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Die gesammelten Episoden, die während meines Dienstes bei der Bundeswehr passiert sind, als ich in Marburg bei der 5. Batterie des Flugabwehrregiments 300 in Marburg stationiert war. Die Bundeswehr war nicht nur nüchterner Dienst, man konnte auch viel lachen. Zumindest hinterher!
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Seitenzahl: 140
Vorwort
Das verlorene Gewehr
Ein Snack am Abend
Der nächtliche Besuch
36 Stunden Kampftag
Stress mit den Nachbarn
Nato-Pause
Durst
Die Frühstückskrise
Marsch durch die Hölle
Highway to Hell
Vernebelt
Ein Schwarzfahrer?
Ein wichtiger Termin
Bilder
Anhang
Ich habe mich endlich entschlossen, einige
meiner Erlebnisse bei der Bundeswehr
nieder zu schreiben.
Ich widme dieses Buch den Mannschaften,
Unteroffizieren und Offizieren der
5.Batterie des Flugabwehr-Regimentes 300
vom Jahrgang 1988/89!
Ich bin Euch allen sehr dankbar, weil ohne Eure Hilfe und Kameradschaft hätte ich den Dienst bei der Bundeswehr damals nicht geschafft!
Der Titel dieses Buches war der
Lieblingsspruch unseres
Batterie-Chefs.
Diese Geschichte fand im Januar des Jahres 1988 statt.
Ich war zu diesem Zeitpunkt schon seit 2 Wochen Rekrut bei der Bundeswehr. Der Bund, dieser neue Abschnitt meines Lebens, hatte sich als ziemlich drastisch herausgestellt. So hatte ich es mir nicht vorgestellt.
Um ehrlich zu sein, ich hatte es mir auch nie richtig vorstellen wollen.
Alles war so neu und ungewohnt für mich. Ich hatte bis dahin ein ziemlich ruhiges und normales Leben geführt, ohne nennenswerte Höhen oder Tiefen. Auch war ich noch nie länger weg von zu Hause gewesen, alleine meine ich.
Die Armee hatte mein Leben komplett umgekrempelt. Jeden Tag gab es was Neues. Die Ausbildung ließ einen kaum zur Ruhe kommen.
Und unsere Vorgesetzten hatten natürlich auch ihren Spaß dabei, uns grüne Rekruten durch die Gegend zu scheuchen.
Vor allem, wenn es Alarm gab. Das musste immer lustig ausgesehen haben, wenn wir wie verschreckte Hühner ohne Plan durch die Gegend stolperten.
Ich nahm es eher ruhig, ja fast stoisch hin. Was mich persönlich eigentlich ziemlich wunderte. Ich war nämlich schon immer ein nervöses und ängstliches Hemd gewesen. Besonders bei neuen, ungewohnten Dingen war ich ein besonderes Nervenbündel. Aber jetzt beim Bund war ich ganz anders, wie gesagt, viel ruhiger. Oder war ich nur vom Schock dieses neue Leben beim Bund einfach erstarrt? Andererseits, was konnte ich denn schon an meiner neuen Situation groß ändern? Eingeschüchtert wie ich war, wollte und konnte ich nicht meckern wie mancher meiner Kameraden.
Hätte ja auch nichts eingebracht, außer Ärger mit den Vorgesetzten. Wir mussten tun, was unsere Ausbilder uns befahlen. Die Befehle zu hinterfragen oder dumme Fragen zu stellen, machte doch nur alles schlimmer. Niemand mochte nervige Meckertanten, und hier bei der Bundeswehr schon mal gar nicht. Unsere Ausbilder wurden dann nämlich so richtig sauer. Obwohl ich mich irgendwie in mein Schicksal fügte, war es doch für mich persönlich ein großer Schock gewesen. Mehr als mir lieb war. Ich hatte Heimweh, hatte meinen Appetit verloren, was ein besonders untrügliches Zeichen dafür war. Denn ich hatte eigentlich schon immer einen guten Appetit. Mit Einschränkungen. Darauf werde ich noch detaillierter eingehen. Später. In einer anderen Geschichte.
Auch an Schlaf, wie ich ihn gewohnt war, konnte ich überhaupt nicht denken. Wach und angespannt, ohne die Chance auf Entspannung und Ruhe, lag ich in diesem alten, ausgeleierten Etagenbett auf unserer Stube. Auch die vielen, ungewohnten Geräusche in unserem Block, in dem es nie wirklich ganz ruhig war, halfen mir überhaupt nicht bei meiner Schlaflosigkeit. Und das Allerschlimmste war, dass man überhaupt keine Privatsphäre mehr hatte.
Ich konnte damals Woody Allen wirklich verstehen, der einmal sagte, dass er nie zur Armee gehen könne, weil er dann ja mit Männern zusammen duschen müsse.
Es geschah eines Nachts, ich lag wie immer wach in meinem Bett, war total übermüdet, doch meine innere Anspannung ließ es wie immer nicht zu, dass ich Ruhe fand. Mein Gehirn konnte oder wollte einfach nicht runterfahren.
Hatte ich überhaupt jemals richtig geschlafen während dieser Grundausbildung? Ich glaube nicht. In diesen Betten, ausgeleiert und uralt wie sie waren, konnte ich einfach nicht schlafen. Wahrscheinlich hatten sich schon Hunderte, ach was, Tausende von Rekruten, darin unruhig herumgewälzt, mit der Hoffnung auf eine Mütze voll Schlaf.
Ich lag also in diesem Soldatenbett, versuchte wenigstens zu dösen, wenn ich schon nicht einschlafen konnte. Mein Gehirn registrierte jedes Geräusch von draußen. Es wollte einfach nicht zur Ruhe kommen!
Und dieses blöde Gehirn hatte schon vorher gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Geräuschpegel auf dem Flur war viel zu hoch gewesen. Höher als normal. Viel zu viele Stiefel trampelten auf den Gängen, rauf und runter. Eine Elefantenherde wäre nicht leiser gewesen. Doch aufstehen wollte ich aber auch nicht, um nachzuschauen. Neugierig war ich ja schon, aber viel zu müde dafür. Nur keine Fragen stellen! Solange niemand in die Stube kam, war mir alles egal. Und ich glaube, meinen Kameraden ging es wohl genauso. Ich hoffte bloß, dass dieser Lärm bald wieder verschwinden möge. Diesen Gefallen tat er uns aber nicht, ganz im Gegenteil.
„Alarm!“
Jemand hatte die Tür zu unserer Stube aufgerissen, das Licht eingeschaltet.
Und dieser jemand schrie wie am Spieß!
„Alarm! Alles auf! Nato-Alarm! Anziehen, Ausrüstung aufnehmen, wir verlassen den Block in 15 Minuten! Auf geht’s! Kommt in Wallung!“
Wallung! Wie ich dieses Wort damals hasste!
„Auf, auf! Kommt in die Gänge!“
Nach diesen Worten verschwand der Schreihals wieder. So schnell er die Tür aufgerissen hatte, so schnell hatte er sie auch wieder zugeschlagen. Laut scheppernd war die Tür ins Schloss gefallen. Das Schließblech war schon ein wenig ausgeleiert. War ja auch kein Wunder bei dieser Dauerbelastung!
Das Licht hatte er „natürlich“ angelassen!
Nun, nachdem man uns „offiziell“ aufgeweckt hatte, mussten wir wohl oder übel aufstehen.
Meine Kameraden und ich sprangen fast gleichzeitig aus den Betten, jeder rannte zu seinem Stuhl. Unsere Uniform, die Unterwäsche, die ganze Bekleidung lag auf den Stühlen. Und zwar so in der richtigen Reihenfolge, so dass man sich auch unter Umständen im Dunkeln anziehen konnte.
Das wurde „Alarmstuhl“ genannt. Wir begannen uns anzuziehen. Nervös, mit zittrigen Händen.
Haben sie schon mal versucht, etwas schnell zu erledigen, wenn sie nervös und aufgeregt sind?
Richtig, da klappt nämlich gar nichts. Selbst die einfachsten Dinge, wie zum Beispiel ein Hemd zuzuknöpfen, ging überhaupt nicht.
Unser Gruppenführer, Unteroffizier S., kam mehrmals in unsere Stube hereingestürmt. Ungeduldig, mit einem roten Kopf vor Aufregung. Anstatt uns zu helfen, schrie er nur herum.
„Schneller, schneller! Los, los, los!“
He, wir waren grasgrüne Rekruten, gerade mal 2 Wochen bei der Bundeswehr. Was erwartete er von uns? Das wir uns so schnell anziehen könnten wie Superman? No way!
Aber trotz alledem, wir schafften es. Irgendwie. Selbst heute noch ist es mir ein Rätsel, wie. Aber wir wurden rechtzeitig fertig. Auch die Ausrüstung war komplett. Unteroffizier S. stolzierte auf dem Gang herum wie ein Pfau auf Brautschau, so stolz war er. Er tänzelte immer ganz nah um unseren Oberleutnant C. herum.
Wahrscheinlich hatte er erwartet, ein Lob vom Oberleutnant zu erhaschen. Doch der machte ihm nicht den Gefallen. Der schaute nur mürrisch, war sichtlich genervt von dem offensichtlichen Schleimen des eitlen Unteroffiziers. Er bellte nur herum.
„Seid ihr jetzt endlich fertig? Mann, Mann, wie lange dauert das denn hier?
Ich bekomme gleich einen Anfall! Das muss alles schneller gehen, Männer!“
Unser Zug-Feldwebel kam zu unserer Gruppe, unser Unteroffizier meldete ihm, dass wir abmarschbereit seien. Er überprüfte unsere Ausrüstung, ob sie auch wirklich vollständig war. Aber es war alles zu seiner Zufriedenheit. Wir bekamen die Erlaubnis, die Kaserne zu verlassen. Als erste Gruppe wohlgemerkt! Komisch, unser Gruppenführer schien 5 cm größer geworden zu sein. Mit federnden Schritten schwebte er vorweg (sind wir hier beim Ballett oder bei der Bundewehr?), wir stapften mit unseren schweren Kampfstiefeln hinterher. An diese Art von Schuhwerk war ich auch noch nicht gewöhnt. Etliche unserer Batterie ging es genauso. Viele hatten Blasen an die Füße bekommen, ich war bis jetzt zum Glück noch verschont davon gewesen.
Unsere Ballerina, Entschuldigung, unser Gruppenführer, schwebte, wir stampften, langsam aus unsere Kaserne heraus.
Keine Angst, liebe Leser, sein Niveau wurde bald wieder zum Normalmaß heruntergeschraubt. Dafür sorgte schon jemand, ich will jetzt noch nicht verraten, wer dieser jemand sein sollte.
Also marschierten wir los, voll ausgerüstet mit einem schwer bepackten Rucksack, natürlich mit Stahlhelm auf dem Kopf, das Sturmgewehr G31 geschultert, verließen unsere Tannenberg-Kaserne in den jungen Tag. Der übrigens noch sehr jung war, besonders jung! Denn es war nämlich noch stockfinster!
Unser Ziel war unser Übungsgelände, ein kleiner Wald, nur ein paar Kilometer entfernt.
Unser erster Auftrag lautete, bei Alarm die Kaserne zu verlassen (das hatten wir schon mal geschafft, konnte also auf der Liste abgehakt werden!). Und in den „Auflockerungs-Räumen“, das war 100 Prozent Bundeswehr-Terminologie, sollten wir unsere erste Stellung beziehen. Dieser Auflockerungs-Raum, das war natürlich kein Zimmer zum Entspannen in einem Wellness-Center. Nein, das bedeutete, dass wir uns in dem Wäldchen auf unserem Übungsgelände verstecken sollten.
Ich persönlich konnte damals diesem „Kriegsspiel“ leider überhaupt nichts abgewinnen. Ich war todmüde, und sollte mich nun in irgendeinem Wald verstecken? Wie aufregend! Toll! Klasse!
Im Januar? Musste das denn sein? Konnte man nicht tagsüber Alarm spielen und im Haus bleiben? Okay, jetzt muss ich mich outen. Damals war ich nämlich ein Hardcore-Stubenhocker gewesen, einer der übelsten Sorte.
Und überhaupt Leute, das war doch viel zu kalt, für diese Art von Cowboy und Indianer Spielen. Aber mich fragte ja niemand, leider.
Wir stolperten durch die Nacht. Unser Unteroffizier war bis jetzt zufrieden mit uns. Bis jetzt.
Die Bezeichnung unserer Gruppe war: 5.Batterie, 1. Zug, 1. Gruppe. Und dieser Typ wollte, dass wir immer und überall bei allem die Ersten waren. Wir hassten ihn. Und wir waren bei den anderen Gruppen dementsprechend auch nicht gerade sehr beliebt. Weil der Typ sich immer vor unserem Batterie-Chef Oberleutnant C. produzieren musste. Die anderen dachten dann immer, wir würden das freiwillig machen. Freiwillig! Dass ich nicht lache!
Eigentlich war er ja ein Bürohengst vom Stab. Während unserer Grundausbildung war er zu unserer Einheit versetzt worden. Er war unheimlich ehrgeizig. Aber auf unsere Kosten! Er jagte uns immer durch die tiefsten Schlammlöcher oder durch das dichteste Unterholz. Nach jedem Tag draußen im Feld waren wir und unsere gesamte Ausrüstung total durchnässt und voller Schmutz und Matsch. Dabei war etwas besonders merkwürdig. Er sah immer aus wie aus dem Ei gepellt. Er machte sich nie schmutzig, dieser eitle Kerl. Kein Staubkorn war auf seiner Uniform. Er schaffte es irgendwie immer, sauber und ordentlich aus dem Wald zu treten, wir dagegen sahen immer wie Schweine aus, die gerade aus ihrem Schlammloch kamen. Jeden Tag mussten wir kämpfen, dass wir mit der Säuberung der Kleidung und der Ausrüstung pünktlich gegen 22 Uhr (Stubendurchgang und Zapfenstreich) fertig wurden.
Wir nannten ihn hinter seinem Rücken „Osterhase“. Das hatte auch einen besonderen Grund. Wenn nämlich bei der Ausbildung einer von uns etwas falsch gemacht, oder mal eine Frage falsch beantwortet hatte, so nannte er diesen Unglücksraben stets „Osterhase!“ Selber Osterhase! Sehr lustig! Ha ha!
Wie auch immer, zurück zur Geschichte. Wir marschierten durch die kalte Dunkelheit. Ich reagierte eigentlich nur noch wie ein Roboter, der Befehle befolgte. Ich fror, war müde, funktionierte automatisch ohne jegliche Begeisterung. Aber eine oder zwei meiner Gehirnzellen hofften immer noch, dass dies alles nur ein schlimmer Alptraum war. Aus dem ich doch irgendwann mal aufwachen müsste. Hallo! Könnte mich denn jemand vielleicht freundlicherweise wecken? Hallo? Jetzt! Bitte! Ich wäre bereit dazu. Man darf mich auch in den Arm kneifen! Also? Wer will mich endlich kneifen? Es war aber kein Traum, nur wurde es wenig später zu meinem persönlichen Albtraum.
Dass dies alles noch nämlich noch viel schlimmer werden würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht.
Wir erreichten die ersten Bäume des kleinen Waldes, der unser Haupt-Ziel war.
Unteroffizier „Osterhase“ befahl uns zu stoppen. Wir sollten Laub sammeln, damit unsere Helme dekorieren, Entschuldigung, zu tarnen.
Mein Gewehr störte mich dabei, Mit einer Hand Laub aufsammeln, war nicht so gut. Mit den Handschuhen war es auch nicht grad so einfach. Also lehnte ich mein G3 an einen Zaunpfosten, machte mich daran, soviel wie möglich von dem alten feuchten Laub zu sammeln, damit ich mich im Wald unsichtbar machen könnte. Plötzlich fiel mir aber ein, was uns alle Unteroffiziere und Offiziere beinahe jeden Tag einhämmerten:
„Lassen Sie niemals ihr Gewehr alleine!“
Ich ging sofort zu dem Zaunpfosten zurück. Mein Gewehr stand noch da. Glück gehabt! Ich stutzte nur kurz, weil das Gewehr etwas verändert an dem Posten lehnte. Egal. Was soll’s, dachte ich. Glück gehabt, habe ja mein Gewehr wieder, dachte ich. Dachte ich! Oh, wie falsch ich damit lag!
Ich machte mich wieder zurück zu meiner Laub-Sammel-Aktion.
Plötzlich kam mein Unteroffizier (der „Osterhase“) ganz nah an mich ran, flüsterte in mein Ohr.
„Kanonier Aymar, ist das ihr Gewehr?“
Ich sah ihn überrascht an.
„Natürlich, das ist mein Gewehr!“
Und im gleichen Moment bekam ich Zweifel. Denn er lächelte mich so komisch an. Er lächelte? Mir wurde mulmig. Und mir war auf einmal nicht mehr kalt. Nein, das Gegenteil war der Fall. Mir wurde heiß. Ein heißes Messer war in meinen Bauch gestoßen worden. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl!
Wusste mein Unteroffizier vielleicht mehr als ich, besonders wenn es um mein Gewehr ging?
„Nun, Kanonier Aymar, welche Nummer hat denn ihr G3?“
Die G3´s unserer Batterie hatten alle Nummernplaketten auf dem Gewehrkolben. Die Anzahl der Waffen wurde immer kontrolliert. Das Verlegen oder Verlieren eines Schraubenziehers war eine Sache, die einer Waffe aber eine ganz andere.
Meine Waffe hatte die Nummer 29. Das teilte ich ihm mit.
„So, so, Kanonier, Nummer 29, soso, aha. Dann zeigen sie mir doch bitte mal die Nummer von dem G3, dass sie gerade in der Hand halten!“
Was sollte dieses Theater, und diese geschwollene Ausdrucksweise? Flippte der Typ jetzt komplett aus?
Ich schaute auf den Gewehrkolben mit dem Nummern-Aufkleber. Im nächsten Moment war mir nicht nur heiß. Meine Knie waren plötzlich aus warmer Butter, so weich waren sie nämlich. Ich träumte immer noch, warum weckte mich denn niemand? MAMI!!!! ICH MÖCHTE JETZT SOFORT GEWECKT WERDEN! JETZT!
Ich konnte die Nummer, diese verräterische Nummer, in der Dunkelheit kaum erkennen.
Es war die Nummer …….16! Oh nein! Ich wusste, nun war ich in Schwierigkeiten, in großen, in sehr großen Schwierigkeiten sogar.
Nach diesem Schock, dachte ich, gibt es einen großen Anschiss. Mein Unteroffizier würde mir eine fette Lektion erteilen, danach würde er mir mein Gewehr wiedergeben.
So dachte ich. Doch ich lag falsch, und wie ich falsch lag. Das würde ich gleich merken.
Mein Unteroffizier lächelte nun nicht mehr. Er drehte sich um, ließ sich von den anderen Kameraden auch deren Gewehre zeigen, überprüfte sie alle. Es zeigte sich schnell, dass noch jemand den gleichen Fehler begangen hatte. Es war aber nur ein kleiner Trost für mich, dass ich nicht der einzige Tollpatsch und komplette Vollidiot an diesem Morgen gewesen war.
Das Ego unseres Unteroffiziers war nicht nur etwas geknickt. Es war angekratzt! Und zwar schwer! Zwei von acht Männern der 1. Gruppe, seiner „Elite“, seiner Gruppe! Zwei seiner Männer hatten ihre Gewehre verloren. Daran hatte er erst mal zu kauen. Die anderen meiner Gruppe, die nicht das Pech gehabt hatten, grinsten uns schadenfroh an.
Blödmänner! Ich hätte sie auf den Mond schießen können in diesem Moment. Aber wie gerne hätte ich mit ihnen getauscht, um auch grinsen zu können.
Aber ich denke, das Grinsen war nicht nur Schadenfreude uns zwei Deppen gegenüber. Sie waren auch froh, dass nicht ihnen das Missgeschick widerfahren war.
Denn der Ärger fing erst an. Unser Unteroffizier befahl uns beiden, hier zu bleiben. Wir sollten warten, bis es heller geworden wäre. Um besser die Gewehre suchen zu können. Was für ein Hohn!
Wir würden dann später von einer Gruppe der 2. Batterie mitgenommen werden. Damit wir wieder zu unserer Batterie stoßen könnten.
Dann verließen sie uns.
Auch noch die Kerle von der 2. Batterie! Unser Glück schien vollkommen.
Die 2. Batterie hatte ihre Stuben ein Stockwerk über uns. Sie waren schon länger beim Bund. Und die „Alten“ konnten diese „nassen Koffer“, also uns, überhaupt nicht ausstehen. Das war nichts Persönliches, war nur eine Art von Tradition. Weil das von jeher so war, dass die „Alten“ gerne die jungen Rekruten ärgerten. Sie gaben eigentlich nur das weiter, was ihnen selber geschehen war, als sie selber noch grüne Soldaten gewesen waren. Also wie gesagt, es war nichts Persönliches.
Das würde ja ein gefundenes Fressen für diese Typen werden, dachte ich. Zwei Opfer, an denen sie sich austoben könnten. Na und, dachte ich, sollen doch nur kommen. Mir war jetzt alles egal. Das Kind war ja schon in den Brunnen gefallen, es war nicht mehr zu ändern.
Ich war jetzt so richtig in Stänker-Laune. Sollen nur kommen! Ich war in der Stimmung, mich mit jedem anzulegen, der mir blöd kam, egal welcher Rang. Das kann man schon sein, wenn niemand da war. Ich meine, stark und angriffslustig.
Für einen Moment hatte ich noch gehofft, dass unser Unteroffizier uns nur eine Lektion erteilen wollte. Gleich würde er sich umdrehen, und uns aus unserer misslichen Lage befreien. Dann noch ein kleiner Anschiss, dann würde wieder alles okay sein. Wie naiv ich damals war.