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Fünfzehn tief berührende und kraftvolle spirituelle Interviews geführt von Premananda mit Wahrheitssuchern, die Papaji in der Zeit von 1990 bis 1997 ausfindig machten. Ein intimer Blick auf das Verhältnis von Meister zu Schüler. Es sind Geschichten einer Hausfrau, eines Geschäftsmanns, und sogar eines Offiziers eines atomgetriebenen Flugzeugträgers. Allen, unabhängig von ihrer Herkunft, war die Sehnsucht gemein, die immerwährende Wahrheit darüber herauszufinden, wer sie sind. Wenn diese Sehnsucht groß genug wird, taucht der Meister auf. Die Interviews wurden von Premananda mit Suchenden geführt, die Papaji zwischen 1990 und 1997 aufgesucht haben, als sich endlich aufgrund seines fortschreitenden Alters eine Gemeinschaft in Lucknow, Nord Indien, um ihn herum bilden konnte.
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Seitenzahl: 552
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Titelseiten
Inhalt
Einleitung
Kapitel 1 Peter
Kapitel 2 Suresha
Kapitel 3 Eoin
Kapitel 4 Chandi Devi
Kapitel 5 Scott
Kapitel 6 Soma
Kapitel 7 Hans
Kapitel 8 Johan
Kapitel 9 Pratima
Kapitel 10 Patrick
Kapitel 11 Yogi
Kapitel 12 Swamiji
Kapitel 13 Sathya
Kapitel 14 Bansi
Kapitel 15 Ram Charan
Papaji Memorial
Glossar
Contacts
Dieses Buch kam zustande, ohne dass der Autor viel dazu beigetragen hätte. Die Interviewpartner wählten sich wie von selbst aus und auch die Transkription geschah völlig mühelos. Später erschienen Editoren und Korrekturleser im richtigen Moment und verschwanden wieder.
Die Fotografien, die dem Buch seine Farbigkeit schenken, tauchten aus heiterem Himmel auf, als das Buch in den Druck gehen sollte.
Ich danke allen Interviewpartnern, auch denen, die in der jetzigen Fassung des Buches nicht erscheinen, für ihre Offenheit, mit der sie uns auf berührende Weise an ihrer Liebe zu Papaji teilhaben lassen, und für ihre Ehrlichkeit, mit der sie von ihrem Leben erzählen.
Ein Interview ist ein spontaner, einmaliger Dialog. Ich möchte Kali Devi und Julie Fuad meinen Dank für ihre Arbeit aussprechen. Durch ihr sensibles Editieren der englischen Originaltexte behielt jedes Interview seinen besonderen Charakter bei.
Für die deutsche Ausgabe danke ich unserem wunderbaren Übersetzerinnen-Team Nirvana, Ute, Maha, Darshana, Saraswati und Elvira. Vielen Dank an Joe, der genau im richtigen Moment für eine letzte Korrekturlesung auftauchte und damit eine wertvolle Hilfe war.
Ich danke den Fotografen Chandi Devi und Bhakti für die zahlreichen Fotografien in diesem Buch. Auch danke ich dem Satsang Bhavan in Lucknow, dass wir die wunderschönen Fotos aus dem Archiv benutzen konnten. Danke an Ganga für das Titelfoto. Ich danke dem Sri Ramana Ashram, der das Bild für die Widmung an Sri Ramana Maharshi zur Verfügung stellte. Besonderen Dank an Prashanti für die Erlaubnis, Zitate aus „The Truth Is“ verwenden zu können. Abschließend möchte ich herzlich der Grafikdesignern Kindra und Shivananda danken für die Klarheit, die sie dem endgültigen Buch gegeben haben.
Meine Liebe und Dankbarkeit an Kali Devi für ihre beständige Unterstützung. Ihre Anregungen und ihr Rat waren immer von unschätzbarem Wert.
Premananda 2007
Einleitung
Peter
Suresha
Eoin
Chandi Devi
Scott
Soma
Hans
Johan
Pratima
Patrick
Yogi
Swamiji
Sathya
Bansi
Ram Charan
Papaji Memorial
Glossar
Papaji , der für die Kraft der Gnade in diesen Geschichten steht, hieß mit bürgerlichem Namen H. W. L. Poonja. Den uns vertrauteren Namen „Papaji“ hat ihm seine Sangha (Gemeinschaft um einen Lehrer) gegeben, die sich zwischen 1990 und 1997 um ihn in Lucknow, Nordindien, bildete. In seinen frühen Jahren als Lehrer haben seine Schüler ihn „Meister“ genannt. Die folgenden Geschichten sind archetypisch für das Leela (Spiel des Göttlichen), das sich zwischen Meister und Schüler entfaltet. Sie erzählen von der Möglichkeit, dass jeder, der die Sehnsucht nach Wahrheit in sich spürt, erwachen kann.
Kraft der Gnade deshalb, weil es die innere Sehnsucht des Suchenden ist, die einen Meister in seinem Leben erscheinen lässt. In der unermesslichen Gnade eines Meisters wie Papaji kann der Suchende zum Ewigen Selbst erwachen.
Das perfekte Erwachen ist möglich, Hier und Jetzt für jeden Menschen, ganz gleich welchen Hintergrund, welche spirituelle Praxis oder welche persönlichen Umstände er hat. Du bist bereits frei! Alles, was du gewinnst, wirst du auch wieder verlieren. Nur was ewig ist, ist immer in dir, dein eigenes Selbst.
Papaji
In diesem Buch werden die Erlebnisse einer Hausfrau, eines Geschäftsmannes, und sogar die eines Marineoffiziers auf einem Flugzeugträger erzählt. Sie alle hatten das gleiche Verlangen: die ewige Wahrheit zu erkennen – zu sehen, wer sie wirklich sind. Wenn diese Sehnsucht stark genug ist, erscheint der Meister.
Wir alle sind bereits frei und doch wird unser Verstand von der scheinbaren Realität des Alltags eingefangen. Dieses Buch könnte auch „Geschichten nach dem Tode“ heißen, denn jeder Erzähler ist durch einen Tod hindurchgegangen. Nicht der Körper-Mind-Organismus ist gestorben, sondern die Anhaftung an den konditionierten Verstand oder das Ego. Sie alle sind erwacht zu der Erkenntnis, dass sie nicht das konditionierte „Ich“ und „meine Geschichte“ sind, sondern das Selbst, das ewig und unveränderlich ist.
Dieses Buch könnte auch „Papajis Leute“ heißen, denn die Sucher der Wahrheit, die hier ihre Geschichte erzählen, kamen aus der ganzen Welt nach Lucknow, um Papaji zu sehen. Manche hatten dort ihr Erwachen und blieben als Mitglieder der Sangha. Zu ihr gehörten ungefähr achtzig Menschen, die lange in Lucknow lebten, und es gab noch ein- oder zweihundert Menschen, die mit den wechselnden Jahreszeiten kamen und gingen. Im Sommer stieg die Temperatur manchmal bis auf siebenundvierzig Grad, und im Winter waren Pullover und elektrische Heizungen notwendig. Die ganze Zeit war man von Staub, Abgasen und Lärmbelästigung umgeben. Hunderte von Gästen kamen und gingen oder blieben gerade lang genug, um den Höhepunkt des Erwachens in Papajis Präsenz zu erleben.
Zusätzlich zum Privathaus wurde ein eigener Raum für Satsang (Begegnung in Wahrheit) gebaut und darüber ein Restaurant auf dem Dach. Viele Sangha-Mitglieder lebten davon, dass sie ein Gästehaus hatten, und das führte zu Wettbewerb und Neid. Wenn man dann noch die Dramen aus den Liebesaffären und den ständig wechselnden Grüppchen dazunimmt, war die Sangha oft keinesfalls eine glückliche Familie! Da es Satsang nur morgens zwei Stunden lang gab und auch nur an fünf Tagen in der Woche, hatten alle viel Freizeit, und so wurde das Tratschen und Lästern regelrecht zum Sport.
Doch in dem Moment, wenn Papaji den Satsang-Raum betrat, hielten die Spielchen des Verstandes an, die Herzen öffneten sich und wurden eins. Dieses Phänomen war stark genug, um die Sangha mehrere Jahre lang zusammenzuhalten, wovon die Neuankömmlinge sehr profitierten. In der Sangha haben sich die Menschen gegenseitig darin unterstützt, zu dem Verständnis zu gelangen, das dann zum Erwachen führt. Nach und nach saßen beim Satsang immer mehr erwachte Menschen, die für längere Zeit in Lucknow lebten.
Als ich 1992 das erste Mal nach Lucknow kam, hat Papaji die meisten, die zu seinen Füßen saßen, aktiv dazu angeregt, die Selbsterforschung zu praktizieren. Später änderte sich die Atmosphäre dann. Durch das Dazukommen vieler Osho-Schüler wurde die Stimmung verspielter und herzlicher. Es war ein Raum der Hingabe entstanden, und bei Papaji wurde oft gefeiert und gesungen und es gab viel Musik und Tanz. In seinen letzten Lebensjahren schließlich war er damit zufrieden, einfach nur im Saal zu sitzen, wissend, dass die nötige Energieübertragung für jeden der bereit war, ganz sicher geschehen würde.
In der Gegenwart Papajis erlebte ich mein eigenes Erwachen. Eine Woche nach diesem Ereignis rief er mich nach vorne, um vor ihm zu sitzen, und bat mich, über die Wahrheit zu sprechen. Wie alle anderen in dieser Situation konnte ich nur ein paar Sätze stammeln, die vielleicht in Richtung Wahrheit gingen. Später fiel mir ein, dass Menschen in einer entspannteren Zweierbegegnung die Wahrheit vielleicht besser beschreiben können.
Die Geschichten in diesem Buch sind das Resultat dieser Idee. Die Interviews setzen bei der Kindheit des Erzählers ein und nähern sich langsam dem Hauptthema: Licht in die Natur der Wahrheit zu bringen. Nachdem der Interviewpartner einen ersten Versuch darin gemacht hatte, ermutigte ich ihn, es noch einmal von einem anderen Standpunkt aus zu beschreiben. Der einzigartige Charakter jedes Gespräches ist auch in der schriftlichen Fassung noch stark zu spüren.
Die meisten dieser Interviews fanden in Lucknow zwischen 1992 und 1996 statt, während meiner Zeit als aktives Mitglied der Sangha, oder wie Papaji uns nannte: „Passagiere, die am Flughafen warten, während das Flugzeug näherkommt.“ Die Gespräche kamen meistens ein oder zwei Tage nach dem Erwachen zustande, wenn das Feuer der Wahrheit am stärksten brannte. Die Interviewpartner habe ich dabei nicht gezielt ausgewählt, stattdessen fanden die Treffen ganz spontan statt.
Zunächst lagen die Geschichten jahrelang in einer Schublade, bis ein Freund eine von ihnen las und voller Enthusiasmus darauf bestand, dass ich sie in einem Buch veröffentlichen sollte. Damals war ich gerade in Tiruvannamalai, am heiligen Berg Arunachala. Der Arunachala war das Zuhause von Sri Ramana Maharshi, dem Meister Papajis, der in Indien einer der meistgeschätzten Heiligen unserer Zeit ist. Seit Papajis Tod im Jahre 1997 besuchen viele seiner Schüler regelmäßig den Arunachala und Sri Ramana Maharshis Ashram.
In der Präsenz des Arunachala wiederholte ich zehn Jahre nach dem ersten Interview das Gespräch mit Ram Charan, da die damalige Aufnahme verloren gegangen war. Außerdem sprach ich noch mit anderen interessanten Persönlichkeiten aus der Zeit in Lucknow, die ich in Tiruvannamalai wieder traf. Und schließlich begegnete mir 2004 in München noch Patrick, der in Papajis Haus gelebt hatte, als ich 1992 in Lucknow ankam. Patrick war drei Jahre lang Papajis ständiger Begleiter gewesen. Das Interview mit ihm fand in der Open Sky Satsang Gemeinschaft bei Köln statt, wo ich jetzt wohne. Als seine Geschichte hinzukam, erhielt das Buch die letzte Reife.
Jetzt, zwölf Jahre nach dem ersten Interview, ist dieses Buch eine Hommage an Papaji und ein weitere Einladung, die Wahrheit miteinander zu teilen. Als Papaji über die Qualität eines anderen bekannten Meisters befragt wurde, war seine Antwort: „Wenn du wissen möchtest, wie gut ein Obstgarten ist, probiere seine Früchte.“
Dieses Buch gibt einen Geschmack von den Früchten aus Papajis Garten. Es offenbart die Großartigkeit des Meisters H. W. L. Poonja, von seinen Schülern zärtlich Papaji genannt.
Premananda 2006
Mein einziges Treffen mit Peter war intensiv und vollkommen. Eine Begegnung des Selbst mit dem Selbst. Eine alte Freundin von mir war seine neue Geliebte, und sie hatte ihn mitgebracht. Am nächsten Tag schon reisten sie nach Rishikesh ab und hinterließen mir diese wundervolle, süße Geschichte über Hingabe. Wir haben uns nie wieder getroffen. Unsere Begegnung zeigt die Synchronizität und den Fluss, die bei der Entstehung dieses Buches gewirkt haben.
Papaji sah mir in die Augen. Es war vollkommene Hingabe, ohne dass ich irgendetwas dafür tat. Es gab keine Entscheidung, keinen Gedanken daran, sich hinzugeben. Es geschah von ganz alleine.
Ich bin im deutschsprachigen Teil der Schweiz geboren, in einer Stadt namens Bremgarten bei Zürich, in eine Familie mit zwei Kindern. Wenn ich so zurückschaue, würde ich sagen, es waren nicht gerade glückliche Umstände. Unsere Eltern führten ein Leben voller Eifersucht und Unzufriedenheit, und dadurch gab es viele Schwierigkeiten. Es war alles andere als eine ideale Kindheit.
Ich flüchtete oft in die Natur zu einem nahe gelegenen, schönen Fluss im Wald. Schon als ich jung war, wollte ich fort. Ich erinnere mich an die Geschichten meines Großvaters über seine Reisen nach Afrika und in den Dschungel Südamerikas, obwohl er tatsächlich sein Dorf in der Schweiz nie verlassen hatte. Er war ein sehr guter Geschichtenerzähler und schürte meine Reiselust.
Irgendwann als junger Mann, verspürte ich den starken Drang, nach Indien zu gehen. Das war in den Sechzigern, die Beatles sangen Botschaften wie „Let it be“ und sprachen über ihren Guruji. Sie trugen viel zu meinem Interesse an Indien bei, das immer stärker wurde. Ich arbeitete als Zahntechniker, mochte aber den Beruf nicht, weil ich den ganzen Tag über in einem Labor eingeschlossen war. Später machte ich eine Lehre als kaufmännischer Angestellter. Dann war es endlich an der Zeit, die Schweiz zu verlassen.
Zuerst reiste ich durch Europa und schloss mich den Hippies in Südfrankreich an, in Nizza, Cannes und St. Tropez. Meine Familie war natürlich besorgt, deshalb erzählte ich ihnen, dass ich nach Israel gehen wollte, um in einem Kibbuz zu arbeiten. Sie hielten das für eine ausgezeichnete Idee, das sei eine gute Erfahrung für einen jungen Mann. Aber in Wirklichkeit hatte ich andere Pläne! (lacht) Ich kam nach Istanbul, wo ich Leute traf, die gerade aus Indien zurückkamen. Das war 1971; ich war damals etwa zwanzig.
An diesen Menschen war etwas, das mich anzog. Sie hatten weit geöffnete Augen und einen Ausdruck, den ich zwar nicht ganz verstehen konnte, aber sehr mochte. Er war mystisch und irgendwie ruhig. Es waren wunderschöne Menschen. Der Drang, Indien zu erreichen, wurde stärker und stärker.
Bist du dort angekommen?
Ich kam schließlich nach Afghanistan, aber dort wurde ich krank. Zudem verlor ich meine ganze Habe und musste in die Schweiz zurückkehren. Bald schon startete ich einen zweiten Versuch und erreichte schließlich Indien. Als ich die Grenze überschritt, durchflutete mich eine gewaltige Wärme. Es war, als käme ich nach Hause. Ich fuhr nach Katmandu in Nepal, und es war so zauberhaft und fantastisch, dass ich es kaum glauben konnte.
Danach ließ ich mich durch Indien treiben, hinunter nach Goa, wo ich ein wunderschönes Leben bei den Hippies führte. Wir waren immer nackt und hatten jahrelang eine tolle Zeit. Nur manchmal, während des Monsuns, ging ich hoch nach Nordindien. In Rishikesh begann ich dann, mich für Meditation, Yoga und andere Aspekte des Hinduismus und indischen Lebens zu interessieren und lebte auch mit Einheimischen zusammen. Es fühlte sich so gut an, in Indien zu sein. Ich war nicht speziell auf der Suche, aber so allmählich wurde ich neugierig auf die indische Weltanschauung, in der ich den Sinn des Lebens suchte. Warum existiert das alles? Warum existiere ich? Ich suchte nicht nach einem bestimmten Lehrer, ich war nur neugierig. Ich ging zusammen mit den Sadhus (Asketen) auf Pilgerreise, zu Fuß von Rishikesh hoch nach Badhrinath. Das war ein unbeschreibliches Erlebnis, denn sie lehnten es ab, über etwas anderes als Gott zu sprechen. Für sie war nichts anderes existent.
Nachdem ich ein paar Jahre so gelebt hatte, traf ich eine Frau aus Australien und verliebte mich in sie. Unser Guru, Swami Premananda aus Rishikesh, meinte dann, es sei an der Zeit, in den Westen zurückzukehren und etwas zu tun. „Geht und lebt eine Weile das westliche Leben“, sagte er. Wir dachten: „Das passt gut; wir werden eine Zeitlang arbeiten und dann nach Indien zurückkehren.“ Es fiel mir schwer, Indien zu verlassen, mein geliebtes Indien, und ich bereute es lange, wieder im Westen zu sein.
Aber mit der Zeit – ich lebte in Australien – bekam ich wieder Geschmack am westlichen Leben. Ich lernte die Welt der Kunst kennen und ließ mich auf eine großartige Reise durch die Kunst mitnehmen. Schließlich wurde ich Kunsthändler. Innerhalb kürzester Zeit war ich erfolgreich, und das ohne das Gefühl, jemals irgendetwas dafür getan zu haben. Man hat Artikel in Magazinen und Zeitungen über mich geschrieben, und ich fragte mich: „Warum machen sie das?“ (lacht)
Hattest du deine eigene Galerie?
Ja, meine Frau und ich führten etwa acht Jahre lang eine Galerie in Adelaide. Wir spezialisierten uns auf einen bestimmten Bereich: Arbeiten auf Papier, Drucke und Zeichnungen in limitierter Auflage, später noch mehrfarbige Batiken und Malerei. In der Regel wurden wir von berühmten Künstlern, die einfach zu uns kamen, dazu überredet, Bilder auszustellen. Ich habe nie etwas dafür getan. (lacht) Ich habe die Welt der Kunst wirklich sehr genossen, aber nach einer Weile fühlte es sich nicht mehr so gut an. Das war nicht ich. Irgendetwas fehlte ganz stark. Immer wieder und immer stärker hatte ich das Gefühl, dass ich nach Indien zurückkehren sollte, zurück ins spirituelle Leben. Auf der Ebene passierte in Australien nur sehr wenig, und in meinem Leben drehte sich alles nur um Kunst. Das stimmte irgendwie nicht mehr. Das Künstliche am Kunsthandel fing an, mich zu nerven. Manchmal erschien das alles wie ein Schwindel. Es war nicht wirklich ehrlich.
Bilder verkaufen ist wie ein Spiel, denn die Galerie selbst kreiert den Namen des Künstlers. Natürlich muss an den Bildern etwas dran sein, dennoch ist es die Show um die Bilder herum, die ihnen erst den Wert gibt. Läuft das nicht so?
Ja, meistens geht es um gesellschaftliche Kontakte. Du hast sehr wenig Zeit für dich selbst und du sprichst die ganze Zeit über Dinge, die nicht wirklich real sind – über Tonalität und Farbe und warum ein Bild gut ist. Du redest abstrakt. Bis zu einem gewissen Punkt ist das interessant, aber ich wollte mehr. Es war mir nicht genug. Allmählich hatte ich auch den Erfolg satt, und dass ich mit Menschen zu tun hatte, die in meinen Augen kein wahrhaftiges Leben führten. Der Erfolg hatte etwas Angenehmes – Menschen erkennen dich, andere wollen im Fernsehen einen kleinen Film über dich zeigen oder schreiben in einem Buch über dich. Aber nach einer Weile dachte ich: „Ich will das nicht mehr.“ Ich stieg aus.
Zwei Jahre lang reiste ich durch Australien. Dabei wuchs immer stärker ein Gefühl in mir: Ich wollte bei mir sein. Ich wollte etwas über mich selbst herausfinden: wer ich bin und warum. Meine Frau und ich lösten unsere Ehe auf. Sie ging weg auf ein Segelschiff; ich kehrte zurück nach Indien.
Ich erinnere mich, wie ich in Delhi landete und Indien roch, den Geruch der Menschheit. Das war so wunderbar, dass mir Tränen kamen. Am liebsten hätte ich den Asphalt geküsst, so schön war es. Wieder breitete sich ein Gefühl von großer Wärme aus, eine überwältigende Wärme. Wieder in Indien zu sein war wunderschön.
Ich ging zurück nach Rishikesh. Ich war immer noch etwas verletzt durch die Trennung von meiner Frau. Du gewöhnst dich an jemanden, mit dem du fünfzehn Jahre lang gelebt hast. Ich fühlte mich, als ob ein Teil von mir gegangen war. So wählte ich ganz bewusst Rishikesh, um mich dort selbst zu finden.
Eines Tages fuhr ich nach Haridwar und stieß auf Ramda, einen Freund von mir aus Brasilien. „Oh! Schön dich hier zu treffen, Peter“, sagte er. „Ich bin gerade auf dem Weg zu meinem Guruji, möchtest du mitkommen?“ Ich antwortete: „Ja klar, ich habe Zeit und komme gerne mit!“ Also gingen wir über die Hintergassen von Haridwar zu dem Haus des Gurus.
Bist du vorher schon bei anderen Gurus gewesen?
Ja, ich hatte schon an Satsangs (Begegnung in Wahrheit) und Darshans (in der Gegenwart eines Heiligen sein) bei Heiligen aus Rishikesh teilgenommen, aber nichts hatte mich gepackt. Ich hatte nie das Gefühl: „Das ist mein Guru.“ Ich war nicht auf der Suche nach einem Guru. Ich glaubte schon, dass es früher oder später passieren würde, wenn es so sein sollte. Die anderen sprachen über Freiheit, Erleuchtung und Selbsterkenntnis, aber ich habe nicht wirklich verstanden, worüber sie redeten. Ganz definitiv wollte ich etwas, aber ich wusste nicht genau, was. Ich ging zu so vielen Heiligen und Lehrern in Rishikesh, aber der Richtige war nie dabei.
Dann lernte ich eine wundervolle Sufi-Frau kennen. Später kümmerte ich mich um sie, als sie länger im Krankenhaus lag. Sie musste operiert werden, nachdem sie von einem Bullen auf dem Markt in Rishikesh verletzt worden war. Sie brachte mir bei, mein Herz zu öffnen, den Schlüssel wegzuwerfen und mich niemals wieder zu verschließen. Es geschah!
Ich schrieb einige kleine Gedichte darüber. Und ich begann, Gott zu sehen und ihn zu verstehen. Alles ging so schnell. Meine spirituelle Heimreise erfolgte im Schnelldurchlauf. Ich hatte keine Kontrolle über sie und auch keine Ahnung, was als Nächstes kommen würde. Alles geschah einfach, und ich spürte ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages über die Ram Jhoola-Brücke in Rishikesh ging und mir plötzlich klar wurde, dass Gott in mir ist. Es war ein kurzes Aufleuchten, nichts Beständiges. Nach einer Weile entfernte ich mich wieder davon. Die Erfahrung war nicht von Dauer, solche Momente kamen aber immer wieder.
Danach also habe ich Ramda getroffen, und er brachte mich zu dem Mann in Haridwar. Wir kamen in ein Zimmer, wo ein schöner Mann mit nacktem Oberkörper auf dem Bett saß. Seine Arme waren mit Tätowierungen bedeckt und er wirkte unglaublich stark. Seine Präsenz war so ungeheuer kraftvoll, dass ich fast Angst bekam. „Komm rein und setz dich“, sagte er und fragte, wo ich herkäme. „Ich komme aus Australien“, antwortete ich. Sofort lächelte er mich an und fragte: „Kennst du die Kängurus, hast du mal ein Känguru angefasst?“ Und er fing an, über Natur und Tiere zu sprechen. Irgendwann erzählte ich ihm, dass ich Taucher sei. Das interessierte ihn so stark, dass sein ganzes Gesicht strahlte. Er genoss es offensichtlich, über die Natur zu sprechen. Wir unterhielten uns sehr lange und ich vergaß alles vollständig um mich herum. Es war wunderschön mit diesem Mann. Alles, woran ich vorher gedacht hatte, verschwand. Ich konnte einfach nur mit diesem wunderschönen Mann sein, und das tat mir so gut. Ich wusste nicht, was geschah. Er bot mir Chai (Tee) an, Kekse und Prasad (süße Speise, die ein Meister verschenkt).
Nach einer Weile sagte er: „Okay Peter, nun geh zurück nach Rishikesh, ich werde mit meinen Schülern am Ganges spazieren gehen.“ Ich wäre auch gerne mit diesem wunderbaren Mann und seinen Schülern zusammen am Ganges spazieren gegangen; doch war ich nicht eingeladen, schließlich hatte er mir ja die klare Anweisung gegeben, zurück nach Rishikesh zu fahren. So sagte ich mir: „Okay, ich werde gehen“, aber es tat mir in der Seele weh.
Ich fuhr also zurück nach Rishikesh, doch dieser Mann ging mir nie wieder aus dem Kopf. Ein paar Tage später beschloss ich, nach Haridwar zurückzukehren. Vielleicht würde er mich ja dann einladen. Doch ich konnte ihn dort nicht finden, weil ich die Seitenstraße mit seinem Haus nicht fand. Ich hatte auf dem Hinweg nicht darauf geachtet, und auf dem Rückweg erst recht nicht. Ich war irgendwie in einem anderen Zustand gewesen, denn ich hatte sogar vergessen, nach seinem Namen zu fragen. Obwohl ich nicht wusste, wer er war, fragte ich alle Leute nach ihm, indem ich diesen tollen Mann beschrieb.
Doch irgendwann kam für mich der Zeitpunkt, Indien wieder zu verlassen. Ich fuhr auf dem Seeweg zurück und reiste um die Welt herum nach Südamerika und in die Vereinigten Staaten. Eine Zeit lang lebte ich in San Franzisko und musste dabei immer wieder an diesen Mann denken. Ich wollte zu ihm und ihm dienen, mich ihm vollkommen hingeben. Ich wollte einfach bei ihm sein, er war so wunderschön. Aber ich konnte ihn nicht finden, kein Weg schien zu ihm zurückzuführen. Zwei oder drei Mal reiste ich noch nach Rishikesh, immer noch auf der Suche nach ihm. Ich traf Leute, die sagten: „Komm mit zu unserem Guru“. Ich jedoch erwiderte: „Nein, nein, ich will zu diesem Mann. Ich denke, ich habe meinen Guru bereits gefunden.“ Ich suchte weiter und dabei begegnete ich allen möglichen Gurujis, auch in Südindien. Dann redeten die Leute von einem Mann in Lucknow, aber ich sagte: „Nein, nein, ich möchte ,meinen Guru‘ finden.“
Eines Tages, im Januar 1994, besuchte ich eine Frau in Westbengalen, die ich in Rishikesh kennengelernt hatte und in die ich nun verliebt war. In einem Brief bat sie mich, zu ihr zu kommen, und ich tat es gern. Doch als ich ankam, sagte sie mir, dass es mit uns vorbei sei. Ich war völlig aufgelöst und tief unglücklich. Also reiste ich nach vierundzwanzig Stunden wieder ab, zurück nach Rishikesh. Ich konnte kaum mehr richtig denken, so verletzt und enttäuscht war ich. Im Bahnhof, wo die Züge von Howrah nach Delhi fuhren, fragte der Bahnhofsvorsteher mich: „Wohin möchten Sie fahren?“
„Ich möchte einfach den nächsten Zug in Richtung Westen nehmen“, antwortete ich. „Sie wissen doch bestimmt, wohin Sie wollen?“ „Setzen Sie mich einfach in den nächsten Zug. Ich möchte weg, ich möchte einfach nur von hier weg!“ „Gleich kommt ein Zug. Ich kann Ihnen allerdings keinen Platz mehr reservieren.“ „Geben Sie mir einfach eine Fahrkarte.“ „Möchten Sie nicht wissen, wohin der Zug fährt?“ „Okay, sagen Sie es mir.“ „Er fährt nach Lucknow.“ „Gut, dann fahre ich nach Lucknow.“
Ich dachte, Lucknow hört sich gut an. Da kann ich diesen berühmten Mann sehen, von dem die Leute soviel sprechen.
Ich kam in Lucknow an, wo ich zu Indira Nagar ins Satsang-Haus ging. Als ich eintrat, wurde gerade auf einer japanischen Flöte und einem japanischen Saiteninstrument gespielt. Alles war friedlich und vom ersten Moment an fühlte ich mich sehr wohl. Ich setzte mich hin, ganz ohne jegliche Erwartungen. Ich war einfach froh, da zu sein. Es war wirklich eine Erleichterung, bei diesen schönen Menschen zu sein. Plötzlich verstummte die Musik, alle standen auf und legten die Hände zum Namaste (traditioneller Gruß) zusammen.
Ich schaute auf und konnte es kaum fassen: Herein kam der Mann, den ich so sehr vermisst hatte, der Mann, der in Haridwar auf dem Bett gesessen hatte: Papaji. Ich konnte es kaum fassen! Dann konnte ich nicht mehr denken, alles veränderte sich. Jede Zelle, jedes Atom strömte aus meinem Körper zu ihm. Es ist sehr schwer, dieses Gefühl zu beschreiben. Es war unglaublich kraftvoll!
Und dann stand er neben mir und ich konnte ihm in die Augen blicken, während er die Leute ansah. Als er seinen Blick dann mir zuwendete, verschwand mein Ich in vollkommener Hingabe, ohne dass ich irgendetwas dafür tat. Es gab keine Entscheidung, keinen Gedanken daran, sich hinzugeben. Es geschah von ganz allein.
Die Leute stellten ihm Fragen, und wenn er antwortete, war es, als spräche er direkt zu mir. Alles war an mich gerichtet. Mir fiel keine Frage ein, die ich ihm stellen konnte. Ich dachte noch nicht einmal daran, irgendetwas zu tun. Alles geschah einfach. Und so blieb ich dort, obwohl wegen einiger Feiertage nur wenige Satsangs stattfanden.
Weil ich Besuch erwartete, musste ich zurück nach Rishikesh. Für mich hatte sich nun alles verändert. Papajis Worte gingen mir weiterhin durch den Kopf. Jemand gab mir das Buch „Wer bin ich?“. Nach dem Lesen bemerkte ich, dass ich mir selber immer wieder die eine Frage stellte: „Wer bin ich, wer bin ich? Wo kommen diese Gedanken her? Was befindet sich zwischen zwei Gedanken? Was ist es, das immer da ist, auch wenn ich schlafe?“ Allmählich begann ich zu verstehen.
Da mein Besuch sich verspätete, verbrachte ich zehn ruhige Tage, in denen ich einmal zu Fuß nach Phoolchati ging. Ich war schon oft dort gewesen, aber diesmal ging ich, weil ich an einem Platz sein wollte, den Papaji häufig aufsuchte. Er hatte eine Zeitlang dort in den Höhlen gelebt und in Rishikesh lebte er einige Jahre lang genau in dem Haus neben mir, das heißt neben dem Athik-Ashram.
Die Dinge fügten sich nun auf schnelle und unerklärliche Weise. Auf dem Weg nach Phoolchati machte ich Selbstbefragung, ganz ohne Anstrengung, so wie er es empfohlen hatte. Sie begann mich dort hinzuführen, wo ich anfing etwas zu spüren und zu verstehen. In Phoolchati ging ich dann hinunter an die Stelle, an der die beiden Flüsse China und Ganges ineinander münden. Es ist ein wunderschöner Ort, ganz friedlich, und in mir war es ebenso ruhig. Ich war nur ein wenig müde vom Laufen, so setzte ich mich hin, mit dem einen Ohr dem Ganges, meinem geliebten Ganges, zugewandt, und dem anderen dem China. An ihrem Ufer ruhend, lauschte ich den beiden Flüssen.
Plötzlich stand Papaji da, direkt vor mir. Man könnte es eine Erscheinung ganz aus Licht nennen, sehr helles Licht, das innerhalb einer Aura erschien. Er strahlte und lachte. Er schaute mich an und ich schaute ihn an. Er schaute mir tief in die Augen und ich schaute ihm tief in die Augen. In seinen Augen lag eine köstliche Leerheit, und plötzlich verstand ich alle Lehren, die ich je gehört und gelesen hatte und alles, was er gesagt hatte. All das, was ich mit dem Intellekt bereits verstanden hatte. Zu all dem wurde ich in diesem Moment – einfach so, im Bruchteil einer Sekunde.
Ich sagte zu Papaji: „Meister, du und ich, wir sind dasselbe. Oh mein Gott! Wir sind dasselbe. Es gibt keinen Unterschied. Keinen Unterschied zwischen dir und mir. Es gibt keinen Unterschied zwischen dir und dem Ganges und auch keinen zwischen mir und dem Ganges. Diese Berge, diese Felsen, diese Flüsse, all das bin Ich. Das alles ist Ich, es gibt keinen Unterschied!“ Papaji strahlte und lachte vor Freude. Da war ein Gefühl von überwältigender Glückseligkeit, Freude und Liebe. Unglaubliche Liebe! Alles veränderte sich. Einerseits schien sich alles zu verändern, andererseits veränderte sich nichts. Die Felsen waren immer noch Felsen und die Sonne schien weiterhin. Ich betrachtete die Welt aus einer anderen Perspektive. Ich nahm die Welt anders wahr. Ich bewegte mich in allem und alles war ich. Diese Perspektive hat mich nie mehr verlassen. Ich verstand, was die Gnade des Gurus ist. Das war Gnade! Papaji hat die letzten Hindernisse entfernt. Papaji befreite mich von dem Gefühl, getrennt von ihm oder allem anderen zu sein. Mit einem einzigen Blick in meine Augen ließ er mich so unglaublich großzügig in die seinen schauen und die Leere, diese weite, köstliche Leere sehen, und erlaubte mir damit, zu eben dieser zu werden. Das ist für mich die Gnade des Gurus. Ich weiß nicht, wie ich Papaji danken soll. Ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte, um diese tiefe Dankbarkeit auszudrücken.
Gerade jetzt dankst du ihm, indem du diese Geschichte erzählst.
Ja. Ich lebe jetzt seit einigen Monaten in Lucknow und bin zu jedem möglichen Satsang gegangen. Dort zu sein ist, wie in seiner Präsenz zu baden, in goldenem Licht. Allein schon hier zu sein ist so herrlich, bei ihm zu sein ist so wunderbar. Da ist auch Dankbarkeit, seine Gegenwart und seine ungeheure Großzügigkeit genießen zu dürfen. Ich fühle mich sehr willkommen, obwohl ich seit jenem ersten Treffen im Winter 1989/90 in Haridwar nicht mehr auf Papaji zugegangen bin, um noch einmal mit ihm zu sprechen. Das kam mir nie in den Sinn. Es war nicht notwendig. Alles geschieht sowieso ganz von selbst und anscheinend auf schöne und wunderbare Weise. Alles, was ich sagen kann, ist: „Danke Meister, vielen Dank.“ Ich habe das Gefühl, der glücklichste Mensch zu sein, weil mir Papaji begegnet ist, zusammen mit vielen anderen Leuten, die zum Satsang kommen. Ich habe so unglaubliches Glück, dass ich meinen Meister gefunden habe. (langes Schweigen)
Als wir uns heute zum ersten Mal trafen, warst du mit Jagrouti zusammen, einer alten Freundin von mir. Ich sehe, dass ihr euch ineinander verliebt habt. Hat sich eure Liebe aus alldem heraus manifestiert?
Sie ist dank der Gnade Papajis entstanden. Das ist völlig klar; da gibt es keinen Zweifel. Ich begegnete ihr im Januar im Satsang. Ich fühlte mich sofort zu ihr hingezogen. Langsam fand sie ihren Weg in mein Herz und ich fand meinen Weg in ihr Herz. Es geschah einfach. Schließlich trafen wir uns. Unsere Liebe unterscheidet sich von der wunderbaren Liebe, die ich mit meiner Frau geteilt habe. Jagrouti liebt Papaji auch, und mit einem solchen Menschen zusammen zu sein, der wie eine Schwester ist, mehr noch, meine Geliebte, ist köstlich.
Sobald man vom Gewahrsein oder Bewusstsein aus schaut, erkennt man, dass nichts getan werden muss, sondern alles natürlich geschieht. Wenn du dich vollkommen aufgibst für Das, dann begegnest du jemandem, der sich auch aufgegeben, sich dem Selbst völlig hingegeben hat. Dann verliebst du dich in diesen Menschen. Du verliebst dich in das Selbst, und das ist köstlich und wunderschön.
Ich habe das Gefühl, ich treffe keine Entscheidungen mehr. Entscheidungen geschehen einfach, sicher nicht durch mich. Es gibt nichts, das getan werden muss. Sich zu verlieben und zu wissen, dass es in Ordnung ist. Ich habe mich immer gefragt: Was würde passieren, wenn ich eine solche Erfahrung durch die Gnade des Gurus mache? Was passiert, wenn sich die Sichtweise verändert? Werde ich dann immer noch fähig sein, eine Frau zu lieben? Werde ich immer noch Spaß an Sex haben? Gibt es da Liebe ohne Anhaftung? Die Antwort: Alles ist ganz wunderbar normal und einfach. Und ja, es ist richtig und schön.
Ich bin mir bewusst, dass ich mich früher einfach mit dem Ego identifiziert habe, mit den Gedanken, die aufgestiegen sind, und dachte, das sei „ich“. Doch als ich durch die Gnade Papajis davon abließ, war Freiheit da. Alles ist wunderschön, geschieht ganz von alleine und ist so voller Freude. Ein Problem ist nicht mehr wirklich ein Problem. Der Lärm und Schmutz von Lucknow ist kein Lärm und Schmutz, der mich stört. Er ist einfach da. Er wird wahrgenommen, aber verschwindet dann wieder. Es wird ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt und auch niemandem, der bei mir um Geld betteln will. Zu sein ist so schön, einfach existieren. Es ist egal, was ich mache. Ich bin immer glücklich mit dem, was erscheint und akzeptiere es ohne Anstrengung. Es wird kein Urteil gefällt über die Art und Weise, wie die Dinge geschehen. Vielmehr wird die Wirklichkeit akzeptiert, wie sie ist. Es gibt nichts beizutragen, man kann sich statt dessen einfach nur zurücklehnen und genießen. Auf eine Art ist jetzt alles anders, aber auf eine andere ist es dasselbe. Die Art zu beobachten hat sich verändert, nicht die Handlungen um mich herum. Da ist Sein, und in diesem Sein ist das Bewusstsein, dass ich nicht der Handelnde bin, dass sich die Dinge einfach entfalten. Das Leben fühlt sich sehr leicht an. Das ist die Gnade Papajis. Ich bin unendlich dankbar!
Deine Geschichte ist so klar und einfach, so gewöhnlich. Der Kreis hat sich geschlossen. Du bist nicht mehr diese außergewöhnliche Person, über die im Fernsehen berichtet und in Magazinen geschrieben wurde. In Indien bist du nur ein weiterer Westler, und doch bist du außergewöhnlich geworden, weil du einfach und gewöhnlich bist. Das ist eine andere Art von Außergewöhnlichsein.
Ja, das ist außergewöhnlich. Das Leben, das ich vorher hatte, mit blinkenden Lichtern auf der Überholspur, war künstlich, weil ich es „gemacht“ habe. Ich hörte damit auf und verkaufte die Galerie. Was dann passierte, war ziemlich interessant. Obwohl die Entscheidung klar war und ich wirklich aufhören wollte, weil ich so unbefriedigt war von der Künstlichkeit des Ganzen, habe ich es dennoch unglaublich stark vermisst, weil so vieles in meinem Leben damit verbunden war. Das alles tat das Ego in voller Aktion. Das Problem war meine Identifikation mit dem Ego. Ich war mir wirklich sicher, dass ich das alles mache. Sobald das aufhörte, hing das Ego in der Luft, nicht wissend, was als nächstes kommt. „Ich bin nicht mehr begehrt. Jetzt bin ich ganz gewöhnlich. Wie kommt es, dass mir keiner mehr großartig Aufmerksamkeit schenkt?“ Erstmal ein ziemlicher Schock!
Das Ego spielte damals ein gewaltiges Spielchen mit mir, absolut. Ich ließ es mein Meister sein, anstatt mein Sklave. Es gibt ein schönes Sufi-Sprichwort: „Ein starkes Ego ist sehr wichtig – so lange, bis man es nicht mehr braucht.“ Das ist wahr, aber es gibt auch noch eine andere Art, das zu sehen, nämlich Papajis Art: „Das Ego ist dein Diener, dein Dienstmädchen. Du sagst dem Dienstmädchen, was zu tun ist. Es ist deine Angestellte.“ Dasselbe gilt für deinen Verstand. Sobald der Verstand unter Kontrolle ist, sind viele Probleme plötzlich überhaupt keine Probleme mehr.
Es erreicht sogar einen Punkt, an dem das ganze Leben wie ein riesiges Leela (Spiel des Göttlichen) erscheint.
Ja, du erkennst, dass das Ganze ein wundervolles Leela ist. Wenn ich früher dachte, dass etwas schlecht oder falsch lief, schenkte ich dem Aufmerksamkeit und identifizierte mich damit, und so wurde ich das. Ich dachte wirklich, ich sei das, weil ich es nicht als dieses wundervolle Leela sah. Wie Papaji sagt: „Jetzt geh und genieße dieses wundervolle Spiel. Das ist alles nur eine göttliche Komödie – genieße sie!“ Es ist wirklich Luck Now – Glück jetzt. Und es ist wunderschön.
Es ist sein Leela, es ist für uns alle, die wir damit gesegnet sind, hier zu sein. Ich beobachte die Neuankömmlinge und sehe etwas in ihren Augen. Die Augen bewegen sich schnell, als würden sie etwas suchen. Dann, nach einigen Satsangs, verändern sich bei den meisten die Augen, der Ausdruck verändert sich. Sie haben mit Papaji gesprochen und haben das bekommen, wofür sie hergekommen sind. Sie werden ruhig, still und sanft.
Die Leute stellen sich vor Papaji hin und er bringt alles in Ordnung. In seinem Mitgefühl und seiner Großzügigkeit ist er vollkommene Gnade. Er gibt ihnen das Gefühl, dass sie nach Hause gekommen sind. Er würde sagen: „Schau all deine Brüder und Schwestern an, wir sind eine Familie. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Du bist angekommen. Herzlich willkommen!“
Er ist der größte Meister. Er muss das nicht tun, was er macht. In gewisser Hinsicht ist alles bloß Unterhaltung. Er liebt es und er liebt seinen Satsang. Er liebt alle Menschen, aber er braucht nichts von all dem. Alles geschieht nur aus seinem Mitgefühl heraus. Sogar wenn er zu einem Mann sagt: „Du bist unglaublich dumm und du musst sofort das Satsang-Haus verlassen!“ weil dieser Mann seine und unser aller Zeit verschwendet, dann ist auch das Mitgefühl. Es ist in dem Moment das, was der Mann braucht, und es geschieht aus Mitgefühl. Wenn der Mann gegangen ist, bricht Papaji daraufhin in Gelächter aus, um unsere Anspannung zu lösen, denn wir denken: „Ach du meine Güte, wie kannst du das nur tun, Meister?“ Wenn er lacht, dann weißt du, dass es ein Spiel ist, in dem er seine Rolle spielt, und dass der Mann es gebraucht hat, dass man ihn fortschickt.
Wir haben Glück, einen solchen Meister zu haben, nicht nur sein Mitgefühl, seine Fähigkeit und seine außergewöhnliche Gnade, sondern auch seine Menschlichkeit. Ich meine, Papaji war Ringkämpfer. Er war beim Militär gewesen, hat einen Haushalt geführt und eine Familie gehabt. Abgesehen von seinen frühen spirituellen Erfahrungen als Kind und seiner Zeit mit Ramana Maharshi war sein Leben sehr gewöhnlich. Papaji macht alles zugänglich. Er sagt: „Komm und nimm es, es gehört dir! Du bist es immer gewesen! Ich bin genauso gewöhnlich wie du.“ Seine Art, keine Grenzen zu errichten, ist wunderschön.
Durch seine Gnade erfahre ich Indien jetzt in seiner Gesamtheit. Es ist unglaublich unterhaltsam. Es passieren so viele und wunderschöne Dinge hier. Ich fahre auf einem Motorroller umher und ich liebe es. Ich fahre hinter einem stinkenden Laster her und ich liebe es immer noch! (lacht) Wir haben jetzt gerade wahrscheinlich fünfundvierzig Grad im Schatten und ich liebe es. Danke, Papaji. Vielen, vielen Dank! (lange Stille, gefolgt von Lachen)
Danke, Peter.
Suresha ist für mich schon immer eine besonders schöne und gefühlvolle Frau gewesen, eine Göttin! Sie schenkt uns köstliche Einblicke aus ihrer Zeit in Papajis Haus. Darüber hinaus hat sie eine göttliche Stimme, und mit dem Lied „Amazing Grace“ berührte sie uns alle. Das Lied gab diesem Buch seinen Titel: Kraft der Gnade. Natürlich saß die Katze auf ihrem Schoß! Unermessliche Gnade!
Wie sieht das alltägliche Leben Papajis wirklich aus? Man hat dieses Bild des Meisters als ein übermenschliches Wesen. Aber Papaji öffnet einfach die Haustür und sagt: „Mein Haus ist dein Haus, mein Körper ist dein Körper, mein Selbst ist dein Selbst.“
Ich bin in Cleveland, Ohio, geboren. Mein Vater war Postbote und meine Mutter arbeitete für die Telefongesellschaft. Wir waren eine durchschnittliche Familie der unteren Mittelschicht, die versuchte über die Runden zu kommen. Das war in den Fünfzigern, als es immer noch viele Vorurteile gegenüber Schwarzen gab.
Hattest du Geschwister?
Ich hatte einen Bruder, und unsere Kindheit verlief ganz normal. Wir waren beide intelligent und gut in der Schule. Wir trieben viel Sport und hatten eine Menge Spaß. Irgendwie schafften wir es, aus dem Viertel herauszukommen, in dem viele Kinder kriminell wurden und eine Menge der Leute, mit denen wir aufwuchsen, im Gefängnis, auf Drogen oder auf dem Friedhof endeten. Unsere Familie drängte meinen Bruder und mich dazu, aufs College zu gehen.
Dort machte ich meinen Abschluss als Grund- und Sonderschullehrerin. Noch während meines Studiums heiratete ich und bekam eine Tochter. Als ich nach dem Abschluss schließlich selbst unterrichtete, sah ich, wie schwierig es ist, ein bestehendes System von innen heraus zu verändern. So studierte ich weiter: Schulpsychologie, Systemische Intervention und Prävention. Am Ende hatte ich drei Abschlüsse und arbeitete ein paar Jahre lang in diesen Bereichen.
Hast du einen Weg gefunden, etwas im System zu verändern?
Als ich dann eine Arbeitsstelle in diesem Schulsystem hatte, schaute ich mich ganz schön um und dachte: „Nun, das hier ist komplizierter, als ich es mir vorgestellt habe!“ Meine Arbeit mit den Kindern hatte nicht die Auswirkung auf ihr Leben, die ich mir erhofft hatte. Es wäre notwenig gewesen, das ganze Umfeld der Kinder in die Arbeit mit einzubeziehen: Eltern, Lehrer und ihre gesetzlichen Vertreter. Was ich aber mit meiner psychologischen Arbeit bewirkte, erreichte nur die Verstandesebene. Das war nicht umfassend genug, und so fühlte ich mich sehr beschränkt.
Zur gleichen Zeit passierten einige Dinge, die dieses Gefühl noch verstärkten. Zum Beispiel begann ich mit Kampfkunst, und dabei erwähnte ein Lehrer einmal das Wort „Meister“. Er sagte, er hätte bei einem „Meister der Kampfkünste“ gelernt. Diese Worte machten Eindruck auf mich. Ich wusste aus früheren Erfahrungen, dass Kampfsportarten schädigend und sogar gefährlich sein können, wenn sie nicht korrekt gelehrt und ausgeführt werden. Also dachte ich, dass es wichtig sei, einen Meister zu haben, der weise und klug ist und von Anfang an den richtigen Weg lehrt, damit viele Probleme vermieden werden können.
Wie alt warst du da?
Etwa Anfang zwanzig. Damals traf ich zwei alte Freunde wieder, die ich lange Zeit nicht gesehen hatte. Sie waren Vegetarier geworden, meditierten und schrieben Gedichte. Einer der beiden machte etwas, das sich „Eckankar“ nannte, eine Art Seelenreise. Er gab mir ein Buch, mit dem ich nicht viel anfangen konnte. „Das ist ja echt merkwürdig!“ dachte ich. „So etwas kann ich beim besten Willen nicht verstehen.“
Als ich ihm das sagte, fragte er: „Warum meditierst du nicht?“ Ich darauf: „Was ist das?“
Er führte mich in ein anderes Zimmer, wo ich mich im Schneidersitz auf den Boden setzen und die Augen schließen sollte. Doch nichts passierte. „Vielleicht bin ich einfach zu nervös. Am besten probiere ich es später noch einmal“, dachte ich.
Schon beim nächsten Mal passierten dann eigenartige Dinge. Ich begann, mich immer schneller und schneller zu drehen, bis ich nach vorn umkippte. Ich begriff nichts von alldem und hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Ich fand es sehr beängstigend, dass eine unbekannte Kraft Gewalt über mich hatte und meinen Körper drehte. So hörte ich mit dieser Methode sehr schnell wieder auf, obwohl ich sie nur ein oder zwei Mal ausprobiert hatte.
Dann hatte ich die Idee, mich beim Meditieren auf etwas zu konzentrieren. Ich entschied mich für das Feuer, denn Feuer ist eine Urkraft. Ich setzte mich also mit einer Kerze hin und konzentrierte mich auf die Flamme. Doch als ich aufstand und das Zimmer verlassen hatte, fing irgendetwas im Raum Feuer und der Rauch zog in das Zimmer meiner Schwiegereltern nebenan hinüber. Damit war auch dieses Kapitel für mich beendet. Sieben Jahre lang wollte ich vom Meditieren nichts mehr wissen.
Ich blieb lieber bei meiner Kampfkunst. Doch der Gedanke an Meditation glimmte anscheinend in mir weiter.
Dann passierte einiges, was mein Leben veränderte. Ich war 27 und lebte als Hausfrau und Psychologin in Atlanta. Nebenbei arbeitete ich als Model und schrieb für eine Zeitung. Meine Tochter ging in die Vorschule. Ich hatte damals schon einige Bücher über Meditation gelesen und stellte auch gerade meine Ernährung um, als eine Freundin, die zum Islam gewechselt war, mir ein Buch über Schweine zu lesen gab. Da ich damals sehr unbedarft und naiv war, glaubte ich alles, was in diesem Buch stand: dass Schweine vergiftet seien und so weiter. Also hörte ich sofort auf, Schweinefleisch zu essen!
Dann gab es in meiner Familie mehrere Todesfälle. Zuerst starben meine beiden Großväter, dann mein Vater und meine Großmutter – alle nacheinander. Es war, als schnippte man alle paar Monate mit dem Finger – eins, zwei, drei, vier. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so stark mit dem Tod konfrontiert wurde, und ich war geschockt.
Dieser Schock ließ mich innehalten und mein Leben hinterfragen. Ich stellte mir Fragen wie: Wenn ich heute sterben würde, wäre ich dann damit zufrieden, wie ich mein Leben gelebt habe? Und gibt es irgendetwas, das ich unbedingt noch tun möchte? Die Antwort, die daraufhin kam, lautete: Meditation und Meister. Genau das, was ich immer auf später verschoben hatte, wenn ich mal viel Zeit hätte.
Von der Schulpsychologie hatte ich wegen all ihrer Beschränkungen ohnehin genug. Ich bin nie konventionell gewesen und auch nicht an Besitz interessiert, nicht an einem Haus und nicht an Möbeln und schon gar nicht daran, Hausfrau zu sein. Meinen Mann müssen meine Kerzen und Räucherstäbchen, meine wechselnde Ernährung und Meditationsbücher sehr frustriert haben. Er war geduldig, aber schließlich verließ er mich doch.
Als mein Vater starb, hinterließ er mir etwas Geld. Somit konnte ich Atlanta verlassen, was ich wegen der engen Bindungen sonst nie getan hätte. Ich hatte schon lange den starken Wunsch gespürt, etwas anderes auszuprobieren, doch wusste ich nicht, was dieses Andere sein könnte oder wo es zu finden wäre.
Da lernte ich über die Modeagentur, für die ich arbeitete, einen Mann aus New York kennen. Unsere Verbindung war sehr stark, sie fühlte sich geradezu karmisch an. Wenige Monate später zog ich nach New York, was ich nie getan hätte, wenn er nicht gewesen wäre.
Was hast du in New York gemacht?
Ich begann eine Primärtherapie, nahm Schauspielunterricht und später auch Unterricht in Kampfkunst. Jemand erzählte mir, dass er eine Kampfkunst lerne, die völlig anders sei als alles, was ich je in meiner zehnjährigen Kampfkunstausbildung erlebt hätte. Als ich mehr wissen wollte, sagte er: „Du musst es selbst erfahren.“ Ich erzählte ihm dann ein wenig über meinen spirituellen Weg, und er gab mir das Buch „Primärtherapie“ zu lesen.
Dieses Buch löste starke körperliche Reaktionen bei mir aus.
Ich spürte regelrechte Stromschläge entlang meiner Wirbelsäule. Ich vertraute darauf und sagte: „Okay, ich werde die Primärtherapie ausprobieren“, und begann mit der Therapie. Dort fiel mir ein Buch in die Hände, das eine ähnliche Wirkung auf mich hatte: „Mein Weg, der Weg der weißen Wolke“ von Osho, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. „Wer ist Osho?“ fragte ich, und alle schauten mich erstaunt an. Wie die „Primärtherapie“ traf mich Oshos Buch mit voller Wucht.
Ich war gerade erst in New York angekommen und suchte dringend eine Wohnung, um meine Tochter nachholen zu können. Und dann waren die ersten beiden Anrufer auf meine Wohnungsanzeige auch noch Osho-Sannyasins (Schüler von Osho)!
Ich probierte einige der aktiven Osho-Meditationen aus. Ich war allerdings sehr skeptisch, zum einen weil ich schwarz war – alle anderen Osho-Anhänger waren weiß – und zum anderen weil ich die Sannyasins viel zu emotional fand. So verhielt sich kein normaler Mensch, dachte ich und blieb erstmal auf Distanz.
Bis ein Jahr später eine Osho-Sannyasin in die Stadt kam, eine entschlossene Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben stand. Da sie den Menschen aus dem Viertel meiner Kindheit irgendwie ähnlich war, fiel es mir leichter, mich ihr gegenüber zu öffnen. Sie bestand darauf, dass ich Sannyas (Osho als Lehrer anerkennen) nahm und legte mir eine Japa Mala(Gebetsperlenkette) um den Hals. Sie akzeptierte einfach kein Nein. Von diesem Moment an veränderte sich mein Leben in rasender Geschwindigkeit.
Die erste große Veränderung war, dass ich mich auf den Weg nach Pune zu Oshos Ashram machte. Dort blieb ich, bis Osho in die USA ging. Meine Tochter kam auch nach Pune, doch für sie war es nicht der richtige Ort. Sie war neun oder zehn, als sie eines Tages zu mir kam und sagte: „Ich werde gehen.“ Da ich ihr nichts aufdrängen, ihr nicht das Gefühl geben wollte, dass ich alles besser weiß, ließ ich sie gehen, auch wenn ich am Boden zerstört war. Mir war klar, dass ich bleiben muss. Ich hatte mich entschieden.
Dann passierten alle möglichen bizarren Dinge. Ich sage bizarr, weil all diese spirituellen Erfahrungen neu und andersartig waren. Sie waren beängstigend und aufreibend und gleichzeitig aufregend und tiefgreifend. Ich wusste, egal welche Ängste oder Widerstände hochkommen, ich muss sie einfach anschauen. Und das tat ich.
Könntest du etwas über deine Erfahrungen in Pune und deine Verbindung zu Osho sagen?
Ich glaube, das erste, was für mich in Pune geschah, war eine emotionale Öffnung. Denn da, wo ich herkomme – ich habe zwei Indianerstämme in meiner Familiengeschichte und außerdem Schwarze und Iren – ist Stolz sehr wichtig. Man hat stolz und stoisch zu sein und man zeigt seine Gefühle nicht. Da das Leben ständig bedroht ist, ist es geradezu gefährlich, anderen seine Gefühle zu zeigen. Dieser Kreislauf musste durchbrochen werden.
Schon die Primärtherapie hatte viel geholfen. Und auch die Kampfkunst war eine kraftvolle Methode, körperliche Verspannungen und Blockaden zu lösen.
Als ich in Pune ankam, war ich viel offener, obwohl es sehr neu und anders war und mir das schreckliche Angst machte.
Seltsame Dinge geschahen, zum Beispiel fing ich an, mich an vergangene Leben zu erinnern, und diese Erinnerungen waren genauso real wie alles andere, das mir je passiert war.
Ein anderes Mal vereinnahmten irgendwelche Energien meinen ganzen Körper und ich erlebte Ekstase und Zustände von tiefem Glück. Bis dahin war ich gewohnt, alles zu hinterfragen, alles verstehen zu wollen, um Dinge mit dem Verstand erfassen zu können. Aber darum ging es in Pune nicht. Sannyas zu nehmen bedeutete, diese ganzen Programme zu löschen und sich nicht mehr auf den Verstand zu verlassen.
Ich lernte dann Körperarbeit, verschiedene Atemtechniken, Energiearbeit und schließlich Hypnotherapie. Und je mehr ich lernte, desto deutlicher wurde, dass mir all diese Dinge keine Antworten geben konnten, sondern nur weitere Fragen, und mehr und mehr Fragen aufwerfen werden. Ich begann zu sehen, dass es etwas anderes gibt, das unser Leben bewegt und uns antreibt, wenn man sich nur genug öffnet, um es zu erkennen und zuzulassen. Ich liebte und vertraute meinem Meister Osho so sehr, dass ich alles getan und bei allem mitgemacht hätte, egal was es gewesen wäre.
Wie hast du dich in dieser Zeit finanziert?
Nach sechs Monaten war mein Geld aufgebraucht. Ich war schon immer sehr gut organisiert und praktisch veranlagt, und am Existenzminimum zu leben war fast unerträglich. Wie aber soll man ohne Geld leben? Ich sagte meinem Vermieter, dass ich kein Geld hätte, und er antwortete mir: „Okay, dann zahl keine Miete.“ Ich ging zu meinem Arbeitgeber und sagte ihm, dass ich kein Geld hätte, und er gab mir Essensmarken. So hatte sich das Problem gelöst. Ich konnte oft sehen, dass obwohl ich nichts tat, doch viel passierte. Allmählich bekam ich eine neue Perspektive von Ursache und Wirkung und machte die Erfahrung, dass alle Ereignisse aus einem größeren Ganzen aufsteigen. Meine gesamte Haltung änderte sich: die Art, wie ich arbeitete, wie ich die Arbeit sah und auch, wie ich zu Problemen stand.
Nur diese ganze Sache mit dem Herzen war für mich nach wie vor nur ein leeres Wort. Jeder sprach über Herz und Energie und darüber, dieses oder jenes Chakra (Energiezentrum im Körper) zu öffnen, alle umarmten sich, nur ich dachte: „Meine Freunde machen so etwas nicht.“ – die mich übrigens schon längst abgeschrieben hatten.
Ich hatte immer mehr mystische und spirituelle Erfahrungen. Vimalkirti, einer der Bodyguards, starb plötzlich, und als ich bei seiner Bestattung in die Flammen sah, geschah etwas mit mir: Ich fiel für sechs Wochen in einen unbeschreiblichen Zustand der Glückseligkeit. Ich wollte weder sprechen noch mich bewegen. All diese Erfahrungen hingen immer mit Osho zusammen. Ich spürte: „Das ist ein wunderbares Geschenk, das muss seine Liebe sein, die auf mich herabregnet.“
Mein Weg war die Hingabe; lieben, hingegeben sein und Osho dienen. Ständig hatte ich ekstatische Momente. Wir alle waren im Dauerzustand der Glückseligkeit.
Aber nebenher liefen immer noch diese lauten Gedanken und ich hatte diesen Schmerz, weil ich versuchte, etwas „zu tun“ oder „nicht zu tun“. Osho äußerte sich dazu sehr deutlich, widersprach sich aber im nächsten Moment, damit man sich nicht daran festhalten konnte. Doch mein Weg war klar: Ich werde alles tun, worum man mich bittet! Das war der perfekte Weg.
Irgendwann nannten sie mich „Madam Ja“. Damals wunderte ich mich darüber. Von mir kam immer: „Ja, ja, natürlich, ja klar, mache ich.“ (lacht) Und als ich dann in die USA zurückkam, war ich körperlich ausgelaugt. Wahrscheinlich hätte ich zumindest ein- oder zweimal sagen sollen: „Nein, ich brauche eine Pause!“ (Lachen)
Abgesehen von dem Wunsch, meine Tochter zu sehen, interessierte mich nur eines: In Oshos Nähe sein!
Es gibt ein Gedicht von Kahlil Gibran, das wohl am ehesten ausdrückt, wie ich mich damals fühlte. Es ist die Geschichte von einem Mädchen, das zu Jesus kam und ihn dasitzen sah. Von dem Moment an wollte sie nichts anderes mehr, als in seiner Nähe sein und ihre Hände auf seine Arme legen. Voller Verzückung starrte sie ihn an und bewegte sich während seines ganzen Besuches nicht mehr von seiner Seite, denn er war das, wonach sie ihr ganzes Leben lang gesucht hatte. Sie wollte ihn auf keinen Fall mehr verlieren, nicht einmal den Blick von ihm wenden. „Wo immer er hingeht, dort will auch ich sein. Ich muss ihn einfach sehen.“
Als Osho das Land verließ, wollte ich ihm sofort folgen. Ich fragte, ob ich zur Ranch kommen könnte, doch die Leitung antwortete mir: „Noch nicht.“ Sie hatten herausgefunden, dass es mir gesundheitlich nicht so gut ging. Also ging ich in eine Kommune nach Kalifornien.
Die Osho-Ranch begann und endete wieder. Was in meinem Herzen blieb, war das Gefühl von innerer Verbundenheit mit der Wahrheit, das Wissen, dass sie absolut rein ist und immer gegenwärtig, egal was geschieht.
Ich spürte, dass ich weitergehen musste, aber ich konnte einfach nichts tun, solange Osho am Leben war. Als er dann seinen Körper verließ, machte es Klick! Innerhalb weniger Wochen kam etwas Neues in Bewegung.
Es begann mit dem Buch, „Die Lehren von Ramana Maharshi“, das mich genauso wie Oshos Buch wieder so tief berührte, dass ich weinte und weinte. Irgendetwas sprach zu mir, und es waren nicht die Worte, denn ich kann nicht behaupten, dass ich sie verstanden hätte. Aber ich fühlte, dass es die Wahrheit ist. Etwas sprach aus diesen Seiten, sprach aus diesem Sein, gelangte in mein Herz und berührte mich zutiefst.
Kurz nachdem Ramana Maharshi in mein Leben gekommen war, erzählte mir jemand von Andrew Cohen und ich fuhr zu ihm. Die Zeit mit Andrew war eine Übergangsphase, ich fühlte mich immer noch tief mit Osho verbunden.
Andrew fragte mich: „Hast du ein Bild von Osho, das du dir ansiehst?“ „Ja“, antwortete ich. „Warum fragst du?“ „Verbrenne es“, sagte er nur. „Das kann ich nicht, da ist immer noch so viel Liebe und Dankbarkeit.“ Er darauf: „Ich sage das nicht für mich, sondern für dich. Verbrenne es.“
Ich konnte nicht. Ein paar Monate später, nachdem Osho seinen Körper verlassen hatte, verbrannte ich das Bild dann doch. Allerdings hatte ich noch viele andere. Letztendlich habe ich also geschummelt!
Doch dann war das Gefühl von innerer Verbundenheit mit der Wahrheit wieder da, die alle äußeren Erscheinungen und Formen transzendiert und unabhängig davon was geschieht, immer präsent ist, bei mir und mit mir.
Es war, als würde ich auf den richtigen Augenblick warten. Ich hatte nichts zu tun in der Welt. Eines Tages ging ich zum Strand und sagte: „Existenz, was willst du? Was soll ich machen? Ich bin mit allem durch. Mir fällt nichts ein, was ich für mich tun will. Was hast du für mich zu tun?“
Ich weiß, dass du in den letzten fünfzehn Jahren professionell Musik gemacht hast. Wie ist es dazu gekommen?
Ich ging in die Bay Area (Bucht von San Franzisko), wo es mich in ein Musikgeschäft zog. Ich wusste, ich würde mir eine Musikanlage kaufen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie man damit umgeht.
Eine Freundin von mir hatte eine Kassette herausgebracht und ich dachte: „Das sollte ich auch tun!“ Auf einer New Age-Messe kam ich an einem Stand mit Musikkassetten vorbei und stellte überrascht fest, dass ich die Musiker kenne, dass es meine Freunde waren. Ich fragte den Verkäufer: „Ich würde gerne auch so eine Kassette herausbringen. Würden Sie die dann vertreiben?“ Klar!“ antwortete er. Später fragte ich mich, ob das alles wirklich wahr sein kann oder ob ich mich vielleicht verhört habe. Also ging ich zurück und fragte noch einmal. Und tatsächlich antwortete er wieder: „Ja, klar doch.“ Also begann ich, an einer Aufnahme zu arbeiten. Kurz bevor ich damit fertig war, erzählte ich einer Freundin, dass ich ein Studio bräuchte, um das Ganze auf Band zu bekommen, und sie antwortete schmunzelnd: „Ich kenne jemanden, der das kann. Und er steht direkt hinter dir.“
Ich drehte mich um und da stand tatsächlich ein Mann. „Sind Sie Tontechniker?“ fragte ich ihn. „Ich möchte gerne diese Kassette hier aufnehmen.“ Er antwortete: „Ja, klar. Komm vorbei, du brauchst auch nichts zu bezahlen.“
Da war die Existenz mit einem besonders guten Feingefühl am Werk.
Ein alter Musikerfreund hatte meine Telefonnummer auf einer meiner Anzeigen für Körperarbeit entdeckt und rief mich an: „Ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist! Ich mache eine Welttournee, komm doch mit!“ Ich antwortete: „Ja, warum nicht?“ In Deutschland traf ich dann ein paar Musiker, die für eine New Age-Plattenfirma arbeiteten. Sie kamen mit einer guten Idee: „Mach doch eine Maxisingle! Wir haben gute Kontakte zu Diskotheken und werden sie da rausbringen.“ Das taten wir. Dann sagte der Leiter der Plattenfirma: „Niemand wird nur eine Maxisingle kaufen. Ich würde mal sagen, dass wir einige Alben produzieren, denn wenn sie erstmal eine Platte gehört haben, werden sie mehr kaufen wollen. Lasst uns einen Vertrag machen, dann könnt ihr mehrere Alben aufnehmen.“ Ich sagte: „Wow, gerne!“ So kam das mit der Musik ins Rollen.
Während ich an dem Album für diese Plattenfirma arbeitete, lernte ich Andrew Cohen kennen. Seine Art, Dinge auszudrücken, war einfacher als Oshos. Osho war ausschweifend und ideenreich, er machte tausend Dinge gleichzeitig. Andrew war eher so: Erst machst du das, und dann machst du das. Das gab mir Halt, nachdem ich so lange Zeit über den Wolken geflogen war, ohne zu wissen, wo ich landen würde.
Ich kaufte mir das Buch „My Master Is My Self“ (Das Selbst ist mein Meister); darin spricht Andrew über Papaji. Das Buch handelt hauptsächlich von Andrew, aber als ich las, wie Papaji zu ihm gesprochen hatte, fühlte ich mich davon angezogen. Schon die Bücher über Ramana Maharshi hatten in mir den Wunsch nach etwas sehr Einfachem und Reinem geweckt. Ich spürte: „Ja, das ist es!“ Genauso ging es mir mit Papajis Worten in diesem Buch. Ich spürte das Gleiche: einfach, rein und vorbehaltlos. Ich war wieder sehr bewegt. Ich war einfach nur da in der Welt und hatte auf den Augenblick gewartet, in dem es mich irgendwo hinzieht, wo ich wieder ganz da und in vollkommener Hingabe sein konnte. So begann ich, mich nach Papaji zu erkundigen: „Wo wohnt er? Wo ist das? Ist er gerade dort?“ Langsam fügten sich die Dinge zu einem Ganzen.
Ich fing an, Pläne zu machen, um an Geld zu kommen, denn ich lebte am Existenzminimum. Mit dem, was ich verdiente, kam ich gerade so über die Runden, und doch bekam ich immer alles, was ich brauchte. Ich wusste, die Existenz wird schon für mich sorgen. Bisher war jedes Mal etwas passiert, wenn ich in mir den Ruf gespürt hatte, nach Indien zu gehen. Einmal kam sogar eine Frau zu mir und fragte mich: „Willst du nach Indien? Ich würde dir gern ein Hin- und Rückflugticket kaufen und deine Kosten übernehmen.“ Und sie überreichte mir ein Ticket, einfach so. Mittlerweile machte ich mir über nichts mehr Gedanken. Ich dachte: „So sieht meine Situation aus, und wenn die Existenz will, dass ich dorthin komme… Warten wir einfach mal ab.“
Und dann ging es los. Ich wollte eine Ausbildung als Physiotherapeutin machen. Der Lehrgang hätte neuntausend Dollar gekostet, doch weil ich als Assistentin teilnahm, war er für mich kostenlos. Durch die neu erworbenen Fähigkeiten verdreifachte sich mein Einkommen und so konnte ich zu Papaji gehen.
Kurz bevor ich nach Lucknow fuhr, hörte ich von einem Kampfkunstmeister, der von sich behauptete, er sei erleuchtet. Seine Methode war „Intensives Betrachten“. Ich wusste, dass Ramana Maharshis Methode die Selbsterforschung gewesen war, und ich dachte: „Okay, ich werde mich mit diesem Mann in ein Zimmer einschließen und schauen, was passiert.“ Vier Tage lang machten wir dann rund um die Uhr intensive Selbsterforschung mit der Frage: „Wer bin ich?“ und ich bekam einen tiefen Einblick.
Bis dahin hatte ich immer geglaubt, dass uns alles durch die Gnade des Meisters geschenkt wird. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass alles, was ich erlebte, etwas mit mir zu tun hat, mit meinem Sein oder mit meinem Selbst. Die Erkenntnisse, die ich durch die Selbsterforschung gewonnen hatte, brachten die Wende. In einem Brief an Papaji beschrieb ich das so: „Derjenige, der an die Tür klopft, ist derselbe, der auf das Klopfen antwortet.“