Perry Rhodan Neo 38: Der Celista - Michelle Stern - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 38: Der Celista E-Book und Hörbuch

Michelle Stern

4,0

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Beschreibung

Februar 2037: Nachdem der erste Versuch gescheitert ist, muss Perry Rhodan erneut einen Vorstoß in das Große Imperium wagen. Es gilt, das legendäre Epetran-Archiv zu finden - denn dieses enthält die Position der Erde. Fällt das Archiv in die Hände des mysteriösen Regenten, der über das Große Imperium herrscht, droht die Vernichtung der Menschheit. Perry Rhodan geht maskiert auf eine riskante Reise, seine Begleiter sind die Arkoniden Crest und Atlan. Gemeinsam nutzen sie ein Passagierraumschiff der menschenähnlichen Mehandor. Ihr Ziel ist eine sogenannte Medizinwelt. Womit niemand rechnen kann: Ein geheimnisvoller Killer setzt sich auf ihre Spur. Er ist ein Celista, ein Angehöriger des arkonidischen Geheimdienstes. Sein eindeutiges Ziel: Er will Rhodan und seine Begleiter festhalten - oder im Zweifelsfall sofort liquidieren ...

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Zeit:6 Std. 0 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 38

Der Celista

von Michelle Stern

Februar 2037: Nachdem der erste Versuch gescheitert ist, muss Perry Rhodan erneut einen Vorstoß in das Große Imperium wagen. Es gilt, das legendäre Epetran-Archiv zu finden – denn dieses enthält die Position der Erde. Fällt das Archiv in die Hände des mysteriösen Regenten, der über das Große Imperium herrscht, droht die Vernichtung der Menschheit.

Perry Rhodan geht maskiert auf eine riskante Reise, seine Begleiter sind die Arkoniden Crest und Atlan. Gemeinsam nutzen sie ein Passagierraumschiff der menschenähnlichen Mehandor. Ihr Ziel ist eine sogenannte Medizinwelt.

Du bist vorgestoßen, deinem Ziel entgegen. Was du fandest,

war Blut, waren Opfer und Schuld.

Nun wirst du es erneut tun, doch du hast gelernt.

Es liegt in unserer Natur zu lernen. Schäm dich nicht dafür.

Geh deinen Weg. Und lass ihn anders sein.

Matriarchin Belinkhar

Wann hält denn Ulm endlich am Zug?

Albert Einstein

1.

Perry Rhodan

Der Anschlag

Das Gespinst, 26. Februar 2037

»Fliegen Sie auch mit der IMH-TEKER?«

Im Hintergrund klapperten Schalen. Eine Bedienung ging mit klackenden Absätzen zwischen den Gästen hin und her, teilte mit freundlichen Worten Getränke in tellergroßen, erdfarbenen Schüsseln aus. Ein Kind lachte.

Perry Rhodan hob den Kopf, sah zu der Arkonidin neben seinem Tisch hoch und berührte dabei das Gerät am Handgelenk. Das Holobild der IMH-TEKER, das wegen einer Bordmeldung aufgepoppt war, erlosch.

»Ja«, sagte er. Rhodan ärgerte sich, dass sich die Projektion des Schiffs automatisch aufgebaut hatte, während er mitten im Garten des Nham in diesem Äquivalent eines irdischen Cafés saß. So viel zum Thema geheime Mission.

Die junge Frau strich mit einem Wimpernaufschlag eine weißblonde Strähne hinter ihre Schulter und setzte sich ungefragt zu ihm auf einen der Steine. Dort suchte sie mit einem wohligen Seufzen eine bequeme Position. Der rotbraune Felsen wirkte hart, aber wenn man erst auf ihm saß, erfuhr man, wie weich und anschmiegsam das künstliche Material war.

Die Arkonidin beugte den Oberkörper vor. Sie trug auffällig bunte Kleidung, wie viele der Bewohner und Besucher KE-MATLONS. Auf der interstellaren Raumstation fanden sich unzählige Farbpaletten und Stile. »Ich bin Natara da Jerdal. Und wie heißen Sie?«

Ihre milchig rosafarbene Iris faszinierte Rhodan, was für eine kaum wahrnehmbare Pause sorgte, ehe er antwortete: »Mein Name ist Sirran Taleh. Ich warte auf jemanden.«

Sie blinzelte kokett. »Noch ist er nicht da.«

»Sie«, korrigierte Rhodan. Doch wie schon mit der ersten, abweisenden Bemerkung, hatte er kein Glück.

Natara da Jerdal blieb hartnäckig, wo sie war. »Dann eben sie. Reisen Sie viel? Ich bin schrecklich nervös.«

Rhodan hob eine Augenbraue – eine Geste, die er einstudiert hatte und benutzen würde, solange er sich als Halbarkonide Sirran Taleh ausgab. »Sie sind Arkonidin, oder? Sicher sind Sie schon viel zwischen den Sternen gereist. Was ist das Gespinst für Sie anderes als eine Zwischenstation?«

Während des Sprechens sah Rhodan verstohlen auf die integrierte Uhr am Armbandgerät. Belinkhar konnte jeden Moment auftauchen. Unwillkürlich glitt sein Blick die breite Treppe aus braunrotem Stein hinunter, Richtung Flanierweg. Dort gingen mehrere Mehandor, zwei der gurkenartigen, vierarmigen Swoon, aber nicht die Matriarchin des Gespinsts in der charakteristischen hellen Uniform.

Er lehnte sich zurück und behielt die Szenerie aus buntem Treiben, faszinierenden Pflanzen und kunstvoll geformten Wasserfontänen im Auge. Besonders die beiden Swoon an einem türkisblauen Brunnen faszinierten Rhodan. Er hatte Erstaunliches über die swoonsche Technik gehört und fragte sich, welche Kultur die knapp dreißig Zentimeter hohen Wesen geprägt hatte. Würde man sich auf einem ihrer Planeten fühlen wie Gulliver auf der Insel Liliput?

»Natürlich.« Nataras Mundwinkel blieben starr gehoben, wie eingefroren. »Trotzdem ist jede Transition ein Risiko, nicht? Und wir werden davon gleich acht absolvieren!«

»Da sind wir nicht die Ersten.« Rhodan hoffte, dass Natara endlich aufgab und weiterging, wenn er distanziert blieb. Er wollte allein sein. Es konnte Belinkhar abschrecken, ihn mit einer Fremden im Mam Hallon sitzen zu sehen. Er war es gewesen, der Belinkhar um Hilfe gebeten hatte, und noch immer überraschte es ihn, wie bereitwillig die Matriarchin ihm in allem entgegenkam. Sie hatte ihm nicht nur eine Tarnidentität samt einer Passage beschafft, sondern ihm auch jede Menge wertvoller Hinweise für sein Unternehmen gegeben. Es wäre ungeschickt, sie misstrauisch zu machen. Doch Natara blieb sitzen und redete weiter.

»Ich habe schon von Arkoniden gehört, die während einer Transition spurlos verschwunden sein sollen. Sie wurden in ihr eigenes Kohärenzfeld geschleudert, in dem sie sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegten. Wie in einem Miniaturraumer. Ihre innere Zeit ging gegen null. Ausgelöscht für die Außenwelt. Vielleicht tauchen sie in ein paar Jahrtausenden irgendwo im All wieder auf. Tiefgekühlt und tot. Oder quicklebendig in einem anderen Schiff, am Rand des Wahnsinns. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.«

»Das ist Raumfahrergarn, da Jerdal.«

»Oh, bitte, nennen Sie mich Natara. Was treibt Sie auf die IMH-TEKER? Familienbesuche?«

Nein. Ich möchte nach Arkon, das Epetran-Archiv finden, es zerstören oder die Koordinaten der Erde daraus löschen. Sonst ist die Menschheit dem Untergang geweiht ...

»So etwas in der Art.« Er dachte an seinen ersten Versuch, nach Arkon zu gelangen. Hätte er spektakulärer scheitern können?

Es war keine zwei Monate her, dass Rhodan mit der schwerbeschädigten TOSOMA am Gespinst angedockt und sich geweigert hatte, den Siebten zu zahlen. Rhodan erinnerte sich noch genau: die Verhandlung mit der Matriarchin in der Zentrale, seine verzweifelte Flucht durch den Garten des Nham. Dann der arkonidische Verband, die 247. Vorgeschobene Grenzpatrouille des Imperiums, die Schüsse, der Brand, das zerstörte Schiff. In einer Feuerlohe war die TOSOMA auf Snowman zugestürzt, kreischend wie ein waidwundes Tier. Der Raumer hatte eine Schneise in die Eisoberfläche geschmolzen, die unmittelbar hinter ihm wieder zugefroren war.

Wir waren auf Snowman gestrandet. Alles schien verloren. Doch das Schicksal nahm eine unerwartete Wendung ...

»Woran denken Sie?«

»An die Passage, die uns erwartet.« Eine Lüge. Natürlich. Er dachte an die Naats, die als Besatzung des arkonidischen Verbands gedient hatten. Daran, dass es ihm gelungen war, ein Bündnis zu schließen, und das, was nach der Schlacht im Tatlira-System von dem Verband geblieben war, auf seine Seite zu ziehen. Die Erde besaß nun den Nukleus einer eigenen Raumflotte.

Ein unglaublicher Sprung nach vorn. Und so würde es bleiben.

Über ihm leuchteten die Sterne auf einer Projektionsfläche. Oberhalb des Mam Hallon – was übersetzt so viel wie »Verwandter Stern« bedeutete – spannte sich in einer Höhe von mehr als zwei Metern eine halbkugelförmige Decke, die den Eindruck erweckte, mitten in ein mit Sonnen übersätes All zu blicken. Rhodan fühlte sich an den Himmel über der nächtlichen Wüste Gobi erinnert. Dort hatte er noch vor wenigen Tagen zusammen mit Reg auf einem Balkon im Stardust Tower gesessen und den zweiten Vorstoß nach Arkon geplant, der die Existenz der Erde sichern sollte.

»Ja.« Nataras Lächeln entkrampfte. »Hör, mein Bruder, uns rufen die Sterne.«

»Ist das nicht ein Sinnspruch der Mehandor?« Rhodans Wachsamkeit kehrte schlagartig zurück. Warum benutzte eine Arkonidin einen Satz, den sie wegen ihrer Herkunft verachten musste? Für die meisten Arkoniden waren die Mehandor primitive Ma'peks – Halbaffen, auf die sie hinabsahen.

Konnte Natara eine Agentin des Imperiums sein? Sein anstehendes Treffen machte ihn nervös. Belinkhar wollte eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit mit ihm besprechen, ehe er abflog, doch Rhodan wusste nicht, was es sein mochte ...

»Nun ...« Natara errötete und berührte fahrig einen breiten Ring an ihrem Finger. »Ich muss los. Wir sehen uns auf der IMH-TEKER!« Sie stand auf.

Gerade rechtzeitig, denn Rhodan konnte Belinkhar entdecken, die ein gutes Stück entfernt auf dem Flanierweg ging. Die Matriarchin hatte keine Wache bei sich. Die Menge teilte sich respektvoll vor ihr. Sie glitt zwischen Mehandor, Aras, Xisrapen und Swoon hindurch wie ein Fisch durch das Wasser.

Während Belinkhar kraftvoll und zielstrebig das Mam Hallon ansteuerte, begriff Rhodan, dass es ein Fehler gewesen war, sich an diesem Ort mit ihr zu treffen. Die Gespräche um ihn verstummten. Auf den vier breiten Steintischen, die die Bedienung für das Essen ausgefahren hatte, verklang das Scheppern der Sterlon-Schalen. Ein Mehandor mit langen roten Haaren hielt mitten in der Weitergabe des gemeinsamen Trinkbehältnisses inne.

Sie erkannten die Matriarchin.

Rhodan überlegte, ob er Belinkhar ein Zeichen geben sollte, das Treffen abzubrechen. Aber vielleicht wollte sie ohnehin mit ihm an einen anderen Ort gehen. Er wollte nicht den Fehler machen, die gewiefte Anführerin zu unterschätzen. Wenn es um Handel und Politik ging, war ihm Belinkhar Lichtjahre voraus.

Belinkhar erreichte die Höhe der beiden flankierenden Eingangsfelsen am unteren Ende der Treppe. Im selben Moment zerriss die angespannte Stille mit einem infernalischen Knall. Der Felsen neben Belinkhar explodierte. Flammen schossen meterhoch. Hitze wallte auf und erwärmte die Luft schlagartig. Es roch nach Gas.

Belinkhar! »Nein!«

Rhodan sprang hoch, wollte die Treppe hinunter zu Belinkhar rennen, sie packen und fortreißen, obwohl es längst zu spät war. Die Druckwelle samt der feurigen Luft erfasste Rhodan noch im Aufstehen, riss ihm die Worte von den Lippen und schleuderte ihn der Länge nach hin. Überrascht und verwirrt landete Rhodan auf den Unterarmen. Brocken des Kunstfelsens flogen über ihn hinweg.

Mehandor schrien. Ein Mann warf sich über ein Kind. Die im Boden verankerten Tische hielten der Wucht der Explosion stand, doch die Sterlon-Schalen und das dazugehörige, zerbrechliche Besteck verwandelten sich in Schrapnelle. Zwei Frauen stießen gellende Jammerlaute aus. Blut lief ihnen in Rinnsälen über Gesicht und Hals. In der Haut steckten Splitter.

Schweiß brach aus Rhodans Poren. Adrenalin ließ ihn zittern. Benommen vom Aufprall rollte er schwerfällig zur Seite und kam auf die Füße.

»Matriarchin!«, rief ein Gast, der in einigem Abstand zur Explosion gesessen hatte.

Während der Mehandor fassungslos dastand, war Rhodan schon auf dem Weg nach vorn zur Quelle der Explosion. Er stolperte die Treppe hinab, wäre beinahe gestürzt. Seine Ohren schmerzten. Ein hohes, durchdringendes Pfeifen peinigte ihn. Der Geruch nach versengtem Stoff und Fleisch breitete sich aus und überlagerte den würzigen Duft des Essens.

Die rote Feuersäule fiel rasch in sich zusammen. Der Qualm war beißend und so dicht, dass Rhodan auf einer Fläche von mehreren Metern nichts erkennen konnte. Er hustete, kniff die Augen zusammen und hob schützend die Hand vor sein Gesicht.

»Belinkhar?« Sein Herzschlag pulsierte in den Schläfen. Rhodan sah eine Frau hinter den Rauchschwaden am Boden liegen. Sie krümmte sich vor Schmerzen. Ihr Wimmern vermischte sich mit dem Knacken des brennenden, halb weggesprengten Felsens, den Rufen und Schreien auf der Terrasse und dem Fiepen in Rhodans Ohren. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. »Natara ...« Die Arkonidin hatte Belinkhar gerade passiert. Sie war dem Explosionsherd neben der Matriarchin am nächsten gewesen.

»Sirran ...!« Panik lag in Nataras Stimme. Aus einem Schnitt an ihrem Oberarm floss Blut. Es tränkte den hellroten Stoff des Gewands und färbte ihn dunkel. Natara sah ihn aus geweiteten grünen Augen an.

Rhodan kniete sich neben sie. Grüne Augen? Vor wenigen Minuten waren sie milchig rosafarben gewesen. Kontaktlinsen ... Warum hatte sie die getragen? Später. Er beugte sich vor. Beherzt zerrte er an dem dünnen Stoff des Ärmels. Eine Naht riss. Er legte die Wunde frei. »Wir brauchen einen Arzt!«, brüllte er einem sich nähernden Mehandor entgegen. »Holen Sie einen!«

Während er aus dem Ärmelstück durch Falten einen Streifen formte, suchten seine Blicke Belinkhar. Konnte sie dem Anschlag entkommen? Hatte sie vielleicht ein energetisches Schutzfeld umgeben, oder ...

Der Rauch lichtete sich und gab die Sicht auf etwas frei, was einmal ein Mehandor in Uniform gewesen war.

»Nein ...«, entfuhr es Rhodan. Er hielt inne. Der Stoff rutschte aus seinen Fingern.

Neben ihm kreischte Natara. Sie kroch rückwärts, von der verkohlten, verbackenen Leiche fort, der ein Arm fehlte. Nataras Brust hob und senkte sich immer schneller. Sie japste.

Es war Nataras heftige Reaktion, die Rhodan half, die Nerven zu behalten und das aufkommende Entsetzen zurückzudrängen. Er musste stark bleiben. Für sie. »Ganz ruhig«, sagte er. »Lass mich dich verbinden, okay? Wir müssen die Blutung stoppen.« Er hoffte, dass die vertrauliche Anrede Natara besser erreichte. Langsam näherte sich Rhodan ihr, darauf bedacht, sie nicht mit schnellen Bewegungen zu erschrecken.

Natara hielt still. Sie drückte sich zitternd an ihn und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter.

Rhodan dagegen konnte selbst beim Versorgen der Blutung nicht fortsehen. Da lag Belinkhar, Matriarchin der Nham, eine imposante Frau und vielleicht der einzige Verbündete, den er auf dem intergalaktischen Spielfeld gehabt hatte, wenn er von Atlan absah.

Musste sie seinetwegen sterben? Weil sie ihm geholfen hatte?

Über den Flanierweg rannten uniformierte Haklui-Kräfte, Sicherheitspersonal, das für diesen Abschnitt des Gespinsts zuständig war. Mehrere Schwebeflitzer schossen heran. Mit ihnen erklang ein schriller Alarm, der den ganzen Garten durchdrang. Schaulustige strömten zusammen.

Über Nataras Wangen liefen Tränen. »Die arme Belinkhar ... Meine Matriarchin ...«

»Du bist eine Mehandor?« Rhodan kam die eigene Stimme unwirklich vor. Eile war geboten. Er musste verschwinden, ehe die Haklui-Kräfte ihn befragten und vielleicht hinter seine falsche Identität kamen.

»Ja. Eigentlich heiße ich Santokah. Ich ... ich habe mich bloß als Arkonidin verkleidet«, sagte Natara. »Für den Flug. Da wollte ich mir einen hübschen Arkoniden oder Halbarkoniden suchen, wie, nun ... dich.« Sie berührte den straffen Verband um ihre Wunde. »Danke! Verrat mich nicht, ja? Die anderen Mehandor würden auf mich herabsehen. Talamon soll da wenig Spaß verstehen ...«

»Ich kann ein Geheimnis für mich behalten.« Rhodan hatte ganz andere Sorgen. Und anderen Kummer.

Mehrere Haklui-Kräfte erreichten sie und umringten die Leiche Belinkhars. Drei bartlose Mehandor mit gezogenen Strahlern drängten Rhodan von Natara fort.

»Ihre Amon, Sisla oder Dema?«, fragte einer, neben dem sich gerade ein kastenförmiger Roboter öffnete, um Desinfektionskugeln, Sprühverbände und Medikamente aus seinem Inneren herauszuholen.

»Nein, eine Fremde.«

»Gut. Wir übernehmen.«

Um die Leiche Belinkhars sperrten Roboter weitläufig ab. Die Maschinen stellten transportable Geräte auf, die sirrende, bläulich flimmernde Grenzfelder erzeugten. Die Haklui-Kräfte eilten nach oben auf die Plattform zu den verstörten Besuchern des Mam Hallon. Das Entsetzen lag wie Staub und Ruß in der Luft.

Rhodan zog sich ein Stück vom Geschehen zurück, unter eine blassviolette Pflanze, deren Wedel entfernt an eine Palme erinnerten. Eine zierliche Mehandor in beigefarbener Uniform kam auf ihn zu. Sie hatte die langen roten Haare zu zahlreichen Zöpfen geflochten und sah ihn ernst an. Einen Moment überlegte Rhodan zu fliehen, doch damit machte er sich erst recht verdächtig. Er blieb stehen.

2.

Talamon

Der Arm des Regenten

Talamons Augen brannten. Eine Vielzahl von Hologrammen umringte ihn. Er saß auf einem weißen Pneumostuhl allein in der Zentrale der IMH-TEKER, die zugleich auch seine Kabine war. Sein Blick fixierte das Geschehen auf der Hauptprojektion: Matriarchin Belinkhar näherte sich dem Mam-Hallon. Feuer gleißte mit einem durchdringenden Schlag auf, die entstehende Druckwelle sorgte für Chaos.

Das gelagerte Propangasgemisch unter den beiden künstlichen Felsen war explodiert – etwas, das laut dem Hersteller der Pyroanlage niemals geschehen durfte. Nach dessen Angaben handelte es sich bei den »Brennenden Felsen« um ein sicheres, profitorientiertes, atmosphärisches Detail, das jedem Restaurant bei Dunkelheit einen besonderen Zauber verlieh und bei Beachtung der Sicherheitshinweise absolut ungefährlich war.

Auf dem Holo dagegen verwandelte die Explosion das Mam Hallon in ein Schlachtfeld. Bestürzt sah Talamon die beiden Frauen, deren Hälse und Gesichter von herumfliegenden Splittern und kleineren Kunststoffbruchstücken gespickt wurden. Blut lief in feinen Rinnsalen über ihre Haut. Ein Mann brach sich beim Sturz mit hässlichem Knacken den Arm. Das Geräusch musste aus dramaturgischen Gründen vom Sender nachsynchronisiert worden sein, denn die Explosion war so laut, dass sie alles andere übertönte.

Die Optiken zeigten das Geschehen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Es wurden blitzartig mehr Aufnahmen, nachdem der donnernde Schlag verklang. Der Knall und die Feuersäule lockten Berichterstatter samt ihrer in der Luft vorauseilenden Drohnen an.

Die Flammen fielen in sich zusammen, der Rauch verwehte. Die verkohlte, verkrüppelte Leiche Belinkhars kam zum Vorschein. Da lag keine Mehandor, sondern etwas anderes, das mit einem Intelligenzwesen so viel gemein hatte wie ein Swoon mit einem Naat. Der Anblick schmerzte. Talamon wandte sich ab.

»Beenden.« Er hatte genug gesehen. Warum sollte er sich selbst bestrafen?

Die Holos der Aufzeichnungen erloschen. Zurück blieb der Avatar einer Frau – Gespinstsprecherin Avelhin –, der ihn aus großen blauen Augen ansah. »Wir bedauern es zutiefst, mitteilen zu müssen, dass Matriarchin Belinkhar in der dritten Stunde dieser Großeinheit einem tödlichen Unfall zum Opfer fiel. Ich schalte um auf den Avatar des Interimspatriarchen Remkher.«

Ins Holo kam eine neue Gestalt. Die rothaarige Frau verwandelte sich in einen Mann mit kurzen rotblonden Haaren, markantem Kinn und einer scharf gebogenen Nase. Die Linien um den Mund hatten etwas Grobes, doch der Blick aus den tief liegenden Augen verriet Intelligenz, wenn nicht sogar Gerissenheit.

»Hoch geschätzte Besucher! Dies ist eine Aufzeichnung für die Kommandanten der derzeit am Gespinst angedockten Schiffe. Aufgrund des bedauerlichen Unfalls der Matriarchin kommt es zu Verspätungen der Abflüge. Es gibt zur Zeit innerhalb der Nham-Sippe eine Ersttrauerstunde, um der Verstorbenen in Gesprächen und Gesängen zu gedenken. Innerhalb dieser Zeitspanne kommen sämtliche Geschäfte zum Erliegen. Ich entschuldige mich für diese Unannehmlichkeiten sowie für alle anderen Einschränkungen, die dieser Vorfall mit sich gebracht haben mag und noch mit sich bringen kann. Eine große Matriarchin ist von uns gegangen. Trauern Sie mit uns.«

Talamon schickte über einen Avatar eine standardisierte Beileidsbotschaft. Alles andere wäre aufgefallen. Man erwartete von ihm keine persönliche Kondolenz.

»Ein Unfall ...«, murmelte er. »So stellen sie es also dar.« Er hatte gewusst, dass Belinkhar auch nach dem Abzug der 247. Vorgeschobenen Grenzpatrouille einen schweren Stand gehabt hatte. Aber die Schnelligkeit, mit der die Sippe der Nham den Unfall verkündete, überraschte selbst ihn. Zwar handelte es sich um ein probates Mittel, unliebsame Sippenanführer durch vermeintliche Unfälle loszuwerden, doch war ungewöhnlich, dass es nicht zumindest zu einer vorgetäuschten Untersuchung kam, die medienwirksam verkauft wurde.

Umso besser für mich.

Der Avatar des Interimspatriarchen Remkher bedankte sich für den Erhalt der Beileidsbekundung. Talamon schaltete das Holo ab. Sicher stellte es für Remkher eine große Herausforderung dar, KE-MATLON zu übernehmen.

Talamon wandte sich dem einzigen farbigen Gegenstand in der ansonsten weißen Zentrale zu: einem in der Raummitte schwebenden Schwingquarz; im Gegensatz zu den anderen im Schiff kein Holo, sondern ein Original von großem Wert. Der Anblick beruhigte ihn. Das samtene goldene Schimmern, das den teiltransparenten, faustgroßen Stein umgab, erinnerte ihn an Reichtum und Schönheit. Auf diese Art entfaltete der Quarz für Talamon eine tröstliche Wirkung.

Das Schott der Zentrale glitt auf, und Elnatiner stelzte ohne Vorankündigung herein. Der Insektoide setzte die harten Klauenfüße dicht nebeneinander. Er erweckte stets den Eindruck, mit höchster Konzentration auf einem Schwebebalken zu balancieren. Der dürre, mit grünbraunen Chitinplatten besetzte Körper blieb immer aufrecht. An der hektischen Art, mit der die beiden Antennen auf Elnatiners Kopf zuckten, las Talamon die große Erregung des Volaters ab. War etwas schiefgegangen?

Nervös schluckte Talamon. »Was ist los?«

Elnatiner blieb stocksteif stehen, die Beine weit auseinandergespreizt wie ein Insekt, das im Sprung über eine Pfütze paralysiert worden war. Seine Fühler, die zugleich Tast-, Seh- sowie weitere Organe zur Messung von Temperatur und Kohlendioxidgehalt der Luft beinhalteten, bewegten sich schneller.

In einer seiner beiden spinnenartigen Hände hielt er eine Hochglanzbroschüre aus Transtik, die den Passagieren bereits in der Wartekuppel ausgeteilt werden sollte. Das folienähnliche Material bog sich zwischen seinen Fingern. »Warum diese Verunglimpfung meines Namens, Talamon?«, sirrte Elnatiner aufgebracht. »Wenn du mich schon als Offizier in die Liste des Bordpersonals aufnehmen musst, warum dann nicht korrekt? Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass das U in meinem Namen von zentraler Bedeutung ist! Mein voller Name lautet E'lnatiner'U! Zumindest in der Schriftform sollte es möglich sein ...«

»Bist du nicht eigentlich aus einem ganz anderen Grund gekommen, Elnatiner?« Wenn Talamon den Volater zu Ende reden ließ, konnte er lange warten. Was Prioritäten in der Berichterstattung betraf, würde er Elnatiner wohl nie verstehen. Wen, außer einem Volater, interessierte die Verunglimpfung seines Namens, wenn eine überlebenswichtige Rückmeldung anstand? Solche und andere Eigenheiten waren dafür verantwortlich, dass Talamon Elnatiner hin und wieder »Kleiner« nannte, obwohl der Insektoide ihn um einen Kopf überragte.

Die Broschüre verharrte reglos in Elnatiners Hand. »Was den Anschlag betrifft, ist alles nach Plan gelaufen. Man wird die Spuren des Vorfalls nicht zu uns zurückverfolgen können.«

»Danke! Das erleichtert mich ungemein.«

»Das war zu erwarten.«

»Wenn du es sagst. Du kannst dich um die Ladung kümmern. Sektor F muss überprüft werden. Ich will verdammt sein, wenn uns diese faulen Brüder wieder Ter-Schaum statt Gah-Dotter unterjubeln ...«

Elnatiner blieb ungerührt in der Zentrale stehen. Wollte er weiter auf der Verunglimpfung seines Namens herumreiten?

»Was ist?«

Die Antennen auf Elnatiners Kopf kamen in aufrechter Position zum Stillstand, ein Zeichen, dass er etwas von großer Wichtigkeit sagen wollte, während das Zucken eher auf Dringlichkeit hinwies. Interessant wurde es, wenn Dringlichkeit und Wichtigkeit geboten waren, da die Fühler dann einen Tanz mit kurzen, komisch wirkenden Pausen aufführten.

»Ich gebe zu bedenken, dass wir unklug handeln. Das Große Imperium hat seine Spione überall. Wenn ein Celista auf uns aufmerksam wird, könnte es uns den Kopf kosten.« Der Translator machte zwei schrille Geräusche, die Elnatiners Unwillen ausdrückten. Der Volater kommunizierte im Ultraschallbereich, was teils schwer zu übersetzen war.

»Das ist wahr und unwahr zugleich.«

»Diese Aussage entbehrt der Logik.«

Talamon seufzte und drehte den Pneumositz in Elnatiners Richtung. Sein Blick suchte den Schwingquarz. Unterhalb des wertvollen Kleinods befand sich fast auf Bodenhöhe ein dreidimensionales Benjam-Mosaik, das Elnatiner hatte anbringen lassen. Es bestand aus winzigen, kugelförmigen Quarzen und stellte Elnatiners Heimatplaneten Volat in Miniatur dar. Zumindest so, wie der Volater sich ihn vorstellte. »Natürlich könnte ein Celista auf uns aufmerksam werden. Der Arm des Regenten ist lang. Aber er kann nicht überall zugleich zupacken.«

Das konnte und durfte er nicht. Talamon empfand es als Unrecht, dass der arkonidische Geheimdienst sich immer weiter ausbreitete. Er dachte an seine Freude zurück, als er vor elf Jahren erfahren hatte, dass der Regent die Geschicke des Großen Imperiums lenken würde. Es hatte eine Feier für die damaligen Passagiere gegeben, die zusammen mit Talamon unterwegs gewesen waren. Jubelnd waren sie durch die Gänge der IMH-TEKER gezogen. Hatten sie nicht alle gedacht, es kämen goldene Zeiten? Profit und Glück für jeden?

Der Imperator war schwach gewesen. Die Missstände hatten immer schlimmere Ausmaße angenommen. Doch wenn Talamon damals gewusst hätte, was ihnen mit dem Regenten bevorstand, hätte er diese Zustände gern weiter in Kauf genommen. Der Regent erstickte, was die Mehandor brauchten wie die Luft zum Atmen: die Freiheit.

»Und was, wenn ein Celista an Bord kommt?«

»Selbst in diesem Fall – wir haben unsere Mittel, unser Geheimnis zu schützen, oder? Über Funk kommt er niemals an relevante Daten, die uns überführen könnten.«

»Und wenn er die Zentrale oder eins der fünf dezentralen Holoterminals benutzt? Glaubst du wirklich, ein Agent des Imperiums hätte keine Software, unsere Positronik zu knacken?«

Talamon dachte an das Ara-Schutzprogramm, das er für einen hohen Tauschwert erstanden hatte. »Ich lasse es darauf ankommen.«

Elnatiner stakste einen Schritt auf ihn zu. Die Antennen beugten sich nun in Talamons Richtung, und die schwarzen, halbmurmelförmigen Aufsätze auf ihnen verfärbten sich braunviolett. »Du bist entschlossen, dem Regenten die Stirn zu bieten, oder?«

»Es wird schon gut gehen.«

»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«

Talamon sah zu ihm auf. »Ja, Kleiner. Das bin ich.«

»Nenn mich nicht so! Du möchtest lediglich vom Thema ablenken, indem du versuchst, mich bei meiner emotionalen Komponente zu packen!«

»Es scheint zu wirken. Deine Fühler krümmen sich schon.«

»Das ist Wahnsinn! Es gibt keinen Grund, dieses Risiko einzugehen. Lehne dieses eine Mal den Auftrag ab, auch wenn er Profit einbringt.«

»Dieser Auftrag bringt uns keinen Profit.«

»Warum tust du es dann?« Elnatiner stand starrer als ein Topsider, die Fühler nach vorn abgeknickt. Ein Ausdruck seiner Verwirrung.

»Es ist ein Grund, den weder du noch der Regent verstehen könnten. Also warum soll ich wertvolle Zeit damit verschwenden, ihn dir zu erklären?«

»Hat es mit Liebe, Beziehungen, Bekleidung oder Gelbkraut zu tun?«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Dann ist es verschwendete Zeit.« Elnatiner wandte sich ruckartig ab. Seine Fühler peitschten durch die Luft und gingen in eine neutrale, entspannte Position. »Weitere anstehende Aufgaben?«

»Das Übliche. Die Passagiere kommen bald. Ich weiß nicht, warum ich immer wieder welche auf mein bestes Stück lasse. Ich sage dir, sie verwandeln das Schiff in ...«

»... in ein Tollhaus«, endete Elnatiner ungerührt. »Deine Aussagen diesbezüglich sind redundant. Für jemanden, der Reisende verabscheut, übst du den falschen Beruf aus.«

»Ich mag ihre Chronnor-Einheiten.«

Elnatiner machte einen minimalen Schwenk mit dem rechten Fühler. Er deutete damit an, dass die Kommunikation für ihn belanglos wurde. Der Volater zog logische Gespräche vor oder solche, in denen er den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit darstellte und von Herzen jammern durfte. Wobei das Organ in seiner Brust genau genommen bestenfalls herzähnlich war.

Ohne ein weiteres Wort oder eine Verabschiedung stelzte Elnatiner aus dem Raum.

Talamon sah ihm nachdenklich hinterher. »Ein Celista auf meiner alten IMH«, sagte er. »Nein. Unmöglich.«

3.

Crest da Zoltral

Aufbruch

Die harte, ein Stück zu kurz geratene Lehne drückte in Crests Rücken. Er sah auf das Aussichtshologramm des Wartezylinders. Eine Wandhälfte der kreisförmigen Halle zeigte das Äußere mit freiem Blick in den Weltraum so, wie es die Außenoptiken einfingen. Die andere spielte lautlos Werbeszenen ab. Obwohl ein durch Pheromonkugeln abgegebener, beruhigender Geruch in der Luft lag, war Crest angespannt.

Warum mussten sie ausgerechnet an einer Anlegeposition warten, von der aus er über die Außenoptik Gedt-Kemar sehen konnte? Crest wollte die Augen vor dem Eisplaneten verschließen, um ihn aus seinem Blick zu verbannen, und konnte es nicht. Die weißbeige marmorierte Kugel hing wie das trübe Auge eines Tur'tek im All – eines Untoten, der nach der Sternschickung wiederkam, indem er der Kapsel zur Sonne oder seinem Grabmal entkletterte.

Thora. Da oben war sie zuletzt. Dort hat Ernst Ellert sie fortgeholt.

Neben ihm beugte sich eine arkonidische Adelige in mit Kristallen reich beschmolzener Kleidung zu einem weißhaarigen Jugendlichen, der wie ein zu groß geratenes Kind im Körper eines Erwachsenen wirkte. Hellblaue Augen sahen kugelrund aus einem weichen Gesicht. »Du hast da einen Fleck.« In der Bemerkung der Mitwartenden lag Tadel.

Die Dame, die vermutlich seine Mutter war, leckte sich ungeniert über die Finger und strich dem jungen Mann anschließend über die Wange. Er quiekte entsetzt auf. Sein unwirscher Ausruf klang ungewöhnlich hoch, war mehr die Tonlage eines Kindes denn die eines Mannes.

»Lass das, ich bin doch keine Nathor!«

Crest schmunzelte wehmütig. Eine Nathor war ein Wissensstandsabzeichen, das sich durch Feuchtigkeit auf die Kleidung kleben ließ, ähnlich einer Briefmarke auf ein Blatt Papier.

Sie können froh sein, einander zu haben, dachte er. Wie alt der Junge wohl war?

Die Mutter hob stolz die Stimme. »Du bist ein da Imtir! Du musst mehr auf dein Äußeres achten.«