Perry Rhodan 3141: Arynnen-Sinfonie - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3141: Arynnen-Sinfonie E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. Von einem Raumschiff der Chaotarchen geht sicher eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter FENERIK havariert ist – weil das Kosmokratenschiff LEUCHTKRAFT ihn gerammt hat. Die Chaostruppen werden in der kleinen Galaxis immer aktiver, vor allem, weil die Menschen mit Kommandounternehmen beginnen. Nun droht eine Strafaktion von FENERIK gegen eine ganze Welt. Um das Schlimmste zu verhüten, lauschen drei Mutanten der ARYNNEN-SINFONIE ...

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Nr. 3141

Arynnen-Sinfonie

Das Parateam stellt sich dem Mnemosturm – Gucky findet das Unvorstellbare

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Im Mnemosturm

1. Testlauf

2. Kuchen und Roboter

3. Scherbentanz

4. Spielen!

5. Unter dem Kristallnetz

6. Alleingang

7. Dunkler Gast

8. Am dunklen Pol

9. Raumgut

10. Sensorgesamt

Fanszene

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.

Von einem Raumschiff der Chaotarchen geht sicher eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter FENERIK havariert ist – weil das Kosmokratenschiff LEUCHTKRAFT ihn gerammt hat.

Die Chaostruppen werden in der kleinen Galaxis immer aktiver, vor allem, weil die Menschen mit Kommandounternehmen beginnen. Nun droht eine Strafaktion von FENERIK gegen eine ganze Welt. Um das Schlimmste zu verhüten, lauschen drei Mutanten der ARYNNEN-SINFONIE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Gucky – Der Mausbiber wird zum Scherbenspringer.

Damar Feyerlant – Der Konnektor stellt sich dem Mnemosturm.

Shema Ghessow – Die Deponentin fürchtet um einen Freund.

Anesti Mandanda – Der Kosmopsychologe vertritt die Nihonjin.

Karin Kafka – Die Xenotechnik-Analystin stellt Programme zur Verfügung.

Kirushina Arudselvan

Prolog

Im Mnemosturm

18. August 2071 NGZ

Damar Feyerlant kniet aufrecht auf dem rotgoldenen Boden. Kristalline Netze bedecken ihn. Sie überspannen seine Füße, die Beine, den Rumpf, die Arme und Schultern, selbst den Kopf. Wie lebendiges Gewebe umschlingen sie ihn, sinken tiefer, verweben sich mit Haut und Knochen.

Das geschieht nicht in der Wirklichkeit, denkt Damar. Es ist eine Erinnerung. Sie gehört nicht zu mir. Nur eine Erfahrung, die ein anderer gemacht hat.

Doch die Mnemobilder und Empfindungen fühlen sich echt an und ganz wie seine eigenen. Es spielt keine Rolle, dass es nicht seine sind. Sie werden es, während er sie hat. Das Fremde wird zu einem Teil von ihm, der unnachgiebiger eindringt als das rotgoldene Netz. Es droht ihn von innen heraus zu zersetzen.

Kalte Hände greifen nach ihm. Oder ist es eine einzige kalte Hand? Eine Hand mit Hunderten Fingern? Fingerspitzen tauchen in sein Denken, vereisen, was sie berühren, wühlen tiefer. Sie wollen ihn packen, das Sein auslöschen, ihm die Individualität rauben.

Da ist noch etwas anderes. Etwas in der Nähe, das sein schwächer werdendes Dasein überstrahlt wie ein dunkler Pulsar. Schwarze Wellenfronten gehen davon aus, die jede Freude verschlingen. In ihnen vergeht das Lächeln, ertrinkt die Hoffnung, erlischt der Lebenswille. Das, was sie aussendet, ist tödlich. Dieses Etwas ist falsch. Es darf nicht sein, gehört nicht an diesen Ort, nein ... Das trifft es nicht. Was immer es ist: es gehört an keinen Ort! Nirgendwohin. Es sollte nicht existieren.

Wie eine biopostronische Maschine zieht es ihn an und bleibt doch auf Distanz. Damar kann es nicht fassen. Immer wenn er danach greift, gleitet es fort. Der Quell der dunkeln Wellen liegt jenseits. Er ist hinter Schleiern verborgen, entzieht sich ihm – oder ist er es, der davon abgestoßen wird?

Damar schaudert, wendet sich ab. Er will fort, nur fort. Weg von dem Netz, den Fingern und dem tödlichen, fremdartigen Etwas. Fort, fort, fort ...

In Gedanken rennt er, doch er weiß, er bewegt sich keinen Millimeter. Er kniet aufrecht auf dem rotgoldenen Boden, die Arme ausgestreckt, von kristallinen Netzen überzogen. In dieser Position ist er gefangen.

Die kalten Finger wühlen tiefer. Sie bohren sich in ihn, verstärken die fremden Bilder, treiben ihn über die Schwelle zur Auflösung. Damar fällt ins Bodenlose, schreit, rudert mit Armen und Beinen.

Die fremden Eindringlinge zerstören, was ihnen im Weg ist: er, Damar Feyerlant. So wie er gerade ist, ist er unbrauchbar, doch sie wollen ihn brauchbar machen. Er soll Teil eines Größeren werden. Ist das nicht, was er immer wollte? Gebraucht werden, dafür sorgen, dass niemand leiden muss, anderen helfen ...

»Damar!« Die Stimme in seinem Geist ist eindringlich. Sie klingt erschöpft und besorgt, aber auch vertraut. »Du verlierst dich! Wenn du dich nicht abwendest, wirst du sterben!«

Abwenden. Wovon? Von wem oder was? Tatsächlich kann er sich nicht abwenden. Er wird angezogen, stürzt der Auflösung entgegen, hin zu jenem Sturm aus Bildern und Gefühlen, die gegen ihn branden wie eine Urgewalt.

Mnemosturm. Dieses Wort ist plötzlich da, unverhofft, wie unerwarteter Besuch. Hat Damar es gedacht, oder war es der andere, der mental in einem Parablock mit ihm verbunden ist? Das Wort trifft es sehr gut: Was gegen Damar brandet, ist wie ein Sturmwind, der ihn davonwehen möchte. Fremde Erinnerungen, die ihn mit sich reißen.

»Damar!« Dunkle Augen blitzen inmitten der Gedankenbilder auf und vertreiben den Anblick kristalliner Netze. Rotbraunes, seidiges Fell mit einer interessanten Zeichnung umgibt sie. Eine spitze Nase steht hervor. »Hörst du mich? Ich bin es, Gucky!«

Gucky. Irgendwann einmal war Damar dieser Name wichtig. Er gehört jemandem von Bedeutung. Vielleicht sogar einem Freund. Wer ist dieser Gucky? Ist er nicht ein Unsterblicher? Ein Weggefährte von Perry Rhodan? Aber wer ist eigentlich Perry Rhodan?

Erschrocken erkennt Damar, dass sein Verlieren bereits eingesetzt hat. Die Dinge entgleiten ihm.

»Ich weiß, dass du dich nicht befreien kannst!« Die Stimme dieses Gucky drängt sich in den Vordergrund wie ein aufdringlicher Vogel, der einen Balztanz zum Besten gibt.

Sie stört Damar.

Warum geht sie nicht fort? Er will die Kälte fühlen, die ihm Stille bringen wird. Endlich Stille. Doch dieser Gucky ist unerbittlich. Er redet einfach weiter. Ungefragt. Ein ziemlich nerviger Kerl.

»Du sitzt fest«, sagt Gucky. »Es ist unmöglich für dich, mit dem Erinnern aufzuhören. Aber du kannst die Spur wechseln! Hör auf, ihre Gedanken zu denken! Denk an dich! Denk daran, wie alles begonnen hat! Was hat dich hierher gebracht?«

Eine interessante Frage. Vielleicht ist dieser Gucky gar nicht so übel. Er scheint sich wirklich zu sorgen, und was er sagt, klingt hilfreich.

»Wie es begonnen hat ...«, murmelt Damar.

Die kalten Finger bohren weiter, doch plötzlich ist da ein anderes Bild. Es zeigt ein Monstrum, das keines ist. Ein fremdartiges, wurmartiges Lebewesen. Der über zweieinhalb Meter lange, von feinsten ockerfarbenen Schuppen überzogene Körper bewegt sich auf hundert Stummelfüßen an der Wand entlang. Er schlängelt sich von links nach rechts. Am dreieckigen Mund zucken Fühler zwischen Zangen und Greifwerkzeugen, die sich wiegen wie Schlingpflanzen in der Strömung. Zwei Stielaugen richten sich auf Damar, erkennen ihn trotz des SERUNs und des aktivierten Deflektors.

Das Wesen wird langsamer. Es streckt die Fühler tastend aus. Hat es eine von der Antiflex-Brille erzeugte Lücke bemerkt? Ein winziges Aufblitzen im Nichts?

1.

Testlauf

Am Tag zuvor

Der Arynne richtete das vordere Körperteil auf. Dabei löste er sich von der Wand. In der fremdartigen Umgebung des Scherbenschiffs hatte er Heimvorteil. Er wusste genau, wo er war und wohin er sich bewegen konnte. Damar Feyerlant wusste das nicht.

Damar Feyerlant stand wie erstarrt. »Shema?«

»Ich bin da! Lass uns verschwinden!« Shema Ghessow hielt ihm die Hand hin, um gemeinsam mit ihm in eine Senke im Hyperraum zu fliehen, in die sie sich und ihn deponieren konnte. Wenigstens diese Möglichkeit blieb ihnen. Ohne diesen Fluchtweg hätten sie gewaltig in der Patsche gesessen.

Sie waren allein in einer der Scherben des gewaltigen, fremdartigen Schiffs. Allein mit einem Haufen Arynnen, von denen die meisten in Kleingruppen in der schmucklosen, rotschwarzen Scherbe im Kreis über den Boden, die Decke und die Wände liefen, als würden sie ein Laufprogramm absolvieren, das sich ein verrückter Choreograf ausgedacht hatte.

»Warte!«, sagte Damar. »Wir wissen immer noch nicht, wie sie sich von Scherbe zu Scherbe bewegen.«

»Zu gefährlich!«

Sie hatte recht. War Damar versessen darauf, mit einem Arynnen zusammenzustoßen? Unsichtbar zu sein, schützte nicht davor, bei einem Aufeinanderprall entdeckt zu werden, und die Arynnen bewegten sich mit bis zu 30 Stundenkilometern. Je länger die Galaktiker blieben, desto wahrscheinlicher wurde ein Zusammenstoß.

Damar fragte sich, ob er genauso viel in einem echten Einsatz riskieren würde. Derzeit übten sie in einer Simulation. Die Zeit tickte. Während die Kommandantin der SKO-01 ihr Schiff mit Robotern bestücken und klarmachen ließ, hatte Shema Ghessow Damar überredet, eine von ihr ausgewählte Trainingseinheit zu machen. Sie hatte ihn geradezu bedrängt. Also hatte Damar sich neben sie auf einer Simulationsliege platziert, die Haube aufgesetzt und das Programm gestartet.

Im Grunde war ihm jede Aktion recht, die ihn von der mörderischen Nervosität ablenkte, die ihn gepackt hatte, seitdem er wusste, dass er, Shema und Gucky dafür zu sorgen hatten, dass die Arynnen einen ganzen Planeten verschonten.

Perry Rhodan hatte dem Chaoporter vor Kurzem einen Chaotreiber gestohlen – und FENERIK forderte dafür Vergeltung. Der Chaoporter wollte ein Exempel statuieren und hatte die Arynnen entfesselt. Diese hatten im nahen Ploitsystem den Planeten Darvab verwüstet und Gefangene gemacht, die sie in einer Mnemobank zusammengeschaltet hatten.

Damar erschauderte, als er an die Mnemobank dachte. Der Anblick der Tefroder, Komeuk und Gaids, die von kristallinen Netzen überzogen waren, verfolgte ihn bis in seine Träume. Rasch schob er den Gedanken fort.

FENERIK hatte mit dem Überfall auf das Ploitsystem einen Grundstein gelegt. Offenbar wollten die Arynnen in Erfahrung bringen, wer für den Raub des Chaotreibers verantwortlich war, um die Täter zur Rechenschaft ziehen zu können. Sie agierten dabei ohne erkennbare Emotion, und genauso würden sie auch das Ziel auswählen. Es ging nicht so sehr darum, die tatsächlichen Diebe zu bestrafen, sondern Furcht und Schrecken zu verbreiten, um jeden Widerstand im Keim zu ersticken.

Aus FENERIKS Sicht durfte sich ein Vorfall wie dieser unverfrorene Diebstahl nicht wiederholen. Der Chaoporter übte Rache aus Kalkül, nicht aus Leidenschaft. So lauteten jedenfalls die Analysen und Vermutungen von ANANSI und Anesti Mandanda, dem Kosmopsychologen.

Und genau da kam das kleine Parateam um Gucky ins Spiel. Gucky, Shema und Damar sollten dem Arynnenschiff ein neues Ziel unterschieben und die restlichen, noch mental intakten Gefangenen befreien, die sich an Bord befanden. Keine einfachen Aufgaben, vor allem für Damar, den Konnektor, der dafür sorgen musste, die Biopositronik zu infiltrieren und das Angriffsziel zu verändern.

Damar nahm Shemas Hand, und die Umgebung verschwand. Er sah noch einen Teil davon wie hinter einem bunten Schleier, doch er wusste, dass er mit Shema in den Hyperraum gewechselt war. Weißes Wabern umgab sie, in dem sich selbst das Denken zu verlieren schien. Von diesem Punkt aus konnten sie beobachten, Pläne schmieden, zur Ruhe kommen.

In der Simulation war das Innere des Scherbenschiffs dunkel gehalten. Sie blickten durch den farbigen Schleier auf einen goldgefleckten Arynnen, der sich in eine Art Kokon wickelte. Das sollte wohl sein Schlafplatz sein. Die Positronik erfand anhand der bisher gesammelten Daten ein buntes Spielfeld. Wie es tatsächlich in den verschiedensten Teilen auf einem Scherbenschiff aussah, würden die Mutanten erst erfahren, wenn sie vor Ort waren.

»Da!« Shema zeigte durch die Schleier. »Gucky ist zurück!«

Illustration: Swen Papenbrock

Der Ilt war wie sie durch einen Deflektorschirm getarnt. Dieser sank in sich zusammen, kaum dass er in der Scherbe angekommen war. Die wievielte Teleportation mochte es für ihn sein?

Für den bevorstehenden Einsatz spielte das keine Rolle. Gucky war nicht echt. Er gehörte zum Programm, und selbst wenn es der wirkliche Gucky gewesen wäre – in der Simulation wurden ihre Parafähigkeiten entsprechend vorgetäuscht. Sie setzen keine Psi-Kräfte ein.

»Wir holen ihn!« Shema ging los – quälend langsam. Gemeinsam wechselten sie zurück in die Scherbe, zu Gucky.

Der Mausbiber lag auf den Knien vor Erschöpfung, doch seine dunklen Augen wirkten wach und ausgesprochen lebendig. »Ich habe sie gefunden!«, verkündete Gucky. »Ich weiß, wo die Hauptpositronik ist! Kommt!«

Er bot ihnen die Hände, und die Umgebung wechselte schlagartig. Zu dritt standen sie in einer anderen Scherbe. Vor ihnen ragte ein Gebilde über zehn Meter hoch auf. Es erinnerte an ein schwarzes Scherbenschiff in Miniatur. Faustgroße Teile schwebten zusammen und doch getrennt. Sie drehten sich umeinander, wirbelten, rotierten. Dabei machten sie den Eindruck winziger Stummelfüße.

Das war sie also: die Hauptpositronik in diesem Programm.

Damar ging darauf zu, streckte eine Hand danach aus. Er wollte gerade seine Gabe zum Einsatz bringen, als Gucky und Shema aufschrien.

Damar fuhr zu ihnen herum. Ein Arynne war aus dem Nichts aufgetaucht. In den Kopfzangen hielt er einen Strahler. Offensichtlich hatte er Shema getroffen, denn diese war in sich zusammengesackt und zuckte unkontrolliert.

Gucky versuchte mit ihr zu teleportieren, verschwand jedoch nicht. Der Arynne eilte auf den Mausbiber zu. Damar hatte ihn anscheinend nicht bemerkt. Automatisch fuhr Damars Hand zur Waffe, zog sie, zielte – und drückte den Auslöser.

Paralysestrahlen trafen den Arynnen, ließen ihn zur Seite umkippen.

»Shema!« Es kostete Damar Nerven, nicht auf die Freundin zuzulaufen.

Gucky war bei ihr. Der Ilt musste sich um Shema kümmern, während Damar die Positronik manipulierte.

Warum kam von Gucky keine Reaktion? Die Szene wirkte wie eingefroren.

Falsch. Damar korrigierte den Gedanken. Die Szene war eingefroren.

Shema hatte das Training abgebrochen. Nichts bewegte sich mehr. Warum hatte sie das getan?

Irritiert zog Damar die Haube vom Kopf, öffnete die Augen und orientierte sich kurz im hellen Übungsraum auf der SKO-01. Er war auf einem Schiff der OLYMP-Klasse, einer 240 Meter durchmessenden, kugelförmigen Fregatte, und in Sicherheit.

»Shema? Was ist los?«, fragte er.

Sie saß auf der Liege, die dünne Haube noch über den Haaren. Die grünen Augen hatte sie zusammengekniffen. »Warum nimmst du eine Paralysewaffe?«

»Wie bitte?«

»Du hast mich schon verstanden! Wir wissen nicht, ob die Arynnen sich so leicht paralysieren lassen. Ihr Organismus ist uns fremd.«

»Wir wissen auch nicht, ob die Arynnen automatisch umfallen, wenn wir ein Loch in sie brennen.«

»Es geht um Wahrscheinlichkeiten. Mit einem Thermoschuss wäre die Sache geklärt gewesen.«

»Und jeder hätte gewusst, dass wir an Bord sind.«

»Das wussten sie sowieso. Es ging darum, unsere Leben zu retten und zu verschleiern, was wir getan haben. Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich alles gegeben hast.«

»Was? Du warst es doch, die sich von einem Arynnen hat überwältigen lassen!«

»Ich wollte wissen, was du machst, wenn du auf dich gestellt bist.«

»Du führst dich auf, als wärst du meine Ausbilderin. Was soll das eigentlich? Warum hast mich überredet, dieses Trainingsprogramm zu machen?«

»Kannst du dir das nicht denken?«

Damars Ärger verrauchte ein wenig. »Okay. Ich kann es mir denken. Und ich bedaure, dass ich ehrlich zu dir war.«

Er hatte ihr erzählt, wie es ihm gegangen war, als er zum ersten Mal getötet hatte. Nachdem er eine Box der Munuam zum Absturz gebracht hatte, war ihm bewusst geworden, dass womöglich durch seine Paragabe Gegner zu Tode gekommen waren, und das hatte ihn entsetzt. Obwohl er vorher gewusst hatte, dass seine Gabe über Leben und Tod entscheiden konnte und je nach Einsatzgebiet eine Waffe war, war es für ihn etwas anderes gewesen, das tatsächlich zu erleben.

Shema öffnete die Arme, ließ sie hängen und seufzte. »Darf ich dich mal was fragen?«

»Kann ich es verhindern?«

»Nein.«

»Dann frag!«

»Bist du vielleicht zu mitfühlend für Außeneinsätze?«

»Du willst wissen, ob ich ein Weichei bin?«

»Ich weiß, dass du ein Weichei bist. Du gehst ja nicht einmal in eine Nasszelle, wenn das Wasser nicht mindestens vierzig Grad hat. Aber was du privat tust, ist mir egal. Ich will wissen, ob es dich überfordert, zu töten, weil du dir einredest, der Gute zu sein. Derjenige, der so etwas nicht tut.«

»Ich rede mir keineswegs ein, der Gute zu sein. Ich verzichte lediglich auf Gewalt, wo es geht. Vielleicht bist du ja kaltherzig und abgestumpft.« Es tat Damar leid, noch während er es sagte.

Statt sich seine Worte zu Herzen zu nehmen und angegriffen zu reagieren, lächelte Shema auf ihre typische, leicht spöttische Weise. »Danke. Das nehme ich als Kompliment.«

»Es war nicht ...«

»Ist schon gut.« Shema zog die Haube vom Kopf und hängte sie an das Gestell. Sie fuhr sich durch die stoppelkurzen, weißblonden Haare. »Wir haben trainiert, und du hast gemerkt, worauf ich hinauswollte. Überleg dir, was du im Einsatz tust. Von dieser Mission hängen Millionen Leben ab! Es liegt an uns, das Schlimmste zu verhindern. Und ich für meinen Teil will das nicht vermasseln.«

Ein Piepen am Kommunikationsgerät ersparte Damar eine überflüssige Antwort. Natürlich würde er sein Bestes geben.

Shema warf einen Blick auf das Gerät. »Der Chef«, sagte sie lapidar.

Das ließ Damar grinsen. In der letzten Besprechung hatte sich Gucky ihnen gegenüber selbst scherzhaft als Chef bezeichnet, und dieser Begriff war bei Shema hängen geblieben.

»Einsatzbesprechung?«, fragte Damar.

»Was sonst? In fünfzehn Minuten.«

Zu wenig Zeit für eine ausführliche Reinigung in der Nasszelle. Damar merkte, wie verschwitzt er war. Eine kurze Trocknung musste genügen. Er hängte seine Sim-Haube neben Shemas und richtete sich auf.

Dabei dachte er an Ras Tschubai und die anderen Mutanten, die er bewunderte. Ob sie sich auch so verunsichert gefühlt hatten wie er gerade? Hatte es je Aufträge und Missionen gegeben, die sie schlaflose Nächte gekostet hatten? Oder waren sie eben keine Weicheier gewesen?

Er sah Shemas zweifelnden Blick und legte eine Hand auf ihren Unterarm. »Wir schaffen das.«

2.

Kuchen und Roboter

Gucky watschelte im SERUN auf den Besprechungsraum neben der Zentrale zu. Am liebsten wäre er teleportiert und mit dem üblichen, vertrauten »Plopp«, das er so gern erzeugte, mitten im Geschehen gelandet, doch der bevorstehende Einsatz konnte ihn viel kosten. Da war es besser, Kräfte zu sparen. Da er auch seine Telekinese nicht einsetzen wollte, nutzte er den Missionsroboter, um sieben große Kuchenstücke auf sechs Tellern zu transportieren.

Der Roboter war ein lustiges, klumpenförmiges Ding mit zahlreichen Tentakelarmen, dreieckigen Mündern und Greifwerkzeugen, der auf Dutzenden Lauffüßen wie eine Kugel vorwärts gleiten konnte. Für seinen Umbau hatten die Arynnen als Vorbild herhalten müssen.

Wie erwartet waren die anderen bereits anwesend. Shema Ghessow und Damar Feyerlant kamen ebenso wenig zu spät wie Karin Kafka oder Anesti Mandanda, die eigens angefordert worden waren. Als Missionsleiter, der für die Einsatzdauer über Kommandantin Kirushina Arudselvan stand, konnte Gucky sich das leisten. Wobei, wenn er ehrlich war, das Gehen länger gedauert hatte als gedacht.

Vielleicht sollte er vor dem Einsatz noch einmal für ein paar Minuten in eine Aktivations-Sportbank, die seine Muskeln auf Vordermann brachte. Er kniff sich ein Röllchen am Bauch. Seitdem Axelle Tschubai ihn mit Kuchenrezepten versorgte, hatte er ein paar Gramm zugelegt. Vielleicht auch etwas mehr.

Gucky gab dem Roboter einen Wink, der wie vereinbart die Kuchenteller auf dem Tisch abstellte, wobei der mit den zwei Stücken auf Guckys noch verwaistem Platz landete. »Grüße von Axelle. Sie würde sich über ein Gespräch mit uns für ihre Chronik freuen, wenn wir zurückkommen.«

Damar griff nach einem Stück Möhrenkuchen. »Warum nicht?«

Shema dagegen war die Skepsis deutlich anzusehen. Gucky schnappte den Gedanken auf: Nicht Wenn. Falls wir zurückkommen. Doch es gab dahinter keine echte Tiefe oder Angst. Nur eine ungewöhnlich hohe Nervosität, die in dieser Situation durchaus angemessen war.