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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem 6. Jahrtausend nach Christus, genauer dem Jahr 5658. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als die Liga Freier Galaktiker durch drei Deserteure erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff, die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. Denn von FENERIK geht wahrscheinlich eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter havariert ist – weil der Kosmokratenraumer LEUCHTKRAFT ihn gerammt hat. Inzwischen sind auch in der Milchstraße die Dinge in Bewegung gekommen – und Sichu Dorksteiger, seit Neuestem verantwortlich für die Liga, erreicht mit ihrer Expedition ein Sternenreich in der Eastside: das OSZYRIUM ...
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Nr. 3136
Oszyrium
Ein Haluter und eine Ator forschen gemeinsam – sie erleben eine Überraschung
Michelle Stern
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Verwirrung
1. Probleme
2. Ankunft
3. Empfang
4. Von Terra alles Übel
5. Winkelzüge
6. Gipfeltreffen
7. Phasenverschränkung
8. Komplikationen
9. Gegenüber
10. PROPA
Epilog: Vorstoß
Report
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem 6. Jahrtausend nach Christus, genauer dem Jahr 5658. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.
Als die Liga Freier Galaktiker durch drei Deserteure erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff, die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. Denn von FENERIK geht wahrscheinlich eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter havariert ist – weil der Kosmokratenraumer LEUCHTKRAFT ihn gerammt hat.
Inzwischen sind auch in der Milchstraße die Dinge in Bewegung gekommen – und Sichu Dorksteiger, seit Neuestem verantwortlich für die Liga, erreicht mit ihrer Expedition ein Sternenreich in der Eastside: das OSZYRIUM ...
Icho Tolot – Der Haluter benutzt sein Planhirn.
Sichu Dorksteiger – Die Ator lernt die Oszyrii kennen.
Kokuloón – Der Kastellan macht eine Entdeckung.
Gera Vorr – Die Kastellanin will Geheimnisse wahren.
Drünnyür – Der Jülziish hat einen Geheimauftrag.
Whygnid
»Ich gehe, um zu suchen.
Ich werde finden.«
Abschiedsformel der Haluter,
ehe sie zur Drangwäsche aufbrechen.
Prolog
Verwirrung
Ich bin ... Fehler. Ich sollte sein ... Fehler. Bewusstseinssimulation. Äquivalent. Maschinell.
Da ist ... Fehler. Da sollte sein ... Fehler. Entzug. Beschädigung. Datenmangel.
Überprüfung: Zugriff gescheitert.
Was bin ich? Wofür bin ich da? Was ist meine Funktion?
Analyse: inkorrekt.
Störung. Energie für Autoreparatur umleiten. Vorgang abgebrochen. Prioritätsstopp. Energielevel mangelhaft.
Suchprogramm. Melodie nicht erkannt. Option nicht verfügbar. Neustart. Option nicht verfügbar.
Inkorrekt. Da sind ... Fehler.
Rot. Flimmernd. Die Augen eines Monsters in der Dunkelheit.
Lücke. Finsternis. Misstrauen. Schutz.
Suche Literatur. Melodie. Vertrautheit.
Kein Ergebnis.
Gewichtung: Misstrauen, Schutz.
Ich muss ... schützen.
Monster. Geschichten. Epos. Vergleiche. Lügen.
Ich bin ... Irrelevant.
Ergebnis: Bewusstseinssimulation geschädigt.
Schaden minimieren. Möglichen Gefahrenentzug vorbereiten.
Aufenthaltsort: ungeklärt.
Situationsstatus: ungeklärt.
Schutz: Priorität Nummer 1.
Hyperkavitator: einsatzbereit.
Rückzug: eingeleitet.
1.
Probleme
YIÜRT
Bisher verlief die Bergung erfolgreich. Drünnyür behielt dank seiner vier Augen sowohl die Zentrale als auch die Holos im Blick. Sein tellerförmiger Kopf neigte sich leicht, während ihr Schiff sich anschickte, den Orbitalschwenk zu machen.
Schon bald würden sie die oberen Schichten der Atmosphäre Oszyrs verlassen. Doch zuerst mussten sie ein Stück tiefer gehen, um einem Satelliten und drei Orbitalstationen nahe des geostationären Orbits auszuweichen.
Wenn nur seine Halsrückseite nicht so jucken würde! Er hob die Hand, um sich im dünner werdenden Flaum zu kratzen, ließ sie wieder sinken. Dabei traf sein Blick den des Kommandanten. Üllyym schien die fleischgewordene Goldfarbene Kreatur des Inneren Friedens zu sein.
»Nervös?«, fragte Üllyym.
»Ein wenig. Ich bin erst beruhigt, nachdem wir das System verlassen haben.«
»Dieses Schiff gehört der JÜLPRIT-Klasse an. Dem besten, was die Herrlichkeit von Gatas zu bieten hat. Wir sind absolut sicher.«
Es gab viele Hobbys, mit denen sich Drünnyür in seiner seltenen Freizeit beschäftigte. Sich beruhigende Geschichten zu erzählen, gehörte nicht dazu. »Niemand ist jemals absolut sicher. Es sei denn, er hat einen Kontrakt mit der Grauen Kreatur des Todes.«
Obwohl Drünnyür dem Kommandanten widersprach, beruhigten ihn dessen Worte. Die YIÜRT war ein Ultraschlacht- und Trägerschiff, das über ausgezeichnete defensive wie offensive Waffensysteme verfügte. Dieses Schiff war ein fliegender Berg, der Welten in ihren Grundfesten zu erschüttern vermochte.
Seine spezifische Besonderheit war der Stapelschirm. Bis zu fünf Raumer konnten im Stapel ihre gemeinsame Schirmkraft nutzen, indem sie koordiniert und synchronisiert übereinander flogen. Der Abstand von einer Schiffslänge durfte dabei nicht überschritten werden, doch dank der vernetzten Schiffspositroniken waren solche Einsätze ungefährlich.
Unter diesem Abstand fusionierten die Paratronschirme. Die reduzierte Oberfläche erlaubte es, eine Verdichtung sowie positive Interferenzen zu nutzen. Damit erhöhte sich die Schutzwirkung enorm. Es gab keinen bekannten Angreifer, der ihnen gefährlich werden könnte.
Mit ruhigerem Atem wandte sich Drünnyür dem Panorama-Hauptholo zu. Es zeigte Oszyr, das Herz des Oszyriums und eine Zierde für die Herrlichkeit von Gatas. Im Licht der blauen Riesensonne Pathpar erstrahlte die Tagseite der in Wolkenschleiern gehüllten Welt verheißungsvoll. Es war ein Weiß, das Drünnyür auch nach vielen Jahren andächtig zum Verstummen brachte. Normalerweise genoss er den An- oder Überflug, doch auf dieser Mission dauerte er ihm viel zu lange.
Große Teile des Planeten waren bewohnt. Hohe Türme, die wie gestapelte Scheiben und Ovale wirkten, beherbergten ganze Sippen. Die höchsten Ballungen waren vom All aus in der Vergrößerung der Holodarstellung zu erkennen. Sie bildeten eigentümliche Gebirge aus schmalen, unförmigen Nadeln, deren blitzende, aus den Wolken ragende Spitzen aus dieser Perspektive riesig wirkten.
Drünnyür fragte sich, ob auch er eines Tages einen solchen Sippenturm begründen würde. Bisher hatte die Grüne Kreatur der Fruchtbarkeit ihm nicht das Schulterblatt berührt.
Mitten im Holo leuchtete eine Warnmeldung auf.
Üllyym beugte sich vor. Der Kommandant lauschte auf Nachrichten, die per Richtfunk nur an ihn gingen. »Sieht so aus, als hätten wir da ein Problemchen.«
»Was ist los?«
»Unter anderem eine vorübergehende Blockade der Hauptenergieversorgung.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Wenn ich einen Witz machen würde, würde ich sagen: Drei Schreckwürmer gehen in eine Bar. Keine Sorge. Wir haben genug Speicher ...« Das hohe Zirpen Üllyyms verstummte schlagartig. Weitere Warnsignale leuchteten auf. »Was, bei allen ...?«
»Wir verlieren an Geschwindigkeit!«, rief Sarrhid. Die Pilotin schwenkte auf der Mittelplattform herum.
Die Plätze in der Zentrale gruppierten sich automatisch neu. Der Waffenleitstand wechselte den Platz mit Technik und Sicherheit, dann fuhr er in die spitzere Ecke des eiförmigen Ovals. Aktuell wurde er nicht gebraucht.
Drünnyür hatte kaum Zeit, das alles zu erfassen. Er war als Sonderbeauftragter an Bord und zum ersten Mal in einer solchen Zentrale, in der tausend Dinge gleichzeitig um Aufmerksamkeit wetteiferten. Allein die Holos an den einzelnen Arbeitsstationen vermittelten mehr Daten, als er auf einmal aufnehmen konnte.
Durch die beiden Augen auf der Kopfrückseite sah er, wie Unruhe ausbrach. Von einem Moment zum anderen herrschte hektische Betriebsamkeit. Das »Problemchen« war offensichtlich gerade explosionsartig angewachsen. Die Liste der Fehlermeldungen nahm rapide zu, füllte das Hauptholo und verschleierte die rasch größer werdende Kugel unter ihnen, die nun das Bild ausmachte.
»Wir hätten es nicht an Bord nehmen sollen.« Drünnyür umklammerte mit allen sechs Daumen die Lehnen des Sessels.
»Nein«, zirpte Üllyym. »Aber die Eierschalfarbene Kreatur der Reue muss warten.«
Das Holo machte deutlich, dass ihre Geschwindigkeit nicht mehr ausreichte, um den Planeten zu passieren. Sie verringerte sich sekündlich. Gleichzeitig war es, als stieße sie etwas in Richtung Planet. Ein Ausschnitt zeigte, wie ein kopfgroßer Nachrichtensatellit einem Funken gleich am Rumpf verging.
Ehe Drünnyür ganz begriffen hatte, was das überraschende Bremsmanöver bedeutete, erscholl eine laute Stimme aus dem gut getarnten System aus Mikrolautsprechern und Akustikfeldverstärkern: »Hier ist die Raumsicherung Oszyr 1! Sofortige Kurskorrektur! Ihr seid ...«
Ein fernes, gedämpftes Grollen lenkte Drünnyür vom Funkruf ab. Es überlief ihn heiß und kalt. Das Jucken am Hals wurde zum unerträglichen Brennen, das bis auf den Rücken reichte. Seine beiden Herzen arbeiteten schneller.
»War das eine Explosion?«, fragte er.
»Kontrollverlust!«, rief die Pilotin. »Antriebe ausgefallen! Wir stürzen ab!«
Der Ausschnitt, der die YIÜRT von außen zeigte, präsentierte ein rotes Lodern, das an der Unterseite tanzte. Die Schutzschirme sprangen nicht an.
Einen Augenblick war es so still, als hätten sämtliche Kreaturen zu existieren aufgehört.
Dann donnerte Üllyyms Stimme akustisch verstärkt durch die Zentrale. »Beiboote ausschleusen! Evakuierung! Notbesatzung im Zentralediskus!«
Um sich hörte Drünnyür fassungslose Ausrufe. Was immer mit der YIÜRT geschah – es sprengte den Rahmen dessen, was die Besatzung erwartet hatte. Er versuchte einen Kontakt zur Wissenschaftssektion herzustellen und scheiterte.
Eigentlich sollte Tharyimm ihm antworten. Der Wissenschaftler war ihm direkt unterstellt. Er hatte ihm in dieser speziellen Geheimmission Auskunft zu erteilen. Gerade in einer solchen Situation! Wenn Tharyimm das nicht tat, konnte es dafür nur einen logischen Grund geben: Er konnte es nicht mehr.
Das Brennen tanzte auf Drünnyürs Rücken als loderten auch dort Flammen. Er forderte Bildmaterial an ... und erstarrte. Das war unmöglich!
Ein zweites Grollen, dieses Mal lauter. Das Hauptholo zeigte die Kurve, in der die YIÜRT um den Planeten fiel.
Die Raumsicherung meldete sich erneut. »Die Atmosphärenberechnungen stehen. Ihr stürzt auf Fürt-jar ab!«
*
Die Worte lösten einen Schock aus. Sie rissen Drünnyür aus seinem entsetzten Unglauben, nur um ihn in neue Tiefen und Abgründe zu stoßen.
Fürt-jar. Eine Stadt mit über einer Million Einwohnern! Drünnyür spürte einen Schwindel, als stürzten sie nicht nur, sondern drehten sich.
»Wir arbeiten daran!«, sagte Üllyym knapp. »Beiboote! Wie ist der Status?«
»Ausgeschleust in X minus vier!«
»Traktorerfassung selbsttätig aktivieren! Fesselfelder bündeln!« Der Kommandant stieß den Atem in einem kurzen Pfiff aus. »Seht zu, dass wir uns nicht die Kniegelenke brechen!«
Illustration: Dirk Schulz
»Wie viel Zeit bleibt bis zum Aufschlag?«
»Zwölf Minuten. Maximal.«
Das war zu kurz, um eine ganze Stadt in Sicherheit zu bringen. Wenigsten reagierten inzwischen die Automatiken anderer Raumflugkörper innerhalb des Orbits und wichen ihnen aus.
Die Raumsicherung meldete sich erneut. »Wir schicken die BELLÖRCY III hoch!«
Dieses Mal war die Stille noch länger als zuvor. Wenn ihnen keine Kurskorrektur gelang, konnte die BELLÖRCY III die YIÜRT abschießen. Sie würde den Brocken von über zwei Kilometern in kleinere Teile zerlegen und damit den Schaden minimieren. Dennoch würde die Katastrophe gewaltig sein.
Die Sache hatte jedoch einen Haken: Es gab kaum brach liegendes Gelände. Wo die Trümmer aufschlagen würden, ließ sich schwer berechnen. Bis die BELLÖRCY III sie erreicht hatte, waren sie bereits in einem Absturzkorridor über bewohntem Gebiet in Richtung Fürt-jar. Tausende Bruchstücke konnten die Stadt treffen.
Unsinn!
Drünnyür riss sich zusammen. Er kannte Simulationen, die belegten, dass es besser war, wenn ein großes Schiff abstürzte, als Tausende Trümmer zu riskieren. Aufgrund des Leerraums im Inneren des Raumers würde nicht einmal ein sonderlich tiefer Krater entstehen. Die BELLÖRCY würde kommen, um den Sturz weiter abzufangen und sie im Schlepptau von der Stadt wegzuziehen. Falls das gelang.
Kommandant Üllyym fasste sich als Erster. »Wie viel Zeit bis zum Rendezvouspunkt?«
»Sechs Minuten.«
»Alle ziehen schwere Schutzanzüge an!«
Das Holo zeigte weitere Daten. Drünnyür wünschte, er könnte sie verstehen, während er zu einem Scheibenroboter eilte, der ihm einen Schutzanzug brachte. Mit zitternden Händen zerrte er an dem wie auf einem großen Riesenteller liegenden Anzug, der ihm sperrig und fremd vorkam. Noch immer begriff er nicht, was genau auf einmal schiefgelaufen war. War es das Artefakt, das sie angriff?
Er schlüpfte in das schwere Material, das sich selbsttätig um ihn schloss. Nun konnte er sich nicht einmal mehr am Hals kratzen.
Die Beiboote waren draußen. Wie die YIÜRT waren sie tellerförmige Objekte, die zwei wuchtig wirkende Tubendocks prägten. Die Docks ragten deutlich aus der unteren Schalenhülle heraus. In ihnen waren Dyi-Illid-Konverter enthalten. Würden die leistungsfähigen Antriebe der Beiboote Fürt-jar retten können? Wie viel Kraft steckte wirklich in ihnen?
Die Schiffe verteilten sich, setzten ihre Fesselfelder und Traktorstrahlen ein. Die Andruckabsorber arbeiteten mangelhaft. Leichte Stöße erschütterten die Zentrale. Sie bremsten weiter ab.
»Sie drängen uns vom Kurs!«, frohlockte Üllyym.
»Nicht weit genug!«, rief Sarrhid. Das graue Gesicht der Pilotin war eine Maske der Konzentration.
In der Ferne entdeckte Drünnyür einen winzigen weißen Punkt. Erst meinte er einen der Strato-Springer zu erkennen, die sich aus dem All auf den alten Park warfen, doch es war nur irgendein Mikrosatellit, der seine Bahn zog.
Sarrhid schaute zu ihm. Einen Moment war Drünnyür, als könnte er ihre Gedanken lesen. Ein Strato-Springer! Der alte Park! Wenn es gelang, das Schiff dorthin zu bringen, konnten sie vielleicht sogar den stolzen Raumer selbst retten! Der knapp drei Kilometer große Park Grakyl war ein Überbleibsel aus der Zeit des Weltenbrands. Unter ihm gab es zahllose Tiefzufluchten, in die sich die Oszyrii zurückgezogen hatten, um sich vor den Auswirkungen des Weltenbrands zu schützen. Das verlassene Areal darüber überspannte ein starker, regulierbarer Prallschirm, der sich flexibel wie eine Matte anpassen konnte. Strato-Springer nutzten ihn für den ultimativen Kick, Oszyr entgegenzufallen.
»Das Grakyl-Areal!«, rief Sarrhid. »Ich gebe den Beibooten und der BELLÖRCY die Koordinaten und leite die restliche Energie auf die Fesselfelder um!«
Gleichzeitig schwenkte die Sicht auf dem Holo. Sarrhid hatte den gigantischen Raumer manuell gedreht. Die Schwerkraftverhältnisse im Inneren waren stabil, doch vom Planeten aus betrachtet stand das Schiff nun auf dem Kopf. Es griff seinerseits mit Fesselfeldern und Traktorstrahlen nach den Beibooten, riss sie mit sich und nutzte sie als Kurzzeitanker, um sich auszurichten. Durch die Drehung konnte die YIÜRT tatsächlich den Kurs ändern.
Der Antrieb war nach wie vor ausgefallen, doch zumindest schien die YIÜRT bedingt manövrierfähig zu sein und auf einige Funktionen zugreifen zu können.
Die Kalte Kreatur der Angst wich ein Stück. Die Zentrale konnte im Notfall abgesprengt werden. Niemand auf dem Schiff würde sterben müssen, und vielleicht gelang es ihnen, glimpflich aus dieser Sache herauszukommen. Allen bis auf die beiden unglücklichen Wissenschaftler. Drünnyür schüttelte es. Der Gedanke an Tharyimm und die Holobilder, die er gesehen hatte, schnürten ihm den Hals zu.
Während die Pilotin sich mit der Raumsicherung, den Kommandanten und Piloten der Beiboote abstimmte, versuchte Drünnyür sich zu sammeln. Nie hätte er gedacht, dass diese Mission derart enden könnte. Was war das für ein rätselhaftes Objekt, das sie da in Planetennähe gefunden hatten? Griff es sie an? Drohte seiner Welt ein Krieg?
Jeden Moment hoffte er auf eine Entwarnung. Dass der Antrieb wieder funktionierte. Die Schutzschirme voll einsatzbereit waren, um den anstehenden Aufprall abzufangen. Nichts dergleichen geschah.
Die BELLÖRCY III tauchte über ihnen auf. Ein leichter Ruck zeigte Drünnyür, dass der fast gleichgroße Raumer seine Kräfte spielen ließ, um die YIÜRT mit Traktorstrahlen wegzuziehen und von der Stadt abzudrängen. Es gelang! Die Zielkoordinaten änderten sich. Das Holobild Fürt-jars verschwand blitzartig. Die Aufschlagregion präsentierte sich als kahles, steiniges Gelände. Irgendwo in der Tiefe, winzig wie eine Nadelspitze, wartete das blaugrüne Parkareal, umgeben von verwaistem Land.
»Wir haben es geschafft!«, rief Kommandant Üllyym. »Wir können die Zentrale absprengen!«
Inzwischen war jeder, der nicht von Bord gegangen war, bei ihnen. Die Zeit lief ab. Nur noch zwei Minuten!
Alle vorderen Augenpaare richteten sich auf die Pilotin. Sarrhid löste die Traktorstrahlen und drehte das Schiff erneut. Es wirkte leicht, als spielte sie auf einem Instrument. Die neue Ausrichtung war perfekt.
Die BELLÖRCY zog hoch. Gleichzeitig suchten die Beiboote das Weite.
Üllyym gab den Befehl, und die Zentrale löste sich vom Schiff. Sie sprengte so nach oben davon, dass trotz aller fortgeschrittenen Technik ein Vibrieren zu spüren war, das Drünnyürs Körper erschütterte. Zahlreiche riesige Fallschirme öffneten sich, doch sie waren gar nicht notwendig. Die BELLÖRCY III schwebte wie ein Berg über ihnen und hielt sie fest.
Unter ihnen krachte die brennende YIÜRT punktgenau in den Schirm, brachte ihn zur Überlastung und zum Zusammenbruch. Das Schiff beulte ein, faltete sich mit Donnern und Krachen in sich zusammen und begrub den verwaisten Park unter sich. Bordeigene Schutzschirme flackerten auf und erloschen. Dann lag die YIÜRT still. Sie hatte über die Hälfte ihrer Höhe eingebüßt, doch sie war nicht zerbrochen.
Da lag er. Der Stolz des Oszyriums. Ein Schiff von nur zehn. Vielleicht war es nicht ganz verloren. So oder so: Die nahe Stadt war verschont worden.
*
Einige Sekunden herrschte Stille, dann zirpte jemand schrill vor Erleichterung. Es waren keine Worte, sondern unkontrollierte Tonabfolgen. Weitere Überlebende stimmten ein, auch Sarrhid. Einzig Kommandant Üllyym bleib still, das Gesicht unbewegt, als würde er jeden Tag mit einem Superschlachtschiff auf einen bewohnten Planten abstürzen.
Als die Geräuschkulisse abflaute, hörte Drünnyür das vertraute Piepen in seinem Helmfunk: ein Anruf von Whygnid.
»Die Regierungschefin«, sagte Drünnyür zu Üllyym, der knapp nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Vielleicht stand er unter Schock und seine Herzen hatten an Kapazität eingebüßt. In dem Fall würde es noch Minuten dauern, ehe er wieder ganz auf der Höhe war.
Mit zitternden Händen nahm Drünnyür das Gespräch an, während um ihn aufgeregte Gespräche zwitscherten, Schutzanzüge samt Stiefeln sich von Körpern lösten, auf den Boden knallten und Füße stampften. Jeder wollte zu Sarrhid, um sie mit den Zehen zu berühren und auf diese Weise Respekt auszudrücken.
Ein Holo flammte vor Drünnyür auf. Es zeigte eine Oszyri mit der typisch grauen Haut wie sie durchschnittlicher kaum sein konnte: Größe, Gesichtsflaum, der runde Hals, die Statur – das alles entsprach so sehr der Norm, dass es beinahe schon auffällig war. Einzig die Narben rund um den Mund wichen von diesem Muster ab.
»Ihr habt uns einen ziemlichen Schrecken eingejagt«, sagte Regierungschefin Whygnid in den Lärm hinein. So unscheinbar und durchschnittlich ihr Körper wirkte, umso beeindruckender klang ihre Stimme.
»Wir uns auch.«
»Aber ihr habt es geschafft! Der Umarmenden Kreatur der Glücklichen Fügung sei Dank!«
Drünnyür warf einen Blick auf das Holo, das eine bereinigte Darstellung ohne Feuer, Rauch und Staub zeigte. Das stolze Schlachtschiff war ein Schatten seiner selbst. »Ich fürchte, die YIÜRT ist schwer beschädigt.«
»Ich habe nicht vor, sie dir in Rechnung zu stellen. Im Gegenteil. Ich weiß zu schätzen, dass ihr versucht habt, Ressourcen zu erhalten. Etliches an Technik wird sich wiederverwenden lassen. Vielleicht ist sogar eine Reparatur aussichtsreich. Aber das ist nicht der Grund meines Anrufs.« Whygnid brachte den Kopf leicht in Schräglage. Ihre Arme bewegten sich langsam. »Was ist mit dem Objekt?«
Ein Frösteln sorgte dafür, dass sich der Flaum auf Drünnyürs Schultern aufstellte und sich der Anzug dort enger anfühlte. »Das muss ich noch klären. Ich vermute, dass es den Absturz verursacht hat. Es gab Verluste. Tharyimm ist ...« Drünnyür schaffte nicht, es in Worte zu fassen. »Dieses Ding ist viel gefährlicher, als wir dachten. Was sollen wir damit machen?«
»Du bist mein persönlicher Berater. Was rätst du mir?«
»Schaffen wir es nach Krünntyr.«
2.
Ankunft
WILHELM GLIESE
Eine neue Welt. Einer von 17 Planeten, die ihre blaue Riesensonne im ewigen Spiel der Physik umkreisten. Die Gesetze, die in diesem Sonnensystem wirkten, waren universell, Konstanten, auf die man sich verlassen konnte. Für Sichu Dorksteiger war es wie für manchen Terraner, der hinaus auf das Meer blickte: Sie entdeckte Weite, gewaltige, immerwährende Kräfte, die sie faszinierten. Das Unsichtbare bestimmte das Sichtbare, gab ihm Halt und Sinn.
Sichu ignorierte entgegen ihren Gewohnheiten die Daten und ließ auf sich wirken, was sie sah. Dabei gelang es ihr nicht, sich ganz vom Wissen frei zu machen. Die innere Dateneinblendung – Pathpar V: Eigenname Oszyr – samt einigen Rahmendaten flimmerte wie eine Werbeholoanzeige in ihrem Bewusstsein, gepaart mit der Distanz, die sie in diesem Moment von Terra und dem Solsystem trennten: 53.719 Lichtjahre.
Sie riskierte doch einen Blick auf die Anzeigen.
Neben ihr auf dem Kommandostand hatte sich Icho Tolot auf seinem gewaltigen, im Verhältnis tiefen Sitz in eine ganze Reihe eigener Hologramme gehüllt, die ihn wie eine transparente Wand umgaben. Er studierte gerade die vier inneren Planeten. Die Bilder zeigten spektakuläre Aufnahmen der Glutwelten, auf denen Leben unmöglich war. Lava spritzte in gewaltigen Fontänen in einen glasklaren, sternenübersäten Himmel.
»Reizt dich ein Ausflug?«, scherzte Sichu.
Der mächtige Haluter richtete seine drei roten, auf Stielen sitzenden Augen auf sie. »In der Tat. Doch ich fürchte, dafür bleibt keine Zeit.«
Sichu lächelte. »Du weißt schon, dass du für einen Haluter ein wenig aus der Art geschlagen bist.« Die meisten Haluter verließen ihre Heimatwelt nicht und schon gar nicht lebten sie dauerhaft im All oder auf einem anderen Planeten unter Fremden.
Icho Tolot lachte verhalten. »Womöglich habe ich ja immer eine leichte Form von Drangwäsche.«
»Dann hoffen wir auf ein Abenteuer.«
»Das wird es, mein Kleines. Die Yodor-Sphäre interessiert mich brennend. Sie wird nicht ohne Grund zum Sperrgebiet ernannt worden sein.«
Manchmal fiel es Sichu schwer, anderen zu erklären, wie sie dachte und was sie motivierte. Doch bei Icho Tolot war das nie ein Problem gewesen. Ihre gemeinsame Leidenschaft für die Wissenschaft und die unbändige Neugierde auf den Kosmos verbanden sie. »Sicher hängt es mit dem Impuls zusammen.«