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Jedes Paar kommt einmal in eine Situation, in der einer der Partner denkt, dass professionelle Hilfe angebracht sein könnte. Doch was geschieht in so einer Paartherapie? Kann das wirklich helfen? Wie läuft so etwas konkret ab? Ist das vielleicht auch etwas für mich/für uns? Viele Ängste, Unsicherheiten und Vorurteile sind im Umlauf. Deutschlands bekanntester Paartherapeut zeigt, wie auf diesem Weg oft eine neue Ebene der Verständigung gefunden werden kann.
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Seitenzahl: 143
Hans Jellouschek
Paartherapie
Damit die Liebe bleibt
Titel der Originalausgabe:
Die Paartherapie. Eine praktische Orientierungshilfe.
ISBN 3-7831-2511-1
Kreuz Verlag Stuttgart, 2005
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: Vogelsang Design
Umschlagmotiv: © Annett Seidler – Fotolia.com
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (Buch) 978-3-451-61306-7
ISBN (E-Book) 978-3-451-80191-4
Für
Rosmarie Welter-Enderlin,
der ich persönlich und beruflich
viel verdanke.
Inhalt
Vorbemerkungen
1Paartherapie: Wie und warum?
1. Wie funktioniert Paartherapie und wofür soll sie gut sein?
2. Warum braucht es überhaupt Paartherapie?
3. Wie ist Paartherapie entstanden und wie stellt sie sich heute dar?
4. Was dürfen Sie von einem Paartherapeuten erwarten und was nicht?
2Beziehungsprobleme – Die Sichtweise der Paartherapie
1. Das Problem des Einen ist auch das Problem des Anderen
2. Das Problem ist bereits ein Lösungsversuch
3. Beziehungsprobleme als Herausforderung für Entwicklung
3Verlauf einer Paartherapie
1. Das Erstgespräch: Worum geht es und was ist das Ziel?
2. Blick auf die Gegenwart:Wie kommen wir zu einer guten Balance?
3. Erster Blick in die Vergangenheit:Unerledigtes aus der Paargeschichte
4. Zweiter Blick in die Vergangenheit:Lebensthemen aus den Herkunftsfamilien
5. Blick in die Zukunft: Konkrete Entscheidungen 61 6. Nachgespräch: Was hat es gebracht?
4Welche Probleme gehören in die Paartherapie? – Wenn die Schallplatte steckenbleibt …
1. Kommunikationsprobleme
2. Entscheidungsprobleme
3. »Auseinandergelebt«
4. Trennungswunsch
5. Beruf – Beziehung – Familie
6. Zweitehen – Patchworkfamilien
7. Sexuelle Probleme
8. Untreue
9. Gewalt
10. Sucht
11. Schicksalsschläge: Tod, Krankheit
12. Altersprobleme
Schlussbemerkungen
Literatur
Die »Paartherapie«, um die es im folgenden geht, ist ein vielgestaltiges Gebilde. Es gibt hier unterschiedliche Vertreter und unterschiedliche Richtungen. Was ich beschreiben werde, ist die Form, die sich bei mir in über dreißig Jahren Praxis und theoretischer Auseinandersetzung herausgebildet hat. Darum wird es nicht in jeder Paartherapie und jeder Paarberatung genauso laufen, wie es auf den folgenden Seiten zu lesen steht. Dennoch können Sie sicher sein, dass Sie die wesentlichen Informationen über diese Therapieform hier erhalten werden.
Wenn ich hier von Paaren und deren Problemen spreche, verstehe ich darunter aufgrund meines hauptsächlichen Erfahrungshintergrunds Paare, die aus Männern und Frauen bestehen. Was ich über Paartherapie hier sagen werde, trifft jedoch in vielen Punkten auch für die Therapie gleichgeschlechtlicher Paare zu. Das Zusammenspiel dieser Paare und damit auch die Probleme, die sich dabei einstellen, sind ja in ihrer Dynamik und Ausprägung häufig denen von gegengeschlechtlichen Paaren recht ähnlich. Natürlich gibt es bei ihnen auch besondere Problemlagen. Auf diese werde ich hier nicht eingehen, aber genauso wenig werde ich im folgenden alle speziellen Problemlagen heterosexueller Paare zur Sprache bringen können.
Oft wird hier von »Paartherapeut« und »Paartherapeuten« die Rede sein. Ich verstehe darunter sowohl Männer als auch Frauen, die diese Profession ausüben. Die männliche Form wähle ich lediglich deshalb, um sprachliche Komplikationen und Umständlichkeiten zu vermeiden.
Bei dem Wort Therapie denken wir an Patienten, an Krankheiten körperlicher oder seelischer Art und an Heilung. Ist also bei der Paar-Therapie das Paar der Patient und sind die Partner psychisch oder körperlich krank und der Heilung bedürftig? So aufgefasst wäre das in den meisten Fällen ein Missverständnis. Bei der Paartherapie geht es um die Beziehung der Partner. Die Beziehung ist gleichsam der Patient und in dem Sinne krank, dass die Partner sich in ihr dauerhaft nicht mehr wohl fühlen (und deshalb manchmal auch als Individuen körperlich/seelisch krank werden). Heilung der Beziehung heißt in diesem Zusammenhang, dass sie so wiederhergestellt wird, dass die Partner darin wieder gut leben können, und das heißt: dass die Liebe zwischen ihnen wieder fließen kann, oder – wenn das nicht möglich ist – dass die Beziehung auf gute Weise beendet wird. Wenn das Eine oder das Andere erreicht wird, kann sich das auch auf die leibliche und seelische Gesundheit der Partner, falls diese beeinträchtigt war, positiv auswirken. Dies ist aber nicht unmittelbares Ziel einer Paartherapie, sondern eine mögliche Folgeerscheinung.
Bei der Paartherapie sprechen wir also eher selten von Patienten und von Krankheit im üblichen Sinn. Viel öfter geht es um Beziehungsstörungen, Kommunikationsprobleme, Partnerkonflikte und dergleichen, unter denen die Partner leiden, die sie aber allein nicht zu lösen vermögen, weshalb sie sich an den Fachmann wenden. Ich mache deshalb auch keinen Unterschied zwischen Paar-Therapie und Paar-Beratung. Es geht bei beidem um dasselbe: Gute Lösungen für ein befriedigendes Zusammenleben oder eine faire Trennung zu finden.
Paartherapeuten und Paarberater sind Frauen und Männer, die in der Regel eine beraterisch/therapeutische Grundausbildung haben und diese mit einer Zusatzqualifikation für die Arbeit mit Paaren ergänzt haben. Wenn Partner für sich eine Paartherapie in Anspruch nehmen wollen, wenden sie sich an einen Vertreter oder eine Vertreterin dieser Profession. Diese sind entweder in privaten Psychotherapie- und Beratungspraxen zu finden oder in Beratungseinrichtungen der Kommunen und Kirchen. Häufig ist nach der Anmeldung mit einer gewissen Wartezeit bis zum ersten Termin zu rechnen. Schon das legt nahe, nicht erst dann aktiv zu werden, wenn es bereits »lichterloh brennt«, also nicht erst in der akutesten Krisensituation, sondern bereits dann, wenn man spürt: Hier stoßen wir immer wieder auf das Problem X, und wir schaffen es nicht allein, zu befriedigenden Lösungen zu kommen. Dann ist es Zeit, zum Telefonhörer zu greifen!
Die Therapie/Beratung selbst besteht im wesentlichen aus einer Reihe von Gesprächen (»Sitzungen«) zu dritt. Dies schließt nicht aus, dass es im Laufe der Zeit auch Zweiergespräche zwischen Therapeut und jeweils einem der Partner gibt, aber da – wie gesagt – der »Patient« die Beziehung ist, sollten vor allem am Anfang beide Partner anwesend sein, denn beide sind es ja, die diese Beziehung kreieren.
Dies ist natürlich nur möglich, wenn beide Partner die Bereitschaft dazu zeigen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es auch sinnvoll sein, mit Einzelgesprächen anzufangen, die dann das Ziel haben, einen Weg zu finden, den Partner doch noch zum Einstieg zu veranlassen. Sollte dies nicht möglich sein, kann natürlich auch eine Einzeltherapie oder -beratung stattfinden, bei der dann die Beziehungsprobleme im Vordergrund stehen oder der Ausgangspunkt sind. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass dann häufig eine Schieflage in der Paarbeziehung entsteht: Der Eine macht in der Therapie eine intensive Entwicklung durch und die Gefahr besteht, dass dadurch der Andere »abgehängt« und die Kluft zwischen beiden immer größer wird, anstatt dass sie sich wieder schließt, wofür die Chance bei Dreiergesprächen zweifellos viel eher gegeben wäre.
Die Beschreibungen in diesem Buch beziehen sich darum vor allem auf die Paartherapie in Anwesenheit beider Partner. Manchmal können dies allerdings auch Vierergespräche sein, wie das bei dem in Kapitel 3 dargestellten Therapieverlauf der Fall ist: Eine Kollegin und ein Kollege, die in diesem Fall auch ein Paar im Leben sind, arbeiten als Therapeuten-Paar zusammen. Eine solche Konstellation kann sehr nützlich und von Vorteil sein, wenn die beiden gut aufeinander eingespielt sind: Der Mann und die Frau des Paares finden dann in den Therapeuten jeweils einen Ansprechpartner gleichen Geschlechts, was sich bei so manchem Problem als hilfreich erweist.
Die Dauer dieser Paarsitzungen beträgt in Regel eine Stunde bis eineinhalb. Der zeitliche Rhythmus kann zwischen einmal pro Woche bis einmal im Monat variieren. Die Gesamtzahl der Sitzungen und damit die Gesamtdauer der Therapie kann sehr unterschiedlich sein. Manchmal genügen schon drei bis fünf Sitzungen, manchmal braucht es aber auch fünfzehn und mehr, bis das gewünschte Ziel erreicht ist. Im Vorhinein lässt sich das nie genau sagen.
Ebenso wenig Genaues lässt sich zu den Finanzen sagen. Als solche ist Paartherpie heute (noch?) keine Kassenleistung. Bei niedergelassenen Therapeuten ist also davon auszugehen, dass sie vom Paar selbst bezahlt werden müssen. Bei kassenzugelassenen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-Therapeuten gibt es allerdings in Fällen, die eigens begründet werden müssen, manchmal die Möglichkeit, Paar-Gespräche über die Krankenkasse abzurechnen. Das Angebot der Beratungseinrichtungen ist teils ganz kostenlos, teils wird eine finanzielle Mitbeteiligung nach eigenem Gutdünken oder nach festliegenden Sätzen erwartet. Paare, die an einer Therapie interessiert sind, sollten sich im Vorhinein jeweils erkundigen, welche Eigenleistung von ihnen erwartet oder gefordert wird. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass in Privatpraxen Paartherapie selber zu bezahlen ist (wobei die Honorarhöhe erheblich schwanken kann), hingegen die Beratungsstellen einen relativ geringen Eigenbeitrag verlangen. Letzteres heißt aber keineswegs, dass die hier angebotene Leistung qualitativ schlechter ausfallen müsste. Die Ausbildungsstandards der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch und werden durch regelmäßige Fortbildung und Supervision aufrechterhalten bzw. ständig verbessert.
Was geschieht nun in einer Paartherapie oder -beratung? Darüber wird noch ausführlicher zu sprechen sein. An dieser Stelle sei aber schon gesagt: Es geht nicht so vor sich, dass das Paar sein Problem beim Berater/Therapeuten abgibt und dieser ihnen dafür die Lösung in Form eines Ratschlags aushändigt. So einfach ist die Sache meist nicht. Denn erstens sind die Partner oft sehr verschiedener Meinung darüber, was das Problem ist, oder sie sind sich überhaupt darüber im Unklaren, worin es besteht, und zweitens kann auch der bestausgebildete Therapeut nicht auf Anhieb die maßgeschneiderte Lösung präsentieren. Dazu sind die Dinge meist zu individuell und zu komplex. Es geht vielmehr darum, dass das Paar sich unter Anleitung und mit Unterstützung des Therapeuten auf einen gemeinsamen Suchprozess einlässt, in dem das Problem erstens genauer erfasst und verstanden wird und zweitens dafür dann angemessene Lösungsschritte erarbeitet und erprobt werden. Es geht also um eine intensive Zusammenarbeit mit dem Therapeuten. Das heißt, dass die Aktivität beider Partner erforderlich ist, und dies wiederum setzt voraus, dass beide motiviert sind, die derzeitige Situation zu verändern und in die Veränderungsarbeit Zeit und Kraft zu investieren. Die Bereitschaft dazu muss sicher nicht gleich von Anfang an und in gleichem Maß bei beiden da sein, ist sie aber bei einem oder bei beiden in den ersten Sitzungen überhaupt nicht zu erreichen, kann die Therapie sinnvollerweise nicht weitergeführt werden.
Bisher habe ich ausschließlich von Paartherapie im Dreier- bzw. manchmal auch im Vierer-Gespräch gesprochen. Der Vollständigkeit halber möchte ich ergänzen, dass es auch eine andere, sehr wirksame Form von Paartherapie gibt: Nämlich die Paar-Gruppen-Therapie. Es gibt hier sehr unterschiedliche Formen. Diejenige, die sich in meiner Praxis herauskristallisiert hat, ist so gestaltet, dass sich eine Gruppe von maximal neun Paaren im Laufe etwa eines Jahres dreimal zu intensiven Viertages-Workshops trifft. Die Gruppe wird von einem Therapeuten-Paar geleitet, und jedes Paar hat die Möglichkeit, sein Problem oder seine Fragestellung wiederholt in der Gruppe einzubringen. Zu Themen, die sich als gemeinsame herauskristallisieren, halten die Leiter kurze Vorträge und leiten Einzel- und Paar-Übungen an. Am Abend eines jeden Tages treffen sich Männer und Frauen in Kleingruppen zum Gespräch miteinander. Durch diesen intensiven Austausch und durch die Arbeit auf verschiedenen Ebenen (Verstand, Gefühl, Verhalten) wird in diesen Gruppen eine hohe Effektivität erzielt. Allerdings ist für viele Paare die Hemmschwelle, eine solche Gruppe zu besuchen, aus nachvollziehbaren Gründen ziemlich hoch, wobei sich immer wieder zeigt, dass es in der Situation selbst viel leichter ist, sich zu öffnen, als man es im Vorhinein annimmt. Im Folgenden werde ich mich aber ausschließlich auf die Therapie von einzelnen Paaren beziehen, weil die Darstellung sonst zu komplex würde.
In meiner Kindheit – also vor etwas mehr oder weniger als 60 Jahren – gab es weder Eheberatungsstellen noch Paartherapeuten. Es fehlte ganz offensichtlich an der Nachfrage. Die Scheidungs-Häufigkeit war verglichen mit heute minimal. Hatten die Menschen der Generation meiner Eltern und der vorausgehenden Jahrgänge weniger oder gar keine Beziehungsprobleme? Und warum gibt es heute so viele, die sich damit an Therapeuten und Beratungsstellen wenden, dass man oft wochenlang keine Termine bekommt? Was haben unsere Eltern und Großeltern in Beziehungsdingen anders und besser gemacht als wir heute? Sind wir immer weniger beziehungsfähig? Extrem individualistisch? Infiziert von einer Wegwerfmentalität auch in Liebesdingen?
Ich bin sicher: Das alles ist nicht der Fall. Vielmehr: Wir haben es heute mit der Paarbeziehung erheblich schwerer als unsere Vorfahren – aus verschiedenen Gründen. Erstens: die Kriegs- und Nachkriegsgeneration kämpfte ums Überleben. Ihre Energie und Aufmerksamkeit war von diesem existenziellen Bedürfnis in Anspruch genommen. Für Beziehungsprobleme war oft schlicht kein Raum. Unsere Aufmerksamkeit ist in der Regel nicht aufs Überleben, sondern aufs »Gute Leben« gerichtet, und damit eröffnen sich hier Problembereiche, die früher unbekannt waren.
Zweitens: Der Bestand von Paarbeziehungen, jedenfalls soweit sie als Ehen definiert waren, war früher von außen sehr viel stärker geschützt als heute. Die aus der christlichen Tradition stammende Überzeugung von der Unauflöslichkeit der Ehe machte Trennungen schwer oder unmöglich, hatte staatliche und – bis heute – kirchliche Sanktionen zur Folge, und wer diesen Schritt tat, handelte in den Augen seiner Angehörigen, seiner Freunde und Nachbarn unmoralisch. Dies hatte zur Folge, dass sich viele Menschen mit Beziehungen arrangierten, die heute niemand mehr ertragen würde. Das war damals immer noch besser, als in der sozialen Einschätzung ein Geschiedener oder eine Geschiedene zu sein. Mit anderen Worten: Die viel geringere Scheidungsrate besagt keineswegs, dass die Qualität damaliger Beziehungen besser war als die heutiger. Nur: die Menschen heute ziehen schneller die Konsequenz, auseinanderzugehen als es früheren Generationen möglich gewesen wäre, weil die weltanschaulichen und gesellschaftlichen Stabilitätsstützen der Ehe mehr und mehr wegfallen.
Und schließlich drittens: Die Generationen vor uns pflegten in Beziehungsdingen – generell und der Tendenz nach gesprochen – eine Doppelmoral. Fremdgehen war zwar moralisch verwerflich und für Frauen praktisch unmöglich, aber bei Männern sah man es doch eher als »normal« an, sodass man ihnen hier ein Ventil zubilligte, das den Bestand der Ehe, wie verletzend immer das für ihre Frauen gewesen sein mag, nicht gefährdete. Demgegenüber tolerieren Frauen heute die Untreue ihrer Männer nicht mehr ohne weiteres, und umgekehrt sind Männer viel häufiger als früher mit der Untreue ihrer Frauen konfrontiert. Das heißt: Untreue »zerrüttet« in der Regel heute eine Beziehung massiv, sodass deshalb oft Beratung oder Therapie aufgesucht wird oder gleich den Gang zum Scheidungsanwalt zur Folge hat. Auch hier ziehen heutige Partner Konsequenzen, die früheren Generationen verwehrt waren, ganz gleich, wie sie subjektiv damit lebten und darunter litten.
So kommt ein Hamburger Forscherteam in einer kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage für heutige Paarbeziehungen zu dem Ergebnis, die Instabilität heutiger Beziehungen dürfe »nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wunsch nach dauerhaften, ja lebenslangen Beziehungen nach wie vor sehr stark ist. Von den 30-Jährigen, die gegenwärtig in einer festen Beziehung leben, wünschen sich 83% ausdrücklich, mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin ›ein Leben lang zusammenzubleiben‹ Doch neben die Wertvorstellung ›Dauer‹ tritt ein zweiter Wert, den man ›Beziehungsqualität‹ nennen kann … Es erscheint paradox, aber ist so: Die Instabilität heutiger Beziehungen ist nicht, wie manche Moralisten oder auch Psychotherapeuten klagen, eine Folge von Bindungslosigkeit oder Beziehungsunfähigkeit; sie ist vielmehr die Konsequenz des hohen Stellenwertes, der Beziehungen für das persönliche Glück beigemessen wird, und der hohen Ansprüche an ihre Qualität« (Schmitt/v. Stritzky 2004, 98 f.).
Hier liegt der große Unterschied zu früheren Generationen: Wir haben einen viel höheren Qualitätsanspruch in Beziehungsdingen und deshalb und daran scheitern wir oft. Und das ist kein Wunder: Weil die Generationen vor uns solche Ansprüche an die Dauerbeziehung zwischen Frau und Mann nicht hatten, fehlen uns die Modelle dafür. Was wir heute unter Paarbeziehung verstehen, das haben wir keineswegs mit der Muttermilch eingesogen und aus unseren familiären Milieus mitbekommen. Darum suchen Paare Beratungsstellen und Therapeuten auf: Um das nötige Beziehungs-know-how zu lernen oder zu verbessern, damit die Wünsche und Sehnsüchte an die Beziehung erfüllt werden. Nicht selten freilich läuft es dann darauf hinaus, dass die Ansprüche selbst reduziert werden müssen, um zu einem realistischeren Beziehungs- und Liebesverständnis zu kommen, mit dem man gut leben kann und trotzdem die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht überfordert.
Paartherapie braucht es also oft zu einem realistischen Beziehungs-Lernen: Was muss ich, musst du ändern oder entwickeln, damit unverzichtbare Ansprüche an die Beziehung realisiert werden können? Und welche unrealistischen Bilder und Vorstellungen von Beziehung und Partnerliebe müssen abgebaut werden, damit wir nicht an ihnen scheitern? Brauchbare Antworten auf diese Fragen findet man wieder nicht unter Stichwort XY im Rezeptbuch »Beziehung«. Sie müssen individuell auf den Einzelfall hin entwickelt werden, und darum braucht es den gemeinsamen Prozess der therapeutischen Gespräche.
Aus dem geschilderten Hintergrund hat sich die Paartherapie entwickelt. Konkret war in Deutschland die eine Wurzel die an kirchlichen Beratungsstellen praktizierte Ehe-Beratung, die andere ist in der sogenannten »Systemischen Therapie« zu suchen. Die Entstehung von beiden ist etwa in der Mitte der vergangenen Jahrhunderts anzusetzen.
Den beiden großen Kirchen war es ein Anliegen, mit der Eheberatung der immer mehr um sich greifenden Destabilisierung der Institution Ehe entgegenzuwirken, und es wurden mehrjährige Ausbildungsgänge eingerichtet, die Fachkräfte dafür qualifizieren sollten. Die fachliche Ausrichtung war tiefenpsychologisch. Das heißt, die Probleme der Ehe wurden mehr auf dem Hintergrund der Entwicklung und Geschichte des einzelnen Partners gesehen und bearbeitet. Entsprechend wurde Eheberatung in den ersten Jahren vorwiegend als Einzelberatung praktiziert. Wer unter seiner Ehebeziehung litt – und das waren in der großen Mehrzahl die Frauen – konnte sich Hilfe an einer solchen Beratungsstelle holen.
Um dieselbe Zeit entwickelte sich in den USA die sogenannte »systemische Therapie«