Perry Rhodan 128: Das rotierende Nichts (Silberband) - Horst Hoffmann - E-Book

Perry Rhodan 128: Das rotierende Nichts (Silberband) E-Book

Horst Hoffmann

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Beschreibung

Perry Rhodan gründet im Jahr 3588 die Kosmische Hanse und führt die Neue Galaktische Zeitrechnung ein - eine Epoche des Friedens folgt. Zum ersten Mal seit Jahrtausenden arbeiten die Völker der Milchstraße zusammen. Nicht nur die Menschen glauben an Rhodans Vision, sondern ebenso zahlreiche andere Intelligenzwesen der Sterneninsel. Doch längst plant die negative Superintelligenz Seth-Apophis einen Schlag gegen die Superintelligenz ES und die Menschen. Anfangs des fünften Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung droht ein Krieg der Geistesmächte, in den mehrere Galaxien verwickelt werden können. Perry Rhodan sucht nach Verbündeten und hofft auf die geheimnisvollen Porleyter. Dieses Volk kämpfte vor Äonen für die Mächte der Ordnung; seine Angehörigen müssten ideale Freunde der Menschheit sein. Doch nachdem der Kontakt hergestellt ist, wenden sich die Porleyter gegen die Terraner. Ihrer uralten Technik haben die Menschen nichts entgegen zu setzen...

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Cover

Klappentext

Milchstraße

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

Icho Tolot

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Nr. 128

SB 128 – Das rotierende Nichts

Sein Name ist Icho Tolot. Er ist ein Haluter – eine biologische Kampfmaschine und eines der stärksten Intelligenzwesen der Milchstraße. Seit vielen Jahrhunderten unterstützt er Perry Rhodan und die Menschheit.

Die Superintelligenz Seth-Apophis, die mit weit überlegenen Machtmitteln nach der Milchstraße greift, hat Tolot bezwungen. Doch der Haluter mobilisiert seine letzten Kräfte und gewinnt seinen freien Willen zurück. Auf einer gigantischen Plattform am Rand des rotierenden Nichts' wird er mit Auerspor konfrontiert. Auerspor ist ein absolut fremdartiges, ultimates Lebewesen und zudem Agent der gegnerischen Superintelligenz.

Milchstraße

1.

Mit versteinerter Miene stand Perry Rhodan vor dem halb verfallenen Haus. Tod den Porleytern!, hatte jemand mit roter Leuchtfarbe auf die Wand gesprüht.

Vor Fellmer Lloyd, der ihn begleitete, konnte Rhodan seine Erschütterung nicht verbergen. Der Telepath fluchte leise. »Wann mussten wir so etwas zuletzt sehen oder hören, Perry? Was ist los mit den Menschen, dass sich in kürzester Zeit derartige Emotionen Bahn brechen? Die Porleyter sind vergleichsweise friedfertige Invasoren.«

»Friedfertig?« Rhodan wiegte den Kopf.

»Du weißt, was ich meine«, sagte Lloyd. »Denjenigen, die das geschmiert haben, ist es verdammt ernst. Ich fürchte, sie sind sogar bereit, über Leichen zu gehen.«

»Trotzdem verstehe ich sie, Fellmer. Ihren Hass und ihre Entschlossenheit, auf eigene Faust zu handeln, werde ich allerdings niemals tolerieren. Ich akzeptiere ihre Verbitterung, mehr nicht.«

Rhodan ging langsam weiter, die Straße entlang, die zwischen dicht gedrängt stehenden alten Häusern und einigen Ruinen hinunter zur Felsenküste führte. In Spiddle im ehemaligen irischen Westen wohnte längst niemand mehr. Die Häuser waren vor einigen Hundert Jahren restauriert und als Freilichtmuseum dem Naturschutzpark Galway eingegliedert worden. Touristen gab es hier jedoch seit Langem keine.

Der kalte Wind vom Atlantik wirbelte Staubschwaden und welkes Laub vor sich her.

»Alles ist verlassen«, murmelte Lloyd. »Oder die Rebellen haben sich gut verborgen.«

Rhodan sehnte sich nicht danach, die Bekanntschaft einiger Fanatiker zu machen. Er hatte nur einen Vorwand gebraucht, um Terrania zu verlassen, ohne Lafsater-Koro-Soths Argwohn zu erregen. Dass sich ausgerechnet in Spiddle ein Widerstandsnest befinde, hatte ihm der Anführer der Porleyter vorgeworfen – verbunden mit der Aufforderung, dagegen einzuschreiten. Rhodans Vorschlag, sich der Sache selbst anzunehmen, sollte Lafsater ruhig als Zeichen der Loyalität werten.

»Noch immer nichts?«, fragte der Terraner.

Lloyd schüttelte den Kopf.

Unbehelligt erreichten die beiden Aktivatorträger die Uferstraße. Rhodan atmete auf. Von der Bevölkerung als Kollaborateur angesehen zu werden, wurde ihm mit jedem Tag unerträglicher. Er hasste sich für diese Rolle, die von ihm verlangte, scheinbar die Interessen der Menschheit denen der Okkupanten unterzuordnen.

Rhodan kletterte auf einen der Küstenfelsen. Mit finsterer Miene blickte er hinaus auf die kabbelige See, über der sich dunkle Wolken zusammenballten. Das raue Klima passte zu seiner Stimmung.

»Ich habe ihn!«, rief Lloyd endlich. »Er ist in der Nähe!«

Nicht einmal Reginald Bull und der Erste Terraner Julian Tifflor wussten davon, dass Clifton Callamon nach Terra zurückgekehrt war. Rhodan lächelte, als er daran dachte, wie ihm der Admiral seine Rückkehr gemeldet und gleichzeitig den Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Mit einem Speicherkristall, der nur ein uraltes irisches Volkslied und eine robotische Ansage enthielt: »Nun hören Sie zu Ihrer Aufmunterung die Hymne eines einmal unterjochten Volkes ...«

Auf das »Sie« kam es an.

»Schön, Fellmer«, sagte Rhodan. »Ich habe dich mitgenommen, weil ein direktes persönliches Zusammentreffen mit ihm zu riskant ist. Nun sind deine Fähigkeiten gefragt ...«

Clifton Callamon, ein breitschultrig und athletisch gebauter Hüne, war ein Anachronismus im Jahr 425 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Zudem hatte er rund tausendsechshundert Jahre als Opfer eines porleytischen Einflusses überdauert. Sein Körper steckte voller technischer Ersatzteile, dennoch war er Mensch geblieben.

In allen Einzelheiten musste der Admiral des ehemaligen Solaren Imperiums über seinen Selbstversuch mit dem Kardec-Schild berichten. Fellmer Lloyd fing die Gedanken auf und gab sie an Perry Rhodan weiter.

Obwohl durch geheime Kanäle schon unmittelbar nach dem gescheiterten Experiment die bestürzende Nachricht vom Verschwinden des Kardec-Gürtels das Hauptquartier der Kosmischen Hanse erreicht hatte, war vieles offengeblieben. So erfuhr Rhodan nun aus erster Hand, wie schnell ein Unbefugter in den Bann eines Kardec-Schilds geraten konnte. Dabei war Callamon aufgrund seines Wissens der Mensch, dem es am ehesten hätte gelingen sollen, mit dem porleytischen Schild zurechtzukommen.

Er war gescheitert und dem Einfluss der psionischen Rückkopplung erlegen. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit genügte, um den unbefugten Träger eines Kardec-Gürtels zu dessen willenlosem Opfer zu machen. Callamon hatte am eigenen Leib erfahren müssen, wie schnell das robotische Bewusstsein in den Kontrollen des Gürtels den Träger in seine Gewalt zwingen konnte. Er war einem aufgezwungenen Machtrausch erlegen und hätte sowohl den Asteroidenstützpunkt Geidnerd als auch den Leichten Holk HIGER mit dem Arkoniden Atlan an Bord vernichtet, wäre es ihm nicht in letzter Sekunde gelungen, sich von dem Gürtel zu befreien.

Seitdem war die unter großer Mühe erbeutete porleytische Waffe, eben dieser eine Kardec-Schild, verschwunden.

Rhodan ließ Fellmers – und damit Clifton Callamons – Worte auf sich wirken. Eine weitere Hoffnung hatte sich jäh zerschlagen. Es hatte den Anschein, als sollten Menschen niemals in der Lage sein, die Macht der Schilde zu brechen. Dennoch war Rhodan nicht bereit, die Hoffnung zu begraben. Das Experiment war nicht nur ein Fehlschlag gewesen. Auch das Wissen um die Gefahren im Umgang mit den Geräten war ein Schritt nach vorn.

»Wir wissen, welche Folgerungen auf Geidnerd nach dem Verschwinden des Gürtels gezogen wurden«, sagte er. »Ich möchte von Clifton hören, wie er darüber denkt – seine ganz persönliche Meinung.«

»Du willst immer noch nicht daran glauben, dass der Gürtel ein für alle Mal verschwunden ist«, stellte Lloyd fest.

Rhodan winkte ab. »Frag ihn!«

Callamons schwache telepathische Gabe reichte aus, dass er Fellmer Lloyd verstehen konnte. Nach einer Minute erklärte Lloyd: »Clifton räumt die Möglichkeit ein, dass der Gürtel sich selbst zerstört hat. Zumal das robotische Bewusstsein erkennen musste, dass es einem Fremden in die Hände gefallen war. Er denkt aber auch, dass der Gürtel nicht aufgelöst sein muss, sondern sich ebenso gut an einen anderen Ort versetzt haben könnte. Perry, er stellt schon wieder Überlegungen an, wo dieser Ort sein könnte und wie wir ihn am schnellsten finden.«

»Er soll das gefälligst bleiben lassen!«, warnte Rhodan. »Sag ihm, dass er nichts unternehmen soll, bis ich weitere Anweisungen für ihn habe.«

Nicht zerstört, sondern fortteleportiert ... Perry Rhodan hatte gehofft, durch Callamon seine eigenen Überlegungen bestätigt zu finden. Doch gewonnen war nichts. Noch zwei Wochen blieben bis zum Ablauf des Ultimatums der Porleyter. Rhodan konnte ihnen nicht sagen, der Schild hätte sich aufgelöst – damit hätte er den Diebstahl zugegeben.

Zwei Wochen, um den Kardec-Schild wieder herbeizuschaffen ...

Vergeblich suchte Rhodan nach einem Anhaltspunkt. War der Schild zu den Porleytern zurückgekehrt und Lafsater-Koro-Soth schwieg sich darüber aus, nur um die Terraner weiter unter Druck setzen zu können?

Rhodan gab Lloyd das Zeichen zum Aufbruch. Sie schwiegen beide. Als sie ihren am Ortsrand von Spiddle geparkten Gleiter erreichten, leuchtete ihnen ein mit roter Farbe aufgesprühter Schriftzug entgegen:

Verschwinde, Rhodan!

Lloyd fuhr herum und sah einen Schatten zwischen den Häusern verschwinden. Im nächsten Moment flog ein Stein heran, der Perry Rhodan nur um Zentimeter verfehlte und gegen den Gleiter prallte.

»Warte!«, rief Fellmer Lloyd. »Den hol ich mir!«

Rhodan hielt ihn zurück. »Es ist doch sinnlos. Wir müssen diese für uns alle bittere Zeit durchstehen. Wie sollen wir der Porleyter Herr werden, wenn wir uns schon gegenseitig bekämpfen?«

Damit war längst nicht alles gesagt. Rhodans schwelender Zorn auf die Porleyter wuchs. Er fragte sich, wie lange dieses unwürdige Spiel andauern sollte. Er war ein Ritter der Tiefe und damit den Kosmokraten verpflichtet. Aber er war auch ein Mensch, der auf der Erde geboren war und die Geschicke seines Volkes lange Zeit gelenkt hatte. Beiden Interessen gerecht zu werden, musste auf Dauer zum Desaster führen.

Die junge Besucherin vor dem Datenholo stutzte, als der Text einfach verschwand. Auf den anderen Terminals, das zeigte ihr ein rascher Rundblick, war alles unverändert. Kopfschüttelnd rief sie die benötigten Daten erneut ab – ohne den geringsten Erfolg.

»Das ist seltsam«, murmelte sie, wandte sich um und sah Cerla Bajun, die Leiterin des Zeitgeschichtlichen Archivs Aarhus, am anderen Ende des Arbeitsraums stehen. Als Bajun zufällig herüberblickte, winkte die Besucherin sie heran.

»Und?«, fragte die Afroterranerin, der so schnell niemand die über hundert Jahre ansah. »Gibt es Probleme?«

»Ich weiß nicht. Die Daten waren plötzlich weg – wie gelöscht. Ich war fast fertig und brauche nur noch den Text des Abschlusskommuniqués der Galaktischen Gipfelkonferenz vom 3. April 2405 alter Zeitrechnung.«

»Die neuen Output-Einheiten sind fürchterlich.« Cerla Bajun verzog das Gesicht. »Wir haben nur Ärger damit. Aber das bekommen wir hin.«

Ein Platz wurde frei. Die Archivleiterin setzte sich und forderte die gewünschten Informationen an – zunächst akustisch, danach über die Eingabetastatur.

»Das ist unmöglich«, wunderte sie sich, als sie nach einer Minute weiter vergeblich auf die Anzeige wartete. »An den Geräten liegt es nicht. Ein Speicherausfall müsste angezeigt werden.«

Die Besucherin reichte ihr die Folien, die sie sich hatte ausdrucken lassen. Auch der Versuch, die bereits erhaltenen Daten erneut abzurufen, schlug fehl.

Cerla Bajun verlangte wahllos eine Reihe von Auskünften. Dokumente wechselten in schneller Folge, bis die nächste Frage zum Geschichtskomplex »Befriedung des Andromedanebels« gestellt wurde.

Drei Besucher meldeten gleichzeitig, dass Texte mitten im Fluss verschwunden waren. Zwei von ihnen arbeiteten wie die junge Frau ebenfalls an wissenschaftlichen Abhandlungen über die Zeit von 2400 bis 2406 nach Christus. Der dritte benötigte Informationen über die Begegnungen mit den Accalauries.

Cerla Bajun rief Omaser Gattion heran, einen ihrer Mitarbeiter.

»Keine Anzeige?«, fragte der Plophoser verblüfft. »Wir könnten Kopenhagen fragen, ob eine Fehlfunktion in der Vernetzung besteht. Sonst habe ich keine Erklärung.«

»Ich vielleicht schon«, sagte Bajun gedehnt. »Wir hatten seit Jahren keine Störung, von dem Ärger mit den neuen Sichtgeräten abgesehen. Bis vor wenigen Wochen gab es auch niemanden, der uns in unsere Arbeit hineinpfuschte.«

»Du meinst nicht etwa die Porleyter?« Gattion lachte humorlos. »Cerla, welchen Grund sollten ausgerechnet die Riesenkrabben haben, vollständige Geschichtskomplexe zu löschen? Sie sind es doch, die sich auf unsere Vergangenheit stürzen, um daraus noch mehr Erkenntnisse für den Umgang mit uns Menschen und den befreundeten Völkern zu gewinnen. Es ist beschämend, dass Rhodan und Tifflor sie gewähren lassen.«

Die Archivleiterin winkte ab. Ihr Standpunkt, dass die Verantwortlichen durchaus wussten, was sie taten, war unter ihren Mitarbeitern umstritten. Das änderte jedoch nichts an ihrer Antipathie den Okkupanten gegenüber, die sich von überall auf Terra mit dem in Aarhus gesammelten Wissen versorgten.

Soweit Cerla wusste, befanden sich auch in der nahe gelegenen wichtigen Kybernetischen Schaltzentrale Kopenhagen keine Porleyter. Das war kein Wunder, denn nur 2010 Wesen, die zudem immer mindestens zu zweit auftraten, konnten sich nicht überall im Solsystem aufhalten.

Und doch waren sie präsent. Sie kontrollierten das Mondgehirn NATHAN und damit jeden Punkt auf der Erde und den anderen solaren Planeten.

Gattion schaltete eine Interkomverbindung zur Speicherkontrolle. »Was ist bei euch da unten los?«, fragte er. »Bitte Überprüfung der Blöcke fünf und acht!«

»Wir haben keine Fehleranzeige. Soweit wir sehen können, ist alles in bester Ordnung.«

»Gebt uns ein Bild von den Speichern!«, verlangte Cerla Bajun.

Der Monitor zeigte kurz ein Symbol, dann die Archivräume tief unter dem Verwaltungs- und Besucherkomplex. Die Tonübertragung war noch zugeschaltet. Eine Frauenstimme teilte mit, dass sie die Kybernetische Speicherkontrolle Kopenhagen benachrichtigt und um Überprüfung gebeten habe, und verstummte mitten im Satz.

Bajun wurde blass. Gattion murmelte eine Verwünschung.

Die deckenhohen quaderförmigen Datenblöcke füllten den Speicherraum weitgehend aus. Zwischen ihnen war ein Mann zu sehen, der sich an einer Einheit zu schaffen machte. Offenbar spürte er, dass er beobachtet wurde, denn er fuhr jäh herum.

Bajun hatte nie einen Menschen so schnell reagieren sehen. Der Unbekannte zog einen Strahler unter seiner Kombination hervor und suchte gleichzeitig Decke und Wände mit seinen Blicken ab. Nach zwei oder drei Sekunden hatte die Archivleiterin den Eindruck, dass er sie anstarrte.

»Wer ist das, zum Teufel?«, brachte Gattion endlich hervor. »Und ... er hat den Optiksensor entdeckt, der auf ihn gerichtet ist!«

Cerla Bajun stockte der Atem, als sie in die Mündung der Waffe blickte. Obwohl dies nur auf einem Holoschirm war, riss sie schützend die Arme vors Gesicht. Im nächsten Moment war der Schirm dunkel.

Alarm heulte durchs Archiv.

»Er zerstört die Speicher!«, schrie Gattion. »Das muss ein Verrückter sein!«

»Was willst du tun?«, fragte Cerla, als er auf dem Absatz herumfuhr und sich eine Gasse zwischen den entsetzten Besuchern bahnte.

»Ich kann nur hoffen, dass ich nicht zu spät komme! Lass den ganzen Bereich abriegeln, Cerla, und schicke mir alle verfügbaren Leute! Sie sollen sich mit Paralysatoren bewaffnen!«

Der Mann war etwa sechzig Jahre alt und unglaublich hager. Sein harmlos erscheinendes Gesicht mit den weichen Zügen stand in krassem Gegensatz zum Feuer in seinen Augen. Ein feines Lächeln umspielte die Mundwinkel, als der Alarm durch die unterirdischen Anlagen gellte.

Über eine Reihe von Monitoren konnte er verfolgen, dass sich in einigen Bereichen des Archivs Männer und Frauen in Bewegung setzten. Kontrollen zeigten zugleich an, dass der Speicherkomplex durch Energieschirme abgeriegelt wurde.

Der Eindringling schob die Waffe unter seine Kombination zurück. Er glaubte nicht, dass er sie noch brauchen würde. Was von ihm aus zu tun war, war getan. Bedauerlicherweise hatte sich nicht vermeiden lassen, dass einige Speicher teilweise gelöscht wurden. Das war jedoch kein großer Schaden. In wenigen Tagen würden alle Informationen wieder greifbar sein.

Der Mann blickte auf die Zeitanzeige seines Kombiarmbands. Er spielte mit hohem Einsatz. Irrte er sich in seiner Einschätzung, landete er unausweichlich vor zwei Porleytern, die ihn für die Sabotage bestrafen würden. Ihre Geduld erschöpfte sich allmählich. Und wenn es zum Schlimmsten kam, würden sie ihm mehr Informationen entlocken, als für ihn und seine Freunde gut sein konnte. Aber dafür hatte er vorgesorgt. Die winzige Giftkapsel unter der Zunge würde er zerdrücken, sobald er einen geistigen Zwang wahrnahm.

Es wird nicht dazu kommen!, redete er sich ein.

Zufrieden hatte er registriert, dass das Archiv Verbindung mit Kopenhagen aufnahm. Alles hing nun davon ab, dass man dort schneller reagierte als die Porleyter.

Die Archivangestellten kamen bereits heran. Er fürchtete sie nicht, aber sie konnten alles verderben.

Das Lächeln war längst aus seinem Gesicht verschwunden. Erste Anzeichen von Nervosität zeigten sich. Warum erhielt er kein Signal? Wollte Valensen wirklich so lange warten?

Als hätte seine Befürchtung sie herbeigerufen, sah der Eindringling auf einem der Monitoren zwei Porleyter im Kontrollraum des Archivs materialisieren. Die Aktionskörper waren in das rosarote Leuchten der Kardec-Auren gehüllt. Darunter waren die Schilde zu erkennen, zwanzig Zentimeter breite silberne Metallbänder, die wie Gürtel über Kreuz um die Aktionskörper geschlungen waren.

Andere Schirme zeigten die sich nähernden Männer und Frauen. Der Eindringling wollte nicht gegen sie kämpfen. Aber wann entstand die erste Strukturlücke?

Verdammt, Valensen, handle! Oder hast du plötzlich Angst vor der eigenen Courage?

Der Saboteur wurde unsicher. Plötzlich kam ihm sein verwegener Plan, so ausgefeilt er auch gewesen war, wahnwitzig vor. Valensen hatte zwar schon mehr als einmal Rebellen gegen die Porleyter, die nicht bereit waren, mit den Okkupanten zu kooperieren, aus der Klemme geholfen, aber wollte und konnte er es noch? War seine eigenwillige Hilfeleistung aufgefallen und Perry Rhodan oder Tifflor gemeldet worden?

Die beiden Porleyter im Kontrollraum stellten die dort Anwesenden ziemlich barsch zur Rede. Die Übertragung kam ohne Ton, doch die Szene sprach für sich selbst. Dem Eindringling brach der Schweiß aus. Wenn die Porleyter jetzt wieder entmaterialisierten, war klar, wo sie im gleichen Sekundenbruchteil erscheinen würden. Die Energieschirme um die Speicherkomplexe stellten für sie kein Hindernis dar.

Schon entstand die erste Strukturlücke. Der Mann fuhr herum und starrte in die Richtung, aus der aufgeregtes Geschrei erklang.

Aus!, durchfuhr es ihn. Wir haben uns in ihm geirrt. Vielleicht bekam er die Nachricht auch gar nicht. Von Anfang an waren zu viele Unwägbarkeiten im Spiel.

Er spürte die Giftkapsel unter der Zunge, hörte die näher kommenden Laufschritte und schob die rechte Hand unter die Kombination. Allerdings schreckte er davor zurück, den Strahler auf die Männer und Frauen zu richten, die jeden Moment durch einen der Eingänge kommen mussten.

Endlich erschien die ersehnte Nachricht auf einem der Schirme. Transmitter!, blinkte es für eine oder zwei Sekunden.

Der Eindringling warf sich herum und rannte los. Er blockierte das Schott des Speicherraums, nachdem er hindurch war. Vor ihm öffnete sich ein breiter, hell erleuchteter Korridor. Er kannte sein Ziel und sprang auf ein schnelles Transportband, das sich wie von selbst aktiviert hatte.

Er verließ das Band erst vor der offenen Transmitterkammer. Das Gerät war eingeschaltet. Wohin, das konnte ihm egal sein. Valensen würde nicht so dumm sein, ihn direkt nach Kopenhagen zu holen.

Aber dumm genug, um auf mein Spiel hereinzufallen! Mit grimmiger Genugtuung stellte sich der Mann unter den flimmernden Torbogen. Noch einmal erschrak er, als die beiden Porleyter materialisierten. Sie entdeckten ihn sofort.

Er griff zur Waffe und zog mit glutheißem Thermostrahl eine glühende Furche vor den Aktionskörpern über den Boden. Als die Auren der Kardec-Schilde sich aufblähten, verschwand die Umgebung vor seinen Augen.

Cerla Bajun und Omaser Gattion konnten unter dem hypnosuggestiven Bann der Kardec-Schilde nicht anders, als die Wahrheit zu bekennen. Eigentlich war dieser Zwang unnötig, denn sie hatten den Porleytern ohnehin schon gesagt, was sie wussten.

»Ich habe ihn nie zuvor gesehen«, wiederholte die Archivleiterin. »Er entkam durch den Transmitter. Dabei hatte er keine Zeit, das Gerät zu programmieren – es sei denn, dies wäre schon vor der Sabotage an den Speichern geschehen.«

»Das hätten wir festgestellt«, sagte Gattion.

»Also hatte er Helfer. Wer weiß von seinem Zerstörungswerk?«

»Außer uns nur die Kybernetische Schaltzentrale Kopenhagen. Sie ist einer der vielen Nervenknoten unserer positronischen Vernetzung und für die ehemalige Region Skandinavien zuständig.«

Weitere Erklärungen waren überflüssig. Die Porleyter kannten die Infrastruktur des Solsystems mittlerweile fast besser als die meisten Terraner selbst.

Sie hatten es wahrhaftig nicht nötig, physische Gewalt gegen Menschen anzuwenden. Es genügte, wenn sie NATHAN das Positroniknetz und damit die gesamte Infrastruktur lahmlegen ließen.

»Wir werden auf diese Provokation antworten«, verkündete einer der Fremden in den krabbenähnlichen Aktionskörpern. »Der Anschlag galt nicht dem Archiv, sondern eindeutig uns. Wir sollen daran gehindert werden, uns mit der Vergangenheit der Terraner zu beschäftigen. Die Spur des Attentäters haben wir zwar verloren, aber nun werden uns jene helfen, ihn wieder aufzuspüren, die ihm das Entkommen ermöglichten. Wer ist der Leiter der Schaltzentrale Kopenhagen?«

»Tyko Valensen«, antwortete Omaser Gattion.

Tyko Valensen war 53 Jahre alt und ein kleiner, normalerweise sehr ruhiger Mann, der völlig in seiner Arbeit aufging. Er war kahlköpfig und trug einen hellblonden Vollbart, sein rundliches Gesicht war stets leicht gerötet.

Jäh färbten sich seine Wangen dunkler, und von der Ruhe des Stationschefs blieb kaum etwas, als zwei Porleyter in der Schaltzentrale materialisierten und ihn beschuldigten, er oder einer seiner Leute hätte einem Saboteur das Entkommen aus dem Zeitgeschichtlichen Archiv in Aarhus ermöglicht.

Die fünf Männer und Frauen, die sich außer Valensen in der Zentrale aufhielten, blickten die Porleyter fassungslos an.

»Was sollen wir getan haben?« Valensen schluckte schwer. »Einem Saboteur geholfen? Das ist absoluter Unsinn!«

»Du bist nicht über die Vorfälle im Archiv unterrichtet?«, fragte einer der Porleyter.

»Natürlich bin ich das. Aber wir konnten nichts tun, was nicht von Cerla Bajun schon veranlasst worden wäre. Unsere Aufgabe ist es, Störungen zu beheben – Schaltungen rückgängig zu machen, gehört nicht dazu. Ich habe keine Ahnung, wer sich im Archiv eingeschlichen hat und wie er die Sicherheitsvorkehrungen umgehen konnte. Er wurde offenbar nur durch einen Zufall entdeckt. Und nun kommt ihr und stellt haarsträubende Anschuldigungen auf. Was bringt euch überhaupt dazu?«

»Der Attentäter entkam durch den Transmitter des Archivs. Dieser Fluchtweg kann ihm nur von der Zentrale aus freigeschaltet worden sein.«

Valensen stand auf und streckte beide Arme von sich. »Von so einer Schaltung wüsste ich, oder?« Er neigte den Kopf ein wenig. »Das heißt, wir hatten hier selbst diese Störung. Ich frage mich gerade, ob dafür der Unbekannte verantwortlich gewesen sein könnte.«

»Von welcher Störung sprichst du?«

Valensens Mitarbeiter hatten sich unter Kontrolle. Nur eine junge Frau wirkte vorübergehend erstaunt.

Valensen zuckte die Schultern.

»Na ja, der Ausfall in den Kontrollsystemen. Für die Dauer von siebzehn Sekunden fiel die Transmitterüberwachung im Bereich Nordwest-2 aus, das betrifft auch Aarhus. Aber bitte, wenn ihr glaubt, dass wir euren Unbekannten in der Station verstecken, dann sucht ihn. Überprüft unseren Transmitter. Sämtliche Transportvorgänge sind verzeichnet.«

»Das werden wir tun.« Der Porleyter reichte Valensen eine Druckfolie. »Diese Aufnahme zeigt den Saboteur. Sieh ihn dir an!«

Valensen betrachtete die Folie und gab sie an seine Mitarbeiter weiter. »Ich habe ihn nie gesehen. Ihr?«

Jeder, der das Bild bekam, schüttelte den Kopf.

Valensen wandte sich wieder an die Porleyter. »Also überzeugt euch davon, dass ich die Wahrheit sage. Aber ich verrate euch schon jetzt, dass ihr eure Zeit verschwendet. Und noch etwas: Ihr behindert uns bei der Arbeit – ich bin sicher, dass Perry Rhodan davon nicht begeistert sein wird.«

»Das lass unsere Sorge sein.« Der Porleyter dehnte seine Kardec-Aura aus. Eine Frau schrie überrascht auf, als das Leuchten Valensen einhüllte.

Erneut musste der Stationschef auf die Fragen antworten. Unter dem mentalen Zwang der Aura sagte er nichts anderes als zuvor.

»Zeige uns die Nutzungsdaten des Transmitters!«, verlangte der Fremde.

»Er wurde vor etwa fünf Stunden letztmals aktiviert«, erklärte Valensen, als er der Aufforderung nachkam. »Da, bitte: keine Löschsignale oder Tricks. Und nun sehe ich keine Veranlassung mehr, mich mit euch abzugeben. Ich benachrichtige Perry Rhodan und Julian Tifflor. Setzt euch mit ihnen auseinander, falls ihr nicht überzeugt seid.«

»Wir werden diese Schaltstation im Auge behalten«, versicherte der Porleyter. Dann entmaterialisierten er und sein Begleiter.

Seufzend sank Tyko Valensen in seinen Sessel. »Ich fürchtete schon, die beiden würden sich bei uns einquartieren.«

»Himmel, Tyko, was hast du dir dabei gedacht?«, fragte Tarla Mangold bebend. Sie war Valensens rechte Hand. »Wir hatten überhaupt keine Störung.«

»Doch, Tarla, die hatten wir! Ich habe sie quasi nachträglich geschaffen, als mir klar wurde, dass wir Besuch bekommen würden.«

»Was hast du getan? Ich verstehe gar nichts mehr. Warum?«

Valensen sah seine Mitarbeiter der Reihe nach an. »Weil dieser Bursche, der sich an den Speichern zu schaffen machte, in der Tat nur von hier aus gerettet werden konnte. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, weil ich fürchtete, dass die Porleyter nach der Störungsursache fragen würden. Dann hätte ich ihnen sagen müssen, wie es war. Sie sind misstrauisch geblieben, werden aber glauben, dass ein Mensch, der trotz aller Sicherheitsvorkehrungen in die Speicher des Archivs eindringen kann und sich dort zu schaffen macht, auch in der Lage ist, eine Transmitterpositronik zu manipulieren.«

»Tyko, das ist viel zu vage«, meldete sich Karel Mystein zu Wort, Kybernetiker und Hochenergieingenieur. »Du hast uns deine Manipulation verschwiegen – und was außerdem? Jeder von uns weiß, dass du nicht zum ersten Mal einem Untergrundler hilfst. Irgendwann musste das auffallen. Du selbst hast den Saboteur abstrahlen lassen.«

»Habe ich nicht, Karel.«

»Aber ... von wo aus sonst sollte das geschehen sein?«

Valensen erhob sich wieder. Er ging auf den Ausgang des mit Technik vollgestopften Raumes zu. »Die Schaltstation ist groß, und wir haben seit Kurzem einen Gast in einem Nebenkontrollraum. Mit ihm werde ich mich nun unterhalten.«

»Du meinst Quiupu?«, fragte Tarla Mangold überrascht. »Er soll diesen Saboteur ...? Das ist lächerlich. Welchen Grund sollte ausgerechnet er dafür haben?«

»Eben das wird er mir sagen müssen. Wir hatten nur Ärger mit ihm, jetzt ist das Maß voll!«

»Neugierde«, meinte Mystein. »Neugier war sein Motiv, falls er mit der Sache zu tun hat. Er steckt seine Nase in alles hinein, obwohl er nur hier ist, um mehr über die Kardec-Schilde herauszufinden.«

Vor knapp sechs Wochen war der Virenforscher Quiupu von Lokvorth zur Erde zurückgekehrt. Perry Rhodan hatte den Außerirdischen gebeten, sein Wissen und seine besonderen Fähigkeiten einzusetzen, um eine Möglichkeit zu finden, wie den Porleytern trotz der schier aussichtslosen Lage vielleicht doch beizukommen sei. Im Klartext hieß es: Er sollte Informationen sammeln, die Aufschluss über Schwachstellen der Invasoren geben und Ansatzpunkte dafür liefern sollten, ihre technologische Überlegenheit zu brechen.

Ihre Überlegenheit, das waren die fast ultimaten Waffen, die Kardec-Schilde mit ihren psionischen Wirkungskomponenten.

Rhodan betrieb eine Doppelstrategie. Zum einen hoffte er immer noch, die Porleyter davon überzeugen zu können, dass sie nicht im Sinn der Kosmokraten handelten, auf die sie sich beriefen. Sein Ziel war es nach wie vor, die Bevormundung durch sie in eine konstruktive Zusammenarbeit im Dienst der ordnenden Mächte des Universums umzuwandeln. Doch sie machten es ihm von Tag zu Tag schwerer, und mit jedem neuen Überlegenheitsbeweis schwand die Hoffnung auf Verständigung. Zwar Vorläufer der Ritter der Tiefe, hatten die 2010 Porleyter im Lauf der über zwei Millionen Jahre ihrer Isolation aber jene moralischen und ethischen Werte fast vollkommen eingebüßt, die sie einstmals zu Streitern der Ordnung gemacht hatten.

Quiupu wusste um das Ultimatum, das sie Rhodan gestellt hatten. Schaffte er ihnen nicht innerhalb von nun nur noch zwei Wochen den entwendeten Kardec-Schild wieder herbei, wollten sie ihn persönlich zur Verantwortung ziehen.

Das Fatale war, dass der Kardec-Schild während der Untersuchung und Erprobung durch Clifton Callamon plötzlich verschwunden war. Umso dringender erschien Quiupu seine Arbeit.

Der Virenforscher war dem Terraner dankbar für die neue Aufgabe. Die Arbeit in der Kybernetischen Schaltzentrale Kopenhagen, KSK genannt, lenkte ihn von der quälenden Frage nach seiner Zukunft ab. Seine Aufgabe, ein Teilfragment des ehemaligen Viren-Imperiums neu zu erschaffen, war erfüllt. Nach dem Abtransport der Teilrekonstruktion durch die UFOnauten spürte Quiupu eine wachsende Leere in sich. Brauchten die Kosmokraten ihn nicht mehr, oder würden sie ihn wieder abberufen? Er wartete auf eine Nachricht.

Quiupu zuckte zusammen, als der Türsummer ertönte. Er hatte sich eingeschlossen, was keinesfalls dazu beitrug, dass die Mitarbeiter der Schaltstation ihn mit offenen Armen aufnahmen. Er wurde geduldet, mehr nicht, und auch das war wohl letztlich nur Perry Rhodans Einfluss zuzuschreiben. Quiupu hatte niemandem Anlass zu Misstrauen oder gar Feindschaft gegeben, aber sein Ruf als Unruhestifter schien ihm vorausgeeilt zu sein.

Der einen Meter siebzig große Forscher mit den überlangen Armen und den kurzen Stempelbeinen erhob sich und berührte dabei den Öffnungskontakt. Ruhig wartete er, bis Valensen eintrat. Der Stationschef drehte sich nach den Seiten um und murmelte eine Verwünschung.

»Suchst du jemanden?«, fragte Quiupu.

»Es hätte mich nicht gewundert, wenn du ihn schon hier bei dir versteckt hättest.«

»Wen?«

Valensen sperrte den Mund auf und hob eine Hand. Der Zeigefinger war drohend auf den Außerirdischen gerichtet. »Wen, fragst du? Quiupu, mit mir kann jeder über alles reden, solange derjenige mich nicht für dumm verkaufen will. Du hast diesem Kerl die Flucht aus dem Archiv ermöglicht, als die Porleyter ihn schon so gut wie sicher hatten. Zwei der Riesenkrabben waren hier. Ich konnte ihnen gerade noch eine technische Störung einreden und sie davon abhalten, sich bei uns niederzulassen. Also – warum? Kennst du den Saboteur? Und wie hast du es angestellt, ihn zum Transmitter zu bringen? Wie hast du überhaupt von den Vorgängen in Aarhus erfahren? Du solltest dich mit den Kardec-Schilden befassen!«

Quiupu senkte den Kopf. »Du wirst mich fortschicken, oder?«, fragte er kleinlaut.

»Ich brauche schon eine sehr plausible Erklärung, wenn ich es mir anders überlegen soll.«

»Was hättest du an meiner Stelle getan, Tyko?«

Valensen schnappte nach Luft. »Was ich getan hätte? Verdammt und zugenäht, ich will wissen, wie du auf den Kerl aufmerksam geworden bist!«

Quiupu drehte sich zum Tisch um und deutete auf vier Holos, die Ausschnitte von Gebäuden und Räumen zeigten. »Ich war dabei, einige Orte zu kontrollieren, an denen sich Porleyter aufhalten, und wo Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Es ist wichtig, eine eventuelle Reizschwelle zu erkennen, bei der die Porleyter die Schilde einsetzen. Außerdem will ich wissen, wie lange diese in der Regel aktiviert bleiben. Das könnte Hinweise darauf geben, ob die Schilde nach einer gewissen Zeit womöglich sogar ihrem Träger schaden ...«

»Ich will keinen Vortrag hören!«, unterbrach Valensen den Außerirdischen. »Quiupu, zum letzten Mal, oder du kannst deine Sachen packen und verschwinden!«

»Ich habe mit angesehen, wie Porleyter Menschen quälten, Tyko«, sagte Quiupu leise. »Nach einiger Zeit hatte ich den Wunsch, jenen Betroffenen zu helfen. Nur fehlte mir jede Zugriffsmöglichkeit von hier aus.«

»Ah«, machte Valensen. »Wir kommen der Sache näher. Du hattest deinen Vorsatz schon gefasst, als die zwei Porleyter im Archiv jemanden suchten. Aber wie konntest du den Saboteur aufspüren?«

»Das war Zufall. Ich hatte mir schon einige Male Informationen über eure Vergangenheit aus dem Archiv besorgt. Als ich es diesmal wieder tat, wurde ich auf die Unruhe dort aufmerksam, schaltete mich in die interne Beobachtung ein und entdeckte den Mann. Ich kannte ihn nicht, doch mir wurde klar, dass ihm von den Porleytern Gefahr drohte.«

Valensen stemmte die Hände in die Hüften. »Da hast du dir gedacht, du schaltest von hier aus den Transmitter für ihn frei. Aber vorher musst du ihm einen Hinweis gegeben haben. Wenigstens hast du keine Spuren hinterlassen und sämtliche Eingriffe gelöscht. Doch darum geht es gar nicht. Quiupu, wo ist er?«

»Du hättest genauso gehandelt.« Der Virenforscher wich der Antwort aus. »Tarla besucht mich ab und zu hier unten. Sie erzählte mir davon, dass du im Rahmen deiner Möglichkeiten Verfolgten hilfst.«

»Keinem Attentäter! Du bist hier, um etwas über die Kardec-Schilde herauszufinden, nicht, um eine Rebellion anzuzetteln.«

Quiupu sah den Stationschef traurig an. Valensen seufzte. Einige der rostbraunen Flecken, mit denen das breitflächige Gesicht des Extraterrestriers mit der kleinen, spitzen Nase und den Streichholzkopfzähnen übersät war, verdunkelten sich. Nachdem sein erster Zorn verflogen war, tat Quiupu Valensen leid.

»Wo ist der Kerl?«, wiederholte er seine Frage. »Ich will endlich eine klare Antwort!«

»Was würdest du mit ihm tun, wenn er hier wäre?« Quiupu zögerte. »Ihn an die Porleyter ausliefern?«

»Das weiß ich noch nicht. Also wo?« Valensen wurde bleich, als ihm die Bedeutung des Gesagten bewusst wurde. »Hier? Schon hier?«

»Bislang nicht, Tyko. Lediglich auf einer Transmitterstrecke hierher. Ich habe ihm gesagt, dass er warten soll.«

»Du hast mit ihm geredet? Heißt das, du hattest die ganze Zeit über Kontakt?«

»Natürlich.« Quiupu drehte sich zu einer Schaltleiste um und berührte einen Kontakt. Ein Holoschirm leuchtete auf. »Da ist er.«

»Das darf nicht wahr sein«, stieß Valensen fassungslos hervor, als er das Gesicht des Mannes sah, der ihm unsicher zunickte. »Quiupu, bist du dir bewusst, dass die Porleyter uns jederzeit überwachen können?«

»Das ist ein Grund, ihn zu uns zu holen, bevor es zu spät ist. Sein Name ist Jupor Pleharisch. Er wurde von einer Untergrundorganisation zur Sabotage gezwungen und bereut, was er getan hat. Tyko, willst du ihn den Porleytern überlassen?«

»Er sieht nicht so aus wie der, dessen Bild mir gezeigt wurde.«

»Weil Jupor im Archiv eine Maske trug. Menschen müssen sich bereits hinter falschen Gesichtern verstecken, um frei leben zu können.«

2.

Quiupu konnte sich, nachdem Valensen gegangen war, kaum noch auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Es ging schließlich nicht nur darum, dass die Porleyter Valensens gelegentlicher Hilfeleistung nicht auf die Schliche kamen und die Station besetzten, sondern um einiges mehr.

Sie durften nichts von seiner Existenz wissen, nichts von seinem Hiersein und nichts von dem Auftrag, mit dem die Kosmokraten ihn in die Milchstraße geschickt hatten. Perry Rhodan und Reginald Bull war es gelungen, seine Arbeit auf Lokvorth und überhaupt die Existenz der zum Sammelplatz versetzten Teilrekonstruktion des Viren-Imperiums vor ihnen geheim zu halten. Die mit ihm zurückgekehrten Wissenschaftler waren zu strengem Stillschweigen verpflichtet worden. Ein unkalkulierbares Risiko stellten allein die mit Srimavo geflüchteten Befallenen dar. Es war nicht gelungen, sie wieder aufzuspüren.

Das änderte sich, als Quiupu mit Jupor Pleharisch zusammentraf. Der gelinde Schock, den diese Begegnung dem Virenforscher versetzte, ließ ihn endgültig vergessen, was Perry Rhodan hier von ihm erwartete.

Pleharisch war seit eineinhalb Tagen in der KSK. Valensen hatte ihm angeboten, zunächst für unbefristete Zeit mit ihm zu arbeiten. Quiupu hatte dies von Tarla Mangold erfahren, und dazu, dass Pleharisch ein hochqualifizierter Kybernetiker sei, der sich mit modernen Kommunikationssystemen bestens auskannte. Außerdem schien er die Fähigkeit zu besitzen, andere Menschen auf Anhieb für sich einzunehmen. Nur Tarla selbst war offenbar nicht wohl bei dem Gedanken, einen gesuchten Saboteur in der Schaltstation zu wissen.

»Tyko trifft die Entscheidung«, hatte sie resigniert gesagt. »Er weiß normalerweise, was er tut.«

Quiupu hatte sich zwar vorgenommen, Pleharisch persönlich in Augenschein zu nehmen, dies aber immer wieder hinausgezögert, ohne dass er eigentlich wusste, warum. Natürlich, er verließ seinen kleinen Kontrollraum nicht gerne. Und die Schaltstation mir ihrer Grundfläche von fast 20.000 Quadratmetern und zwölf Etagen, von denen nur zwei oberirdisch lagen, war riesig.

Quiupu fühlte sich nur in seinem eigenen kleinen Reich wohl, und hier tauchte in den frühen Morgenstunden des 15. November 425 NGZ Pleharisch auf.

Er kam, um sich für die Rettung zu bedanken, stand freundlich lächelnd in der Tür und schien darauf zu warten, dass Quiupu ihn hineinbat.

Der Virenforscher fand keine Worte. Er starrte den Mann an, dessen Haar nun kurz geschoren und hellblond war, und der in einer neuen Kombination steckte. Auch die Gesichtszüge hatten kaum noch etwas mit denen des Saboteurs in den Speicherkammern des Archivs gemeinsam.

Alles das nahm Quiupu kaum richtig wahr. Er hatte ja schon mit Pleharisch gesprochen, nachdem dieser seine Maske entfernt hatte.

Quiupu hatte Mühe, seine aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu halten. In diesen Sekunden war er bereit, an bisher unentdeckt in ihm schlummernde Fähigkeiten des Voraussehens zu glauben. Weshalb sonst hatte er gezögert, Pleharisch von sich aus aufzusuchen?

Der Mann, der vor ihm stand, trug etwas unter der Kopfhaut – etwas, das Quiupus Instinkt, Viren jeder Art aufzuspüren, keine Sekunde verborgen blieb.

Quiupu hatte keinen Grund zur Furcht, ganz im Gegenteil. Viren waren überall, in der Luft, in lebenden Organismen. Doch Superviren ...? Er hatte sie zusammengefügt. Der Mann, den er vor den Porleytern gerettet hatte, trug eines von ihnen.

Quiupu trat auf Pleharisch zu. Er wollte das kleine Maschinchen fühlen, das sich auf seiner Schädeldecke festgesetzt hatte. Sein rechter Zeigefinger fuhr über die Stirn des Menschen und teilte die borstigen Haare dicht über dem Ansatz. Er ertastete das Supervirus und ...

Pleharischs Aufschrei warf ihn mit gleicher Wucht zurück wie die blitzschnell vorstoßenden Fäuste. Quiupu stürzte und schlug zwischen seinem Sitz und der Arbeitsplatte zu Boden. Fassungslos sah er, wie Pleharisch einen kleinen Handstrahler aus einer Tasche der Kombination zog und auf ihn richtete.

Alles ging viel zu schnell. Quiupu konnte nicht begreifen, was den Mann zu dieser heftigen Reaktion veranlasst hatte.

Das kurze Aufblitzen in Pleharischs Augen war Warnung genug. Quiupu warf sich jäh zur Seite, als ein nadelfeiner Energiestrahl durch den Raum zuckte und einen Monitor implodieren ließ.

Quiupu handelte instinktiv. Bevor Pleharisch den Strahler wieder auf ihn richten konnte, berührte er einen Kontakt und ließ die Tischplatte auf den Angreifer zuschweben. Pleharisch wich fluchend aus, aber die Tischkante schlug ihm die Waffe aus der Hand.

Quiupu sprang nach vorn, ließ sich zu Boden sinken und griff nach dem Strahler. Ein schwerer Tritt traf seine Hand. Pleharisch stieß ihn roh zurück.

Quiupu sah zum zweiten Mal in die Projektionsmündung der Waffe und streckte abwehrend die Hände von sich. Er lag noch halb aufgerichtet am Boden. »Warte! Ich will nichts von dir! Kennst du mich nicht? Wir waren beide auf Lokvorth!«

Pleharischs Gesicht zeigte Verwirrung.

»Auf ... wo?«

»Lokvorth! Im Sumpftal! Ich bin Quiupu, ich habe die Superviren zusammengefügt, von denen du eines unter der Kopfhaut trägst! Ich kenne dich nicht aus der Forschungsstation, aber mich musst du ...«

Er richtete sich vorsichtig auf und wich bis zur gegenüberliegenden Schaltwand zurück, darauf bedacht, den anderen mit keiner zu hastigen Bewegung zu reizen.

Pleharischs freie Hand fuhr zum Kopf und strich über den Haaransatz. Die andere mit dem Strahler sank endgültig herab. Quiupu atmete auf.

»Auf Lokvorth«, sagte Pleharisch gedehnt. »Natürlich. Die Station war groß und ich habe dich nie gesehen. Aber ich musste blind gewesen sein, dich nicht anhand der Beschreibung zu erkennen, die mir die anderen gaben. Quiupu ... du hättest uns beiden den Schrecken erspart, wenn du mir deinen Namen schon genannt hättest, als wir über Interkom miteinander sprachen.«

Pleharisch lachte plötzlich. Wie ein Mensch, dem eine schwere Last von den Schultern gefallen war. Quiupus Verwirrung wuchs.

»Valensen und die anderen müssen doch von mir geredet haben«, sagte er, nach wie vor misstrauisch.

»Nein.« Pleharisch kam auf den Forscher zu und streckte ihm eine Hand entgegen. »Sie sprachen immer nur von dem Verrückten, der hier unten sitzt und sie alle bald in den Nervenzusammenbruch treibt. Quiupu, ich möchte mich entschuldigen. Als du plötzlich auf mich zukamst und nach dem ... dem Supervirus griffst, da fürchtete ich, dass du es mir wieder fortnehmen könntest.«

»Weshalb sollte ich das tun wollen?«

Zögernd ergriff der Virenforscher die ihm dargebotene Hand. Pleharischs Miene drückte Bedauern aus. Und nun kannte Quiupu immerhin den Grund für den Angriff.

Er verwünschte sich dafür, dass er auf Lokvorth nicht dazu gekommen war, die Befallenen gründlich zu untersuchen. Mit der Zunahme von Intelligenz, Mut und Reaktionsvermögen musste eine ebenso starke Sensibilisierung einhergegangen sein. Diese Menschen hatten die wunderbare Erfahrung der Bewusstseinserweiterung durch die Symbionten gemacht, die ihrem Körper einen winzigen Teil seiner Substanz entnahmen, um sich zu ernähren. Dafür sonderten sie im Gegenzug stimulierende Substanzen ab. Da war es nur natürlich, dass die Befallenen keine größere Angst kannten als die, dass sie ihr Supervirus eines Tages wieder verlieren könnten.

»Es ist unverzeihlich, dass ich auf dich schoss«, sagte Pleharisch. »Bleiben wir trotzdem Freunde?«

»Ich bin nicht nachtragend«, erklärte Quiupu. »Der angerichtete Schaden hält sich in Grenzen.« Fordernd streckte er die Hand aus. »Gib mir die Waffe. Das ist doch der Strahler, den du im Archiv schon hattest. Was willst du noch damit?«

Der Terraner zuckte entschuldigend die Schultern. »Natürlich. Gib die Waffe meinetwegen Valensen, aber sag ihm nichts davon, dass ich die Nerven verloren habe. Ich meine, es war schwer genug, ihn zu überzeugen.«

Wovon überzeugen?, dachte Quiupu. Für einen Moment glaubte er, etwas in Pleharischs Gesicht zu sehen, das ganz und gar nicht zu seiner zur Schau getragenen Reue passte. Aber vermutlich reagierte nun er überreizt.

Pleharisch brauchte jemanden, der sich um ihn kümmern und sich in ihn hineinversetzen konnte. Vermutlich befanden sich auch die anderen Superviren-Träger in ähnlicher Lage. Quiupu fragte nach ihnen, doch sein Gegenüber stellte bedauernd fest, dass sie sich getrennt hatten und er über ihren Verbleib nichts wusste.

Knapp eine Minute nachdem Gesil gegangen war, materialisierte Gucky bei Perry Rhodan. »Warte, Perry, nicht aufregen!«, sagte der Ilt schnell. »Sie ist doch weg, oder? Du kannst mir also nicht vorwerfen, in deine Intimsphäre einzudringen. Ich störe dich höchstens beim Grübeln darüber, wie du den Kardec-Schild zurückbekommst. Und dafür solltest du mir dankbar sein.«

Rhodan schüttelte den Kopf und seufzte. »Und du hast mir zu meinem Glück noch gefehlt. Das meinst du doch, oder was soll diese lange Eröffnung?«

»Oh, ich weiß, dass du nur noch ein Glück kennst, seitdem ...«

»Ich wünsche nicht, dass du Gesil angreifst!«

»Hatte ich das vor?« Gucky tat überrascht. »Ich würde ja nur gegen den Wind reden. Nein, lieber lasse ich zwei alte Böcke sich die Hörner abrennen, wie eines unserer alten Sprichwörter heißt. Na ja, jedenfalls so ähnlich.«

»Was willst du?«, fragte Rhodan schroff. »Ich denke, für euch gibt es alle Hände voll zu tun.«

»Gibt es auch«, versetzte der Mausbiber ungerührt. Er stützte sich auf den breiten Schwanz, als könnte er kein Wässerchen trüben. »Zum Beispiel in Irland.«

»Wie kommst du darauf?«

»Fellmer hat mir gesagt, was da geschehen ist. Und von Bully weiß ich, dass Lafsater nicht zufrieden ist. Ich bin es auch nicht.«

»Was will er? Wir haben keine Rebellen gefunden. Spiddle ist verlassen. Soll er meinetwegen eine Strafaktion gegen leer stehende Häuser durchführen, wenn ihm danach ist.«

»Eben daran kann ich nicht glauben, Perry. Und wenn du nicht nur Augen für Gesil und Gedanken für diesen Schild hättest, wäre dir schon ein Licht aufgegangen. Ihr wurdet doch angegriffen, oder?«

»Wenn ein Steinwurf ein Angriff ist ...«

»Jemand warf diesen Stein. Jemand, den Fellmer eigentlich hätte espern müssen. Das tat er aber nicht, und das lässt ihm und mir keine Ruhe. Denke nur an diesen ›Herrn der Tiger‹. Wir haben Berichte, dass immer mehr Menschen von ihm fasziniert sind. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen seiner Gruppe und den Widerständlern in Irland. Es dürfte sich um Einheimische handeln, und gerade du müsstest wissen, welche Hitzköpfe die Insel schon immer hervorgebracht hat. Diese Parolen schmieren sie nicht zum Spaß an die Wände. Dass der Steinewerfer nicht zu espern war, beweist mir, dass es sich um eine gut organisierte Bande handelt.«

»Menschen, die für Freiheit kämpfen, sind keine Bande«, sagte Rhodan hart.

»Aber sie sind verzweifelt und verbittert. Inzwischen weiß jeder von Lafsaters Ultimatum. Dieser Druck kann schnell radikalisieren. Die Bürger im Solsystem haben Angst, Perry! Kennst du überhaupt die aktuellen Gerüchte? Die Menschen glauben, dass alle bestraft werden, wenn Lafsater den Schild nicht zurückbekommt – nicht nur du.« Gucky schlug die Augen nieder. »Entschuldige. So war das nicht gemeint.«

»Ich hab schon verstanden.«

Rhodan kam hinter seinem Arbeitstisch hervor und legte dem Ilt eine Hand auf die Schulter. »Du willst dich in Spiddle umsehen. Schaden kann es sicher nicht. In Ordnung, und wenn du dann schon einmal dort oben bist, kannst du dich gleich um ein zweites Problem kümmern.«

»Um welches?«

»Lafsater-Koro-Soth beschwerte sich bei Tiff über einen Anschlag auf die Speicher des Zeitgeschichtlichen Archivs in Aarhus. Der Attentäter konnte entkommen, und die beiden Porleyter, die der Sache nachgingen, verdächtigen die Kybernetische Schaltstation Kopenhagen der Hilfeleistung.«

Gucky stieß einen Pfiff aus. »Dort ist Quiupu!«

»Genau darum geht es mir. Valensen, der Chef der Station, konnte den Verdacht der Porleyter nicht ganz entkräften. Wenn du dich in Spiddle umgesehen hast, dann statte ihm doch einen kurzen Besuch ab. Ich möchte wissen, ob er etwas zu verbergen hat – außer unserem Freund Quiupu. Die Porleyter dürfen ihn auf keinen Fall finden.«

»Mache ich, Perry. Verlasse dich ganz auf mich.«

Damit war Gucky wieder verschwunden.

Schon als Gucky auf der alten Küstenstraße materialisierte, empfing er die Gedankenimpulse vieler Menschen. Hinter ihm donnerte die Brandung gegen die Steilfelsen, vor ihm lag die Kleinstadt scheinbar friedlich in der Morgendämmerung. Alles wirkte öde und verlassen, gerade so, wie Fellmer Lloyd den Ort beschrieben hatte.

Ein kalter Wind blies. Gucky bereute, keine wärmere Kleidung angezogen zu haben. Vereinzelte Schneeflocken tänzelten durch die Luft, und wenn die Wolken hielten, was sie versprachen, würde Spiddle am Abend unter einer dicken weißen Decke liegen.

Vorsichtig näherte Gucky sich einem der Häuser am Ortsrand. Er brauchte ein Versteck, von dem aus er in aller Ruhe die Gedanken der Widerständler sondieren und sich ein Bild machen konnte. Vor allem dachte er dabei an den geheimnisvollen Steinewerfer, der sich nicht so leicht verraten würde.

Das einstöckige Gebäude war verlassen. Herunterhängende Fensterläden waren von den Restauratoren in ihrem ursprünglichen Zustand belassen worden. Die Mauern bestanden aus einfachen Steinen, das Dach aus roten Ziegeln, zwischen denen dunkle Lücken klafften. Nur die Tür war durch eine Nachbildung aus Kunststoff ersetzt.

Die Tür knarrte leise, als Gucky sie öffnete. Im Halbdunkel des Hausinnern war wenig zu erkennen, bis sich Guckys Augen daran gewöhnt hatten. Es gab nur einen Raum. Zum Dachspeicher führte eine gewundene Treppe hinauf.

Gucky zog die Tür hinter sich zu. Der eisige Wind pfiff durch die Ziegel. Erst als er den Dachspeicher inspiziert hatte, war der Mausbiber überzeugt, allein zu sein. Er setzte sich auf die Treppe und konzentrierte sich auf die Gedanken, die alle von der Ortsmitte her kamen. Anscheinend steckten die wenigen Einwohner in einer erregten Diskussion, und so dauerte es eine Weile, bis Gucky ein erstes, vages Bild gewann.

Er erschrak. Die Gedanken eines Mannes dominierten in dem Chaos der aufgewühlten Gemüter. Offenbar war dieser Mann der Anführer, denn er drängte die anderen zur Eile. Er war erfüllt von Hass auf die Porleyter und alle, die mit ihnen kooperierten. Dabei dachte er auch an Perry Rhodan und Fellmer Lloyd – und daran, dass er und seine Anhänger die beiden aus sicherer Entfernung mit Ferngläsern beobachtet hatten. Mit Erfolg hatten sie ihre Gedanken während dieser Zeit »abgestellt«.

Der Anführer stieß auf Widerspruch. Einige seiner Leute schreckten vor einem Anschlag auf die Kybernetische Schaltstation in Kopenhagen zurück.

Guckys Nackenfell sträubte sich. Was hatten die Widerständler mit Kopenhagen zu tun? Wie kamen sie ausgerechnet auf die Idee, die für einen großen Teil Nordosteuropas wichtige Zentrale just zu einem Zeitpunkt anzugreifen, da von dort ohnehin schon genug Unruhe ausging? Bestand ein Zusammenhang?

Gucky konzentrierte sich wieder. Der Sprecher der Rebellen dachte jetzt an einen Verbündeten in der Schaltstation. Von ihm hatte er erfahren, dass Valensen denjenigen aufgenommen hatte und versteckte, der den Porleytern im Aarhus-Archiv entkommen war. Der Anführer redete auf seine Leute ein und beschwor sie, keine Zeit zu verlieren. Er breitete ihnen seinen Plan aus, und plötzlich war Gucky alles klar. Macht euch doch nicht unglücklich, ihr Narren!, durchfuhr es ihn.

Sie wussten, dass Valensen den Mann versteckte, der von den Porleytern gesucht wurde. Sie wussten, dass die Porleyter die Station im Auge behalten wollten. Was sie vorhatten, war also nichts anderes, als den Okkupanten einen Hinweis zuzuspielen, der sie veranlassen sollte, die Station in Kopenhagen zu besetzen, zu durchsuchen und, nachdem sie den Saboteur aufgespürt hatten, eine Strafaktion gegen Valensen und dessen Mitarbeiter durchzuführen.

Aber dazu würde es gar nicht mehr kommen. Sobald die beiden Porleyter in der Station waren, sollten dort Sprengsätze gezündet werden, die große Teile der Anlage vernichteten und fast das gesamte Rechnernetz der Region lahmlegten. Die betroffenen Menschen würden den Porleytern die Schuld geben, wobei der Verbündete in der KSK noch nachhelfen sollte.

Die Folgen waren klar: Tausende würden sich gegen die Porleyter erheben. Ein Fanal sollte gesetzt werden und gerade das auslösen, was Perry Rhodan und alle Besonnenen mit allen Mitteln zu verhindern suchten: Kampf gegen die Besatzer und möglicherweise Bürgerkrieg.

Gucky fröstelte. Er war aufgesprungen und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun konnte. Perry sofort informieren? Mitten zwischen die Rebellen teleportieren und ihnen eine Kostprobe seiner telekinetischen Fähigkeiten geben?

Er brauchte den Namen des Mannes, der die Verblendeten von der Schaltstation aus mit Informationen versorgte und vermutlich auch schon die Sprengsätze installiert hatte. Das Rebellennest auszuheben, nützte gar nichts, solange sich der Unbekannte frei bewegen konnte. Sobald er von der Aufdeckung der Verschwörung erfuhr, würde er selbst die Sprengsätze zünden.

Den Namen!

Keiner der Widerständler tat ihm den Gefallen, daran zu denken. Gucky gewann den Eindruck, dass nur der Anführer ihn kannte, und der sprach nur vom »Verbündeten«.

»Dann bleibt mir nichts anderes übrig«, brummte Gucky grimmig. Er zog den Paralysator. Sein plötzliches Erscheinen zwischen den Verschwörern würde ausreichend Verwirrung stiften, dass es keine Gegenwehr gab. Wenn alle gelähmt waren, sollte es mit dem Teufel zugehen, wenn Gucky den Anführer nicht zum Reden bringen konnte!

Der Ilt war so sehr in Zorn geraten, dass er nicht wahrnahm, wie sich die Tür öffnete. Erst als er schon den Versammlungsort der Widerständler anpeilte, ließ ihn ein Geräusch herumfahren.

Er sah den Hünen und wusste zugleich, dass er den Steinewerfer vor sich hatte. Der Mann hatte auch die Parole auf den Gleiter gesprüht. Gucky sah die auf ihn gerichtete Waffe, aber er schaffte es nicht mehr, zu teleportieren.

Schlaff fiel er dem Roboter, der nicht von einem Menschen zu unterscheiden war, vor die Füße. Seine Augen waren offen. Er sah und hörte, aber er konnte nicht mehr aktiv handeln.

Grobe Hände hoben Gucky auf. Der Hüne trat mit ihm ins Freie hinaus, bog in eine schmale Straße ein und hielt auf einen unscheinbaren Schuppen an deren Ende zu. Dort angekommen, rief er einen Namen.

Eine dunkelhaarige junge Frau öffnete das Tor und stieß einen erschreckten Laut aus. Gleich darauf erschienen mehrere Männer. Einen von ihnen glaubte Gucky zu kennen.

Schwarze Augen unter dichten, roten Brauen und einem wild wuchernden Haarschopf richteten sich auf den Ilt. Der Fremde lächelte spöttisch.

»Du bringst uns einen Lauscher, Gallahad? Unsere Warnung an Rhodan war wohl nicht deutlich genug. Der berühmte Mausbiber, Retter der Erde und des Universums. Mein lieber pelziger Freund, diesmal werden andere die Erde retten.«

Gucky war gezwungen, den Mann anzusehen. Der Mann war zweifellos irischer Abstammung, kräftig und kantig. Aber er sprach ruhig, ohne den Hass, der sein Denken beherrschte. Nur das Schimmern in seinen Augen verriet den Besessenen.

»Und nun, Malcolm?«, fragte die Frau, die geöffnet hatte. Sie war vielleicht gerade zwanzig Jahre alt und hübsch. Alle diese Menschen entsprachen nicht dem Bild, das sich Gucky von ihnen gemacht hatte. »Was tun wir mit ihm?«

»Trag ihn hinein, Gallahad!«, wies Malcolm den Roboter an. »Jetzt seht ihr, wie recht ich hatte«, sagte er zu den anderen. »Wir können nicht warten. Bald werden seine sauberen Freunde ihn vermissen und jemanden schicken, um ihn zu suchen. Wann wollte sich unser Mann wieder melden, Eileen?«

Die Frau machte Platz für den Hünen, der Gucky ins Innere des Schuppens trug. Die Hütte war aufs modernste eingerichtet. Hier gab es die verschiedensten Kommunikationsgeräte. Schaudernd dachte Gucky daran, dass es sich bei einem davon um die Fernzündung für die Sprengsätze in der Schaltstation handeln konnte.

Gallahad legte ihn in einer Ecke ab und blieb neben ihm stehen. Gucky lag so, dass er nur die Wand sehen konnte. Er hörte, dass das Tor geschlossen wurde und die Rebellen sich im Schuppen verteilten.

»Wir hatten ausgemacht, dass er morgen früh Kontakt aufnimmt«, sagte die junge Frau. »Aber das weißt du, Malcolm. Wir wollten noch einmal alles mit ihm besprechen – das heißt, du sprichst ja nur mit ihm.«

»Das entfällt«, antwortete die dunkle Stimme des Iren. »Wenn er sich meldet, haben wir hier alles vorbereitet. Die Station fliegt morgen nach Sonnenaufgang in die Luft. Ihr wisst alle, was ihr zu tun habt. Heute Nacht erhalten die Porleyter den Hinweis. Unser Freund wird die Zeit haben, das Personal zu warnen und zum Verlassen der KSK zu bewegen. Er kann angeben, ein Gespräch zwischen den Porleytern belauscht zu haben. Wie er das macht, ist seine Sache.«

»Was geschieht mit dem Mausbiber?«, fragte Eileen. »Wir können ihn nicht hier behalten. Bis morgen früh suchen sie längst nach ihm.«

»Aber nicht hier. Wenn alle Vorbereitungen getroffen sind, fliegen wir zum Shannon hinüber und veranstalten dort ein Feuerwerk, das sie lange genug beschäftigen wird. Einer von uns muss hier bleiben, weil wir Gallahad vielleicht brauchen werden. Sobald Gucky aus der Paralyse erwacht, bekommt er eine zweite Dosis. Er darf keinesfalls teleportieren. Das Einfachste wäre, ihn ins Meer zu werfen, aber er soll Rhodan später sagen, wer den Startschuss zum Befreiungskampf der Menschheit gegeben hat.«

Quiupu blickte auf die Holoschirme, die Orte auf Terra zeigten, an denen sich Porleyter aufhielten. Pleharisch befand sich in der Hauptschaltzentrale, wo er weiter eingearbeitet werden sollte. Quiupu hätte jedoch vieles mit ihm zu reden gehabt, über Lokvorth zum Beispiel. Es hatte gutgetan, für kurze Zeit nicht allein zu sein.

Das war indes nur der eine Grund, der Quiupu hoffen ließ, Pleharisch möge bald wieder Zeit für ihn haben. Der andere war das Supervirus.

Quiupu hatte das unbestimmte Gefühl, dass mit dem Virus etwas nicht stimmte. Vielleicht hing Pleharischs heftige Reaktion auf die Berührung des Maschinchens eher damit zusammen als mit der Angst vor einem Verlust des Symbionten.

Quiupu hatte den Befallenen dabei beobachtet, wie er die von Valensens Mitarbeitern gelieferten Ersatzteile in die Arbeitsplatte einfügte und auch alle anderen Schäden reparierte. Pleharisch war mit äußerster Geschicklichkeit vorgegangen. Auf Fragen reagierte er außerdem sofort und zeigte ein beispielloses Reaktions- und Erfassungsvermögen.

Das alles war die bekannte Folge des Supervirus-Befalls. Was Quiupu Sorgen bereitete, war die von ihm vermutete unnormale Sensibilisierung.

Hatten die Superviren sich verändert?

Er dachte an seine Teilrekonstruktion, die den letzten Schritt zur Vollendung von sich aus getan hatte. Welche Rolle spielte der Faktor Zeit? Hatten die in der Teilrekonstruktion vereinigten Superviren nur die nötige Zeit gebraucht, um von sich aus das zu Ende zu bringen, das er, Quiupu, in mühsamer Kleinarbeit begonnen hatte?

Veränderte sich jedes einzelne Supervirus nach einer gewissen Zeit? Und was bedeutete das für ihre Träger?

Vielleicht befindet Pleharisch sich in Gefahr, überlegte der Forscher.

Das ließ ihm keine Ruhe. Er musste ihn untersuchen, dabei aber behutsam vorgehen.

Als der Interkommelder ertönte, glaubte Quiupu schon, der neue Freund kündigte ihm sein Kommen an. Zu seiner Überraschung war Tarla Mangold die Anruferin.

»Ich habe eine Bitte an dich, Quiupu«, sagte sie. »Könntest du kurz zu mir herüberkommen? Ich bin im Konferenzraum Zwei und brauche jemanden, der mir bei einer leichten Arbeit zur Hand geht. Die anderen sind beschäftigt, und da dachte ich, da du ohnehin nicht weißt, was du mit dir anfangen sollst ...«

Quiupu kam diese kleine Abwechslung nur recht.

Der Konferenzraum befand sich nicht weit von seinem Quartier entfernt. Quiupu benutzte Transportbänder und ließ sich zwei Stockwerke im Antigravlift nach oben tragen.

Die breite Tür unter der leuchtenden Zwei glitt zur Seite, als Quiupu den Kontakt berührte. Der Konferenzraum lag vor ihm – doch niemand war da.

»Tarla?«

Quiupu erhielt keine Antwort. Allerdings hörte er, dass der Haupteingang hinter ihm zufuhr, ohne dass noch jemand gekommen wäre.

Tarla Mangold war nicht hier. Wieso also hatte sie ihn gerufen? Und jemand hatte die Tür geschlossen, wobei jeder ihn im Konferenzraum hätte sehen müssen.

Sein Verdacht wurde zur Gewissheit, als Quiupu zurückeilte und die Tür verriegelt fand. Die Wandkontakte waren ohne Funktion. Er lief zu den anderen Ausgängen, sie waren ebenfalls blockiert.

Eingesperrt!, dachte er.

In den Nebenräumen erwartete ihn die gleiche Enttäuschung. Nur eine kleine Nische ließ sich öffnen, dort stand ein Wartungsroboter.

Sein Blick fiel auf eine beschriebene Folie auf dem großen Konferenztisch, halb unter einen tragbaren Trividprojektor geschoben.

Ich muss etwas holen und bin gleich zurück. Sieh dir solange ein Programm an. Tarla.

Quiupu hatte zwar gelernt, die Schrift der Menschen zu lesen, verstand sich aber längst nicht darauf, eine Handschrift von einer anderen zu unterscheiden. Hatte Tarla ihm diese Folie hinterlassen oder ein anderer?

Noch versuchte Quiupu sich einzureden, dass jemand ihm nur einen bösen Streich spielen wollte, um ihn aus der Station hinauszuekeln.

Sämtliche Kommunikationsgeräte waren tot. Abgeschnitten und eingesperrt. Quiupu überlegte. Valensen musste damit rechnen, dass er sich bei Perry Rhodan über diese Behandlung beschweren würde – falls er jemals wieder aus dieser Falle herauskam. Falls ...

Es fiel ihm immer schwerer, seine Gedanken beisammenzuhalten. Dieser Jemand hatte ihm die Folie geschrieben und wartete offenbar darauf, dass er der Aufforderung nachkam und den Projektor aktivierte.

Aber was würde geschehen, wenn er das Gerät einschaltete?

Noch hatte er nicht verloren. Leicht wollte er es seinen Gegnern jedenfalls nicht machen. Quiupu ging zu der Nische und aktivierte den Roboter. Die Maschine schwebte an ihm vorbei in den Raum.

»Nimm den Projektor vom Tisch und bringe ihn zum Haupteingang!«, befahl der Virenforscher. »Stell das Gerät dort ab und dann aktiviere es auf mein Zeichen!«

Quiupu zog sich in die Nische zurück, die gerade groß genug für ihn war. Er beugte sich nur so weit nach vorn, dass er genug sehen konnte.

»Jetzt!«, rief er, als sich der Roboter zu ihm umdrehte.

Die Spitze eines Tentakelarms berührte den Aktivierungskontakt. In der nächsten Sekunde glaubte Quiupu, von der Detonation und der grellen Lichtflut schwer verletzt zu werden. Die Druckwelle verschonte ihn auch in seinem Unterschlupf nicht. Teile des zerfetzten Roboters schlugen in die Schaltwände und die Decke ein, wo sie weitere Explosionen auslösten. Quiupu wurde von den Beinen gerissen und schlug hart auf. Vor seinen geschlossenen Augen tanzten bunte Sterne. Er lag flach auf dem Boden und hatte die Hände schützend über den Kopf gelegt. Eine zweite Druckwelle fegte über ihn hinweg, eine dritte ...

Endlich war Stille. Vorsichtig stemmte Quiupu sich in die Höhe. Grässlicher Gestank erfüllte die von Rauchschwaden durchzogene Luft.

Unter Schmerzen richtete sich der Forscher vollends auf und taumelte auf den Ausgang zu. Erleichtert stellte er fest, dass die Tür offen stand. Entweder hatte die Wucht der Detonation die Blockade gelöst, oder eine Sicherheitsschaltung war aktiviert worden.

Draußen ließ er sich auf das Laufband sinken und davontragen. Menschen kamen aufgeregt heran, aber sie kümmerten sich nicht um ihn. Ihnen folgten Roboter mit Löschgeräten.

Quiupu hatte nur ein Ziel, und je näher er diesem kam, desto mehr steigerte er sich in seine Wut hinein. Jemand hatte ihn umbringen wollen – jemand, der von seinem guten Kontakt zu Tarla wusste. Hatte er nicht Valensen davon erzählt?

Quiupu platzte mitten hinein in das aufgeregte Durcheinander in der Hauptschaltzentrale. Valensen verstummte jäh, als er ihn bemerkte.

Der Virenforscher richtete die Finger anklagend auf den Stationschef. »Ich sollte sterben, weil ich euch im Weg bin! Was seid ihr für Menschen?«

»Was ist los?« Valensen kam auf ihn zu. Alle anderen drehten sich nun zu ihm um. Quiupu sah maßlose Verwunderung, aber auch Zorn in ihren Blicken. Oh, wie sie sich verstellen konnten.

»Du bist der Schlimmste von allen!«, fuhr Quiupu in seiner Beschimpfung fort, und nun entdeckte er auch Tarla Mangold und Pleharisch. »Tarla, hast du mich in den Konferenzraum bestellt?«

»Wohin?«, fragte die Kybernetikerin überrascht. »Quiupu, wie siehst du überhaupt aus? Dann warst also du das?«

»Natürlich war er's«, schimpfte Valensen. »Erst randaliert er im Kontrollraum, den wir ihm zur Verfügung stellten, und nun sprengt er den Konferenzraum. Jeder hier weiß, dass ich ein geduldiger Mensch bin, Quiupu. Aber du hast es innerhalb kürzester Zeit geschafft, aus mir ein Nervenbündel zu machen. Wir können von Glück reden, dass du keine wichtigen Anlagen zerstört hast, aber ich habe nicht die Absicht, es so weit kommen zu lassen. Dass du uns eines versuchten Anschlags auf dein Leben beschuldigst, setzt allem die Krone auf. Ich werde mit Rhodan reden. Er soll dich hinschicken, wohin er mag – Hauptsache, du verschwindest von hier!«

Quiupu war sprachlos. Er war mit knapper Not dem Tod entgangen, und Valensen beschuldigte ihn der Sabotage.

»Aber das ... das ...«

»Spare dir jede Ausrede!«, herrschte Valensen ihn an. »Wir waren gewarnt und wussten alle, dass du uns nur Unglück bringen wirst. Du solltest dich mit den Kardec-Schilden beschäftigen, und was hast du erreicht? Nichts. Quiupu, solange du noch in der Station bist, wirst du dein Quartier nicht mehr verlassen! Die Versorgung von Millionen Menschen hängt von uns ab. Du bist ein nicht länger tragbares Risiko.«

»Jetzt hört mir zu!«, schrie der Forscher. »Jemand hat versucht, mich umzubringen! Ich wurde in den Konferenzraum gelockt, wo ein präparierter Projektor stand. Wenn jemand Grund hat, Rhodan zu informieren, dann bin ich das. Und genau das werde ich tun.«

Er drehte sich um und schritt auf seinen kurzen Beinen aus der Zentrale. Valensen wollte ihm nachsetzen, doch schon schloss sich das Schott hinter ihm.

»Lass ihn, Tyko«, sagte Tarla Mangold. »Quiupu hat bestimmt nicht leichtfertig diese Explosionen verursacht. Außerdem wissen wir von Pleharisch, dass er ebenso wenig Schuld an den Schäden in seinem Kontrollraum hatte.«

Valensen ließ sich in einen Sessel sinken. »Nimm du ihn nur in Schutz«, sagte er, schon wieder ruhiger. »Es ist kein Geheimnis, dass du dich zu ihm hingezogen fühlst.« Er sah sich um. »Wo ist Pleharisch?«

»Keine Ahnung«, kam es von Mystein. »Er ging, bevor Quiupu mit seinen lächerlichen Vorwürfen zu Ende war.«

»Ob sie so lächerlich sind, wird sich herausstellen«, widersprach Mangold. »Tyko, ich gehe der Sache nach. Angeblich soll ich ihn in den Konferenzraum bestellt haben. Nur weiß ich davon nichts. Du musst damit warten, jemandem von dem Vorfall zu berichten. Wenn Rhodan davon erfährt, bekommen auch die Porleyter Wind. Du kannst dir selbst ausrechnen, wie lange es dann dauert, bis sie wieder hier sind.«

»Sollen wir darauf warten, dass dieser Außerirdische die Versorgung unserer Region lahmlegt?«

»Das wird er nicht tun, und das weißt du, Tyko. Überleg dir, was du Rhodan sagen wirst, falls sich herausstellt, dass wirklich jemand versucht hat, Quiupu umzubringen.«

»Du beschuldigst einen von uns?«

Tarla Mangold zuckte die Schultern. »Ich ziehe nur eine Möglichkeit in Betracht. Übrigens, Tyko, wenn du schon Quiupu so viel Misstrauen entgegenbringst, wie verhält es sich dann mit Pleharisch? Ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber für mich ist es unbegreiflich, wie schnell du dich von ihm hast um den Finger wickeln lassen ...«