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Der Bund der Sternwürdigen - Menschen von der Erde erhalten eine neue Aufgabe Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) - das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum. Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen, die ihnen allem Anschein nach übel wollen. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben. Von den geheimnisvollen Spenta weiß man am wenigsten: Ihnen liegen Sonnen am Herzen. Ihrer Ansicht nach wird Sol durch den Leichnam der Superintelligenz ARCHETIM verschandelt - deshalb haben sie das Herz des Systems "verhüllt". Ganz anders die Fagesy: Sie sehen in den Menschen gemeine Diebe, die den Leichnam einer Superintelligenz gestohlen haben, und fordern Sühne. Ihnen zur Seite stehen die Sayporaner, die nichts Geringeres im Sinn haben, als die "Neuformatierung" der Menschheit. Delorian, Perry Rhodans Sohn und einst Chronist der Superintelligenz ES, versucht dies mit seinem "Bund der Sternwürdigen" zu verhindern. Deren prominentestes Mitglied ist TOUFEC ...
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Seitenzahl: 163
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Nr. 2659
Toufec
Der Bund der Sternwürdigen – Menschen von der Erde erhalten eine neue Aufgabe
Richard Dübell
Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.
Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen, die ihnen allem Anschein nach übel wollen. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.
Von den geheimnisvollen Spenta weiß man am wenigsten: Ihnen liegen Sonnen am Herzen. Ihrer Ansicht nach wird Sol durch den Leichnam der Superintelligenz ARCHETIM verschandelt – deshalb haben sie das Herz des Systems »verhüllt«.
Ganz anders die Fagesy: Sie sehen in den Menschen gemeine Diebe, die den Leichnam einer Superintelligenz gestohlen haben, und fordern Sühne. Ihnen zur Seite stehen die Sayporaner, die nichts Geringeres im Sinn haben, als die »Neuformatierung« der Menschheit.
Delorian Rhodan – Ein Chronist paktiert mit einer merkwürdigen Stadt.
Toufec – Ein Babylonier stellt die Liebe zu seinem Bruder über seine Pflichten.
Pazuzu – Ein Flaschengeist, der keiner ist.
Clara
Erstes Buch
Das Auge des Sturms
1.
Gut zwanzig Meilen nordwestlich von Tiamat lief die Handelsstraße, die im Volksmund wegen der hauptsächlich darauf transportierten Güter »Weihrauchstraße« genannt wurde, zwischen zwei zerklüfteten Bergrücken hindurch. Es war der geeignete Ort für einen Überfall.
Natürlich wusste jeder, dass es der geeignete Ort für einen Überfall war. Vor allem die Karawanenführer wussten es. Deshalb wurde an dieser Stelle so gut wie nie ein Überfall verübt.
Und deshalb hatte Toufec genau dort einen Überfall geplant – weil niemand damit rechnete und deshalb keiner vorbereitet sein würde. Toufec lag ein Stückchen unterhalb des Felskamms, über den hinweg sie die Straße beobachten konnten. Er gestand sich ein, dass der Gedankengang ein wenig kompliziert war. Aber für unkomplizierte Gedanken waren geringere Geister zuständig. Toufec war keiner davon. Er war der kommende Mann in Tiamat. Und dieser Überfall würde es beweisen!
»Sie kommen«, flüsterte Asin, als ob man ihn unten auf der Straße hören könnte.
Toufec grinste zu Asins eifrigem Gesicht nach oben. Asin war Toufecs kleiner Bruder, ein junger Mann an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er hatte ihn auf eigene Faust mitgenommen, damit der junge Bursche lernte, dass zu einem richtigen Überfall mehr gehörte als rohe Gewalt. Was den Krieger auszeichnete, war List.
Mit einer Übermacht an Männern über ein paar verängstigte Sklaven und einen fetten Weihrauchhändler herzufallen, nachdem man die Geleitmannschaft aus der Ferne mit Pfeilen erledigt hatte – das konnte jeder. Man musste die Beute elegant überraschen und dabei für die eigene Legende sorgen; indem man sie zum Beispiel dort überfiel, wo kein anderer es wagte.
»Wie viele sind es?«, rief Toufec nach oben.
Asin machte Gebrauch von seinen Fingern. »Zehn Kamele, zehn Pferde, zwanzig Esel«, meldete er dann.
Toufec stutzte. Als die Karawane am Vortag in Tiamat aufgebrochen war, hatte sie aus drei Kamelen, zwei berittenen Wächtern und fünf Eseln bestanden. Es war eine kleine, so offensichtlich unbedeutende Karawane gewesen, dass Toufec sofort klar gewesen war, dass sie etwas besonders Wertvolles transportieren musste. Im Grunde waren alle Güter wertvoll: Salz, Gewürze, Tuche, Trockenobst, Wein ... Aber am wertvollsten war Weihrauch. Der Weihrauchhändler, dessen Karawane Toufec abzufangen plante, hatte sich getäuscht, wenn er dachte, sein simpler Trick würde nicht durchschaut werden.
Außer dass sich die Karawane plötzlich vergrößert hatte. Zehn Pferde bedeuteten zehn bewaffnete Karawanenwächter, dazu eine größere Anzahl Sklaven und Knechte zu Fuß. Man konnte nicht damit rechnen, dass die alle flohen, sobald der Angriff begann. Besonders, wenn sie merkten, dass die Angreifer nur zu sechst waren.
Toufec zupfte sich nachdenklich den Bart, der wie üblich so zerrauft aussah, als hätten junge Hunde darin geschlafen. Sollte er seine Pläne aufgeben? Nachdem es ihm nur mit großen Mühen gelungen war, diese Mission überhaupt anführen zu dürfen?
»Wie viele sind es?«, rief Labaschi nach oben. Labaschi gehörte zu den wertvollsten Kriegern, die Toufec anvertraut worden waren. Sein Kopf war zwar dünner als seine Waden, aber wo Labaschi hinschlug, wuchs keine Palme mehr, und wenn Labaschi sich in Bewegung gesetzt hatte, hielt ihn nur noch eine Felswand auf. Labaschi war so viel wert wie drei normale Männer, außer es wurde von ihm verlangt, dass er nachdachte.
»Zwei Kamele, ein Wächter und drei Esel!«, rief Toufec nach unten. Er kauerte auf halbem Weg zwischen Asin, dem Ausguck, und den anderen vier Männern am Fuß des Felsens. Asin starrte Toufec überrascht an.
»Die können doch sowieso nicht zählen«, sagte Toufec und zuckte die Achseln.
»Bist du sicher, dass wir das tun sollten?«, fragte Asin.
Toufec kletterte nach oben. »Lass mal sehen.« Er versuchte Genaueres zu erkennen.
Noch war die Karawane nicht viel mehr als eine Reihe kaum unterscheidbarer bunter Figürchen vor dem strahlenden Ocker der Landschaft. Ihm fiel ein, dass es vor ein paar Tagen geheißen hatte, eine riesige Karawane, die den langen Weg von Ma'rib kam, werde in Tiamat erwartet. Der Anführer der Karawane, hatten die Gerüchte besagt, sei Yazid ben Zair, der gefürchtetste Karwan-Baschi von allen.
Yazids Spezialität war es, die Karawanenräuber, die er fangen konnte, nackt in der Wüste auszusetzen – an Händen und Füßen am Boden angepflockt und mit Honig auf den Augen und den für einen Mann wichtigsten Körperteilen. Man mochte nicht glauben, wie viele Insekten es in dieser wüsten Landschaft gab, die sich voller Gier darauf stürzten. Man mochte auch nicht glauben, dass ein Mann davon verrückt werden konnte, bis man an einem solchen Unglücklichen vorbeikam und sah, was Sonne, Hitze, ein paar Stunden Zeit und Milliarden von krabbelnden, kitzelnden, beißenden, saugenden und tupfenden Insekten aus ihm gemacht hatten.
Die Karawane hatte Tiamat nicht erreicht gehabt, als Toufec von dort aufgebrochen war. Sie mochte aufgehalten worden sein. Oder sie mochte die Stadt umgangen haben. Wenn sie groß genug war, führte sie genug Vorräte mit sich, um nicht jede Siedlung auf dem Weg als Station zu benötigen. Und wenn das, was er da unten sah, nun die Karawane von Yazid ben Zair war, die Toufecs Beute verstärkt hatte? Aber es konnte nicht sein. Dazu war sie wiederum zu klein!
Dann sagte er mit überlegenem Lächeln: »Wer Honig essen will, der ertrage das Stechen der Bienen.« Er hatte gesehen, dass auf den Pferden keine bewaffneten Krieger saßen, sondern eine Gruppe von Frauen – entweder die Ehefrau und die Töchter des Händlers oder seine Lustsklavinnen. Sie würden kein Problem darstellen.
Asin wies auf eine Säule tanzenden Sands in einiger Entfernung. »Schau mal«, sagte er. »Ein al hul. Ein Staubteufel.«
»Es heißt, die Dinger bringen Glück.« Toufec lächelte. »Sie entstehen, wenn ein Dschinn tanzt. Wer hineinfasst und den Dschinn festhalten kann, dem erfüllt er einen Wunsch.«
Asin lächelte zurück. »Und was ist dann mit einem ganzen Staubsturm?«
»Das sind viele tausend Dschinni, die tanzen. Wenn du die zu fassen kriegst, bekommst du tausend Wünsche erfüllt.«
Asin starrte zu dem Phänomen, das weit hinter der Karawane neben der Straße zu stehen schien. Er wirkte nachdenklich. »Glück könnten wir jetzt auch brauchen.«
Toufec spähte über seine Schulter. Es war früher Nachmittag, die Sonne stand in seinem Rücken. Besser konnte es nicht mehr werden.
Er schlug Asin gegen den Oberarm. »Wir brauchen kein Glück geschenkt, wir nehmen es uns einfach. Es geht los, duppussû!«
»Nenn mich nicht immer ›kleiner Bruder‹!«
Toufec erwiderte nichts darauf. Er liebte Asin von ganzem Herzen, aber es schadete nichts, dem Jungen klarzumachen, wer das Sagen hatte. Einem plötzlichen Einfall folgend, löste er den Gürtel des kürzeren Schwerts, das er an der Hüfte trug, und reichte die Waffe seinem Bruder.
»Hier«, sagte er so nebenbei wie möglich. »Ich wollte es dir schon immer schenken. Heute ist ein guter Tag dafür.«
Asin band sich das Schwert mit einer so strahlenden Miene um, dass Toufec sicher war, das Richtige getan zu haben. Sie rutschten an dem Felsen zu den anderen hinunter. Toufec ging noch einmal den Plan durch. Wenn man Labaschi in der Mannschaft hatte, konnte man Pläne nicht oft genug erklären, besonders wenn sie über »wir gehen hin und hauen alles kurz und klein« hinausgingen.
Sie würden zu viert nach unten galoppieren und die Karawane aufhalten: Toufec, Asin, Labaschi und ein weiterer Krieger. Die anderen beiden würden Toufecs zahlreiche im Hinterhalt liegende Mannschaft darstellen. Es würde klappen; sie hatten es ein paar Mal geübt, während sie auf die Karawane gewartet hatten.
Die Männer nickten einander zu und stießen sich mit den Fäusten an. Dann kletterte das Überfallkommando auf die Kamele; die beiden verbleibenden Krieger begaben sich auf ihre Plätze.
Es ging los. An diesem Tag würde Toufec sich seinen Namen machen in der Welt der Diebe, Wucherer und Wüstenräuber der Stadt Tiamat. Also quasi bei der gesamten Einwohnerschaft.
2.
Die Kamele wirbelten mit ihrem Schlenkergalopp jede Menge Staub auf, und Toufec dachte, dass sie selbst wie ein großer Staubteufel auf die Karawane herabstießen. Er war sich des Auftritts bewusst, den er inszeniert hatte.
Der Staub sank herab, als sie die Kamele gezügelt hatten, die Wolke lichtete sich, und aus ihr schälte sich der Umriss eines Reiters heraus; eines Reiters, der elegant vom Kamel sprang und auf die Karawane zuschritt, während hinter ihm der herabsinkende Staub weitere Gestalten enthüllte, die schweigend und bedrohlich auf den Kamelen saßen.
Er schritt auf die Karawane zu, der Wüstenwind ließ seine weiten Gewänder und seinen schwarzen Mantel flattern, das Staubtuch verhüllte den unteren Teil des Gesichts, aber nicht die blitzenden dunklen Augen, die kühn geschwungenen Brauen, das halblange pechschwarze Haar, das er während des Ritts mit einer Kapuze vor dem Staub geschützt hatte und das ihm um den Kopf peitschte wie der Mantel um die muskulöse, breitschultrige Gestalt.
Seine drei Krieger folgten ihm, aber Toufec war sicher, dass alle Augen in der Karawane auf ihm ruhten. Er war sogar einen halben Kopf größer als Labaschi. Er war der unbestrittene Herr dieser Wüstenräuber, er war der Mann, der die Karawane plünderte, ohne dass dafür auch nur ein Tropfen Blut vergossen werden musste; er war der listigste, eleganteste und mutigste Krieger von Tiamat.
Als er sich vor den Frauen auf den Pferden verbeugte und sagte: »Die schönsten Blumen bringt die Wüste hervor!«, wusste er, dass spätestens am Abend dieses Tages ganz Tiamat diese Worte wiederholen würde. Er richtete sich auf und grinste triumphierend.
Der Kaufmann, dem die Karawane gehörte, fragte: »Ist das alles? Vier Figuren auf Kamelen? Wollt ihr uns ausrauben oder um Almosen betteln?«
Toufec hatte damit gerechnet. Er lächelte den Kaufmann an, steckte die Finger in den Mund und pfiff. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass sich nun einer der beiden verbliebenen Männer auf dem Felskamm zeigen würde, eine schweigend-bedrohliche Silhouette im Gegenlicht. Er pfiff erneut. Der zweite Krieger zeigte sich, zwei Dutzend Schritte entfernt. Toufec ließ sich ein bisschen Zeit, damit der erste Krieger hinter dem Felskamm auf seine neue Position hasten konnte, dann pfiff er ein drittes Mal. Dass es wieder der erste Krieger war, der sich nun zeigte, konnten die Männer in der Karawane nicht erkennen; auch nicht, dass beim vierten Pfiff der zweite Krieger erneut auftauchte, seinerseits ein paar Dutzend Schritte vom alten Platz entfernt.
Toufec legte eine Pause ein. »Soll ich weitermachen?«, fragte er liebenswürdig. »Das dauert dann aber eine ganze Weile.«
Der Kaufmann schluckte. »Nehmt euch, was ihr braucht, aber verschont unser Leben«, sagte er mürrisch.
Toufecs triumphierendes Grinsen hatte die ganze Zeit über nicht gewankt.
Die Welt gehörte ihm.
3.
Wenig später waren Toufec, Labaschi und der weitere Krieger mit einer Bestandsaufnahme beschäftigt. Wie es schien, hatte sich dem Weihrauchhändler – denn diese Fracht war unter der Tarnung der bedeutungslosen kleinen Karawane zum Vorschein gekommen – ein Sklavenhändler angeschlossen. Seine Güter waren die Frauen auf den Pferden gewesen: hochklassige Luxusgeschöpfe, deren Gepäck mehrere Kamele benötigte und für die ein Käufer in Tabu oder Sakakah ein Vermögen hinlegen würde.
Toufec hatte Asin mit den Frauen zu den Felsen hochgeschickt. Er wollte nicht, dass Labaschi oder sein Kamerad auf dumme Gedanken kamen. Asin erfüllte außerdem eine Aufgabe als Ausguck. Man konnte nie wissen, wer sich auf der Straße näherte, und von einer großen, schwer bewaffneten Karawane überrascht zu werden, während man eine kleine ausplünderte, kam in Toufecs Plan von zukünftiger Größe unter den Halsabschneidern Tiamats nicht vor. Die beiden verbliebenen Krieger waren als stumme Drohung an ihren letzten Plätzen auf dem Felskamm stehen geblieben.
Dann hörte Toufec einen Pfiff und sah zum Felskamm hoch – und wusste, dass etwas grässlich schiefgegangen war und dass es zwar seine Schuld, aber Asins Fehler war.
Asin hatte seine Pflicht als Ausguck nicht wahrgenommen. Stattdessen hatte er den Sklavinnen schöne Augen gemacht. Er war nicht einmal bis zum Felskamm emporgeklettert. Deshalb hatte er die Angreifer nicht gesehen, die sich in Höchstgeschwindigkeit näherten.
Der Staubteufel fiel Toufec ein, den sie neben der Straße gesehen hatten.
Er hatte nur ausgesehen wie ein Staubteufel, und es war auch kein Dschinn darin gewesen. Was sich in der Staubsäule verborgen hatte, kam nun in lang ausgreifendem Kamelgalopp und mit gezückten Schwertern auf die Karawane zu.
Toufec war die ganze Zeit über nicht der Fallensteller gewesen, sondern die Beute.
Toufec reagierte schnell, aber nicht schnell genug. »Lauft!«, brüllte er. »Zu den Felsen!«
Sie hatten keine Chance. Der eine Krieger, den er mitgenommen hatte, wirbelte einmal um die eigene Achse und stürzte zu Boden, einen Pfeil im Leib. Labaschi stellte sich den Kamelreitern, fällte eines der heranrasenden Tiere mit der Faust, sodass sich Reittier und Reiter in einem Wirbel aus Gliedmaßen überschlugen, zog einen weiteren Reiter mit einem Griff aus dem Sattel, dann erblühte plötzlich in seinem Gesicht eine grellrote Blume, eine Fontäne spritzte in die Luft – und der Angreifer, der Labaschis Schädel mit seiner Klinge gespalten hatte, ritt, ohne anzuhalten, weiter.
»Bei Ruda!«, schrie Toufec, weil ihm in dem Entsetzen, das er empfand, nur die Göttin von Krieg und Tod einfiel. »Bei Ruda!«
Er rannte auf die Felsen zu, auf denen Asin gelähmt vor Schreck kauerte. Die Sklavinnen kreischten, ihre Pferde scheuten. Die zwei Krieger auf dem Felskamm waren verschwunden, und einen Moment dachte Toufec, sie seien entkommen, dann sah er den einen von ihnen den Abhang herunterkollern, eine dunkle nasse Spur auf dem goldfarbenen Fels hinterlassend. Der Felskamm war plötzlich von Männern mit gezogenen Schwertern und gespannten Bogen besetzt.
Etwas summte an Toufec vorbei – ein Pfeil. Er warf sich zur Seite. Die Eisenspitze eines weiteren Pfeils schlug Funken aus dem Stein, wo Toufec gerade noch gewesen war.
Er und Asin waren übrig. Sie würden es nie zu den Kamelen schaffen, die den beiden toten Kriegern auf dem Felskamm gehört hatten. Ihre eigenen Kamele hatte Toufec vor Schreck bei der Karawane gelassen. Toufec rannte um sein Leben; und um das seines kleinen Bruders.
»Die Pferde!«, brüllte er. »Die Pferde!«
Asin verstand. Er sprang auf und griff nach den Zügeln von zweien der Gäule, auf denen die Mädchen saßen. Die Luxussklavinnen kreischten, eine schlug mit einer parfümierten Faust auf Asin ein.
»Toufec!«, schrie Asin.
Toufec warf sich im Laufen zur Seite und stürzte. Er bildete sich ein, eine Klinge über sich hinwegsausen zu hören. Ein Kamel galoppierte an ihm vorüber, ein Kamelhuf traf ihn wie der Fußtritt eines Riesen. Er hörte den Reiter enttäuscht fluchen.
Keuchend sprang er auf. Asin kämpfte mit den Pferden und den Frauen. Der Reiter wendete und trieb sein Kamel wieder an. Toufec sah nur seine Augen zwischen den Tuchbinden um Gesicht und Stirn. Er hatte einen faustgroßen Stein aufgerafft, als er wieder auf die Beine gekommen war. Er hoffte, der Reiter wäre Yazid ben Zair, als er den Stein mit aller Kraft schleuderte. Er traf den heranstürmenden Reiter mitten auf die Stirn. Der Mann kippte nach hinten vom Kamelrücken und rollte über den Boden wie eine Lumpenpuppe.
»Die Pferde, bei Ruda, die Pferde!«, brüllte Toufec.
Asin war heillos in den Zügeln verheddert. Dann war Toufec heran. Er packte den Fuß einer der Frauen und warf sie aus dem Sattel. Sie schrie auf, prallte hart auf den Boden und blieb reglos liegen. Der Sattel war eine Art gepolsterter Sessel; Toufec schwang sich hinauf, griff blind um sich und bekam einen Haarschopf zu fassen, der kunstvoll aufgesteckt gewesen war. Die Besitzerin des Haars kreischte vor Schmerz. Er zerrte sie samt Pferd zu sich heran. Sie versuchte ihn zu kratzen. Er holte aus und schlug sie. Sie schwankte im Sattel.
Ein weiterer Kamelreiter kam heran, das Schwert beschrieb blitzende Kreise, als er es über dem Kopf wirbelte. Toufec schlug seinem Gaul die Fersen in die Flanken. Er keuchte und machte einen Satz. Toufec stieß die Frau, die er gepackt hatte, von sich, sie zog an ihren Zügeln, ihr Pferd stolperte und geriet in die Bahn des Kamels. Tiere, Krieger und Sklavin prallten zusammen und gingen zu Boden.
Asin hatte ein anderes Pferd erklettert, auf dem noch die eigentliche Besitzerin saß.
»Schmeiß sie runter!«, schrie Toufec. Asin und die Sklavin kämpften um den Besitz der Zügel, das Pferd tänzelte im Kreis, und auf einmal fiel die Frau nach hinten in Asins Arme, einen Pfeil in der Brust. Toufec sah sich wild um. Ein halbes Dutzend Kamelreiter waren fast heran, vom Felskamm schossen die Bogenschützen herunter. Undeutlich hörte er vorne bei der Straße den Sklavenhändler fluchen, dessen Ware immer stärker beschädigt wurde.
Die angeschossene Sklavin glitt aus dem Sattel. Asin sah mit wildem Blick von ihr zu Toufec.
»Flieh, duppussû, flieh!«, hörte Toufec sich brüllen, dann trieb er sein Pferd an, sprengte durch die herangaloppierenden Kamelreiter, warf sich nach links und rechts, um den Schwertstreichen zu entgehen, und war hindurch. Bis die Kamele wendeten, würde er genügend Vorsprung haben.
Er sah sich um. Asin war ebenfalls entkommen.
Und Toufecs Traum von Ruhm und Anerkennung lag in Gestalt von vier toten Kriegern im Staub und färbte den Boden rot.
4.
In Tiamat regelte der Oheim die ganze Angelegenheit.
Die ganze Stadt nannte ihn den Oheim: Ahhabi. Hinter seinem Rücken wurde er manchmal auch Ahhabi Da'Ummatu genannt – Onkel Finsternis, weil das die Situation war, in der er am liebsten seine Geschäfte abwickelte; und auch der Zustand, der sich um denjenigen ausbreitete, der sich so einen Namen einfallen ließ.
Der Oheim war nicht ärgerlich, wenn ab und zu ein Witzbold auftauchte und meinte, sich einen Scherznamen für ihn ausdenken zu müssen. Es ersparte ihm die Mühe, einen Unschuldigen ermorden zu lassen, um den nötigen Respekt vor seiner höchsteigenen Person aufrechtzuerhalten. In der Regel gewährte er deshalb den Witzbolden einen schnellen Tod. Es sei denn, der Mann war außergewöhnlich witzig gewesen und hatte einen besonders scherzhaften Namen erfunden. Der Zustand, in dem die Leiche eines solchen Mannes gefunden wurde, reizte jedenfalls niemanden zum Lachen.
Natürlich hatte jedermann in Tiamat schon von der Schlappe gewusst, die Toufec widerfahren war, ehe er und Asin dort eingetroffen waren. Wie es sein konnte, dass ein Gerücht schneller reiste als die einzigen beiden Menschen, die es hätten verbreiten können, wusste niemand, aber so etwas geschah stets aufs Neue.
Der Oheim war nicht erbaut gewesen von Toufecs Geständnis, vier Männer, darunter Labaschi, und die gesamte Beute verloren zu haben. Toufec hatte sich auf eine Bestrafung gefasst gemacht. Der Oheim hatte immer jede Menge unschöne Aufgaben zu vergeben, die diejenigen seiner Gehilfen verrichteten, die seinen Unwillen erregt hatten. Das betraf allerdings nur die Fehler der wichtigen Gehilfen ... die weniger wichtigen von des Oheims irrenden Gefolgsleuten teilten das Schicksal der phantasievollen Namenserfinder.