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Horror - so nennen die Terraner an Bord der CREST II die künstlich geschaffene Hohlwelt, in deren Innern sie gestrandet sind. Horror liegt im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda, Hunderttausende von Lichtjahren von der Heimat entfernt. Und es ist die vollkommenste Falle, der Menschen jemals begegnet sind ... Perry Rhodan hat sich nie zuvor in einer auswegloseren Lage befunden: Jede Ebene der Hohlwelt ist eine neue Falle, jede Expedition hält eine weitere Überraschung für die Terraner bereit. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich gegen die Scheintöter und andere Gefahren durchzusetzen und nach "oben" zu kämpfen. Doch als sie endlich den Durchbruch zur Oberfläche des Planeten schaffen, warten weitere Schrecken auf sie. Jegliche Hoffnung auf Rettung und Heimkehr schrumpft auf ein Minimum, als die eigentliche Geheimwaffe des Planeten eingesetzt wird. Und erstmals bekommen die Terraner mehr von den geheimnisvollen Beherrschern Andromedas zu sehen, die nun gnadenlos zuschlagen ...
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Nr. 22
Schrecken der Hohlwelt
Horror – so nennen die Terraner an Bord der CREST II die künstlich geschaffene Hohlwelt, in deren Innern sie gestrandet sind. Horror liegt im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda, Hunderttausende von Lichtjahren von der Heimat entfernt. Und es ist die vollkommenste Falle, der Menschen jemals begegnet sind ...
Perry Rhodan hat sich nie zuvor in einer auswegloseren Lage befunden: Jede Ebene der Hohlwelt ist eine neue Falle, jede Expedition hält eine weitere Überraschung für die Terraner bereit. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich gegen die Scheintöter und andere Gefahren durchzusetzen und nach »oben« zu kämpfen.
Kurt Bernhardt, dem früheren Cheflektor und verlagsseitigen »Vater« von Perry Rhodan, wird der Anspruch zugeschrieben: »Die Perry-Rhodan-Buchausgabe wird eines Tages das sein, was für meine Generation Karl May war.«
Ich weiß nicht recht, ob sich das eine mit dem anderen so ohne weiteres vergleichen läßt. Kurt Bernhardts Prophezeiung war auch eher ein Ausdruck der Begeisterung über die damals noch sehr junge Perry-Rhodan-Bibliothek als ein Zeichen von Überheblichkeit. Allerdings klingt sie mir noch manchmal im Ohr, wenn ich in Kaufhäusern und Buchhandlungen einen Blick auf die Verkaufsregale werfe.
Davon soll hier nicht weiter die Rede sein. Als – natürlich! – Karl-May-Belesenem drängte sich mir der Vergleich bei der Arbeit an dem vorliegenden Buch in anderer Hinsicht auf. Ich meine die Figuren, die »Helden«, die sich hier wie da die Herzen der Leser erobert haben. Wer kennt sie nicht mehr, Old Shatterhand, Winnetou, Sam Hawkins, Hadschi Halef Omar, Kara Ben Nemsi und die vielen anderen, die so lebendig und überzeugend geschildert sind, daß man in seinen Abenteuer-Tagträumen oft selbst in ihre Rolle schlüpfte? Mit denen man bangte und zitterte, hoffte und verwegene Pläne schmiedete.
Und genauso ging es mir jetzt mit einem Omar Hawk, einem Don Redhorse, einem Icho Tolot und – in den vorherigen Bänden – einem Lemy Danger und einem Melbar Kasom, Tyll Leyden oder dem kleinen Mausbiber Gecko, der doch immer nur einmal größer sein will als sein berühmter Artgenosse Gucky.
Diese kurze Aufzählung beinhaltet, wohlgemerkt, nur einige Nebenfiguren der Perry-Rhodan-Serie, und fast jede von ihnen wurde von einem anderen Autor mit dem erfüllt, das kein Exposé hergeben kann: Leben, Glaubwürdigkeit, Identifizierungsmöglichkeit. Mit solchen Figuren steht und fällt eine Serie, sie geben den kompakten Hintergrund her, vor dem die eigentlichen Protagonisten handeln können. Sie alle sind so angelegt, daß sich der Leser in sie hineinversetzen kann, mit ihnen bangen und zittern, hoffen und Pläne schmieden. Wie es auch die Autoren taten, die ihnen ein Stück von sich mitgaben.
Es ist die Aufgabe des Bearbeiters, eine bestimmte Anzahl von thematisch zueinandergehörenden Originalromanen zu einem Ganzen zu schmieden, wobei wegen der Geschlossenheit und des Vorankommens der Buchausgabe leider immer wieder auf ganze Passagen oder Romane verzichtet werden muß, die oft zu Unrecht als »Lückenfüller« abgetan werden. Und dabei kann es auch vorkommen, daß gerade die Episoden um wertvolle Nebenfiguren, die nicht direkt zur Haupthandlung gehören, unter den Tisch fallen.
Ich habe mich bei diesem Buch wieder darum bemüht, hier eine möglichst große Ausgewogenheit herzustellen. Deshalb und wegen der wachsenden Komplexität der Handlung kann die Buchausgabe die Schauplätze der Serie nicht so schnell »abklappern«, wie manche Leser dies am liebsten hätten. Gerade der MdI-Zyklus beinhaltet so viele Verzahnungen, daß dem eigentlichen Buchtext ab dieser Ausgabe zur besseren Orientierung ein Prolog vorgeschaltet ist.
Dieser 22. Band der Perry-Rhodan-Bibliothek enthält – ungeachtet der vorgenommenen Kürzungen und Bearbeitungen – die folgenden Originalromane: Die blauen Herrscher von Kurt Brand; Im Bann der Scheintöter von Clark Darlton; Auf den Spuren der CREST von H. G. Ewers; Geheimwaffe Horror von K. H. Scheer; Die Mikro-Festung von William Voltz; Giganten am Südpol von H. G. Ewers und Der Kampf um die Pyramiden von Kurt Mahr.
Ich habe zu danken: Franz Dolenc für seine, wie immer, gründliche und engagierte Vorarbeit; den vielen Lesern, die ihre Wünsche und Anregungen in vielen Briefen formulierten; und den Perry-Rhodan-Autoren für die großartigen Romane, die mir die Bearbeitung – trotz aller Schweißperlen – wieder zu einer Freude machten.
1971 – Die STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.
1972 – Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.
1976 – Perry Rhodan löst das galaktische Rätsel und entdeckt den Planeten Wanderer, wo seine Freunde und er von dem Geisteswesen ES die relative Unsterblichkeit erhalten.
1984 – Der Robotregent von Arkon versucht die Menschheit zu unterwerfen.
2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Der Arkonide Atlan taucht aus seiner Unterwasserkuppel im Atlantik auf. Die Druuf dringen aus ihrer Zeitebene in unser Universum vor.
2044 – Die Terraner verhelfen Atlan zu seinem Erbe.
2102 – Perry Rhodan entdeckt das Blaue System der Akonen.
2103 – Perry Rhodan erhält den Zellaktivator von ES.
2104 – Der Planet Mechanica wird entdeckt. Vernichtung des Robotregenten von Arkon.
2114 – Entdeckung der Hundertsonnenwelt und Bündnis mit den Posbi-Robotern.
2326 – ES verstreut 25 Zellaktivatoren in der Galaxis, und es kommt zur Invasion der Hornschrecken. Sie hinterlassen die Schreckwürmer und das geheimnisvolle Molkex.
2327 – Entdeckung des Zweiten Imperiums und der Blues. Die Suprahet-Gefahr kann gebannt werden. Kampf gegen die Blues.
2328 – Mit Hilfe der Anti-Molkex-Bomben kann der galaktische Krieg beendet werden. Friedensvertrag zwischen beiden Imperien. Entführung Perry Rhodans durch Iratio Hondro.
2329 – Perry Rhodan heiratet Mory Abro.
2400
Es begann mit dem überraschenden Auftauchen des Haluters Icho Tolot gerade zu der Zeit, als Perry Rhodan die Suche nach dem geheimnisvollen Planeten Kahalo mit aller Intensität vorantrieb. Tolots vage Hinweise führten die CREST II, Rhodans neues Flaggschiff, tiefer in das galaktische Zentrum hinein und zur Entdeckung des gigantischen Sonnentransmitters aus sechs blauen Riesensternen.
Von unheimlichen Kräften eingefangen, wurde die CREST 900.000 Lichtjahre tief in den Leerraum zwischen den Galaxien geschleudert. Das Twin-System, bestehend aus zwei gelben Sonnen und acht Planeten, entpuppte sich sehr rasch als eine einzige Falle für Fremde, die die Transmitterstraße nach Andromeda gegen den Willen der mysteriösen Erbauer benutzen. Von einem Wesen auf der Verbanntenwelt Quarta erhielt Perry Rhodan erste Hinweise auf diese Erbauer, die offenbar die Andromedagalaxis beherrschen und sich »Meister der Insel« nennen.
Weitere Hinweise führten zur Entdeckung der Justierungsstation für den Twin-Sonnentransmitter. Unter größten Mühen gelang es, das Transportfeld auf das galaktische Sonnensechseck zu schalten. Der »Wächter von Andromeda« jedoch, ein plötzlich auftauchender bleistiftförmiger Raumer, veränderte die Justierung im letzten Augenblick abermals. Die CREST mit ihren 2000 Mann Besatzung rematerialisierte nicht in der Milchstraße, sondern im Zentrum der – wie das Twin-System – künstlich angelegten Hohlwelt Horror, ebenfalls 900.000 Lichtjahre vom Rand der Galaxis entfernt.
Nach der Erforschung des Kunstplaneten durch den Mutanten Wuriu Sengu wußte man, daß es außer dem Zentrumshohlraum drei Ebenen zwischen dem Zentrum und der eigentlichen Oberfläche gibt, jede von ihnen eine Welt für sich mit tödlichen Gefahren für alle Fremden. Um in den freien Weltraum zu entkommen, blieb Perry Rhodan und seinen Getreuen nichts anders übrig als zu versuchen, die Kugelschalen zwischen den einzelnen Etagen gewaltsam zu durchbrechen.
Doch bereits in der ersten, der »Grün-Etage«, zeigte sich, daß die Meister der Insel und deren Werkzeuge nicht gewillt waren, ihre Gefangenen entkommen zu lassen. Die Besatzung der CREST geriet unvermittelt in einen sich ständig wiederholenden Kampf zwischen den Bewohnern der Grün-Etage hinein, den Eskies und den Gurus, die mit Hilfe ihrer parapsychischen Gaben die 73. Eiszeit auslösten und dem terranischen Schiff durch Unterbindung jeglicher Kernprozesse sämtliche Energie entzogen. Nur der unbedingte Überlebenswille der Menschen ließ sie auch dieser Falle entkommen.
Sie waren zu dritt und schimmerten im intensiven Blau. Seit Äonen schwebten sie über ihrer Welt, die in dunkelrotes Licht getaucht war. Lautlos war ihr Flug, obwohl sie riesengroß waren. Sie flogen keinen bestimmten Kurs, nur ihr Erscheinen über Kraa, der größten Stadt ihrer Welt, war regelmäßig. Hundertzwanzigmal hintereinander kamen sie einzeln, um dann zu dritt aufzutauchen.
Dann aber näherten sie sich Kraa nicht im lautlosen Schwebeflug. Im Gegenteil. Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie heran, daß die Luftmassen um sie herum aufbrüllten und das Heulen und Brausen bis in die tiefsten Winkel der vielen Waben und Hohlräume drang.
Stunden vor ihrer Ankunft veränderte sich das Aussehen des Himmelsgewölbes; sonst in dunkler Rotglut strahlend, stand es nun in heller Lohe, als wolle es alles verbrennen. Aber die drei Blauen Herrscher konnte es nicht verbrennen – nicht einmal blenden. Sie sahen in grellster Helligkeit ebensogut wie in dunkelster Nacht. Sie sahen und erkannten, was sich in tausend Kilometer Entfernung abspielte, wie auch die Vorgänge unter ihnen.
Sie wurden nie müde zu beobachten.
Waren sie deshalb unersättlich?
Wenn über ihnen der Himmel zu brennen schien und sie zu dritt über der Stadt auftauchten, dann verlangten sie ihre Opfer, die ihnen von zitternden Kreaturen dargeboten wurden.
Sie dankten nie für die Gaben.
Sie nahmen sie an und verschwanden mit ihnen.
Wußten sie um die entsetzliche Angst der Wesen unter ihnen?
Wußten sie, wie furchtbar sie aussahen, wenn über ihnen das Gewölbe in lohender Glut stand und sie in einem Blau schimmerten, das die Augen schmerzen ließ?
Man konnte den Blauen Herrschern nicht ansehen, ob sie überhaupt Empfindungen besaßen. Nie veränderten sie ihr Aussehen. Die Zeit ging spurlos an ihnen vorüber. Sie schienen aus der Ewigkeit gekommen zu sein, um ewig zu leben.
Generationen hatten die Herrscher beobachtet, und schon die Urväter hatten gelernt, sich vor ihnen zu fürchten. Sie gaben ihre Geheimnisse nicht preis. Und sie wurden in den Herzen derjenigen, die sich unterdrückt fühlten, zu Göttern.
War es nicht allein Göttern möglich, das dunkle Rot des Himmelsgewölbes zu lohender Rotglut zu verändern? Sie schwiegen sich aus. Man hätte sie für stumm halten können, wenn sie nicht ab und zu mit Stentorstimme, dicht über der Stadt schwebend, hinabgerufen hätten: »Stellt die Opfer bereit!«
Sie hatten sich keine Namen gegeben, trotzdem wußte jeder, mit wem er in Verbindung stand und wer ihm Nachrichten übermittelte. Ununterbrochen standen sie miteinander in Verbindung. Die drei Herrscher waren aufeinander so gut eingespielt, daß es niemals Mißverständnisse gab.
Plötzlich horchten alle drei auf. Sie empfingen eine Mitteilung, die von außen kam. Sie war einmalig in ihrem Inhalt. Aber die Nachricht traf sie nicht unvorbereitet.
Sie begriffen, daß die Stunde ihrer großen Aufgabe nahte.
Langsam setzten sie sich in Bewegung.
Perry Rhodan, der in der Zentrale der CREST II die Vorbereitungen für die bevorstehende Aktion mitverfolgte, ließ die vergangenen Tage in seinen Gedanken nochmals aufleben.
Vor zehn Tagen war das terranische Flaggschiff auf einem Hochplateau der Grün-Etage von Horror gelandet, die ihren Namen dem überall herrschenden grünen Licht verdankte. Diese zehn Tage hatten in erster Linie dazu gedient, der Besatzung eine dringend notwendige Erholungspause zu verschaffen. Gleichzeitig war die CREST generalüberholt und instand gesetzt worden. Die Gurus hatten sich nicht mehr blicken lassen. Ständig waren Beobachtungssonden unterwegs gewesen, um die Umgebung zu überwachen. Vor allem aber wollte man wissen, ob die Polarschächte inzwischen benutzbar oder noch immer von einem Schutzschirm verschlossen waren. Was die Sonden zeigten, war ernüchternd. Die Schutzschirme existierten nach wie vor. Aber darüber hinaus hatten sich zusätzlich Hunderttausende Gurus bei den Schachtöffnungen eingefunden, um eine zusätzliche Absicherung zu erreichen. Jedem war noch zu gut in Erinnerung, welche Fähigkeiten diese Wesen besaßen. Rhodan war daher nichts anderes übriggeblieben, als einen anderen Weg nach oben zu suchen. Es gab nur einen einzigen: durch die Hohlraumwandung hindurch, die den Boden dieser Etage der Hohlwelt bildete und sie gleichzeitig von der nächsthöheren trennte.
Der Spähermutant Wuriu Sengu hatte zwei Tage damit verbracht, nach einer geeigneten Stelle Ausschau zu halten, die der CREST II beim Durchbruch den geringsten Widerstand entgegensetzen würde. Schließlich glaubte er diese Stelle gefunden zu haben. Kurz darauf war das terranische Flaggschiff zu der von Sengu angegebenen Position geflogen – und nun hatte man diese erreicht.
Unter der CREST tauchte eine zerrissen wirkende Felsformation auf. Hier befand sich ein weitverzweigtes Höhlensystem, das tief in die Kugelwandung hineinreichte. Langsam senkte sich die CREST auf dieses Höhlensystem hinab.
»Das ist ja ein verteufeltes Labyrinth«, sagte Oberst Cart Rudo ein ums andere Mal, wenn hinter einer tragenden Felsstütze, kaum daß er sie angeflogen hatte, ein Wald von anderen Hindernissen gleicher Art auftauchte.
Nur ein Mann mit dem Fingerspitzengefühl, wie es dieser Epsaler besaß, war in der Lage, einen Kugelraumer von gigantischen Dimensionen sicher an allen Hindernissen vorbeizubringen. Mehr als einmal hielten die Offiziere, die gewiß viel gewohnt waren, den Atem an, wenn Rudo das 1500 Meter durchmessende Schiff fast ausschließlich mit den Antigravfeldern in der Schwebe hielt und es dabei buchstäblich Meter für Meter zwischen den Stützen unglaublicher Felsdome vorwärtsschob.
Nur seinen Fähigkeiten und Sengus Gabe war es zu verdanken, daß die CREST das Ziel relativ schnell erreichte. Unter ihr lag der Höhleneingang, der fast dreitausend Meter durchmaß und den Beginn eines tief in den Boden hinabreichenden natürlichen Schachtes bildete. Während die CREST in tausend Meter Höhe über der Öffnung zum Stillstand kam, setzte die Ortung ein. Die ersten Werte kamen herein.
Demnach besaß die unzählige Windungen vollführende Höhle eine Tiefe von knapp 80 Kilometern, ehe sie von etwa 20 Kilometer dickem Gestein abgeschlossen wurde. Der mittlere Durchmesser betrug zweitausendvierhundert Meter – groß genug, um die CREST bis zum Ende des Schachtes einfliegen zu lassen. Zwar verengte er sich an einigen Stellen bis auf wenige hundert Meter und wies unzählige Vorsprünge auf, doch die Desintegratoren des Schiffes würden diese Hindernisse ohne Schwierigkeiten beseitigen können.
Perry Rhodan wandte sich an Sengu, wie so oft in den letzten Stunden.
»Können Sie feststellen, ob die Felsschicht, die den Schacht abschließt, aus massivem Gestein besteht?«
Sengu konzentrierte sich. Wenige Minuten später antwortete er: »Die Felsdecke ist nicht massiv. Sie weist in unregelmäßigen Abständen viele kleinere Hohlräume auf, die untereinander verbunden sind.«
»Danke«, sagte Rhodan knapp. In diesem Augenblick meldete sich Gucky erregt zu Wort.
»Perry! Ich empfange einen starken Psi-Impuls. Der Ausgangspunkt ist der Südpolschacht, und der Impuls stammt ganz eindeutig von den Gurus!« Der Mausbiber spreizte die Ärmchen. »Ich kann mit dem Impuls nichts anfangen. Aber ich könnte schwören, daß er an jemand gerichtet ist!«
Rhodan warf Atlan einen merkwürdigen Blick zu. Der Arkonide nickte nachdenklich.
»Das sind Überraschungen, Barbar! Wem könnten die Gurus wohl etwas mitzuteilen haben?«
»Das werden wir hoffentlich noch erfahren«, antwortete Rhodan. Ehe sich jemand dazu äußern konnte, meldete sich die Ortungszentrale:
»Große Fahrzeugpulks nähern sich unserem Standort. Entfernung etwa zweihundert Kilometer. Zweifellos Gurus. Anscheinend wollen sie mit allen Mitteln verhindern, daß wir diese Etage verlassen.«
Rhodan überlegte nicht lange. Er gab den Startbefehl. Langsam senkte sich die CREST II auf die Höhlenöffnung hinab und drang in den Schacht ein. Rhodan wollte so schnell wie möglich eine große Distanz zu den anrückenden Guruverbänden schaffen, um sich nicht einem neuerlichen Angriff durch ihre Parakräfte auszusetzen.
Niemand ahnte, daß die Gurus keineswegs mehr beabsichtigten, die CREST in dieser Etage festzuhalten.
Die drei Blauen Herrscher strebten einem gemeinsamen Punkt zu. Dabei entfernten sie sich immer weiter vom dunkelroten Himmelsgewölbe.
Die Zahl der Mitteilungen, die sie sich zusandten, stieg nicht. Über die Nachricht, die sie empfangen hatten, brauchte nicht diskutiert zu werden. Jeder wußte, was er zu tun hatte.
Im Abstand von hundert Kilometern blieb jeder in der Luft stehen. Ihre Standpunkte bildeten ein gigantisches gleichseitiges Dreieck. Vom Boden aus waren sie kaum zu erkennen.
Stunde um Stunde verging. Die Blauen Herrscher veränderten ihre Position nicht. Dann aber setzten sich alle drei gleichzeitig in Bewegung und trieben in einer Richtung davon. Tragenden Felsgiganten wichen sie aus. Aber es waren immer gemeinsame Kursveränderungen. Sie bewiesen, daß sie jede Stelle kannten und auch wußten, wie es hinter Felstürmen und Wänden aussah.
Unmerklich bremsten sie ab. Weder der Himmel noch der Boden zeigte irgendwelche charakteristischen Merkmale, die ein Verharren erklärt hätten.
Kaum standen die Blauen Herrscher in der Luft still, als sie sich langsam senkten, bis sie zwanzig Kilometer Höhe erreicht hatten.
Erneut begann ihr Warten. Sie waren sich ihrer großen Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten, bewußt.
Eine Stunde nach der anderen verging; die Desintegratorstrahlen der CREST II brannten den gewaltigen Schacht immer tiefer in das Gestein ein, nachdem das Ende des natürlichen Stollens erreicht worden war. Immer größere Staubmassen wurden von den Traktorstrahlen aus der sich erweiternden Höhle gerissen. Wie erwartet, hatten die vereinzelten Hindernisse während der ersten achtzig Kilometer keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Die kurz vor dem Aufbruch des Flaggschiffs gestarteten Guruverbände waren zurückgeblieben und hatten seltsamerweise keine weiteren Anstalten getroffen, der CREST zu folgen.
Auch da hatte sich noch niemand besondere Gedanken darüber gemacht.
Vor vier Stunden war die CREST II dann auf das massive Gestein gestoßen und hatte mit der Desintegrierung der unter ihr liegenden Felsmassen begonnen. Selbst jetzt noch mußte sich mancher an Bord klarmachen, daß »unten« auch wirklich unten war und nicht das steinerne Firmament dieser Hohlweltetage. Von den Geologen ausgewertete positronische Berechnungen sollten verhindern, daß der gewaltsame Durchbruch zu Störungen im komplizierten Gefüge der Trennwand führte. Jetzt trennten nur noch wenige Kilometer die gestrandeten Terraner von der nächsten Etage.
Ununterbrochene Fernmessungen ergaben, daß die Temperatur unaufhaltsam anstieg. Die überhitzten Gas- und Staubwolken gaben einen Teil ihrer Wärme an die Höhlenwandung ab, die sie gierig aufnahm. Das Gas-Staubwolken-Gemisch selbst war noch glühheiß, wenn es am Raumschiff vorbei nach oben jagte. Höllentemperaturen aber herrschten dort, wo die gebündelten Desintegratorstrahlen wirksam wurden.
Im Maschinenteil des Superschlachtschiffes kamen die Ingenieure und Techniker nicht zur Ruhe. Ohne einen ausdrücklichen Befehl erhalten zu haben, fühlte sich jeder dafür verantwortlich, daß der Durchbruch ohne Panne vor sich ging. Zusammen mit Spezialrobotern kontrollierten sie ununterbrochen die gewaltigen Aggregate, die die Desintegratorgeschütze mit Energien versorgten. Der Leitende Ingenieur, Major Dipl.-Ing. Bert Hefrich, war stolz auf die Leistung seiner Männer.
In dem Inferno an Energie und Strahlen, das vor und hinter dem Schiff herrschte, wurden die Ortungswerte immer ungenauer. Die Blenden des Panoramaschirmes waren soweit geschlossen worden, daß nur noch ein Minimum an Licht in die Zentrale fiel.
Auf dem Instrumentenpult flammten warnend Rotsignale auf. Mehrere Sirenen begannen ihr schauerliches Lied zu singen. Oberst Cart Rudos Bewegungen wirkten so ruhig wie sonst. Er schaltete die Sirenen aus.
Noch drei Kilometer bis zum Höhlenende!
Unbeweglich stand der Haluter Icho Tolot da. Er hatte seinem gigantischen Körper die stahlharte Kristallstruktur gegeben, aber nicht deshalb, weil er Angst hatte, sondern aus der Ahnung heraus, daß es bald auch für ihn eine Situation geben könnte, in der er um sein Leben zu kämpfen hatte.
Perry Rhodans waghalsiges Unternehmen bereitete ihm ein köstliches Vergnügen. Am liebsten hätte er schallend gelacht, doch seine Erfahrungen mit den Terranern rieten ihm, es in dieser Situation nicht zu tun.
Schließlich war es soweit.
Die Desintegratoren der CREST durchbrachen die letzten Meter Gestein.
»Durch ...! Durch, Sir!« Major Cero Wiffert, der Chef der Feuerleitzentrale, schrie triumphierend.
»Durch, ja ...! Wir sind durch! ... Da, Rotlicht! Es wird heller! ... Wir sind in der zweiten Etage von Horror!« In erregten Ausrufen befreiten sich die Menschen in der Zentrale von der Spannung der letzten Stunden.
Cart Rudo und Rhodan hatten in die jubelnden Rufe nicht eingestimmt. Icho Tolot auch nicht. Er dachte nicht einmal daran, seinem Körper wieder die primäre Form zu geben. Etwas war ihm unheimlich.
Die Geschütze der CREST II schwiegen.
Rudo beschleunigte das Schiff. Er schien auch glücklich zu sein, diese enge Röhre hinter sich zu wissen. Dann brach das Superschlachtschiff in den unbekannten Raum ein. Die Sicht war schlecht, überall wildbewegte Gas- und Staubwolken. Das eigenartige und hier allgegenwärtige dunkle Rotlicht zwang die Optik, auf andere Frequenzen zu gehen. Die Automatik schaltete. Schlagartig wurde die Sicht gut. Etwa zehn Kilometer tief, geradewegs aus dem nach innen gewölbten steinernen »Himmel« dieser Hohlschale kommend, war der Raumer in die Rot-Etage eingedrungen, als Rhodan die Augen leicht zusammenkniff und einen bestimmten Punkt auf dem Bildschirm betrachtete.
Da schrie auch schon ein Offizier an der Ortung: »Großer Himmel, was ist denn das?«
Woher sollte er wissen, daß er einen der drei Blauen Herrscher geortet hatte?
Sie zuckten nicht, als das Himmelsgewölbe aufbrach, ein glühendes, fauchendes Strahlenbündel ausstieß, das Tonnen Staub und große Gasmengen mitriß. Sie hatten gewußt, daß es so kommen würde.
Und sie wußten auch, was dem Staub und dem Gas folgen würde. Die Mitteilung von außen, die sie vor vielen Stunden empfangen hatten, war von keinem der drei Blauen Herrscher vergessen worden.
An der gleichen Stelle und in der gleichen Höhe standen sie und beobachteten, was aus dem Himmelsgewölbe in ihr Reich vorstieß. Sie zeigten keine Reaktion, als sie feststellten, daß sie nun auch beobachtet wurden.
Sie waren ja auch nicht zu übersehen, denn genau in den Mittelpunkt ihrer Dreiecksposition flog das Raumschiff, auf das sie gewartet hatten. An ihm sollten sie ihre große Aufgabe lösen.
Ein breites Feld wie ein Fächer reichte plötzlich von einem Blauen Herrscher bis zu dem kugelförmigen Raumschiff, dessen Außenhülle nicht mehr dunkel schimmerte, sondern nun einen klaren Blauton hatte, der leicht glänzte.
Der Blaue Herrscher, der den Fächer hielt, klappte ihn blitzschnell zusammen, so daß ihn nur noch eine blaue Bahn mit dem Kugelschiff verband. Auf dieser blauen Bahn raste das Schiff direkt auf den Herrscher zu.
Der Aufprall schien unvermeidlich, doch dicht davor wurde es, trotz seiner hohen Geschwindigkeit, umgelenkt und zum nächsten Blauen Herrscher gestoßen. Der nahm es an, lenkte es auch um, und stieß es im Winkel von sechzig Grad zum dritten. Als das Raumschiff auf seinem dreieckförmigen Umlaufweg zum Ausgangspunkt zurückkam, war seine Geschwindigkeit schon bedeutend höher als zu Anfang, obwohl die Impulsmotoren mit maximaler Leistung liefen und versuchten, den Raumer aus dieser fürchterlichen Bahn zu bringen.
Als die Vergrößerung des Rundsichtschirmes auf maximale Leistung sprang, sahen die Offiziere der CREST II drei gigantische, kreisrunde Plattformen. Die Ortungen hatten sie erfaßt. Ihre Ausmaße wurden bekannt: drei Kilometer Durchmesser. Über dem Mittelpunkt ein halbkugelförmiger Aufbau von hundertfünfzig Metern Höhe, während die Basis einen Durchmesser von dreihundert Metern besaß.
»Energieortung! Große Milchstraße, das sind ja unglaubliche Werte!« Major Enrico Notami, seines Zeichens Chef der Ortungszentrale, hatte die Fassung verloren.
»Nicht die Ruhe verlieren«, riet Rhodan seinen Männern, obwohl ihm beim Anblick dieser drei Stationen unheimlich war. Von einer Ahnung getrieben, drehte er sich nach dem Haluter um und erkannte, daß dessen Körper immer noch die Kristallstruktur besaß.
Blitzschnell wandte er sich Rudo zu. »Flucht, Oberst ...!«
Rudo hatte darauf gewartet. Die Impulsmotoren der CREST II brüllten auf. Der riesige Kugelraumer begann schneller zu werden. Wie der Hohlraum aussah, in dem dunkelrotes Licht herrschte, konnte noch niemand sagen. Zu einem Rundblick war einfach keine Zeit gewesen.
Plötzlich strahlte es in der Zentrale in weichem Blaulicht.
Im nächsten Moment flog die Besatzung der Zentrale kreuz und quer durcheinander. Überall im Schiff geschah das gleiche.
Trotz der auf Vollast laufenden Impulsantriebe wurde das Schiff von ungeheurer Gewalt erfaßt und von einer der blauschimmernden Stationen mit wahnsinniger Beschleunigung angezogen. Rhodan wollte sich gerade aufrichten, als ihn eine mörderische Schwerkraft überfiel und regelrecht zusammenbrechen ließ. Die Andruckabsorber, die mit dem von außen ausgelösten Bremsmanöver kaum noch fertig wurden, heulten schrill auf.
So plötzlich wie die CREST II abgebremst worden war, so schnell wurde sie auch wieder beschleunigt. In der Zentrale gab es nur einen, der den Halt nicht verloren hatte: Icho Tolot.
Sein Planhirn arbeitete exakt. Seine geübten Sinne nahmen tausend wichtige Einzelheiten wahr. Er hatte die Kraft, zum Panoramaschirm zu blicken. Er sah, wie der Raumer, in blaues Licht gehüllt, auf eine andere Station zuflog. Wieder kam der schreckliche Andruck bei abruptem Bremsvorgang. Jetzt erfolgte die Umlenkung, und nun das Abstoßen im Winkel von sechzig Grad zur dritten kreisförmigen Station.
Der Haluter hatte begriffen, was dem Riesenschiff bevorstand.
Zwischen drei Stationen, auf einem dreieckförmigen Umlaufweg, würde das Superschlachtschiff immer schneller und schneller angezogen, umgelenkt und abgestoßen werden, bis die Kugelhülle die Belastung nicht mehr aushielt und auseinanderflog.
Ein kleiner Körper wurde von Tolots Beinen aufgehalten. Den Anprall hatte er bei seiner Kristallstruktur nicht gespürt, aber er hatte einen Schatten auf sich zufliegen sehen. Blitzschnell nahm er seine primäre Form an. Mehr als drei Gravos zu ertragen, war er gewohnt. Er bückte sich und hob den Mausbiber auf, der noch bei Bewußtsein war.
Wieder erfolgte eins der furchtbaren Umlenkmanöver. Die Absorber drohten auseinanderzufliegen. Jetzt wurde das Schiff wieder beschleunigt. Mit einem Satz befand sich Tolot neben Mory Rhodan-Abro, Perry Rhodans junger Frau. Er legte Gucky daneben. »Ich hole Rhodan.«
Sekunden später lag auch dieser neben Mory und Gucky.
»Glaubst du, eine Kurzteleportation wagen zu können?« fragte Icho den Mausbiber. Nur zu gut erinnerte er sich an den Versuch in der Zentrumsebene. Die Ausstrahlung des Zentrumskerns verhinderte jede gezielte Teleportation, was selbst in der Grün-Etage noch wirksam gewesen war und Gucky daran gehindert hatte, von seiner Parafähigkeit Gebrauch zu machen. Doch vielleicht war es hier anders.
»Ich riskiere es«, sagte Gucky gequält. »Ich spüre den Einfluß des Zentrumskerns zwar noch, aber nicht mehr so stark. Kurze Sprünge müßten möglich sein.«
Tolot musterte ihn eindringlich. Durfte er dies von ihm verlangen?
»Wohin?« kam der Ilt einer Frage zuvor.
»Nimm Rhodan und Mory und bringe sie in die Korvette von Don Redhorse.«
Gucky nickte grimmig. Dann stellte er den Körperkontakt zu Perry und dessen Frau her und entmaterialisierte.
Tolot starrte nachdenklich auf die Stelle, an der sie sich gerade noch befunden hatten. Seine Gewissensbisse waren noch nicht richtig zurückgekehrt, als der Mausbiber wieder erschien.
»Keine Schwierigkeiten, Großer«, piepste er. »Sonst noch jemand, den ich von hier wegbringen soll?«
Tolot deutete auf Atlan und Goratschin. »Diese beiden noch. Um mich brauchst du dich nicht zu kümmern. Wartet in der Korvette. Ich folge aus eigener Kraft und bringe Melbar Kasom mit.«
Abermals verschwand Gucky, diesmal mit den beiden Bezeichneten.
Tolot blickte zu dem Ertruser, der sich aus seinem Sitz erhob.
»Kommen Sie«, forderte er ihn auf.
Sie warteten den nächsten Abstoßimpuls ab, dann rannten beide los. Auf dem Weg zum Hangar, in dem die Beiboote Captain Redhorses standen, ging Kasom noch fünfmal in die Knie.
»Das ist teuflisch ...«, stöhnte er in ohnmächtiger Wut, als sie auf die C-11 zurannten.
»Schnallen Sie alle fest, Kasom«, erwiderte der Haluter. »Ich versuche, die Korvette aus dem Hangar zu bringen.«
Der Ertruser tat, was ihm der Haluter befohlen hatte.
»Fertig!« rief er mit letzter Kraft. Auch für ihn, der an hohe Schwerkraft gewöhnt war, waren die fürchterlichen Abbrems- und Beschleunigungsmanöver kaum noch zu ertragen.
Der Haluter jedoch hatte die Übersicht noch nicht verloren. Er besaß sogar die Geduld, auf den rechten Moment zu warten. Er benutzte die Kräfte, die beim Umlenkmanöver entstanden, und ließ in diesem einzig günstigen Moment die C-11 starten, ohne zu ahnen, daß das Kraftfeld nur innerhalb des Umlenkkurses eine neutrale Zone besaß. Und durch diese Zone wurde die C-11 regelrecht in den freien Raum geschleudert, während das Triebwerk der Korvette mit zweihundert Prozent Belastung arbeitete. Dadurch war eine Beschleunigung entstanden, die dem Haluter für Sekunden die Besinnung nahm. Als er wieder zu sich kam, stellte er fest, daß sie die drei Stationen hinter sich gelassen hatten.
Er drehte sich um, um zu erfahren, ob der Ertruser wieder einsatzfähig war. Dabei unterlief ihm der folgenschwere Fehler, die hohe Fahrt des Beiboots nicht berücksichtigt zu haben.
»Kasom?« rief er und erhielt keine Antwort. Wieder drehte er sich. Abermals kostete diese Bewegung Zeit, da er seinen kristallinen Zustand angenommen hatte. Als er die Kontrollen vor sich sah, war es fast zu spät.
Die C-11 raste direkt auf einen wuchtigen Felsturm zu, der den Boden mit dem Himmelsgewölbe verband. Es gelang ihm noch, die Korvette nach links zu steuern, doch den Anprall konnte er nicht mehr verhindern.
Sein stahlharter Körper traf die Steuerungseinrichtung der C-11 und zerstörte sie.
Dann gab es einen Kurzschluß, als er sich auf das Schaltpult der Notsteuerung lehnte. Die C-11, die nach der Kollision mit dem Felsturm in trudelnden Bewegungen dem Boden entgegenraste, stürzte nun senkrecht ab.
Tolot sah, was kommen mußte, wenn ihm nicht wenigstens eine Notlandung gelang. Das Triebwerk lief noch. Die C-11 war immer noch zwanzig Kilometer hoch. Er schaltete den Antrieb aus. Der Antigravfelderzeuger sprach nicht an. Tolot veränderte seinen Zustand wieder.
Das Beiboot war noch fünfzehn Kilometer hoch.
Die Notsteuerung brannte. Er konnte sich nicht darum kümmern. Blitzschnell schaltete er wieder das Triebwerk ein, als die C-11 zu schlingern begann. Sein Reaktionsvermögen war einmalig. Die Korvette richtete sich auf, ging aus senkrechtem Sturz in Steilflug über. Der Haluter verlor seine Ruhe nicht. Der Bildschirm war in Ordnung. Er zeigte ihm, daß es in der Richtung, in der er flog, keine Hindernisse gab.
Höhe elf Kilometer!
Im Maschinenraum krachten Explosionen, neben ihm brannte die Notsteuerung immer stärker.
»Tolot ...?« Durch die donnernden Explosionen klang die gewaltige Stimme des Ertrusers. Die C-11 drohte erneut senkrecht in die Tiefe zu stürzen. Das Boot war dem Untergang geweiht. Die Zelle bebte, wurde geschüttelt und ächzte in den überbelasteten Verstrebungen.
Höhe drei Kilometer!
Stichflammen schossen aus der Notsteuerung. Im Maschinenraum gab es eine Kettenreaktion von Explosionen. Die C-11 drohte jetzt dicht über dem Boden auseinanderzubrechen. Kasom hatte erkannt, daß er hier nichts tun konnte. Es war überhaupt ein Wunder, daß der Kommandogeber zum Triebwerk noch funktionierte.
Fünfhundert Meter Höhe!
Steil raste die Korvette abwärts.
In wilder Entschlossenheit dachte der Haluter: Ich muß die Besatzung gesund zu Boden bringen! Ich muß!
Der Bildschirm war auch noch intakt. Plötzlich schien er sich halb um die eigene Achse zu drehen. Die Korvette hatte abrupt ihren Steilkurs geändert.
»Eine Stadt, Tolot! Da, eine Stadt ...!« rief der Ertruser.
Hundert Meter Höhe!
Die Impulsmotoren brüllten auf. Icho Tolot hatte alles auf eine Karte gesetzt. Die angeschlagene C-11 richtete sich auf, als sie in diesem Moment Bodenberührung bekam. Der überlastete Antrieb verhinderte, daß sie sich in ihn hineinbohrte.
»Kasom, die Schleuse öffnen!« schrie der Haluter.
Das wracke Beiboot war kaum gelandet, als Icho Tolot dem Ertruser, der draußen vor der Schleuse stand, den ersten Bewußtlosen zuwarf.
Die beiden Riesen arbeiteten wie Roboter. Der Tod saß ihnen und allen anderen im Nacken. Im zerstörten Maschinenraum fauchten die Energieblitze durchgegangener Reaktoren. Wie ein gefräßiges Ungeheuer war die Atomglut dabei, sich über das gesamte Schiff auszubreiten.
»Der vorletzte ...!« schrie Tolot. »Schaffen Sie die anderen weit vom Schiff fort!« Der Haluter verschwand wieder in der C-11. Sekunden darauf verließ er mit dem letzten Mann in weitem Sprung die Korvette.
Ein Wettlauf gegen den Atomtod begann. Das Wrack brannte immer heller. Die harte Strahlung breitete sich aus. Die beiden Riesen rannten hin und her, schafften Bewußtlose über zwei Kilometer weit fort, und dann hatten sie auch die letzten in Sicherheit gebracht, als haushohe Energiebahnen mit donnerndem Knall aus der C-11 schossen.
»Was mag aus der CREST geworden sein?« fragte Melbar Kasom. »Haben wir richtig gehandelt, die Besatzung im Stich zu lassen?«
»Das wird sich bald herausstellen«, erwiderte der Haluter. »Das Schiff gehorchte keinem Befehl. Wem hätte es etwas genützt, wenn wir an Bord geblieben wären? Niemandem! Nur von außen können wir vielleicht helfen. Die C-11 ist nur noch ein Schrotthaufen, aber möglicherweise finden wir in dieser Stadt etwas.«
Zweiundzwanzig Personen blickten zur unbekannten großen Stadt hinüber, die am Eingang zu einem gigantischen Felsdom lag. Einundzwanzig standen, die zweiundzwanzigste, Gucky, saß. Er war der schwächste von allen und hatte unter den Nachwirkungen noch zu leiden. Das hinderte ihn aber nicht, seine paranormalen Fähigkeiten einzusetzen.
Während er zu Boden starrte und nicht zuhörte, was gesprochen wurde, begann er auf telepathischer Basis nach fremden Gedanken zu orten.
Er traf auf einen Wirrwarr von Gedankenimpulsen. Hunderttausende mußte er erfaßt haben.
»Die kenn' ich doch ...«, piepste er vor sich hin.
Mory Rhodan-Abro, blasser als sonst, hörte ihn sprechen. Sie ließ sich neben ihm nieder und legte den Arm um ihn, während sie mit der anderen Hand das Nackenfell zu kraulen begann.
»Klar kenn' ich die! Perry, in der Stadt wohnen die Eskies!«
Jedes Gespräch verstummte. Mory betrachtete den Kleinen erstaunt. Rhodan und Atlan kamen heran. Gucky wiederholte seine Behauptung. »Und wenn ihr mich noch so mißtrauisch anseht – vor uns liegt eine Stadt der Eskies!«
»Aber die gehören doch zur Grün-Etage, Kleiner!« erinnerte ihn der Arkonide. »Hier befinden wir uns im Rot-Hohlraum.«
»Und doch wohnen Eskies in der Stadt, Atlan!« piepste Gucky energisch. »Es befinden sich sogar Eskies darunter, die früher schon einmal in der Grün-Etage vor der Kälte geflüchtet sind. Außerdem besitzen sie schwache telepathische Fähigkeiten. Sie können zwar sicher unsere Gedanken nicht lesen, aber vermutlich gezielt an sie gerichtete telepathische Botschaften aufnehmen.«
Rhodan zeigte Betroffenheit, als er fragte: »Kannst du auch Gedankenimpulse von der CREST orten, Kleiner?«
Gucky richtete sich etwas auf. Seine kraftlos wirkende Armbewegung kündete seine Aussage an. »Keine, Perry. Ich komme nicht durch. Ich habe es schon ein paarmal versucht. Aber das hat noch nichts zu besagen. Diese drei Riesenräder haben ein paraphysikalisches Feld um unser Schiff gelegt, und durch diese Sperre komme ich nicht.«
»Willst du mich nur beruhigen, Gucky«, fragte Rhodan streng, »und mir dosiert beibringen, daß die Besatzung tot ist?«
»Nein, Perry. Was im Moment wichtiger ist – wir sollten uns darauf vorbereiten, bald Besuch von den Eskies zu haben. Einige hundert sind schon zu uns unterwegs.«
Einige Männer zogen schon ihre Strahlwaffen, andere schlossen die Klarsichthelme ihrer Kampfanzüge.
»Laßt die Dinger stecken!« piepste Gucky ihnen zu. »Wozu die Eskies erschrecken, die nur kommen, um uns vor den Blauen Herrschern zu schützen?«
»Blaue Herrscher, Kleiner. Wer ist das denn?« verlangte Rhodan zu wissen.
»Diese drei Riesenräder. Vor denen haben die Eskies eine Heidenangst. Oh – das auch noch! Unter den Eskies ist ein Verrückter! Lamon heißt er. Er macht sich Gedanken darüber, wie er uns den Blauen Herrschern als Opfer ausliefern kann!«
»Opfer, die an die Blauen Herrscher ausgeliefert werden? An diese kreisrunden Robotstationen?« fragte Rhodan zweifelnd.
»Dieser Lamon sieht in ihnen so etwas wie Götter, die in bestimmten Abständen über der Stadt erscheinen und sich Eskies aushändigen lassen. Dieser alte Bursche ist durchtrieben. Er will uns einladen, seine Gäste zu sein, und das soll uns nach seinen alten Überlieferungen zwingen, den Blauen Herrschern geopfert zu werden ...«
»Kleiner, da stimmt doch etwas nicht«, mischte sich Atlan ein. »Hast du nicht erzählt, wir würden Besuch erhalten, der uns vor diesen Herrschern schützen wolle?«
»Natürlich, Atlan. Die anderen haben es vor, nur dieser Lamon hat seinen eigenen Plan. Ich ...«
Von der Stadt her kam ein eigenartiges Geräusch. Es näherte sich schnell und wurde dabei lauter. Am dunkelroten Himmel tauchte ein Punkt auf, der sich senkte. Aus dem Punkt wurde ein propellergetriebenes Flugzeug, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit den ersten Aeroplanen der Erde hatte.
»Sir, sie lassen Panzer auffahren!« rief Redhorse, der mit vier Mann die kleine Gruppe sicherte.
»Kommen lassen!« erklärte Gucky. »Auch der Eskie im Flugzeug ist harmlos. Du lieber Himmel, ist das ein wackeliges Ding, aber der Eskie ist ganz stolz darauf.«
Mit knatterndem Motor und brummendem Propeller zog der Aeroplan über ihnen seine Kreise. Von der Stadt her drangen neue Geräusche. Die leichte Bodenwelle vor ihnen, die mit fremdartigen roten Sträuchern bewachsen war, verbarg, was sich näherte. Redhorse aber, der auf dem höchsten Punkt stand, kündigte an: »Acht Panzer kommen ... die klapprigsten Ungetüme, die ich jemals gesehen habe.«
Einige Männer hatten doch ihre Hand am Kolben der Strahler liegen. Sie trauten der Friedfertigkeit der Eskies nicht ganz. Zu frisch war noch in ihrer Erinnerung der wütende Angriff der vermummten Wesen gegen die Stadt der schlangenköpfigen Gurus in der Grün-Etage.
Auch Redhorse hatte seine Strahler griffbereit, aber er zog die Waffen nicht. Aufmerksam spähte er in die Richtung der Stadt. Jetzt trat er zur Seite. Rote Büsche wurden platt gewalzt. Ein klobiges Fahrzeug, das auf vielen metallenen Rädern lief, schob sich quietschend und rumpelnd heran, rollte die Bodenwelle hinab und hielt zwanzig Meter von den Menschen entfernt an.
An der linken Seite schwang eine Tür auf, und ein menschenähnliches Wesen ohne Kopf trat heraus. Ihm folgten noch drei andere, alle gleich groß. Zwei-Meter-Riesen ohne Kopf! Die Schultern waren flach und glichen einer ebenen Auflage. Die Geschöpfe verfügten über zwei menschliche Arme und Beine. Wo die Haut von graugetönter Kleidung nicht bedeckt war, war sie lederartig und rotbraun.
»Die haben das Gesicht mitten auf der Brust sitzen«, meinte Melbar Kasom.
Der Ertruser war das Opfer eines Irrtums geworden.
Der erste Eskie fuhr seinen froschgesichtigen Kopf aus, der auf einem meterlangen, armdicken Tentakel saß. Dreiviertel Meter über der flachen Schulter stand der etwa fußballgroße Kopf jetzt, wurde um hundertachtzig Grad gedreht, und der Mund begann zu sprechen.
Gucky hatte sich in die Gedanken des Eskies eingeschaltet.
Die übrigen Panzer der Eskies rollten die Bodenwelle herunter. Gucky sprang auf, wagte eine Kurzteleportation und landete auf dem Dach des vierten metallenen Fahrzeuges, zwischen zwei Stahlrohren, die an die Läufe von Maschinengewehren erinnerten.
Der Mausbiber hatte im vierten Panzer Lamon entdeckt. Aber sein Vorhaben, Lamon ein für allemal die Idee auszutreiben, sie den Blauen Herrschern zu opfern, konnte er nicht so ausführen, wie es ihm gefallen hätte.
Er mußte jetzt, da sie infolge der überstürzten Flucht keine Translatoren besaßen, die Rolle des Vermittlers spielen.
Die vier Eskies aus dem ersten Panzer hatten alle Scheu verloren. Es störte sie nicht, daß ein kleines Wesen ihre Gedanken las und ihnen seine Gedanken zustrahlte.
Als Rhodan den Befehl gab, in die Panzer zu steigen, staunte Lamon, warum keiner der Fremden trotz Einladung sein Fahrzeug benutzte. Er achtete nicht auf das kleine Pelzwesen mit dem Löffelschwanz. Gucky aber sah ihn heimlich an, konzentrierte sich kurz auf ihn, und der Kleine grinste spitzbübisch, als Lamon, wie von tausend Teufeln gehetzt, in seinen Panzer stolperte, die Tür hinter sich zuschlug und Hals über Kopf das Weite suchte.
Rhodan hatte den Mausbiber beobachtet.
»Was hast du mit dem Eskie angestellt, Gucky?«
Der Nagezahn verschwand blitzschnell. »Perry, besteh' nicht darauf, daß ich dir antworte! Ich habe diesem durchtriebenen Lamon telepathisch zugerufen, welch ein übler Kerl er ist!«
»Nur das, Gucky?«
Der Ilt sah ihn prüfend an und stöhnte dann. »Natürlich nicht. Aber müssen wir nicht einsteigen? Wir sind die letzten.«
Als die Panzer sich in Bewegung setzten, um zur Stadt zurückzufahren, wurde die Gruppe wild hin und her geschüttelt.
Eine kurze Pause nutzte Atlan aus, um auf das veränderte Aussehen der Eskies zu sprechen zu kommen. Gucky, in dieser Lage der einzige Informierte, erklärte:
»Wir haben den Eskies einen falschen Namen gegeben. Ihre Vermummung hatte nur den Zweck, in der Grün-Etage die Kältefront der Gurus abzuwehren. Müßten wir sie nicht wegen ihres schnorchelartigen Tentakels Schnorchel nennen?«
Icho Tolot, der gebückt hinter ihnen stand, stimmte Guckys Vorschlag zu, um dann sofort das Thema zu wechseln. Er bat den Mausbiber, noch einmal zu versuchen, telepathischen Kontakt mit der Besatzung der CREST II zu bekommen.
Der Kleine konzentrierte sich, schüttelte dann den Kopf und sagte: »Ich komme immer noch nicht durch. Ist das nicht ein gutes Zeichen? Wenn alle tot wären, dann wäre eine Sperre dieser Art doch sinnlos, oder nicht?«
»Hoffentlich hast du recht, Kleiner«, sagte Atlan.
Die Stadt Kraa, die vor dem Eingang eines gigantischen Felsdomes lag, mußte einige Millionen Einwohner haben. Die Terraner hatten nicht viel davon zu sehen bekommen, aber schon der erste flüchtige Eindruck hatte ihnen gezeigt, wie großzügig die Stadt angelegt war.
Als die rumpelnden Panzer aber nun anhielten und sie durch Gesten aufgefordert wurden, diese zu verlassen, blickten sie sich draußen erstaunt um.
Sie mußten sich tief unter der Oberfläche befinden, in einem Hohlraum, der vor Äonen von den Meistern der Insel geschaffen worden war, als sie Horror aushöhlten.
Gucky, der ständig die Gedanken der Fremden belauschte, wandte sich an Rhodan: »Die Schnorchel behaupten, die Blauen Herrscher könnten uns hier nicht sehen. Von diesem Raum wüßte nicht einmal Lamon und auch keiner der vier Statthalter.«
»Warum helfen uns diese Leute, Gucky?«
Rhodan mußte sich gut eine Minute gedulden, bis der Kleine ihm antwortete. In der Zwischenzeit sah er sich um. Achtzig oder hundert Meter über ihnen wölbte sich eine Felsdecke, die noch deutliche Spuren der Bearbeitung zeigte. Scheinwerfer warfen grelles Licht nach allen Seiten. Die Blase im Fels war mehrere Kilometer breit; nicht abzuschätzen war ihre Länge.
Häuser, wie sie sie bei der Durchfahrt in der Stadt gesehen hatten, standen auch hier; mehrgeschossige Bauten, breit angelegt, sich mit jeder Etage verjüngend, bis ein schalenförmiges Gebilde sie abschloß.
Später wurde klar, wozu diese Schalen einmal gedient hatten. Während sie in der Jetztzeit den Schnorcheln nur noch Symbol waren, hatten sie in grauer Vergangenheit die Aufgabe gehabt, das Kostbarste, was es damals auf ihrer Rot-Hohlwelt gab, aufzufangen – Regenwasser.
Ziemlich ungläubig hatten die Terraner dann vernommen, daß die Schnorchel es den Blauen Herrschern zu verdanken hatten, wenn sie wieder über Quellwasser verfügten, das plötzlich versiegt war, als der Boden tagelang gezittert und gebebt hatte.
Mit welchen Mitteln die drei Robotstationen die Quellen wieder zum Fließen gebracht hatten, konnte nicht erklärt werden.
Gucky antwortete endlich:
»Alle Schnorchel, bis auf die Besatzung des vierten Panzers, in dem sich auch Lamon aufgehalten hat, beklagen den Verlust naher Verwandter, die den Blauen Herrschern geopfert worden sind. Jetzt haben sie die irrsinnige Hoffnung, wir könnten über Mittel verfügen, die Robotstationen zu zwingen, von ihrer grausamen Forderung abzulassen.«
Rhodan wollte Atlan und den Haluter zu Rate ziehen und mit ihnen diesen Fall besprechen, als Schnorchel erschienen und sie aufforderten, ihnen zu folgen.
Zwischen den Häusern, die alle unverputzt waren und einen tristen Eindruck machten, gingen sie auf einen Platz zu, der über dreihundert Meter durchmaß. An der Peripherie stand ein Haus neben dem anderen. Jedes trug als Dach das Schalensymbol.
»Perry«, flüsterte der Ilt, »man bringt uns zu einem Schnorchel, den sie Loorn nennen. Soweit ich alles verstanden habe, ist dieser Loorn der Anführer einer Untergrundbewegung, welche die Dynastie der Lamons stürzen will. Wir sollen natürlich dabei aktiv werden. Schöne Aussichten! Dieser Loorn scheint ein rabiater Bursche zu sein.«
Sie betraten ein Gebäude. Im Gänsemarsch gingen sie eine Treppe hoch. Sie erwarteten, Zimmertüren zu sehen, statt dessen fanden sie vor sich eine breite, schnurgerade verlaufende Straße, die von mehr als fünfzig Schnorcheln versperrt war. Sie hielten klobige Waffen in den Händen, die an plumpe Maschinenpistolen erinnerten.
»Keine Angst!« sagte Gucky schnell. »Sieht nur so wild aus.«
Rhodan blickte sich um. Neben ihm ging Mory. Fast auf Tuchfühlung folgte ihr der Ertruser Melbar Kasom. Mißtrauisch musterte er die bewaffneten Schnorchel, die sie nun umringt hatten. Er war für Mory Rhodan-Abros Sicherheit verantwortlich, und in seinen riesigen Händen hielt er die schweren Strahler schußbereit. Er glaubte nicht an die Harmlosigkeit ihrer Begleittruppe. Auch der Haluter spähte unentwegt nach rechts und links.
Die Straße, die sie entlanggingen, wurde von Tiefstrahlern beleuchtet. Die Häuser zu beiden Seiten wirkten wie eine stumme Drohung.
»Nichts Neues, Perry. Das ist die stumpfsinnigste Gesellschaft, der ich jemals begegnet bin«, erklärte der Mausbiber.
Plötzlich flammten Scheinwerfer seitlich von ihnen auf und beleuchteten eine Hauswand, die nur einen Eingang besaß, aber kein Fenster. Das Dach trug auch kein Schalensymbol.
Über einen breiten Gang betraten sie einen großen Raum. Die Schnorchel waren an der Tür rechts und links stehengeblieben und hatten die Milchstraßenbewohner durch unmißverständliche Gesten aufgefordert, einzutreten.
Der Raum, kaum erleuchtet, war leer. Der Boden fiel sanft zur Mitte ab. Die Mitte aber war eine ovale Schale, die schwach leuchtete.
Am Rand der Schale blieben sie stehen, einer neben dem anderen, nur Kasom stand hinter Mory.
Mit fiebernder Spannung warteten sie auf das, was folgen würde.
Die Schale öffnete sich; in der Öffnung erschien ein Schnorchel. Im schwachen Licht funkelte seine umhangartige Kleidung. Der Kopf, vom Tentakel weit ausgefahren, drehte sich nach rechts und links. Im gleichen Moment hörten die Besucher hinter ihrem Rücken Schritte.
»Achtung, unsere Bewacher kommen!« rief Gucky.
»Und? Was denken sie?«
»Nichts! Das ist es ja eben. Natürlich denken sie, aber es ergibt keinen Sinn. Aber dieser Loorn denkt! Großer Himmel, der spinnt!«
Es kostete Rhodan Kraft, nicht die Ruhe zu verlieren.
Gucky zuckte nicht einmal zusammen, als er entdeckte, daß Loorn ein starker Telepath war, der versuchte, seine Gedanken zu lesen. Er begriff im gleichen Moment, wieso Loorn der Chef einer Untergrundbewegung werden konnte. Mit seiner starken telepathischen Fähigkeit, die er vor allen anderen Schnorcheln verborgen gehalten hatte, war er ihnen weit überlegen.
Aber gegen Guckys Parakräfte kam er nicht an, und die sechs Bewacher Guckys störten den Kleinen nicht.
Das Schweigen in dem schwach beleuchteten Raum wurde bedrückend. Am tiefsten Punkt der ovalen Schale stand Loorn und drehte auf seinem Tentakel langsam den Kopf von links nach rechts.
»Also schön!« rief Gucky in die Stille hinein, obwohl er wußte, daß Loorn ihn nicht verstand. Aber Loorn begriff dafür um so besser, daß er keinen Boden mehr unter den Füßen hatte. »So«, sagte Gucky, als der Schnorchel dicht unter der Decke zappelte, »jetzt wollen wir uns einmal mit dir unterhalten. Ein Teil deines Planes hat Hand und Fuß, aber uns zu betäuben, um uns dann gegen fünfzehn bereits ausgewählte Opfer auszutauschen und an ihrer Stelle den Blauen Herrschern auszuliefern, ist ein niederträchtiges Vorhaben ... Perry, je länger er unter der Decke zappelt, um so vernünftiger werden wir uns mit ihm unterhalten können. Dieser Bursche träumt davon, daß wir in der Lage sein könnten, die drei Blauen Herrscher zu vernichten, wenn wir uns einmal auf einer Station befinden. Das ist der eine Teil seines Planes, und den finde ich nicht schlecht. Wie er uns auf die Stationen schaffen will, habe ich ja schon erklärt.«
Loorn verfügte über eine ungeheure Beherrschung. Er hatte keinen Ton über die Lippen gebracht, als Gucky ihn kraft seiner Telekinese zur Decke schweben ließ.
Die Bewacher schienen nicht zu begreifen, was sich vor ihren Augen abspielte. Düster starrten sie aus ihren Froschaugen die Terraner und ihre Verbündeten an.
Es stellte sich durch Guckys Gedankenforscherei bald heraus, daß Loorn nicht aus niedrigen Motiven handelte. Zwei seiner Brüder waren vor vielen Intervallen an die Blauen Herrscher ausgeliefert worden. Es wurde auch bekannt, daß die Bewacher der Terraner Opfer des Blauen-Herrscher-Kultes waren, die in den Zellen des sogenannten Reinen Hauses den Verstand verloren hatten.
Die Milchstraßenbewohner erfuhren, daß in einem Abstand von vierzig Wochen Standardzeit in der Rot-Etage die Rotlichtepoche einsetzte. Wenn dann die lohende Rotglut des Himmelsgewölbes den höchsten Stand erreicht hatte, kamen die Blauen Herrscher unter dem Donnerknall des Schallmauerdurchbruchs über Kraa, um ihre Opfer zu verlangen.
Die nächste Opferung stand unmittelbar bevor. Fünfzehn Schnorchel waren zu diesem Zweck von Lamon, der so etwas wie ein Zeremonienmeister war, ausgewählt und im Reinen Haus kaserniert worden. Was es mit der Bezeichnung »Reines Haus« auf sich hatte, war den Menschen noch ebenso unklar wie der Zweck der Opferungen aus der Sicht der Blauen Herrscher. Auch Loorn schien die Hintergründe nicht zu kennen. Was fingen die Blauen Herrscher mit ihren Opfern an, wozu benötigten sie sie? Welche Bedeutung besaßen für die Terraner die von Gucky aufgefangenen, aber nach wie vor unklaren Begriffe wie die vier Stadthalter und Lamon? Mußten sie sie überhaupt kennen, um sich ihrer Haut wehren zu können? Denn eines war Perry Rhodan klar. Sie mußten hier wieder heraus, und je schneller, desto besser. Vielleicht bot sich mit Loorn eine echte Chance. Noch keines der vielen Opfer war bisher je wieder zurückgekehrt.
»Laß Loorn wieder herunter«, befahl Rhodan dem Mausbiber.
Dann fügte er hinzu: »Teile ihm mit, daß wir helfen werden, soweit wir dazu in der Lage sind.«
Die drei Robotstationen hatten die Flucht des kleinen Raumschiffes nicht übersehen. Auch der Absturz und die nachfolgende atomare Explosion waren ihnen nicht entgangen. Alle Vorfälle waren registriert und gespeichert worden, und gleichzeitig hatte diese Speicherung den Befehl ausgelöst, sich um die fremden Wesen zu bemühen, wenn die große Aufgabe gelöst war.
Wie ein Ball raste die CREST II auf ihrem dreieckigen Umlaufweg von Station zu Station. Die Blauen Herrscher maßen, daß die fremden mentalen Impulse immer schwächer und schwächer wurden, je mehr sie die Geschwindigkeit, in der das Schiff herumgewirbelt wurde, steigerten.
Sie hatten einen schwachen paraphysikalischen Kontaktversuch festgestellt und sofort ihr großes Dreieck in ein abschirmendes Parafeld gehüllt. Ihre Orter machten den Punkt aus, von der der telepathische Versuch gestartet worden war. Die riesigen Robotstationen begriffen, daß die Besatzung in dem flüchtenden kleinen Schiff nicht umgekommen war.
Auch diese Daten wurden gespeichert, und abermals erging an alle drei Blauen Herrscher der Befehl, sich eingehend darum zu bemühen, wenn sie ihre große Aufgabe gelöst hatten.
Aber diese hatte Vorrang vor allen anderen. Sie waren von den Meistern der Insel geschaffen worden, die rote Hohlwelt im Planeten Horror nicht nur zu beherrschen, sondern sie auch gegen jeden Eindringling zu schützen.
Sie erinnerten sich noch daran, wie ihre Schaltwege aktiviert wurden und sie sich vom Boden lösten, um so lange über dieser Welt zu schweben, solange sie und die Schnorchel existierten.
Sie lebten von den Schnorcheln. Ohne gesundes lebendes Zellgewebe konnten sie nicht aktiv sein.
Ihre Erbauer hatten ihnen kein Mitleid mitgegeben.
Die Meister der Insel hatten damals geglaubt, so handeln zu müssen, als sie das gesamte Volk der Schnorchel in die Rot-Hohlwelt des Planeten Horror deportierten.
Seit dieser Zeit waren die Blauen Herrscher alle vierzig Wochen erschienen. Gab man ihnen nicht freiwillig die Opfer, dann holten sie sich diese gewaltsam.
Die Zeit der Opferung nahte wieder. Aber noch mußten sie ihre große Aufgabe vollständig lösen.
Wie ein Tennisball flog die gigantische Kugel von Station zu Station. Ununterbrochen wurde nach Impulsen geortet. Erst als nach drei weiteren Umwegläufen ihre Mentalortungen auf Null stehenblieben, sahen die Blauen Herrscher die große Aufgabe als gelöst an.
Eingehüllt in ein fächerartiges Grünfeld, das die Hülle der CREST II schimmern ließ und gleichzeitig im Schiff alle Funktionen lahmlegte, sank das stolze Flaggschiff der Solaren Flotte langsam zu Boden. Der Fels knirschte, als die Millionen Tonnen schwere Kugelhülle aufsetzte, hin und her pendelte und unter sich aus Felsen Staub machte.
Abrupt endete das Pendeln, als die Farbe des Kraftfeldes sich änderte und so blaß wurde, daß ein menschliches Auge es kaum wahrnehmen konnte.
Ein magnetisches Fesselfeld umhüllte die CREST II und preßte sie zu Boden. Das Feld blieb auch konstant, als die drei Blauen Herrscher ihre Positionen verließen und nach verschiedenen Richtungen davonschwebten.
Eine Robotstation nahm Kurs auf die Stadt Kraa.
Lamon, der Diener der Blauen Herrscher, meditierte.
Vergeblich hatte er die Blauen Herrscher gebeten, ihm ein Zeichen zu schenken, an dem er erkennen konnte, wie er zu handeln hatte. Plötzlich aber glaubte er wieder diese Geisterstimme zu hören, die ihn vor den Fremden in seinen Panzer und in die panische Flucht getrieben hatte. Er schrak aus tiefem Nachdenken auf, blickte um sich und sah den vertrauten, armselig eingerichteten Raum, in dem er schon so viele Jahre seines Lebens verbracht hatte.
»Bin ich wirklich das, was mich diese Stimme genannt hat?« Wie oft hatte er sich diese Frage schon gestellt, die ihm fast jedesmal wieder die gleichen quälenden Schmerzen bereitete und ihn fast um den Verstand brachte – so wie beim Empfang der Fremden. »Bin ich tatsächlich derjenige, den alle verabscheuen müssen? Bin ich ein Verbrecher?«
Er suchte Trost und Sicherheit bei den Überlieferungen. Er holte sich die Vorschriften der Zeremonien ins Gedächtnis zurück. Er suchte in beiden, um seine Unsicherheit abzuwerfen, aber sie gaben ihm heute keinen seelischen Halt.
Lamon dachte an seinen ältesten Sohn, der einmal sein Amt übernehmen würde.
Sollte er zurücktreten und alle Macht heute schon in dessen Hände legen?
»Ein Zeichen, ihr Blauen Herrscher! Ein Zeichen!« flehte er und trat ans Fenster.
Sein Tentakel schob den Kopf in die Höhe. Die beiden Froschaugen spähten durch die Straßenschlucht und sahen ein kleines Stück des dunkelroten Himmelsgewölbes. Ziellos glitt sein Blick daran entlang. Da sah er es!
Einer der drei Blauen Herrscher näherte sich Kraa!
»Euer Zeichen! Euer Zeichen!« stammelte der alte Schnorchel ergriffen und hielt sich an der Fensterbrüstung fest.
Ein Blauer Herrscher erschien über Kraa, bevor die Rotepoche den höchsten Stand erreicht hatte.
Lamon machte auf der Stelle kehrt, eilte die Treppe hinunter und rannte dem Reinen Haus zu. Er keuchte, als er sich die letzten Stufen zum Flachdach hinaufschleppte. Seine Beine zitterten, als er den Blauen Herrscher still über Kraa stehen sah.
»Ein Wunder«, sagte er. Viel tiefer als sonst stand der Blaue Herrscher über dem Häusermeer. Näher als jemals zuvor, schwebte er vor dem Eingang zum gigantischen Felsdom.
Den Blick starr auf die Scheibe mit der mächtigen Kuppel gerichtet, beobachtete Lamon, wie sie jetzt langsam zur Stadtmitte schwebte.
Erneut überlief ihn Unsicherheit.
Kam einer der Blauen Herrscher, um zur ungewöhnlichen Zeit seine Opfer zu verlangen? Er überquerte die Stadt und flog dorthin, wo das seltsame Fahrzeug der Fremden unter Feuer und Donner am Boden verglüht war.
Da glaubte Lamon zu wissen, warum einer der Blauen Herrscher nach Kraa gekommen war: Die Fremden wurden gesucht, diese Wesen, die ganz anders aussahen als er.
Und diese Wesen hatten ihn geschmäht – ihn, Lamon, den Diener der Blauen Herrscher! Und wer ihn angriff und schmähte, der verhöhnte auch die Blauen Herrscher! Und Lamon wußte, was er zu tun hatte. Kein Zweifel und keine Angst nagten mehr an ihm.
Sein Plan, schon einmal gefaßt, wurde wieder in ihm wach. Er mußte die Fremden finden, sie in seine Macht bekommen und sie nach dem nächsten Intervall den Blauen Herrschern als Opfer anbieten.
Er verließ das Dach, rief seine Mit-Diener und sagte zu ihnen:
»Ich werde die vier Stadthalter aufsuchen und ihnen aus den Überlieferungen vortragen. Sie werden sich der Macht der Blauen Herrscher beugen, wie es ihre Pflicht ist. Geht und sucht die Fremden zu fassen!«
Lamon sah seine Mit-Diener davoneilen. Vom Atrium aus blickte er zum Himmel empor. Langsam schob sich ein Blauer Herrscher in sein Blickfeld. Alles schien von einem blitzenden Strahlenkranz umgeben zu sein. Noch nie hatte Lamon diese Erscheinungen beobachtet. Aber sie beunruhigten ihn nicht mehr.
Lamon verließ das Reine Haus. Sein Weg führte ihn zu den vier Stadthaltern. Man ließ ihn sofort vor. Mitten in der Rede wurde er gestört. Er blickte zur Seite. Von dort war das störende Geräusch gekommen. Vom Schreck erfaßt, zog sich sein ausgefahrener Tentakel ein. Furchtlos kam einer der unheimlichen Fremden auf ihn zu. Neben ihm watschelte ein kleines Wesen, das ihn aus großen Augen durchdringend ansah.
Lamon gewann seine Ruhe wieder. In demonstrativer Geste wies er auf die beiden unterschiedlichen Fremden. Dabei zitierte er Sätze aus der Überlieferung und sah die vier Stadthalter herausfordernd an.
Die aber reagierten nicht. Sie ließen zu, daß Rhodan und Gucky hinter ihnen Platz nahmen. Lamon sprach aufs höchste erregt von der Strafe der Blauen Herrscher, und er erinnerte daran, wie diese in grauer Vergangenheit gehandelt hatten, als man ihnen keine Opfer mehr ausliefern wollte.
Lamons Froschaugen drohten ihm plötzlich aus dem Kopf zu fallen. Er schnappte nach Luft und stieß unartikulierte Laute aus. In seinem Kopf hatte er eine Stimme sagen hören: »Lamon, wir werden diesem Opferspuk ein Ende machen!«
Mit Gelassenheit beobachtete Gucky die panische Bestürzung des alten Schnorchels.
»Lamon, deine Mit-Diener werden auf uns keine Jagd machen können, und bald wird der letzte von Loorn und seinen Freunden festgenommen sein!«
Zornig rief der Diener den vier Statthaltern zu, die unbeweglich saßen: »Warum verteidigt ihr nicht die Rechte der Blauen Herrscher? Warum laßt ihr dieses frevlerische Handeln zu?«
Die Statthalter blieben ihm die Antwort schuldig, aber der Schnorchel, der gerade den Raum betrat, antwortete ihm: »Lamon, warum die Rechte der Blauen Herrscher verteidigen, wenn fünfzehn Fremde anstelle der vorgesehenen Opfer den Blauen überreicht werden und ...«
»Loorn!« schrie Lamon, mühsam um seine Fassung kämpfend und die vier Statthalter verzweifelt anstarrend. »Loorn steht vor euch, und ihr ruft nicht die Wachen, diesen Abtrünnigen zu verhaften? Und unreine Fremde, deren Geist nicht gewaschen worden ist, sollen den Blauen Herrschern überantwortet werden? Unreine Fremde, die nicht den Vorschriften der Überlieferung unterworfen sind?«
Loorn stellte sich zwischen die Statthalter und Lamon: Sein Kopf schwebte in Höhe der flachen Schulter und war Lamon zugekehrt.
»Lamon, du wirst das Haus der vier Statthalter nicht früher verlassen, bis die Rotlichtepoche zu Ende ist. Meine Wachen werden jeden Fluchtversuch vereiteln, aber sie werden dich nicht hindern, zuzusehen, wie die Fremden sich deinen Blauen Teufeln ausliefern ...«
»Du wagst ...?« Weiter kam Lamon nicht.
Scharf fiel Loorn ihm ins Wort: »Ich handle im Einverständnis der Statthalter. Begreifst du nun, daß du nicht mehr das Recht hast, kraft deines Amtes über Leben und Tod zu entscheiden? Wenn bald die Rotlichtepoche einsetzt, werden die Zimmer im Reinen Haus leer sein. Meine Wachen stehen schon davor, um die Opfer vor dem Zugriff deiner Mit-Diener zu schützen.«
»Ist der Wahnsinn denn über euch alle gekommen, oder haben die Fremden euch verzaubert?« schrie Lamon verzweifelt. »Die Blauen Herrscher werden Kraa und alle anderen Städte bestrafen. Zittern wir nicht alle seit Ewigkeiten vor ihren Strafen? Wollt ihr fahrlässig das Leben von Millionen aufs Spiel setzen? Wer hat euren Verstand vernebelt?«
Gucky unterrichtete Perry Rhodan über den erregten Wortwechsel zwischen Lamon und Loorn.
»Perry, ich habe den Alten für einen Schurken gehalten, aber jetzt muß ich mein Urteil revidieren. Lamon glaubt felsenfest, was er gesagt hat, und er glaubt immer richtig gehandelt zu haben. Die Überlieferungen, an die er denkt, sind sein Wegweiser durch sein Leben.«
»Er ist kein Fanatiker, Gucky?«
»Nein! Er ist tief gläubig. Er fürchtet sich vor dem in seinen Augen frevlerischen Plan Loorns. Seine Weltfremdheit entschuldigt einfach alles.«
»Misch dich nicht ein, solange alles so verläuft, wie wir es mit Loorn und den vier Statthaltern vereinbart haben, Kleiner!«
Loorns Wachen waren erschienen und hatten Lamon umringt. Die Beschwörungen des alten Schnorchels waren verstummt. Er hatte eingesehen, daß er sich beugen mußte. Als Loorn ihm anklagend vorhielt, daß durch seine Schuld die Bewacher – früher einmal als Opfer auserwählt – den Verstand verloren hätten, zitierte Lamon mit fester Stimme Sätze aus den Überlieferungen.
Er begriff nicht, daß die vier Statthalter Loorns frevlerisches Spiel uneingeschränkt mitmachten. Er hörte auch nicht, daß es draußen auf der Straße lauter und lauter geworden war. Loorn befahl den Wachen, Lamon ans Fenster zu führen.
Erstaunt blickte der Diener der Herrscher nach unten und sah das Volk durch die Straße strömen. Alle bewegten sich in derselben Richtung. Mit harter Stimme klärte Loorn ihn auf. »Sie sind auf dem Weg zum Reinen Haus, um die Quelle ihrer Furcht zu zerstören! Lamon, kannst du nicht sehen, daß wir alle ein Recht haben, unser Leben frei von Furcht zu leben?«
Lamons Kopf zitterte. Seine Stimme klang verzweifelt, als er zitierte: »Die Meister haben die Blauen Herrscher als Wächter und Richter über euch eingesetzt. Sie werden wachen und richten, bis ans Ende der Zeit; sie werden strafen immerfort ... Und ihr glaubt, die Überlieferungen Lügen strafen zu können? Ihr stürzt uns alle in den Untergang!«
»Oder die Blauen Teufel werden vom Himmel stürzen und sich selbst dabei vernichten!« triumphierte Loorn.
»Ihr Narren«, sagte Lamon hoffnungslos. »Ihr könnt den Blauen Herrschern ebensowenig etwas anhaben, wie es euch bisher gelungen ist, die Gurus in der Grün-Etage zu vernichten, um vor den Blauen Herrschern zu entfliehen!«
Rhodan hatte sich kerzengerade aufgerichtet. Mit einem Satz hatte der alte Schnorchel die Erklärung für den Kampf der Vermummten in der Grün-Etage gegen die Gurus geliefert.
Neben ihm sagte Gucky: »Perry, wir müssen ihnen helfen, wenn wir uns selbst helfen wollen. Aber ist es draußen nicht heller geworden?«
Rhodan sah zum Fenster hinüber.
Die Rotlichtepoche hatte begonnen. Wenn sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, kamen die drei Robotstationen, um ihre Opfer in Empfang zu nehmen. Perry Rhodan erhob sich, Gucky ebenfalls.
»Kleiner, sage den vier Statthaltern und Loorn, daß wir gehen müssen, um unsere Zusage einzuhalten.«
Der Mausbiber teilte es ihnen auf telepathischer Basis mit. Loorn antwortete auf gleichem Weg: »Ich zittere um euer Leben!«
In diesem Augenblick hatte der Ilt das Gefühl, telepathisch geortet zu werden. Loorn kam nicht in Frage. Gucky konzentrierte sich und entdeckte, wer auf paraphysikalischer Ebene nach ihm griff.
Die Robotstation über Kraa hatte ihn ausgemacht!
Perry Rhodan begriff sofort, in welcher Gefahr sie schwebten, als Gucky ihm seine Beobachtungen mitgeteilt hatte.