Österreich in der Altsteinzeit - Ernst Probst - E-Book

Österreich in der Altsteinzeit E-Book

Ernst Probst

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Beschreibung

Im Eiszeitalter vor mehr als 250.000 Jahren hinterließen frühe Neanderthaler in der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark ihre Jagdbeutereste, Feuerstellen und Steinwerkzeuge. Nach derzeitigem Wissensstand waren diese Jäger und Sammler die "ersten Österreicher". Mit ihnen beginnt das E-Book "Österreich in der Altsteinzeit" des Wissenschaftsautors Ernst Probst. Die nächsten Akteure in diesem Werk sind späte Neanderthaler zwischen etwa 125.000 und 40.000 Jahren sowie frühe anatomisch moderne Menschen vor rund 40.000 bis 10.000 Jahren. Von letzteren Vorfahren stammen drei berühmte archäologische Funde aus der jüngeren Altsteinzeit: Erstens das in Stratzing bei Krems entdeckte, mit 36.000 Jahren älteste Kunstwerk in Österreich, scherzhaft als "Fanny – die tanzende Venus vom Galgenberg" bezeichnet. Zweitens die sogenannten "Zwillinge von Krems", die mit 32.000 Jahren weltweit als älteste Bestattung von Kleinstkindern des frühen Homo sapiens gelten. Drittens die vor ca. 29.500 Jahren geschaffene weltweit bekannte "Venus von Willendorf". Diese und andere Funde – zum Beispiel der Schamane von Kammern-Grubgraben – geben noch manches Rätsel auf.

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Ernst Probst

Österreich in der Altsteinzeit

Jäger und Sammler vor 250.000 bis 10.000 Jahren

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Bücher von Ernst Probst

Die Altsteinzeit. Eine Periode der Steinzeit in Europa vor etwa 1.000.000 bis 10.000 Jahren 

Die Jungsteinzeit. Eine Periode der Steinzeit vor etwa 5.500 bis 2.300 v. Chr.

Die Mittelsteinzeit. Eine Periode der Steinzeit vor etwa 8.000 bis 5.000 v. Chr. 

Impressum neobooks

Bücher von Ernst Probst

Ernst Probst

Österreich in der Altsteinzeit

Jäger und Sammler vor 250.000 bis 10.000 Jahren

Titelbild:„Venus I“ von Willendorf an der Donau.Foto: Matthias Kabel / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons),lizensiert unter Creative-Commons-Lizenz by-sa-3.0-en,http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Impressum:

Österreich in der Altsteinzeit

Autor: Ernst Probst

Im See 11, 55246 Mainz-Kostheim

Telefon: 06134/21152

E-Mail: ernst.probst (at) gmx.de

VorwortVenusfiguren und Zwillinge

Im Eiszeitalter vor mehr als 250.000 Jahren hinterließen frühe Neanderthaler in der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark ihre Jagdbeutereste, Feuerstellen und Steinwerkzeuge. Nach derzeitigem Wissensstand waren diese Jäger und Sammler die „ersten Österreicher“. Mit ihnen beginnt das E-Book „Österreich in der Altsteinzeit“ des Wissenschaftsautors Ernst Probst. Die nächsten Akteure in diesem Werk sind späte Neanderthaler zwischen etwa 125.000 und 40.000 Jahren sowie frühe anatomisch moderne Menschen vor rund 40.000 bis 10.000 Jahren. Von letzteren Vorfahren stammen drei berühmte archäologische Funde aus der jüngeren Altsteinzeit: Erstens das in Stratzing bei Krems entdeckte, mit 36.000 Jahren älteste Kunstwerk in Österreich, scherzhaft als „Fanny – die tanzende Venus vom Galgenberg“ bezeichnet. Zweitens die sogenannten „Zwillinge von Krems“, die mit 32.000 Jahren weltweit als älteste Bestattung von Kleinstkindern des frühen Homo sapiens gelten. Drittens die vor ca. 29.500 Jahren geschaffene weltweit bekannte „Venus von Willendorf“. Diese und andere Funde – zum Beispiel der Schamane von Kammern-Grubgraben – geben noch manches Rätsel auf.

Die Altsteinzeit in ÖsterreichAbfolge und Verbreitung der Stufen und Gruppen

In Österreich fand man bisher keine Hinterlassenschaften der Geröllgeräte-Industrien (etwa 2 Millionen bis 1 Million Jahre), des Protoacheuléen (etwa 1,2 Millionen bis 600.000 Jahre) und des Altacheuléen (etwa 600.000 bis 350.000 Jahre).

Angeblich ungefähr 600.000 Jahre alte Steinwerkzeuge des Frühmenschen Homo erectus vom Lehberg bei Haidershofen an der Enns in Niederösterreich, die der deutsche Geoarchäologe Alexander Binsteiner 2011 erkannt haben will, sind in der Fachwelt umstritten.

Die frühesten Zeugnisse für die Anwesenheit von Menschen in Österreich stammen aus der Zeit vor mehr als 250.000 Jahren, die in Deutschland dem Jungacheuléen (etwa 350.000 bis 150.000 Jahre) zugerechnet wird. Dabei handelt es sich um Funde aus einer einzigen Höhle in Niederösterreich, die frühen Neanderthalern zugeschrieben wurden.

Der Wiener Prähistoriker Richard Pittioni (1906–1985) hat 1954 die Altsteinzeit und die nachfolgende Mittelsteinzeit als Lithikum (deutsch: Steinzeit) bezeichnet. Dieser Begriff konnte sich jedoch nicht durchsetzen. In Mitteleuropa fasst man daher nach wie vor die Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit zur Steinzeit zusammen.

Die Kulturstufe des Moustérien (etwa 125.000 bis 40.000 Jahre) ist durch Siedlungsspuren, Steinwerkzeuge und Jagdbeutereste in den Höhlen mehrerer Bundesländer belegt. Die Angehörigen dieser Stufe waren späte Neanderthaler (Homo neanderthalensis). Dem Moustérien ordnet man heute die früher als „Alpines Paläolithikum“ bezeichneten Funde zu. Es sind Steinwerkzeuge aus Höhlen in oftmals beträchtlicher Höhe innerhalb der Alpen. Die vermeintlichen Werkzeuge aus Höhlenbärenknochen sind jedoch fast alle nicht durch Menschenhand, sondern auf natürliche Weise entstanden.

Im Aurignacien (etwa 35.000 bis 29.000 Jahre) wanderten die ersten anatomisch modernen Jetztmenschen (Homo sapiens) ein. Von ihnen kennt man Siedlungsspuren in Höhlen und im Freiland, Feuerstellen, Steinwerkzeuge, Waffen, Jagdbeutereste vor allem vom Mammut, Schmuckschnecken und ein Kunstwerk. Die Funde wurden in Höhlen und im Freiland entdeckt. Das Aurignacien war entlang der Donau in Niederösterreich, in der Steiermark und in Tirol vertreten.

Das Gravettien (etwa 28.000 bis 21.000 Jahre) wird durch Siedlungsspuren und Feuerstellen meist im Freiland, Stein- und Knochenwerkzeuge, Jagdbeutereste überwiegend vom Mammut, bedeutende Kunstwerke („Venusfiguren“ von Willendorf) sowie menschliche Skelettreste (darunter die Säuglingsbestattungen von Krems-Wachtberg) dokumentiert. Das Gravettien konzentrierte sich in der Wachau, im Kamptal und im angrenzenden nördlichen Niederösterreich.

Aus dem Magdalénien (etwa 15.000 bis 11.500 Jahre) kennt man in Österreich vor allem Siedlungsspuren in Höhlen, Steinwerkzeuge, Knochengeräte, Waffen (eine Speerspitze), Schmuck und ein Kunstwerk. Die Funde stammen vor allem aus Niederösterreich und der Steiermark.

Vom Spätpaläolithikum (etwa 11.500 bis 10.000 Jahre) zeugen bisher in Österreich nur wenige Funde. Dabei handelt es sich um Steinwerkzeuge und Siedlungsspuren aus Niederösterreich, der Steiermark und dem Bundesland Salzburg.

Eine wertvolle Quelle über wichtige Fundstellen aus der Altsteinzeit ist das faktenreiche Buch „Österreichs Urzeit“ (1999) des Prähistorikers Johannes-Wolfgang Neugebauer (1949–2002), der im Alter von nur 52 Jahren unerwartet an Herzversagen starb. Er war einer der bedeutendsten Prähistoriker und Ausgräber Österreichs und hat bei der Entstehung meiner Bücher „Deutschland in der Steinzeit“ (1991) und „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996) wertvolle Hilfe geleistet, wofür ich sehr dankbar bin.

Die ersten ÖsterreicherDas Jungacheuléen

Die Urgeschichte Österreichs lässt sich bis vor mehr als 250.000 Jahre zurück verfolgen. Diese Erkenntnis ist dem Wiener Paläontologen Gernot Rabeder zu verdanken. Rabeder war Ordinarius für Paläontologie an der „Universität Wien“ und gilt als Spezialist für eiszeitliche Bären. Zuvor hatten die bis zu 125.000 Jahre alten Funde aus dem Moustérien als die frühesten archäologischen Belege für die Existenz von Jägern und Sammlern in Österreich gegolten.

Das Wissen über die „ersten Österreicher“ aus einer Kulturstufe, die 1924 von dem deutschen Prähistoriker Hugo Obermaier (1877–1946) als Jungacheuléen (etwa 350.000 bis 150.000 Jahre) bezeichnet wurde, basiert unter anderem auf den Ergebnissen der Untersuchung von Höhlenbärenknochen aus der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark. Die Repolusthöhle wurde nach dem Arbeiter Anton Repolust (geboren 1877, gefallen im Ersten Weltkrieg an der italienischen Front) aus Badl bei Peggau benannt, der 1910 diese Höhle entdeckte. Zwischen 1947 und 1955 leitete die in Budpest geborene Maria Mottl (1906–1980), Paläontologin und Geologin am „Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum“ in Graz, Grabungen in der Höhle. Die von Gernot Rabeder untersuchten Bärenreste stammen von den Grabungen Mottls. Das „Steiermärkische Landesmuseum Joanneum“ in Graz wurde 1811 von Erzherzog Johann gegründet und nach ihm benannt.

Als Rabeder die Bärenreste aus der Repolusthöhle im „Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum“ in Graz begutachtete, fiel ihm – wie zuvor schon der Paläontologin und Geologin Mottl – auf, dass die Funde von wenig entwickelten Höhlenbären stammen. Sie repräsentieren den Übergang von der Bärenart Ursus deningeri zum Höhlenbären (Ursus spelaeus). Da in der Höhlenruine von Hunas (Kreis Nürnberger Land) in Bayern fossile Bärenreste desselben Entwicklungsstadiums in einer mit modernen Methoden auf mehr als 250.000 Jahre datierten Schicht geborgen wurden, konnte der Wiener Experte auf ein ähnlich hohes Alter der Fundschichten in der Repolusthöhle schließen.

Die Bärenart Ursus deningeri wurde 1906 von dem Mainzer Paläontologen Wilhelm von Reichenau (1847–1925) anhand eines Fundes aus den Mosbach-Sanden bei Wiesbaden beschrieben. Der Begriff Mosbach-Sande erinnert an das ehemalige Dorf Mosbach zwischen Wiesbaden und Biebrich. Reichenau benannte den Bärenfund aus den Mosbach-Sanden nach seinem Freund und früheren Mitarbeiter, dem in Mainz geborenen Geologen Karl Julius Deninger (1878–1917) aus Dresden. Der Höhlenbär Ursus spelaeus wurde 1974 von dem Leipziger Anatomen Johannes Christian Rosenmüller (1771–1820) nach einem Schädelfund aus der Burggaillenreuther Zoolithenhöhle bei Muggendorf im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken beschrieben.

Die nach ihrem Entdecker benannte Repolusthöhle ist eine von mehreren Höhlen im Badlgraben, einem Seitental des Murtales. Sie liegt etwa 70 Meter über dem Tal und gilt als Rest eines ehemaligen unterirdischen Entwässerungssystems. Die Repolusthöhle erstreckt sich heute etwa 35 Meter tief in die Felswand. In der Fachliteratur ist sie schon seit Jahrzehnten als Rastplatz von späten Neanderthalern (Homo neanderthalensis) aufgeführt. Tatsächlich haben sich dort jedoch – nach Rabeders Schlussfolgerungen – mehr als 100.000 Jahre zuvor frühe Neanderthaler aufgehalten, die auch als Anteneanderthaler (Homo anteneanderthalensis) bezeichnet werden. Diese Menschen hinterließen in der Repolusthöhle in der Schicht mit den Bärenfossilien ihre Jagdbeutereste, mehrere Feuerstellen und Steinwerkzeuge.

Die ehemaligen Bewohner der Repolusthöhle erlegten vor allem Bären, Steinböcke und Wildschweine. Dies dürfte mit Holzlanzen bzw. -speeren geschehen sein, deren Spitzen an mehreren Fundorten Europas nachgewiesen sind. Ihre Feuerstellen gelten als die frühesten archäologischen Beweise für die Nutzung des Feuers in Österreich. Über dem Feuer haben die frühen Neanderthaler in der Repolusthöhle das Fleisch von Wildtieren gebraten. Nach den Mahlzeiten warfen sie die Speiseabfälle in einen mehr als 10 Meter tiefen Schacht im engeren und niedrigeren hinteren Teil der Höhle.

Zeitgenossen dieser Menschen waren unter anderem die erwähnten Bären sowie Löwen, Wölfe, Dachse, Biber, Stachelschweine, Riesenhirsche, Wildschweine, Steinböcke und Wisente. Nach Ansicht von Gernot Rabeder sprechen die Tierreste aus der Repolusthöhle für eine Warmphase, die vielleicht vor der Riß-Eiszeit lag.

Während der Riß-Eiszeit reichten die Gletscher der Alpen zeitweise weit in deren Vorland. In Österreich erstreckte sich das Eis beispielsweise bis Salzburg. Aber es gab dazwischen auch Warmphasen.

Die in der Repolusthöhle lagernden Menschen schlugen aus Quarzit und Hornstein ihre Geräte zurecht. Teilweise kommen die Rohstoffe in der Umgebung der Höhle vor, teilweise mussten sie aber auch von weit her getragen worden sein, weil Hornstein dort nicht vorhanden ist. Unter den Steinwerkzeugen aus der Repolusthöhle befinden sich beidseitig behauene breite Klingenabschläge, Schaber und kleine Faustkeile (Fäustel). Ihre Form spricht nicht gegen das angenommene hohe Alter von mehr als 250.000 Jahren. Wenn man die von dem Marburger Prähistoriker Lutz Fiedler für Deutschland vorgenommene Gliederung der Altsteinzeit auch für Österreich verwendet, fallen die Funde aus der Repolusthöhle in das Jungacheuléen, dessen Beginn auf vor etwa 350.000 Jahren und dessen Ende auf vor rund 150.000 Jahren datiert wird.

Bedauerlicherweise ist der Höhlenboden in der Repolusthöhle bei früheren Grabungen in den 1950er Jahren restlos abgetragen worden. Daher sind keine neuen Untersuchungen an dieser für Österreich so bedeutsamen Fundstelle möglich und auch keine modernen Altersdatierungen von Funden aus der Zeit der frühen Neanderthaler. Rabeders Erkenntnisse über die alten Funde aus der Repolusthöhle können vielleicht aber der Ansporn dafür sein, auch die Inventare anderer österreichischer Höhlen, die bisher dem Moustérien zugeordnet werden, kritisch zu untersuchen. Eventuell ist mit weiteren Überraschungen zu rechnen.

Einer der bedeutsamsten fossilen Menschenfunde aus dem Jungacheuléen in Deutschland ist der 185 Millimeter lange und 132 Millimeter breite Schädel einer jungen Frau, der in einer Kiesgrube von Steinheim an der Murr in Württemberg entdeckt wurde. Dieses Fossil kam nicht ganz unerwartet zum Vorschein. Schon 1930 hatte der süddeutsche Geologe Georg Wagner (1885–1972) dem Bearbeiter der fossilen Tierwelt von Steinheim, Fritz Berckhemer (1890–1954) von der „Württembergischen Naturaliensammlung“, bei einer gemeinsamen Begehung von Kiesgruben gewünscht, dessen Forschungen sollten durch den Fund eines Ur-Menschen gekrönt werden. Drei Jahre später ging dieser Wunsch in Erfüllung

Am 24. Juli 1933 meldete Karl Sigrist, der Sohn des Steinheimer Grubenbesitzers, dem Stuttgarter Museum telefonisch einen affenartigen Schädelfund, über dem etwa fünf Meter mächtige eiszeitliche Schotter gelegen hatten. Berckhemer eilte nach Steinheim an der Murr, nahm den durch einen Sack abgedeckten Fund in Augenschein und hoffte bereits zu diesem Zeitpunkt, dass vielleicht ein Menschenschädel im Sand verborgen lag. Der Stuttgarter Wissenschaftler überließ die Bergung seinem Oberpräparator Max Böck (1877–1945), der am Tag darauf den bruchgefährdeten Knochen sorgfältig vom umhüllenden Sand befreite und mit einer Gipshülle vor der Zerstörung bewahrte. Der Fund wurde nach Stuttgart gebracht, dort für die wissenschaftliche Bearbeitung hergerichtet und 1934 von Berckhemer als Homo steinheimensis beschrieben.

Berckhemer erkannte, dass der Steinheimer Mensch durch etliche Merkmale seines Schädels mit dem heutigen Menschen verbunden ist und diesem trotz seines hohen geologischen Alters näher zu stehen scheint als dem zeitlich jüngeren Neanderthaler. Was Berckhemer besonders auffiel, waren die schweren Verletzungen am Schädel des Steinheimer Menschen. Er erwähnte sie, blieb jedoch vorsichtig mit den Folgerungen aus diesem Tatbestand. Deutlicher äußerte sich der Tübinger Anatom und Anthropologe Wilhelm Gieseler (1900–1976). Er vertrat die Auffassung, dass ein Zeitgenosse der Steinheimer Frau die linke Schläfenseite eingeschlagen habe. Nach dem Tode müsse dann der Kopf abgetrennt worden sein. Die schweren Verletzungen am Schädel der Steinheimer Frau deutete man als Zeugnis für Kannibalismus. Gewaltsam geöffnete Schädel und Markknochen kennt man bei Jahrmillionen alten Australopithecus-Vormenschen aus Afrika, bei vor Jahrhunderttausenden lebenden Homo erectus-Frühmenschen, bei den späten Neanderthalern aus der letzten Eiszeit, bei jungsteinzeitlichen Ackerbauern und sogar noch bei Naturvölkern des 20. Jahrhunderts.

Das entnommene Gehirn muss bei unseren frühen Vorfahren eine große Bedeutung besessen haben, und sei es nur als besonderer Leckerbissen. Exakte Beweise für diese Überlegungen gibt es bislang nicht. Man kennt zwar die Beweggründe für die Entnahme und das Verzehren von Hirnen aus menschlichen Schädeln durch heutige Naturvölker, doch ob man diese Erkenntnisse auf eine Zeit vor einigen Jahrhunderttausenden übertragen kann, gilt als problematisch.

Die Verletzungen am Schädel der Steinheimer Frau ähneln nach Ansicht einiger Wissenschaftler denjenigen jetziger Menschen, die mit einem stumpfen Gegenstand – wie einem Hammer oder einem Stock – erschlagen worden sind. Die auffällige Zerstörung an der linken Schläfenseite des Steinheimer Frauenschädels könnte aber nach Auffassung des Tübinger Anthropologen Alfred Czarnetzki (1937–2013) auch durch einen großen Kiesel verursacht worden sein, der in den Bergungsberichten erwähnt wird. Ein schwerer Hieb mit einem stumpfen Gegenstand hinterließe normalerweise andere Risse, als sie an dem Steinheimer Schädel heute noch zu beobachten sind, meinte Czarnetzki. Und der Defekt am Hinterhauptsloch wäre auch durch die Lagerung in der Erde erklärbar. An den entsprechenden Stellen des Schädels ist das Hinterhaupt besonders dünn. Soviel man auch über den Vorgang und die Motive einer möglichen Tat spekulieren mag, fest steht, dass das Opfer in vergleichsweise jungen Jahren sein Leben verlor. Der Stuttgarter Paläontologe Karl Dietrich Adam (1921–2012) nahm an, dass die Steinheimer Frau im dritten Lebensjahrzehnt gestorben ist. Ihre Zähne waren noch nicht stark abgekaut.

Vom Erscheinungsbild her besaß der Steinheimer Frauenschädel schon etliche moderne Merkmale. Er hatte den für uns typischen fünfeckigen Umriss und eine tiefliegende Nasenwurzel samt Wangengruben, die unseren heutigen gleichen. Die Schädelkapazität beträgt etwa 1.100 Kubikzentimeter. Dies sind rund 200 Kubikzentimeter weniger als bei einer heutigen mitteleuropäischen Frau. Unter Schädelkapazität versteht man das Fassungsvermögen des Schädelinnenraumes, das Gehirnvolumen ist etwas geringer. Im Vergleich mit dem Gehirn jetziger Menschen (etwa 1.500 Kubikzentimeter bei männlichen Europäern) war das des Homo steinheimensis noch wesentlich kleiner.

Der Schädel des Steinheimer Menschen befand sich in Ablagerungen der Murr, in denen seit Ende des letzten Jahrhunderts zahlreiche Überreste von wärmeliebenden Tieren entdeckt wurden. Zeitgenossen dieses Menschen waren Europäische Waldelefanten, Waldnashörner, Waldriesenhirsche, Damhirsche, Wasserbüffel und Auerochsen, deren Vorkommen auf eine besondere Klimagunst hinweist.

Der Steinheimer Mensch lebte und starb in einer Warmzeit, in der die Sommer warm und die Winter mild waren. Diesen Schluss legen Fossilfunde von Europäischen Sumpfschildkröten der Art Emys orbicularis in gleichaltrigen Sauerwasserkalken von Bad Cannstatt nahe. Die Sumpfschildkröten brauchen zur Fortpflanzung eine lange Sonnenscheindauer im Sommer, sonst ist ihre Vermehrung nicht gesichert. Auch die breite Öffnung der knöchernen Nase der Steinheimer Frau könnte so interpretiert werden, dass sie in einer Warmzeit lebte. Heute noch besitzen Menschen in Gegenden mit höherem Wasserdampfdruck (hohe Luftfeuchtigkeit bei hohen Temperaturen) breitere Nasen. Über den Schottern der Murr, in denen sich der Schädel der Steinheimer Frau zusammen mit Vertretern einer warmzeitlichen Fauna befand, lagern jüngere Schichten mit Überresten von kältevertragenden Säugetieren.

Aus der Höhlenruine von Hunas unweit von Hartmannshof (Kreis Nürnberger Land) in Mittelfranken (Bayern) barg man einen rechten dritten Backenzahn, der mehr als 250.000 Jahre alt sein soll und daher von einem frühen Neanderthaler herrühren könnte. Dieser Zahn wurde 1976 von dem Präparator Albert J. Günther bei Ausgrabungen des „Instituts für Paläontologie“ der „Universität Erlangen-Nürnberg“ entdeckt, die unter der Leitung des Paläontologen Josef Theodor Groiß standen.

Mit frühen Neanderthalern werden auch die in den Travertin-Steinbrüchen von Ehringsdorf bei Weimar in Thüringen gefundenen Teile von Schädeln, ein Oberkieferbruchstück, Unterkieferbruchstücke und das deformierte Schädeldach einer Frau in Zusammenhang gebracht. Die Datierungen dieser Funde sind jedoch sehr umstritten. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa 260.000 bis 115.000 Jahren. Die ersten menschlichen Skelettreste in Ehringsdorf wurden 1908 von dem Steinbruchbesitzer Robert Fischer (1882–1959) entdeckt. Danach gelangen zahlreiche weitere Funde, von denen das Fundjahr nicht immer bekannt ist.

Vielleicht werden eines Tages auch in Österreich menschliche Fossilien aus den Kulturstufen Jungacheuléen (etwa 350.000 bis 150.000 Jahre) und Spätacheuléen (etwa 150.000 bis 100.000 Jahre) entdeckt. Den Begriff Spätacheuléen hat 1964 der deutsche Prähistoriker Klaus Günther (1932–2006) eingeführt. Ein Teil der Experten betrachtet allerdings das Spätacheuléen als Teil des Jungacheuléen, womit dieses bis vor rund 100.000 Jahren dauern würde.

Wie ein Fund aus einer Mergelgrube von Lehringen an der Aller im niedersächsischen Kreis Verden zeigt, haben die Jäger des Spätacheuléen selbst die großen Europäischen Waldelefanten nicht gefürchtet. Dort hatte man im März 1948 auffällig große Tierknochen entdeckt, die man bei der ersten Besichtigung für Mammutreste hielt. Tatsächlich handelte es sich jedoch um Knochen eines Europäischen Waldelefanten. Wegen anhaltend schlechtem Wetter konnten diese aber nicht sofort, sondern erst etliche Tage später ausgegraben werden. Bei der Bergung stieß der Mittelschulrektor i. R. Alexander Rosenbrock (1880–1955) auf eine 2,24 Meter lange Holzlanze aus Eibenholz, die im Skelett des Europäischen Waldelefanten steckte. Der Schaft dieser Lehringer Jagdwaffe war vollständig entrindet und glatt geschabt. Nahezu 40 Astansätze hatte man sorgfältig entfernt. Das dünnere Ende der Lanze ist zugespitzt und mit Hilfe von Feuer gehärtet worden. Verrundungen am Unterende der Lanze deuten auf eine längere Verwendung hin. Über den weiteren Verbleib der Lanze kam es zwischen dem Land Niedersachsen und dem „Heimatbund Verden“ zu einem siebenjährigen Rechtsstreit, der erst 1955 beigelegt werden konnte. Die bis dahin im „Niedersächsischen Landesmuseum“ in Hannover aufbewahrte Lanze wurde dem „Heimatmuseum Verden“ übergeben. In der Umgebung der Lehringer Waldelefantenknochen hatte man auch Feuersteinabschläge aufgesammelt, die vielleicht zum Schneiden von Fleisch benutzt worden sind.

Höhlenbärenjäger in den AlpenDas Moustérien

Aus der Kulturstufe des Moustérien vor etwa 125.000 bis 40.000 Jahren liegen in den Bundesländern Salzburg, Tirol, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich und Burgenland prähistorische Funde vor. Im Vergleich zu Deutschland oder gar Frankreich kennt man jedoch in Österreich viel weniger Hinterlassenschaften dieser Zeit. Der Begriff Moustérien wurde 1869 von dem französischen Prähistoriker Gabriel de Mortillet (1821–1898) aus Saint-Germain bei Paris nach den Funden aus der Höhle von Le Moustier bei Les Eyzies-de-Tayac im Département Dordogne geprägt.