicht etwa solitäre, statische kriminelle Organismen gibt, die isoliert voneinander agieren, sondern ein vielfältiges kriminelles Ökosystem, das bis zum heutigen Tag neue Lebensformen hervorbringt.
Die Spuren der gemeinsamen Geschichte der Mafias sind in einer gemeinsamen Sprache zu erkennen. Ein Beispiel dafür ist das Wort omertà – oder umiltà (Demut), wie es ursprünglich hieß. In ganz Süditalien und Sizilien steht omertà-umiltà für ein Gesetz des Schweigens und der Unterwerfung unter die kriminelle Autorität. Ein weiteres Beispiel ist der Begriff der »Ehre«: Jede der drei Vereinigungen beruft sich auf einen Ehrenkodex und bezeichnet sich als ehrenwerte Gesellschaft.
Doch die Gemeinsamkeiten zwischen den ehrenwerten Gesellschaften gehen weit über diese Begriffe hinaus und sind einer der Gründe für ihren Erfolg und ihre Langlebigkeit. Deshalb ist das Einzige, was die historisch-kritische Methode hinsichtlich des Märchens von Osso, Mastrosso und Carcagnosso uns lehren kann, die Erkenntnis, wie wertvoll ein Vergleich beziehungsweise ein paralleles Lesen der Entstehungsgeschichten von Mafia, Camorra und ’Ndrangheta ist.
2004 ist mein Buch Cosa Nostra: Die Geschichte der Mafia erschienen. Es enthält die wichtigsten Erkenntnisse der italienischen Forschung über diese berüchtigte kriminelle Vereinigung. Omertà ist keine Fortsetzung von Cosa Nostra, sondern ein eigenständiges Werk. Allerdings werden die Leser von Cosa Nostra vielleicht die eine oder andere Episode aus diesem früheren Buch wiedererkennen. Aus diesem Grund sollten sie wissen, ehe sie mit der Lektüre beginnen, warum die sizilianische Mafia auch für die Belange in diesem Buch von Bedeutung ist. Es gibt dafür zwei Gründe: Erstens haben in den vergangenen drei oder vier Jahren neue Erkenntnisse unsere Sicht auf Schlüsselmomente in der Geschichte des organisierten Verbrechens in Sizilien radikal verändert; zweitens lässt sich über die sizilianische Mafia noch etliches lernen, indem man sie mit der Camorra und der ’Ndrangheta vergleicht. Was dieser Vergleich uns lehrt, ist beispielsweise die Tatsache, dass der unselige Ruf der sizilianischen Mafiosi voll und ganz verdient ist.
Sizilien hat der Welt den Begriff »Mafia« gegeben, und die Tatsache, dass dieses Wort mittlerweile Teil der Alltagssprache geworden ist, und das nicht nur in Italien, sondern auf der ganzen Welt, ist symptomatisch für den beherrschenden Einfluss des organisierten Verbrechens in Sizilien. Im Dialekt Palermos, der Hauptstadt Siziliens, stand der Begriff »Mafia« für Schönheit und Selbstbewusstsein: Das umgangssprachliche »cool« kommt der ursprünglichen Bedeutung wohl am nächsten. In den 1860er Jahren, kurz nachdem die geplagte Insel Sizilien Teil eines neu geeinten Italiens geworden war, wurde der Begriff »Mafia« allmählich zum Markenzeichen einer Organisation, die für kurze Zeit aus einem Nebel der Gewalt und Korruption auftauchte. Die Mafia (die schon bald wieder im Nebel verschwinden sollte) hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Weile existiert und inzwischen ein Niveau an Macht und Reichtum erlangt, von dem ein Krimineller auf dem Festland nur träumen konnte. Diese Macht und dieser Reichtum erklären auch, warum das sizilianische Wort »Mafia« zum Oberbegriff für sämtliche kriminellen Vereinigungen Italiens wurde, einschließlich der Camorra und der ’Ndrangheta. Im Laufe von etwa 100 Jahren – jener Zeitspanne, die das vorliegende Buch umfassen wird – gelang auch den beiden anderen mafiosen Verbindungen der Halbinsel derselbe Höhenflug, den die Sizilianer bereits in den frühen Jahren vollzogen.
Heutzutage bezeichnet sich die sizilianische Mafia üblicherweise als Cosa Nostra (»Unsere Sache«). Den Beinamen übernahmen Mafiosi in den 1960er Jahren sowohl in den Vereinigten Staaten als auch auf Sizilien. Der Name ’Ndrangheta blieb um die Mitte der 1950er Jahre an der kalabrischen Mafia haften. (Er bedeutet »Männlichkeit«, »Wagemut«.) Beide Namen wurden zum Inbegriff ihrer Träger, weil nach dem Krieg Öffentlichkeit und Justiz immer mehr Fragen stellten, um ein Bild zu revidieren, das 100 Jahre Chaos, Nachlässigkeit und Verdunkelung gänzlich verzerrt hatten.
Und so gibt die erste Hälfte des vorliegenden Buches, die mit dem Niedergang des Faschismus und mit der Befreiung Italiens durch die Alliierten endet, die Geschichte von Verbrechervereinigungen wieder, die damals zwar nicht namenlos, wohl aber unergründet und geheimnisvoll waren, von Schweigen umhüllt (im Falle der ’Ndrangheta) oder von endlosen, ergebnislosen Kontroversen (im Fall der sizilianischen Mafia).
Die Camorra hatte ein anderes Verhältnis zu ihrem Namen. Während die Macht des organisierten Verbrechens in der Geschichte Neapels kontinuierlich zu- und wieder abnahm, hieß die Camorra doch stets Camorra. Die Ehrenwerte Gesellschaft Neapels war zwar eine geheime, verschworene Gemeinschaft von Gangstern, doch hatte sie seltsamerweise kaum Geheimnisse. Jedermann in Neapel wusste über sie Bescheid: einer der Gründe, warum ihre Geschichte so dramatisch anders verlaufen sollte als jene der ehrenwerten Gesellschaften Siziliens und Kalabriens.
Mit seinem vergleichenden Ansatz bietet das vorliegende Buch Antworten auf einige drängende Fragen. Wie sind die geheimen Verbrecherorganisationen Italiens entstanden? Wie kamen sie ans Licht? Warum haben sie ihre Enthüllung nicht nur überlebt, sondern wurden sogar noch mächtiger? Die schlechtesten Antworten auf diese Fragen lassen haltlose Legenden aufleben, die den arabischen Eroberern Siziliens und den spanischen Herrschern in Neapel die Schuld geben. Solche Geschichten ähneln – in geradezu verdächtiger Weise – dem Seemannsgarn, das die Ehrenwerten Gesellschaften gern über sich spinnen. Kaum besser sind Antworten, die Klischees wie »die Kultur«, »die Mentalität« oder »die süditalienische Familie« bemühen.
Viele universitäre Schriften geben intellektueller klingende Antworten, sprechen vom fragilen Fundament des Staates, vom mangelnden Vertrauen der Bürger in Regierungseinrichtungen, oder beklagen ein Vorherrschen von Klientelismus und Ämterpatronage in Politik und Verwaltung und so weiter. Als Professor für italienische Geschichte habe auch ich in der Vergangenheit dergleichen Thesen aufgestellt. Ich weiß also nur zu gut, wie selten sie zur Aufklärung beitragen. Dennoch verbirgt sich in all diesen Phrasen ein wesentliches Körnchen Wahrheit: Die Geschichte des organisierten Verbrechens in Italien handelt ebenso von der Schwäche des Staates wie von der Stärke der Mafias. Die Omertà führt uns mitten hinein in das Thema: Sie wird oft als eherner Verschwiegenheitskodex beschrieben, als eine unwiderrufliche Entscheidung zwischen Schweigen und Tod. In einigen Fällen ist sie zweifellos ein ebenso gnadenloses Gesetz, wie ihr Ruf es suggeriert. Und doch zeigen die historischen Quellen, dass die Omertà oft genug gebrochen wurde, wenn der Druck hoch genug war. Das ist einer der Gründe, warum so viele finstere Geheimnisse über die organisierte Kriminalität noch immer in den Archiven liegen und darauf warten, von uns ausgegraben zu werden. Und warum die Geschichte der Mafias in vielen Fällen eher von Irreführungen und Intrigen handelt als von Gewalt und Tod.
Um ihre Geheimnisse zu enthüllen, ihre Intrigen zu rekonstruieren und auf diese Weise befriedigendere Antworten auf die Frage nach ihren Ursprüngen zu finden, ist es wohl am besten, einfach Geschichten zu erzählen – dokumentierte Geschichten, die von realen Verbrechen handeln, von realen Männern und Frauen, und von realen Entscheidungen, die zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten getroffen wurden. Die renommiertesten Historiker, die sich mit den Ursprüngen des organisierten Verbrechens in Italien befassen, rekonstruieren diese Geschichten aus fragmentarischen Archivquellen und aus den Darstellungen von Personen (vorwiegend aus dem Kriminellenmilieu), die oftmals gute Gründe haben, um ihre Aussagen abzuändern. Es ist keineswegs banal, diese Art der Geschichtsforschung mit Detektivarbeit gleichzusetzen. Detektive bemühen sich, einen zusammenhängenden Fall zu schaffen, indem sie die vorliegenden Beweise mit dem vergleichen, was Zeugen und Verdächtige ihnen erzählen. Beiden – dem Historiker wie dem Detektiv – erschließt sich die Wahrheit aus den Lücken und Ungereimtheiten der verfügbaren Zeugenaussagen ebenso wie aus den Fakten, die sie enthalten.
Doch die Frage, die sich bei der Ergründung von Italiens langjährigem belasteten Verhältnis zu diesen unheimlichen Geheimbünden stellt, ist nicht nur, wer welche Verbrechen begangen hat. Es gilt auch herauszufinden, wer wie viel wusste. In den vergangenen 150 Jahren hatten Polizeibeamte, Richter, Politiker, Meinungsbildner und sogar die Allgemeinheit Zugang zu einer überraschenden Menge an Informationen über das Problem Mafia, nicht zuletzt dank der Zerbrechlichkeit der Omertà. Italiener waren auch wiederholt schockiert und empört angesichts der Gewalttätigkeit der Mafia und angesichts der Art und Weise, wie einige Vertreter von Polizei, Justiz und Politik mit Gangsterbossen paktierten. Infolgedessen wurde das Drama Mafia häufig vor aller Augen aufgeführt: als politische Konfrontation, als Medienereignis. Andererseits zeigte sich Italien auch höchst einfallsreich, wenn es Gründe zu finden galt, um wegzusehen. Deshalb ist die Geschichte der italienischen Mafias nicht nur eine Suche nach dem »Wer war’s?«, sondern auch nach dem »Wer hat’s gewusst?« und »Wer hat’s zugelassen und nichts dagegen getan?«.
In den frühen Morgenstunden des 15. August 2007 bestiegen in der deutschen Stahlstadt Duisburg, nur wenige Meter vom Restaurant Da Bruno entfernt, wo sie Geburtstag gefeiert hatten, sechs junge Männer italienischer Abstammung eine Limousine und einen Kleinbus. Einer von ihnen war gerade 18 geworden (es war seine Party gewesen), ein Zweiter war erst 16. Wie die Übrigen starben auch die beiden Jüngsten sehr schnell auf ihren Sitzen. Zwei Killer gaben 54 Schüsse auf sie ab, nahmen sich sogar die Zeit, ihre 9-mm-Pistolen nachzuladen und jedem der sechs Opfer noch einen Gnadenschuss zu verpassen.
Es war das schlimmste Mafiablutbad, das jemals außerhalb Italiens und der USA stattgefunden hatte – das nordeuropäische Äquivalent zum Massaker am Valentinstag von 1929 in Chicago. Als der Hintergrund zu den Morden ans Licht kam – eine seit langem schwelende Blutfehde in einer wenig bekannten Gegend Süditaliens –, rangen Journalisten in aller Welt mit einem Begriff, den die New York Times als »unaussprechlich« bezeichnete: ’Ndrangheta. Der Name wird En-drang-get-ah ausgesprochen.
Die ’Ndrangheta stammt aus Kalabrien und ist am stärksten vertreten in der Provinz Reggio Calabria, wo das italienische Festland beinahe Sizilien berührt. Kalabrien gilt als Italiens ärmste Region, doch die dortige Mafia ist mittlerweile die reichste und mächtigste im ganzen Land. In den 1990er Jahren erkämpften sich die ’Ndranghetisti (die kalabrischen Ehrenmänner) eine führende Rolle innerhalb des europäischen Kokainmarktes, indem sie mit den südamerikanischen Drogenkartellen direkt Geschäfte machten. Die Kalabresen haben die strengste Omertà – ein Gesetz, das zu Verschwiegenheit und Geheimhaltung verpflichtet. Sehr wenige Informanten verlassen je die Reihen der Organisation, um als Kronzeugen auszusagen. In den vergangenen Jahren hat die kalabrische Mafia auch am erfolgreichsten von allen größeren kriminellen Organisationen Zellen außerhalb der Heimat gegründet und verfügt mittlerweile über Ausleger in Mittel- und Norditalien und sogar im Ausland: So wurde die Existenz von ’Ndrangheta-Kolonien in sechs deutschen Städten bestätigt, außerdem in der Schweiz, in Kanada und in Australien. Laut einem aktuellen Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Mafiakriminalität ist die ’Ndrangheta auch in Belgien, Holland, Großbritannien, Portugal, Spanien, Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Marokko, der Türkei, Venezuela und den USA vertreten. Von allen süditalienischen Mafiaorganisationen ist die ’Ndrangheta die jüngste und derzeit erfolgreichste; im Laufe der Zeit hat sie mehr dazugelernt als jedes andere italienische Verbrechersyndikat. Meine Forschung lässt darauf schließen, dass sie ihre wichtigsten Lektionen längst begriffen hatte, als die Welt sich ihrer Existenz überhaupt erst bewusst wurde.
Das Duisburg-Massaker zeigt mit erschreckender Klarheit, dass Italien und die vielen Gegenden der Welt, in denen es Mafiakolonien gibt, noch immer mit den Auswirkungen der Geschichte leben, die hier erzählt werden soll. Bevor wir also in die Vergangenheit der Mafia eintauchen, ist es unerlässlich, ihre gegenwärtigen Protagonisten einzuführen, drei Profile zu skizzieren, die auf prägnante Weise zeigen, wessen Geschichte die Geschichte der Mafia eigentlich ist. Denn selbst nach Duisburg muss die Welt sich erst noch an die Vorstellung gewöhnen, dass es in Italien nicht nur eine Mafia gibt. Die Öffentlichkeit hat nur eine vage Vorstellung von den Strukturen dieser Organisationen, insbesondere denen der Camorra und der ’Ndrangheta.
Blut tränkt die Seiten der Mafiageschichte. Blut in all seinen Bedeutungen kann uns auch die unbekannte Welt des organisierten Verbrechens im heutigen Italien näherbringen. Das Blut ist vermutlich das älteste und urgewaltigste Symbol der Menschheit, und Mafiosi nutzen noch immer jede seiner Facetten. Blut als Symbol der Gewalt. Blut als Symbol von Geburt und Tod, von Männlichkeit und Mut. Blut als Symbol von Verwandtschaft und Familie. Jede der drei Mafiaorganisationen gehört einer eigenen Kategorie an – der eigenen Blutgruppe, wenn man so will –, die sie einerseits von den anderen beiden unterscheidet, sie andererseits, was Rituale und Strukturen anbelangt, auch mit ihnen verbindet.
Zunächst die Rituale: Indem sie blutige Eide leisten und Blutsbrüder werden, gehen italienische Gangster miteinander eine Verbindung ein, die zur Gewalt verpflichtet und erst mit dem Tod endet. Diese Verpflichtung besteht fast immer ausschließlich zwischen Männern. Allerdings ist auch die Eheschließung – symbolisiert durch das Vergießen jungfräulichen Blutes – ein Schlüsselritual im Leben eines Mafioso. Aus diesem Grund stellen Frauen eines der wiederkehrenden Themen in diesem Buch dar, Frauen und die Frage, wie Mafiosi gelernt haben, sie zu handhaben.
Was vor allem die ’Ndrangheta von Anfang an begriffen hat, ist die Magie der Rituale. Und Rituale spielen eine große Rolle im Leben eines angehenden ’Ndranghetista, wie wir aus einer der wenigen Autobiographien wissen, die ein kalabrischer Mafioso (und mehrfacher Mörder) verfasst hat, der zum Kronzeugen wurde, nachdem er eine so heftige Phobie gegen Blut entwickelt hatte, dass er nicht einmal mehr ein medium gebratenes Steak ansehen konnte).
Antonio Zagaris Karriere im organisierten Verbrechen begann am 1. Januar 1954, zwei Minuten nach Neujahr. Sie begann, um genau zu sein, im selben Augenblick, da er aus dem Mutterleib gepresst wurde. Er war der erstgeborene Sohn, und so wurde seine Ankunft mit besonderer Freude begrüßt: Sein Vater Giacomo griff sich ein schweres Maschinengewehr aus dem Zweiten Weltkrieg und ballerte ein halbes Magazin in den Sternenhimmel über dem Golf von Gioia Tauro. Die Gewehrsalve ließ der Hebamme kaum die Zeit, die sie benötigte, um den kleinen Körper vom Blut zu reinigen, ehe der Vater den Säugling an sich riss und den Mitgliedern des Clans zeigte, die im Haus versammelt waren. Das Baby wurde sanft vor ihnen abgelegt, und neben seine schwach rudernden Ärmchen platzierte man ein Messer und einen großen Schlüssel. Der Gegenstand, den seine Finger zuerst berührten, würde seinen Lebensweg vorherbestimmen. War es der Schlüssel, Symbol für das Gefängnis, würde er ein sbirro werden – ein Polyp, ein Gesetzesknecht. Wäre es dagegen das Messer, würde er nach dem Ehrenkodex leben und sterben. Es war das Messer, sehr zur Freude der Anwesenden. (Obwohl man der Wahrheit halber hinzufügen muss, dass ein hilfreicher Erwachsenenfinger die Klinge unter das Händchen gestupst hatte.)
Begeistert von der kühnen Karrierewahl seines Sohnes hob Giacomo Zagari den Kleinen in die Höhe, zog ihm die winzigen Gesäßbacken auseinander und spuckte ihm geräuschvoll auf den Anus, was ihm Glück bringen sollte. Er würde Antonio heißen wie sein Großvater, ein brutaler Verbrecher, der die Szene über seinen Walross-Schnauzbart hinweg, übelriechend und vergilbt dank der Zigarre, die er unentwegt zwischen den Zähnen stecken hatte, beifällig beobachtete. Der kleine Antonio war jetzt »halb drin und halb draußen«, wie die Männer der Ehrenwerten Gesellschaft es nannten. Er war noch kein vollwertiges Mitglied – er würde erst noch eine Lehrzeit durchlaufen, auf die Probe gestellt und beobachtet werden müssen. Doch der Weg in ein überdurchschnittlich grausames Gangsterleben war ihm bereits vorgezeichnet.
Zagari wuchs nicht in Kalabrien auf, sondern in der Nähe von Varese, unweit der Schweizer Grenze, wo sein Vater der örtliche ’Ndrangheta-Zelle vorstand. Während der gelegentlichen Gefängnisaufenthalte seines Vaters wurde Antonio als Jugendlicher in den Süden geschickt, um seinen Onkeln zur Hand zu gehen, die in der fruchtbaren Ebene von Gioia Tauro an der tyrrhenischen Küste Kalabriens mit Zitrusfrüchten Handel trieben. Er bewunderte die Verwandten und Freunde seines Vaters, zum einen wegen des Respekts, den man ihnen vor Ort entgegenbrachte, zum anderen wegen ihrer vornehmen Ausdrucksweise. Bevor sie ein auch nur annähernd unflätiges Wort äußerten wie »Füße«, »Toilette« oder »Unterhose«, pflegten sie um Verzeihung zu bitten: »Mit Verlaub gesprochen …«, »Verzeiht die Ausdrucksweise …« Und wenn ihnen keine Wahl blieb, als wirklich schmutzige Wörter wie »Polizist«, »Richter« oder »Gerichtssaal« in den Mund zu nehmen, überschlugen sie sich förmlich vor vorauseilenden Entschuldigungen:
»Ich muss euch, mit Verlaub, mitteilen, verehrte Anwesende, teure Freunde, und hoffe, ihr verzeiht es mir, wenn ich euch zu meinem Bedauern sagen muss, dass die Carabinieri (…)«
Als Sohn eines Bosses brauchte Antonio Zagari nur eine kurze Verbrecherlehre zu absolvieren. Er schmuggelte einige geheime Botschaften ins Gefängnis, versteckte ein paar Waffen und war schon mit 17 Jahren bereit, der Verbindung als vollwertiges Mitglied beizutreten.
Eines Tages kopierten ihm seine »Freunde«, wie er sie nannte, einige Seiten aus den Regeln und gesellschaftlichen Vorschriften, die er vor seiner Initiation auswendig zu lernen hatte. Es glich, wie er sich später erinnerte, dem Katechismus, den sich die Kinder vor Erstkommunion und Firmung einprägen mussten.
Die Statuten der »Gesellschaft«. Eine der vielen Seiten aus der Anleitung zum Initiationsritual der ’Ndrangheta, die im Juni 1987 im Versteck von Giuseppe Chilà gefunden wurden. Erwähnt werden auch die drei spanischen Ritter Osso, Mastrosso und Carcagnosso – der Legende nach die Begründer von Mafia, Camorra und ’Ndrangheta.
Dieser »Katechismus« beinhaltete auch Lektionen in ’Ndrangheta-Geschichte. Nachdem er also die Großtaten von Osso, Mastrosso und Carcagnosso seinem Gedächtnis einverleibt hatte, wurde Zagari für würdig erachtet, sich dem überaus komplizierten Initiationsritual zu unterziehen. Er wurde in einen isolierten, abgedunkelten Raum geführt und den ranghöchsten Mitgliedern vorgestellt, die alle im Kreis saßen. Vorerst musste er still sein, von der Gruppe ausgeschlossen.
»Seid ihr zufrieden, liebe Freunde?«, begann der Boss.
»Absolut. Womit?«
»Mit den gesellschaftlichen Regeln.«
»Absolut.«
»Gut. Im Namen der organisierten und gläubigen Gesellschaft taufe ich diesen Ort, wie es unsere Ahnen Osso, Mastrosso und Carcagnosso taten, mit Eisen und Ketten.«
Der Boss schritt sodann im Zimmer umher und nahm jedem ’Ndranghetista die Werkzeuge seiner Zunft ab. Dabei äußerte er bei jedem Innehalten dieselbe Formel:
»Im Namen unseres gestrengen Erzengels Michael, der eine Waage in der einen und ein Schwert in der anderen Hand trug, beschlagnahme ich eure Waffen.«
Die Bühne war nun bereitet, und der Vorsitzende konnte seine Rede zur eigentlichen Zeremonie halten.
»Die Gesellschaft ist ein Ball, der um die ganze Welt wandert, kalt wie Eis, heiß wie Feuer, weich wie Seide. Lasst uns schwören, schöne Freunde, dass ein jeder, der die Gesellschaft verrät, dies mit fünf oder sechs Dolchstößen in die Brust bezahlen wird, wie die gesellschaftlichen Regeln es verlangen. Silberkelch, geweihte Hostie, mit Worten der Demut forme ich die Gesellschaft.«
Ein weiteres »Danke« ertönte, während die ’Ndranghetisti näher zusammenrückten und die Arme verschränkten.
Dreimal fragte der Boss nun seine Kameraden, ob Zagari bereit sei, in die Ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen zu werden. Als er dreimal dieselbe positive Antwort erhalten hatte, öffnete sich der Kreis, und sofort tat sich zur Rechten des Bosses für den Neuankömmling eine Lücke auf. Der Boss nahm ein Messer und ritzte in den linken Daumen des Neulings ein Kreuz, so dass Blut aus der Wunde auf ein spielkartengroßes Abbild des Erzengels Michael tropfen konnte. Der Boss riss sodann den oberen Teil des Bildchens mitsamt dem Kopf des Erzengels ab und verbrannte den Rest in einer Kerzenflamme, ein symbolischer Akt für die völlige Vernichtung potentieller Verräter.
Erst jetzt durfte Zagari den Mund auftun, um den Eid der ’Ndrangheta abzulegen:
»Ich schwöre vor der organisierten und getreuen Gesellschaft, vertreten von unserem verehrten und weisen Oberhaupt, und vor allen Mitgliedern, dass ich sämtliche Pflichten erfüllen werde, für die ich verantwortlich bin und die man mir auferlegen wird – falls nötig sogar mit meinem Blut.«
Der Boss küsste nun das neue Mitglied auf beide Wangen und erläuterte ihm den Ehrenkodex. Als Abschluss der Zeremonie folgte eine weitere surreale Beschwörung:
»O herrliche Demut! Du hast mich mit Rosen und Blumen bestreut und auf die Insel Favignana getragen, um mich dort die ersten Schritte zu lehren. Italien, Deutschland und Sizilien führten einen erbitterten Krieg. Viel Blut ist geflossen für die Ehre der Gesellschaft. Und dieses Blut, in einem Ball gesammelt, wandert nun um die Welt, kalt wie Eis, heiß wie Feuer und weich wie Seide.«
Die ’Ndranghetisti durften sich schließlich ihre Waffen nehmen – im Namen von Osso, Mastrosso, Carcagnosso und dem Erzengel Michael – und ihren kriminellen Alltag fortsetzen.
Dieses pompöse Gefasel klingt, als sei die ’Ndrangheta eine Version der Jäger in Goldings Herr der Fliegen, mit einem Schuss Ritter der Kokosnuss von Monty Python. Es würde einer gewissen Komik nicht entbehren, brächte das Ergebnis nicht so viel Tod und Elend. Und doch ist die bizarre Phantasiewelt des ’Ndrangheta-Rituals durchaus zu vereinbaren mit der brutalen Wirklichkeit, die von Morden und Kokaingeschäften geprägt ist.
Initiationsrituale sind für die ’Ndrangheta noch weitaus wichtiger als die Legende von Osso, Mastrosso und Carcagnosso, weil sie ihr eine Aura altehrwürdiger Vornehmheit verleihen. Ganz gleich, in welcher Lebensphase die Aufnahmerituale der Mafia stattfinden, sie sind doch stets eine Taufe, um Antonio Zagari zu zitieren. Wie die Taufe steht auch diese Zeremonie für eine Identitätsänderung und zieht eine blutige Linie zwischen dem einen Seinszustand und dem nächsten. Kein Wunder, dass ’Ndranghetisti sich aufgrund der Rituale, die sie durchlaufen, als Mitglieder eines eigenen Stammes betrachten. Die Initiation eines kalabrischen Mafioso ist in der Tat ein besonderer Tag.
Der 15. August 2007 in Duisburg war auch so ein besonderer Tag. Am Morgen nach dem Massaker untersuchte die deutsche Polizei die verstümmelten Leichen der Opfer nach Hinweisen. Sie fand ein halb verbranntes Heiligenbildchen des Erzengels Michael in der Tasche des Jungen, der seinen 18. Geburtstag gefeiert hatte.
Auch die sizilianische Mafia, bekannt als Cosa Nostra, hat ihre Mythen und Zeremonien. Viele Mafiosi halten beispielsweise an dem Irrglauben fest (zumindest bis vor kurzem), ihre Organisation sei ursprünglich ein mittelalterlicher Geheimbund gewesen, dessen Kapuzen tragende Mitglieder sich als Beati Paoli bezeichneten. Im Initiationsritual der sizilianischen Mafia bedient man sich ebenfalls der Blutsymbolik, wenn auch schlichter als in der ’Ndrangheta. Der gleiche abgedunkelte Raum. Die gleiche Versammlung von Bossen, die typischerweise um einen Tisch sitzen, in dessen Mitte eine Pistole und ein Messer liegen. Der »Pate« des Aspiranten erklärt diesem die Regeln, sticht ihm dann in den Zeigefinger der Schusshand und lässt ein wenig Blut auf ein Heiligenbild tropfen – üblicherweise Mariä Verkündigung. Das Bild wird in den Händen des Neulings verbrannt, während er folgenden Eid leistet: »Wenn ich Unsere Sache verrate, soll mein Fleisch brennen wie diese Heilige.« Vergossenes Blut kann nicht zurückgegeben werden. Was verbrannt ist, wird nicht wieder ganz. Wer in die sizilianische Mafia aufgenommen wird, schließt einen Bund fürs Leben.
Initiationsriten sind nicht nur ein wesentlicher Bestandteil des Lebens innerhalb der kalabrischen und sizilianischen Mafias, sondern auch wichtige historische Zeugnisse. Die frühesten Hinweise auf das ’Ndrangheta-Ritual stammen aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Version der sizilianischen Mafia ist älter: Der erste dokumentierte Beweis tauchte 1876 auf. Ihre Rituale wurden von diesem Zeitpunkt an immer wieder aufgezeichnet, hinterließen blutige Fingerabdrücke und gaben damit die DNA des organisierten Verbrechens in Italien preis. Sie sagen uns auch klar und deutlich, was mit den Beweismitteln geschah, sobald sie den italienischen Behörden in die Hände gefallen waren: Sie wurden immer wieder ignoriert, unterschätzt und unterschlagen.
Rituale geben zudem Aufschluss über historische Veränderungen. Den ältesten Initiationsritus von allen hatte die neapolitanische Camorra. Früher einmal besiegelte auch die Camorra den neuen Status eines jungen Mitglieds mit Blut. In den 1850er Jahren legte ein Rekrut den Eid für gewöhnlich über gekreuzten Messern ab und musste sich dann einem Zweikampf unterziehen, entweder mit einem Camorrista oder einem weiteren Aspiranten. Oft pflegte man die Klinge fest mit Lumpen oder Schnüren zu umwickeln, so dass nur die Spitze frei blieb: So vermied man zu viel Blut und verhinderte, dass das Duell in einen Kampf auf Leben und Tod zu entgleisen drohte, statt den Zusammenhalt unter Männern zu besiegeln. Kaum war der erste Treffer vermerkt, wurde der Kampf für beendet erklärt. Das neue Mitglied wurde von den anwesenden Camorristi umarmt und erhielt den niedrigsten Rang in der hierarchisch organisierten ehrenwerten Gesellschaft.
Die heutigen Camorrabosse lassen ihre Rekruten kein mit Schwüren bekräftigtes Initiationsritual mehr durchlaufen. Die Traditionen sind verschwunden. Die neapolitanische Camorra ist keine verschworene Sekte, keine Ehrenwerte Gesellschaft mehr. Diese ist, wie wir noch sehen werden, 1912 ausgestorben, und das unter bizarren, durch und durch neapolitanischen Umständen.
Jede Mafia hat ihre eigene Struktur entwickelt. Das primäre Ziel dieser Strukturen ist es, für Disziplin zu sorgen, was ein enormer Wettbewerbsvorteil sein kann im gewalttätigen Getümmel der Unterwelt. Doch feste Strukturen dienen auch anderen Zwecken, vor allem machen sie sich die Loyalitäten zwischen Blutsverwandten zunutze. »Mafia« ist aber kein Synonym für »Sippe«: Es ist ein System, das die Sippe für kriminelle Zwecke ausbeutet.
Die Mafia Neapels und der Region Kampanien hat von allen kriminellen Organisationen in Italien die dramatischsten strukturellen Veränderungen erlebt. Die Camorra, die nach der Zerstörung der Ehrenwerten Gesellschaft von Neapel vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, ist kein einzelner Geheimbund mehr, sondern eine riesige, wabernde Welt aus diversen Gangs. Diese formieren sich, trennen sich, liefern sich bösartige Fehden, schließen neue Bündnisse, nur um im Zuge irgendeines vernichtenden Krieges oder einer Polizeirazzia wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Die neapolitanische Unterwelt ist erschreckend instabil. Während für einen sizilianischen capo durchaus die Chance besteht, seinen Enkelkindern dabei zuzusehen, wie sie ihrerseits die Verbrecherlaufbahn einschlagen, hat ein Camorrista Glück, wenn er die vierzig erreicht.
Die Tatsache, dass die Camorra über keinerlei formelle Struktur, keinerlei Ränge und Rituale mehr verfügt, wie sie bei ’Ndrangheta und Cosa Nostra bestehen, hält ihre erfolgreichsten Clans nicht davon ab, große Landstriche in Kampanien zu kontrollieren, ganze Straßenzüge in befestigte Zonen, die für die Polizei tabu sind, oder in Drogengroßmärkte zu verwandeln oder auch mit dem Vertrieb illegal hergestellter DVDs und Markenhandtaschen Millionen zu verdienen. Es hat sie nicht davon abgehalten, durch das gewinnträchtige Geschäft mit illegal abgeladenem Müll Kampaniens Landschaft zu verwüsten, die staatliche Bauindustrie zu unterwandern oder international mit Rauschgift und Waffen Handel zu treiben.
Camorraclans sind dennoch organisiert: Gemeinsam bilden sie »das System«, wie Insider es nennen. Im Zentrum des Systems in jedem Bezirk der Stadt und den umliegenden Dörfern sitzt ein charismatischer Boss – Beschützer und Bestrafer zugleich. Unter ihm gibt es Ränge und spezielle Rollen – Zonenbosse, Killer, Drogengroßhändler –, die der Boss auswählt und einsetzt und die fast ausnahmslos mit ihm leben und sterben. Wie die anderen Mafias geben die Camorraclans einen Teil des Profits aus ihren Verbrechen wieder ab, zahlen ihren Soldaten Löhne und legen Fonds an für inhaftierte Mitglieder.
Heute sind Blutsbande, im Sinne einer Verwandtschaft, der Klebstoff, der die verrufensten Camorraclans zusammenhält. Doch die einzelnen Clans werden immer seltener von einem Großen Alten Mann geführt. Der Kern jeder Camorrabande ist normalerweise eine Gruppe von Verwandten – Brüder, Cousins, Schwager –, alle ungefähr im selben Alter. Um sie herum gruppieren sich Freunde, Nachbarn und weitere Verwandte.
Das organisierte Verbrechen in Neapel hat demnach eine Menge Veränderungen durchlaufen seit den Tagen, als die Camorra eine Ehrenwerte Gesellschaft war. Doch die Traditionsadern sind nie gänzlich gekappt worden. Zum einen haben Camorristi eine bleibende Schwäche für Gangster-Glamour. Goldschmuck und teure Hemden sind schon seit dem 19. Jahrhundert gefragt. Heutzutage kommen protzige Schlitten und Motorräder dazu. Für den neapolitanischen Boss war bis vor kurzem eine Honda Dominator das Motorrad der Wahl. Sinn und Zweck all dieses augenfälligen Konsums war und ist die Zurschaustellung von Macht: Es galt, die territoriale Herrschaft zu markieren und für die Anhänger ein wandelndes Symbol des Erfolgs zu sein.
Die Bosse der Cosa Nostra wirken im Vergleich zu den Camorrachefs in Neapel für gewöhnlich schäbig, und sie verwenden viel mehr Zeit auf strukturelle Formalitäten, die in ihrer Welt todbringende Bedeutung haben können.
Jeder Boss (beziehungsweise »Repräsentant«) der sizilianischen Mafia hat den Vorsitz über eine Zelle, die sogenannte Familie. Die Mitglieder der Familie sind durchaus nicht alle miteinander verwandt. Im Gegenteil, die Cosa Nostra beruft sich oft auf eine Regel, die verhindern soll, dass Verwandtenklüngel innerhalb einer Familie allzu mächtig werden: So können nicht mehr als zwei Brüder gleichzeitig Mitglieder werden, damit der Boss den Clan nicht mit der eigenen Verwandtschaft unterlaufen kann.
Die Struktur jeder Familie ist einfach. Der Repräsentant wird von einem Unterboss und einem consigliere, einem Berater, unterstützt. Die gewöhnlichen Mitglieder, die Soldaten, sind in Zehnergruppen organisiert. Jede dieser Gruppen ist einem capodecina unterstellt – einem »Boss von zehn« –, der wiederum dem Boss Rechenschaft schuldet.
Über den Familien, die die Basis bilden, ist die Cosa Nostra wie eine Pyramide geformt. Drei Mafiafamilien benachbarter Reviere bilden eine Stufe in der Struktur der Organisation, den mandamento (Bezirk), dem ein capomandamento (Bezirksboss) vorsteht. Dieser Bezirksboss hat einen Sitz in der Kommission, die für die Cosa Nostra in jeder der vier am meisten von ihr unterwanderten Provinzen Siziliens die Funktionen eines Parlaments, eines Gerichtshofs und einer Handelskammer in sich vereint. Ganz oben an der Spitze der Mafiapyramide residiert der capo di tutti i capi – der »Boss der Bosse«. Er stammt grundsätzlich aus der Provinz Palermo, da ungefähr die Hälfte der Mitglieder der Cosa Nostra und etwa die Hälfte der Familien ihren Sitz im Umfeld der Hauptstadt Palermo haben.
So viel zum Diagramm. Doch in der Unterwelt, mehr noch als in der von gesetzestreuen Bürgern bewohnten oberen Welt, sind es die Menschen, nicht die Namensschilder auf Bürotüren, welche die Macht verkörpern. Vergleiche zwischen einem Mafiaboss und dem Leiter eines kapitalistischen Unternehmens sind nicht nur banal, sie verkennen ganz und gar die überaus gerissene politische Welt, in der Mafiosi operieren.
Die Cosa Nostra blickt auf koordinierte und weniger koordinierte Phasen zurück; unterschiedliche Bosse vertraten unterschiedliche Führungsstile und sahen ihre Macht von diversen äußeren Beschränkungen beschnitten. Chaos, Betrug, gegenseitige Verdächtigungen und Bandenkriege sind seit jeher Konstanten in der Mafia. Die Spannbreite der Charaktere ist groß. Es gibt natürlich Parteiführer, Entscheidungsträger, Reformer und Rechtsverdreher. Doch auch etliche Rebellen, graue Eminenzen, ungeduldige Bonzen, »junge Türken« und Isolationisten. Und natürlich ist jedes Mitglied der Mafia sowohl ein Verschwörer als auch ein nahezu paranoider Verschwörungstheoretiker. All diese Charaktere können Präzedenzfälle, Traditionen und Regeln der Mafia verbiegen; sie können sogar darauf herumtrampeln und sich darüber lustig machen. Doch kein Boss, sei er noch so mächtig, darf dabei den politischen Preis außer Acht lassen.
Eines der großen Themen bei der Erforschung der sizilianischen Mafia ist die Frage, wie alt die Pyramidenstruktur der Organisation eigentlich ist. Eine ziemlich verstörende Studie hat unlängst gezeigt, dass sie weitaus älter ist, als wir noch bis vor wenigen Jahren glaubten. Die Mafia wäre nicht die Mafia ohne das angeborene Bedürfnis, ihre Aktivitäten in eine strenge Form zu bringen und zu koordinieren. Die Kommission der Cosa Nostra in Palermo hat seit 1993 keine Versammlung mehr abgehalten, eine Tatsache, die symptomatisch ist für die schlimmste Krise in der 150 Jahre währenden Geschichte der Organisation. Ob diese Krise das endgültige Aus bedeutet, hängt zum Teil davon ab, welche Lehre Italien aus den Erkenntnissen über die Geschichte der sizilianischen Mafia und deren erstaunliche Regenerationsfähigkeit gezogen hat.
In Kalabrien existiert, wie in Sizilien, eine spannungsreiche Beziehung zwischen den Statuten der Organisation und den täglichen Anforderungen eines vom Chaos bestimmten kriminellen Lebens. Als ich mit diesem Buch begann, war die gängige Meinung – sowohl an den Gerichtshöfen als auch in den kriminologischen Lehrbüchern –, dass die Struktur der ’Ndrangheta sich grundlegend von jener der Cosa Nostra unterscheide. Die ’Ndrangheta, hieß es, sei föderativ organisiert, eine lose Gemeinschaft lokaler Banden.
Im Juli 2010 verhafteten Polizei und Carabinieri 300 Männer, einschließlich des 80-jährigen Domenico Oppedisano, der nach Aussage der Ermittler im August 2009 zum Oberboss der ’Ndrangheta gewählt worden war. Seit ihrer Verhaftung berufen sich Oppedisano und die meisten seiner Komplizen auf ihr Recht zu schweigen. Wir können also nicht wissen, welche Argumente sie zu ihrer Verteidigung vorbringen werden. Ebenso wenig können wir wissen, ob die Gerichtshöfe die Anklagepunkte für stichhaltig erachten. Die Operation mit dem Decknamen Il crimine, das Verbrechen, steht erst am Anfang. Doch was auch immer ihr endgültiges Ergebnis ist, sie stellt einen jeden, der über die geheime Welt des italienischen Gangstertums zu schreiben versucht, auf eine harte Probe. Historische Gewissheiten können mit jedem Moment von neuen Ermittlungsergebnissen der Polizei oder von Entdeckungen in den vielen unerforschten Archiven über den Haufen geworfen werden.
Die für die Operation Crimine verantwortlichen Richter erklären, Oppedisano trage offiziell den Titel capocrimine, »Boss des Verbrechens«. Das »Verbrechen« oder das »Große Verbrechen«, das ’Ndranghetisti auch als die »Provinz« bezeichnen, gilt als das höchste Ordnungsgremium der ’Ndrangheta. Es besteht aus drei mandamenti oder Bezirken, die sich mit den drei Zonen der Provinz Reggio Calabria decken.
Viele Zeitungen in Italien und im Ausland, die über die Operation Crimine berichteten, porträtierten das Große Verbrechen als die ’Ndrangheta-Version der sizilianischen Mafiakommission und Domenico Oppedisano als einen kalabrischen capo di tutti i capi: also die Spitze der ’Ndrangheta-Pyramide. Doch dieses Bild deckt sich nicht mit dem der Ermittler. Sie beschreiben Oppedisano vielmehr als eine Art Zeremonienmeister, als Wortführer in einer Versammlung, als weisen alten Richter, dessen Aufgabe darin besteht, die Regeln auszulegen. Die Verantwortlichkeiten dieses Anführers umfassen verfahrenstechnische und politische Aufgaben. Das Geschäftliche ist nicht sein Ressort.
Allerdings können verfahrenstechnische und politische Pflichten in der italienischen Unterwelt sehr leicht fatale Folgen haben. Das Große Verbrechen verfügt über sehr viel Macht: Es mag in der Provinz Reggio Calabria verwurzelt sein, aber den Ermittlungsrichtern zufolge sind ihm ’Ndranghetisti auf der ganzen Welt verpflichtet. Im Frühling des Jahres 2008 beschloss der Boss oder »Generalmeister« der ’Ndrangheta-Kolonien in der Lombardei (das nördliche Herz der italienischen Wirtschaft), sich vom Großen Verbrechen loszusagen. Im Juli desselben Jahres hörte die Polizei eine Unterhaltung ab, in der ein ranghoher Boss seinen Männern mitteilte, das Große Verbrechen habe beschlossen, den aufsässigen Anführer zu »feuern«. Einige Tage später wurde die Ankündigung in die Tat umgesetzt: Zwei Männer in Motorradkluft feuerten viermal auf den lombardischen Boss, als sich dieser in einer kleinen Ortschaft bei Mailand vor einer Bar von seinem Stammplatz erhob. Kurz danach filmten Carabinieri heimlich eine Versammlung, bei der die Bosse aus der Lombardei in einhelliger Zustimmung die Hände hoben für ihren neuen Meister; es war natürlich der Kandidat, der vom Großen Verbrechen vorgeschlagen worden war.
Wie es aussieht, müssen die Lehrbücher über die ’Ndrangheta umgeschrieben werden und Historiker ihrer Forschung eine neue Richtung geben. Meine eigenen Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass die Verbindungen zwischen den regionalen Zellen der ’Ndrangheta – verfahrensrechtliche, politische und geschäftliche Verbindungen – von Anfang an existiert haben.
Trotz neuer Informationen über das Große Verbrechen bleibt doch vieles von dem gültig, was wir bereits über die niedrigen Ränge der ’Ndrangheta-Struktur wussten. Die ’Ndrangheta heute besteht aus Familieneinheiten oder ’ndrine, deren Rückgrat jeweils eine Gruppe Blutsverwandter bildet. (Der Begriff ’ndrina hat seinen Ursprung vermutlich im Wort malandrina, das die den Gangstern vorbehaltene Gefängniszelle bezeichnete.) Der Boss einer ’ndrina, oft capobastone genannt, ist typischerweise der Vater mehrerer Söhne. Im Unterschied zu seinesgleichen in der Cosa Nostra kann der capobastone so viele Söhne in die ’Ndrangheta einbringen, wie er zu zeugen vermag. Um den Boss und seine Angehörigen scharen sich weitere Familien, oft mit ihm verwandt oder verschwägert. Aus diesem Grund trägt jede ’ndrina den Namen ihrer Anführerdynastie, so auch die Pelle-Vottari und die Strangio-Nirta – die Opfer und Täter von Duisburg.
Eine oder mehrere ’ndrine sind einem locale unterstellt, dessen Boss, der capolocale, von zwei weiteren Anführern unterstützt wird: Der contabile (»Buchhalter«) regelt das Vermögen der Bande, das ’Ndranghetisti als valigetta, »Köfferchen«, bezeichnen. Der capocrimine (»Verbrechensoberhaupt«) hat die Oberaufsicht und ist für die alltäglichen kriminellen Aktivitäten zuständig. Wenn erforderlich, agiert der capo crimine auch als Kriegsminister des Clans. Für die zusätzliche Sicherheit ist der locale in zwei voneinander isolierte Schichten unterteilt: Die ’Ndranghetisti auf den unteren Rängen gehören der Società Minore an, der Unteren Gesellschaft, jene auf den höheren Rängen der Società Maggiore, der Oberen Gesellschaft.
So weit, so gut und (relativ) durchschaubar. Doch an dieser Stelle setzt sich wieder die besondere Vorliebe der ’Ndrangheta für geheimnisvolle Regeln und Abläufe durch. In der Cosa Nostra ist der einzige offizielle Maßstab für den Status eines Ehrenmanns die Frage, ob er ein Amt innehat. In der ’Ndrangheta muss ein Mitglied, will es eine der offiziellen Machtpositionen in einem locale, einem Bezirk oder im Großen Verbrechen bekleiden, einen gewissen Grad an Erfahrung vorweisen. Diese Erfahrung bemisst sich in den sogenannten doti, den »Qualitäten« oder »Gaben«, womit die Ränge in der Hierarchie der Organisation gemeint sind. Zuweilen werden diese auch poetischer als fiori, »Blumen«, bezeichnet. Die Ämter im locale sind vorübergehende, die fiori dagegen bleibende Statusmerkmale. Indem er stiehlt, erpresst und tötet, gewinnt der ’Ndranghetista neue fiori dazu. Jede neue Blume erfordert eine weitere ausführliche Einführungszeremonie und bringt einen größeren Anteil an der Macht und den Geheimnissen mit sich. Der Neuling beginnt ganz unten als ein picciotto d’onore (»Ehrenbursche«) und steigt dann vermittels weiterer Blumen, wie dem camorrista und dem camorrista di sgarro (in etwa: Camorrista, der auf einen Kampf aus ist), in der Rangfolge immer weiter auf bis hin zum santista, vangelista und padrino.
Als wäre dies alles noch nicht kompliziert genug, sind ’Ndranghetisti uneins darüber, wie viele Blumen es insgesamt gibt und welche Rechte und Verantwortlichkeiten sie beinhalten. Es scheint in den vergangenen Jahren auch eine florale Inflation gegeben zu haben: Mit der Erfindung neuer Ränge lassen sich auf billige Art und Weise Streitereien schlichten. Der vangelista zum Beispiel (so benannt, weil das Initiationsritual für diesen fiore einen Schwur auf die Bibel beinhaltet) scheint erst vor kurzem eingeführt worden zu sein.
Nichts davon ist harmloses Beiwerk. Die Rituale und Strukturen der Organisation bilden einen liturgischen Apparat, der junge Männer zu professionellen Verbrechern ausbilden soll und ein primitives Gangsterleben als eine höhere Berufung zur Grausamkeit stilisiert. Und diese Berufung ist, auch wenn die Mitglieder auf uralte Ursprünge pochen, erst 150 Jahre alt. So alt wie der italienische Staat selbst.
Sigismondo Castromediano, Herzog von Morciano, Markgraf von Caballino und Herr über sieben Baronien, saß auf dem Boden, die rechte Wade auf einen Amboss gelegt. Mit seinem hohen Wuchs und den blauen Augen schien er einer völlig anderen Spezies anzugehören als die neapolitanischen Kerkermeister, die vor ihm unter einem Pultdach standen und mit ihren Eisenwerkzeugen hantierten. Neben dem Herzog saß sein Landsmann Nicola Schiavoni in der gleichen würdelosen Haltung, den gleichen bangen Ausdruck im Gesicht.
Einer der Kerkermeister packte den Fuß des Herzogs und streifte ihm ein Eisen über, das wie ein Steigbügel geformt war. Dann schloss er den Knöchel völlig ein, indem er einen Niet durch die kleinen Löcher an jedem Ende der Fußfessel trieb; dazwischen klemmte das letzte Glied einer schweren Kette. Lachend und singend, mit Schlägen, die Knochen hätten zertrümmern können, hämmerte der Kerkermeister den Niet flach.
Der Herzog zuckte wiederholt zusammen und musste die spöttischen Ermunterungen der Wärter mit anhören: »Weiter so! Sie sind Feinde des Königs. Sie haben es auf unsere Weiber und unser Hab und Gut abgesehen.«
Nachdem man ihnen befohlen hatte aufzustehen, hoben Castromediano und Schiavoni zum ersten Mal ihre Fesseln auf: dreieinhalb Meter lange Ketten, etwa zehn Kilo schwer. Für beide war dieser Moment der Beginn einer 30-jährigen Kerkerstrafe wegen Verschwörung gegen die Krone des Königreichs Neapel – einer der vielen Staaten, aus denen die italienische Halbinsel sich damals zusammensetzte. Die beiden Gefangenen umarmten einander, fassten sich ein Herz und taten dann ihren ungebrochenen Glauben an die heilige Sache Italien kund: »Wir küssten diese Ketten so zärtlich«, schrieb der Herzog, »als wären sie unsere Bräute.«
Die Wärter stutzten kurz. Doch dann fuhren sie in den Ritualen fort, die den Zugang zum Castello del Carmine markierten, einem der verrufensten Gefängnisse im Königreich. Zivilkleidung wurde durch Uniformen ersetzt, braune Hosen und rote Tuniken, beides aus grober Wolle. Mittels einer sichelförmigen Klinge schor man den Gefangenen die Köpfe kahl und blutig. Ein jeder erhielt eine mit Lumpen gestopfte Matratze, eine Decke aus Eselshaar und eine Schüssel.
Die Sonne ging bereits unter, als der Herzog und sein Gefährte über den Gefängnishof geführt wurden und durch die Pforte schlurften.
Was sie im Inneren des Gemäuers erwartete, erinnerte sich Castromediano, »hätte selbst die großmütigste Seele, das standhafteste Herz auszulöschen vermocht«. Er wähnte sich in einer Sickergrube: ein langer, niedriger Raum, dessen Fußboden aus spitzen Steinen bestand. Schmale Fensteröffnungen in Deckennähe waren schwer vergittert, die Luft stickig und klamm. Ein Gestank wie von faulendem Fleisch entströmte dem Unrat, der allenthalben herumlag, und den Elendsgestalten, die sich im Halbdunkel herumdrückten.
Während die Neuankömmlinge sich ängstlich nach einem Platz für ihre Matratzen umschauten, lösten sich zwei der Gefangenen aus der Menge und kamen näher. Der eine war groß und schön, sein Auftreten stolz. Er trug schwarzsamtene Beinkleider mit polierten Knöpfen an den Hüften und einen grellbunten Gürtel; den passenden Rock zierte eine Uhr an einer Kette. Mit ausgesuchter Höflichkeit redete er die beiden Patrioten an.
»Wohlan, edle Herren! Das Glück ist euch hold. Wir alle hier haben schon darauf gewartet, euch Ehre zu erweisen. Lang lebe Italien! Lang lebe die Freiheit! Wir Camorristi, die wir euer trauriges, ehrenvolles Schicksal teilen, entbinden euch hiermit jeglicher Camorrapflicht (…) Fasst Mut, edle Herren! Ich schwöre zu Gott, dass euch niemand hier auch nur ein Haar krümmen wird. Ich bin der Anführer der Camorra, und nur ich habe hier das Sagen. Ein jeder muss mir aufs Wort gehorchen, auch der Kerkermeister und seine Wärter.«
Binnen einer Stunde hatten die neuen Gefangenen zwei nüchterne Lektionen gelernt: dass der Camorraboss den Mund keineswegs zu voll genommen hatte, was seine Macht anbelangte; und dass sein Versprechen, sie jeder »Camorrapflicht« zu entbinden, völlig wertlos war. Der Camorrista gab ihnen zwar die Beutel zurück, die bei ihrer Ankunft im Gefängnis beschlagnahmt worden waren. Doch diese Höflichkeit hatte eigennützige Gründe, denn so konnte er dem verdutzten Herzog eine exorbitant hohe Summe für widerwärtiges Essen abknöpfen.
Diese erste Forderung war niederschmetternd. Castromediano glaubte einer endlosen Tortur aus Schutzgelderpressung entgegenzusehen, und stand kurz vor dem Selbstmord.
Der Herzog von Castromediano wurde am 4. Juni des Jahres 1851 in Eisen gelegt. Die Szene ist real, aber auch metaphorisch, denn im Gefängnis, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, fand sich Italien zum ersten Mal an die Schurken gekettet, die seitdem jeden seiner Schritte behindern.
Die Camorra entstand in den Kerkern. Als der Herzog von Castromediano das Castello del Carmine betrat, war im südlichen Italien die Bandenherrschaft hinter Gittern seit Jahrhunderten bittere Realität. Während des Ancien Régime war es einfacher und kostengünstiger, die alltägliche Aufsicht innerhalb der Gefängnisse den brutalsten Insassen zu überlassen. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde aus den Gefängniserpressern schließlich eine verschworene Geheimgesellschaft, die auch in der Welt außerhalb der Verliese Fuß fassen konnte. Die Geschichte, wie es dazu kam, ist reich an Intrigen, doch im Wesentlichen an den ironischen Feinheiten zu erkennen, welche die erste Begegnung zwischen dem Herzog und dem Camorrista auszeichnen. Vorerst lässt sich diese Geschichte mit einem Wort zusammenfassen: Italien.
1851 war das, was wir heute Italien nennen, eher ein »geographischer Begriff« als ein Staat und auf eine ausländische Macht (Österreich), zwei Herzogtümer, ein Großherzogtum, zwei Königreiche und den Vatikanstaat verteilt. Das größte dieser Territorien war zugleich das südlichste, das Königreich Neapel beziehungsweise Königreich beider Sizilien, wie es offiziell hieß.
Von der Hauptstadt Neapel aus herrschte ein König der Bourbonendynastie über das süditalienische Festland und über die Insel Sizilien. Wie die meisten Fürsten in Italien plagte Neapels Bourbonen die Erinnerung daran, was ihnen in den Jahren nach der Französischen Revolution von 1789 widerfahren war. 1805 hatte Napoleon die Bourbonen vertrieben und seine eigenen Günstlinge auf den Thron gesetzt. Die Franzosenherrschaft brachte eine ganze Reihe von Neuerungen in der Art und Weise, wie das Königreich regiert wurde. Die Feudalherrschaft ging, der Privatbesitz kam. Eine wilde Mischung aus einheimischen Bräuchen, freiherrlichen und geistlichen Rechtsprechungen sowie öffentlichen Verordnungen verlor ihre Geltung; stattdessen kamen ein neues Zivilrecht und die erste Polizeitruppe. Der südliche Teil der italienischen Halbinsel ähnelte allmählich einem modernen, zentralisierten Staat.
1815 wurde Napoleon schließlich besiegt. Als die Bourbonen wieder an die Macht kamen, behielten sie die großen Vorteile bei, die sie aus den französischen Reformen ziehen konnten, um die eigene Autorität zu sichern. Doch Theorie und Praxis der modernen Verwaltung waren schwer zu vereinbaren. Der Thron des Königreichs beider Sizilien stand noch immer auf wackeligen Beinen. Allerorten gab es Gegner des neuen, zentralistischeren Systems. Überdies hatte die Französische Revolution den Ländern Europas nicht nur neue Wege in der Staatsverwaltung aufgezeigt, sie hatte zudem lebhafte Vorstellungen von einer konstitutionellen Regierungsform, einer geeinten Nation und gar von Demokratie verbreitet.
Herzog Castromediano gehörte zu einer Generation junger Männer, die sich dem Aufbau einer italienischen Patria widmeten, einem Vaterland, das die Werte der konstitutionellen Monarchie, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit verkörpern sollte. Nachdem sie während der Revolten von 1848/49 vergeblich versucht hatten, diese Werte in eine politische Realität umzusetzen, büßten viele Patrioten wie Castromediano ihre Überzeugung mit dem Verlust der Freiheit, denn man überstellte sie dem Kerkerreich der Camorristi.
Eine solche Behandlung politischer Häftlinge, die noch dazu von Stand waren, löste bald einen Skandal aus. Im Jahre 1850 begab sich ein exaltiertes Mitglied des britischen Parlaments, William Ewart Gladstone – der künftige Grand Old Man –, der Gesundheit seiner Tochter zuliebe für längere Zeit nach Neapel. Die Notlage von Männern wie Castromediano bewog Gladstone, sich mit lokalpolitischen Themen zu befassen. Zu Beginn des Jahres 1851 gestattete die Obrigkeit in Neapel Gladstone unklugerweise, eines der Gefängnisse der Stadt zu besuchen. Er war entsetzt von dem »abscheulichen Schmutz«, den er dort sah. Ohne Unterschied und ohne jede Aufsicht hatte man politische Gefangene mit Verbrechern der übelsten Sorte zusammengesperrt. Die Gefangenen selbst sorgten für Ordnung.
»Sie bilden eine autonome Gemeinschaft, in der hauptsächlich die gamorristi das Sagen haben, berüchtigt wegen ihrer unverfrorenen Verbrechen.«
Gladstones unübliche Orthographie änderte nichts an der Wahrheit seiner Behauptungen und an der polemischen Kraft seiner Argumentation: Unmittelbar nach seiner Besichtigung der neapolitanischen Gefängnisse verfasste er zwei offene Briefe, in denen er die Herrschaft des Bourbonenkönigs als »Negation Gottes« verurteilte, die man »zur Regierungsform erhoben« habe. Die Camorristi wurden zum diplomatischen Knüppel, mit dem man auf die Bourbonen eindrosch. Eine Regierung, welche die Disziplin in ihren Gefängnissen gewalttätigen Schurken überlasse, sei es nicht wert, so Gladstone, bestehen zu bleiben. Dank seiner Worte wurden Italiens organisierte Verbrecherbanden das, was sie noch heute sind: Zündstoff für politische Kontroversen.
Die internationale Sympathie, die den inhaftierten Patrioten zuströmte, sollte eine wichtige Rolle spielen in der fast wundersamen Ereignisfolge, die Italien endlich in eine Patria verwandelte – oder etwas in der Art. 1858 kam der Premierminister des norditalienischen Königreichs Piemont-Sardinien heimlich mit Frankreich überein, Österreich gewaltsam aus Norditalien zu vertreiben. Im darauffolgenden Jahr, nach dem entsetzlichen Blutvergießen in den Schlachten von Magenta und Solferino, schluckte Piemont-Sardinien die ehedem österreichische Lombardei. Der militärische Erfolg Piemonts löste weiter im Süden in den verschiedenen Herzogtümern der Stiefelmitte, auch auf päpstlichem Hoheitsgebiet, Aufstände aus. Ein Großteil des Nordens der Halbinsel war bereits Italien geworden. Europa hielt den Atem an und wartete auf den nächsten Schritt.
Im Mai 1860