Perry Rhodan 3145: UNGEZÄHLTE STERNE - Michelle Stern - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3145: UNGEZÄHLTE STERNE E-Book und Hörbuch

Michelle Stern

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das daher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan sich auf dem Weg dorthin befindet, begegnet er einer Kastellanin, die ihn mehreren Prüfungen unterzieht. Die zweite führt ihn auf die UNGEZÄHLTE STERNE ...

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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Zeit:4 Std. 1 min

Veröffentlichungsjahr: 2021

Sprecher:Martin Bross

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Nr. 3145

UNGEZÄHLTE STERNE

Atlan erlebt seine zweite Prüfung – ein Nomadenschiff im Ausnahmezustand

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. UNGEZÄHLTE STERNE

2. Schattenläuferin

3. Garten der Begegnung

4. Simau

5. Schattenwelt

6. Widerstand

7. Streckenrechenschaft

8. Geheimnisse

9. Neuroflut

10. Zielvater

11. Ausgespielt

Epilog

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.

In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das daher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan sich auf dem Weg dorthin befindet, begegnet er einer Kastellanin, die ihn mehreren Prüfungen unterzieht. Die zweite führt ihn auf die UNGEZÄHLTE STERNE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan da Gonozal – Der Arkonide wird zum Prüfling.

Verind Nott – Die Kastellanin ist weitaus mehr als nur eine Prüferin.

Bo – Die Schattenläuferin weiß ihren Weg zu finden.

Angu von Zamzegh

Prolog

Vertrauen

Verind Nott

Du hast schwere Anschuldigungen gegen mich erhoben. Vielleicht zu Recht. Jeder hat sein Universum, seine eigene Sicht der Dinge. Ich verstehe, dass du mein Vorgehen nicht nachvollziehen kannst oder willst. Noch nicht. Es wird der Tag kommen, an dem ich mich erklären kann oder du von selbst begreifst, wie notwendig diese frühe Phase des Auslotens war.

Du verlangst, dass ich dir ungeprüft vertraue. Warum sollte ich das tun? Denkst du, deine Vergangenheit wäre Beweis genug? Oder dein Name?

Was bedeutet Vergangenheit? Jeder Moment kann ein Wesen verändern. Das, was du früher getan hast, muss nicht sein, was du heute tust. Wenn es anders wäre, gäbe es keinen Fortschritt.

Auch ein Name ist keine Garantie. Er ist bedeutungslos. Ein farbiger Nebel in weiter Ferne, der keine Substanz hat. Was ich brauche, sind deine Taten. Ich will sehen, wer du bist, dich erkennen in dem, was du tust.

Handelst du wie ein Ritter der Tiefe? Brennt die Flamme des Ordens in dir? Bist du erfüllt vom Bestreben, als Wächter im Sinn der kosmischen Ordnung und damit im Sinne von ES zu wirken?

»Eugen Armonentesh sagt,

wir sollten ihm vertrauen.

Ihm und seinem Ziel,

das in der Zukunft liegt.

Er plant und tut es

für das Paradies von morgen.

Doch ich sehe nur die Hölle,

die er im Jetzt erschafft.«

Vui Hann

1.

UNGEZÄHLTE STERNE

Die tropfenförmige Sextadim-Kapsel hatte ihr Ziel beinahe erreicht. Verind Nott erhob sich aus dem Kontursessel und stützte eine Hand auf dem beweglichen Steuerpult ab.

Die rote Sonne Schavva lag 150 Lichtjahre hinter ihnen. Gedankenverloren streichelte Verind über die weiche Oberfläche von Xaxa, während sie von der halbkugelförmigen Kommandozentrale aus ins All schaute. Der Symbiont um ihren Hals war unruhig. Er streckte sich in Richtung Durchgang zur unteren Ebene, wo sein Bassin lag.

»Xaxa Pause«, sagte ihr stachelschalförmiger Begleiter, der ihr lieber geworden war als die meisten anderen Wesen.

»Bald«, beruhigte Verind. »Nur noch ein paar Stunden oder Tage. Je nachdem, wie lange Atlan für seine Prüfung braucht.« Insgeheim fürchtete sie, dass sie Xaxa während Atlans Prüfung ablegen musste. Es war an der Zeit.

Xaxa schmiegte sich mit einem Teil des weichen Körpers enger an Verinds geschuppten Hinterkopf. Er verstärkte die Verbindung. Seine Farben changierten dabei von Weißlich-Gelb bis Hellviolett. »Prüfung schwer?«

»Ja. Aber sie ist zu bestehen. Und sie dient einer guten Sache.«

Verind blickte dem Nomadenschiff entgegen, dem sich die YDUA langsam näherte. Es war ein wildes Sammelsurium aus ausgeschlachteten Raumschiffen; schwer festzustellen, wo das eine endete und das nächste begann. Den Kern des Schiffs bildete ein Kugelraumer von 800 Metern Durchmesser. Im Lauf der Zeit waren so viele andere Raumschiffsfragmente mit diesem Kern verbunden worden, dass man diesen Kern wohl anhand des Gesamtbildes nicht mehr mit Sicherheit erkennen konnte. Tief im Innern dieses Gebildes schlummerte eine Besonderheit, die Verind faszinierte und die heimlich dorthin geschafft worden war.

Die Sextadim-Kapsel war getarnt und löste keinen Alarm innerhalb des Nomadenschiffs aus. Verind wusste das. Sie hatte es vorab getestet, bei den Vorbereitungen dieser Prüfung. Die UNGEZÄHLTE STERNE verfügte über jede Menge Technik, doch das meiste davon war veraltet, vieles störanfällig. Zwar gab es einen Prallschirm sowie einen schwachen HÜ-Schirm, doch keiner der beiden war dauerhaft eingeschaltet. Es hätte zu viel Energie verbraucht.

»Schiff komisch«, urteilte Xaxa.

»Es ist alt. Aus vielen Teilen gebaut. Und es trägt ein Geheimnis in sich. Willst du wissen, welches?«

Xaxa antwortete nicht. Verind lächelte. Xaxa antwortete öfter nicht. Ihr war das recht. Als Uxantin war sie Einzelgängerin. Ihr Volk war älter als die Lemurer, seine Angehörigen ertrugen nur vorübergehend Gesellschaft. Dabei galt: Je fremdartiger ein Geschöpf war, desto eher konnte Verind es in ihrem Umfeld ertragen. Und Xaxa war fremd, selbst nach all der Zeit.

Still sah sie hinaus über den Rumpf der UNGEZÄHLTE STERNE, während die Sextadim-Kapsel leicht wie eine Feder aufsetzte.

Atlan würde das Geheimnis erfahren wollen. Es würde es herausfinden, oder besser – er musste es, um die Prüfung zu bestehen.

Verind wandte sich vom unregelmäßigen Rumpf der UNGEZÄHLTE STERNE ab und ließ sich durch die Öffnung im Boden hinunter auf die nächste Ebene tragen. Dort ruhten auf vier Liegen die Begleiter Atlans in tiefer Bewusstlosigkeit: der Arkonide Skrul und die Akonen Deena von Prasior, Odard tan Antappon und Angu von Zamzegh.

Obwohl sie alle humanoid waren, unterschieden sie sich deutlich voneinander. Während Skrul hager wirkte, war Odard tan Antappon fast zu breit für die schmale Liege. Der akonische Etappenhofkommandant hatte einen verbissenen Zug um den Mund, ganz so, als würde er selbst in der Bewusstlosigkeit die stets nachdenklichen Gedanken und Bedenken von Angu von Zamzegh hören können. Der Wissenschaftler war der Einzige, der vorbildlich entspannt mit leicht offenem Mund dalag.

Deena von Prasior dagegen wirkte selbst in der Betäubung fragend. Der lange Hals und das ausdrucksstarke Gesicht waren ein Blickfang. Die Haare schimmerten rötlich braun, die Partie um den Mund wirkte entschlossen. Wäre ihr Hinterkopf länger gewesen und hätte ihre Haut den typischen türkisfarbenen Glanz winziger Schuppen, hätte sie als Uxantin durchgehen können.

Im Grunde fand Verind jedes dieser Wesen auf seine Weise beeindruckend, sogar den ausgemergelten Arkoniden, der glaubte, die Krone der Schöpfung zu sein.

Keiner von ihnen konnte es jedoch mit dem Mann aufnehmen, um den es eigentlich ging. Sie waren nur die Staffage für diesen Test; vielleicht Hilfe, vielleicht Hindernis, je nachdem ob sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst wurden oder nicht. Womöglich würden sie auch ein Druckmittel sein.

Ihre bloße Anwesenheit würde Atlan vor neue Herausforderungen stellen.

Wie würde er damit umgehen? Was bedeuteten ihm diese Individuen, die er kaum kannte? Würde er sich erneut für sie verantwortlich fühlen und sich entsprechend dafür einsetzen, dass ihnen nichts geschah?

Wie setzte er seine Prioritäten, wenn er sich zwischen ihnen und anderen Zielen entscheiden musste?

Verind ging an das Singular-Physiotron und schaute in eins der beiden offenen Enden. In der wuchtigen, über zwei Meter langen, waagrecht liegenden Röhre ruhte in künstlicher Stasis ein fast einen Meter neunzig großer, bestens durchtrainierter Arkonide mit weißen halb langen Haaren in einem schlichten, silbrigen Nanofaseranzug, der an Bord der UNGEZÄHLTE STERNE nicht weiter auffallen würde. Die markanten, scharfen Gesichtszüge waren ausdruckslos und doch lebendig, als würde er jeden Moment die blassroten Augen öffnen.

Kaum zu glauben, dass er über 20.000 Jahre alt war. Mochte er quasi unsterblich sein, konnte er dennoch zu Schaden kommen und sterben.

Vielleicht würde das eines Tages notwendig sein. Wie schnell dieser Tag wohl kommen würde?

Verind Nott zögerte, dann griff sie an das Brustteil ihrer eigenen rot-blauen Montur und löste ein kreisförmiges Medaillon, in dessen Mitte ein stilisiertes Auge prangte, das ihrem eigenen glich: lang gezogen, schmal am Ende und mit einer geschwungenen Kerbe darüber, die eine Augenbraue bildete.

Sie öffnete das Physiotron und steckte das Schmuckstück in eine unscheinbare Seitentasche von Atlans Kleidung, die sich selbsttätig verschloss und das Metall passgenau umhüllte.

Atlans Lider zuckten, als sie ihn berührte. Die Wimpern waren erstaunlich lang.

»YDUA? Ist mit der Stasis alles in Ordnung?«

»Es ist alles normal, sie hält ihn zuverlässig bewusstlos«, versicherte das Bordgehirn. »Nach Verlassen kann ich es für längstens zwei Stunden nach galaktischer Zeitrechnung aufrechterhalten, wenn ich alles entsprechend präpariere. Ist das weiterhin so geplant?«

»So ist es. Gibt es Nachrichten?«

»Alschoran hat seine Anfrage wiederholt. Er möchte wissen, wann du ins Solsystem kommst.«

»Er wird sich denken können, was mich abhält. Er kennt meine Fähigkeiten. Also weiß er auch, dass ich keinen Termin nennen kann.«

»Du willst nicht antworten?«

»Nein. Es wäre überflüssig.« In der Beziehung hielt sie es wie Xaxa. Alschoran wusste das.

Sie aktivierte die vorbereitete Antigravliege. Das Physiotron schob Atlan heraus und ließ ihn auf die Liege schweben. Die vier anderen Galaktiker folgten ihm. Am Übergang stellte sich die Liege auf und glitt mitsamt ihrer wertvollen Fracht hinunter in Richtung Maschinendeck. Ein Deflektorschirm umhüllte die fünf Entführten und verbarg sie. Auch Verind Nott versteckte sich mittels dieser Technik.

Sie stieg aus und projizierte einen unsichtbaren Energieschirm um sich und ihre reglosen Begleiter. Mit einem vorab präparierten Multifunktionsgerät öffnete sie eine Wartungsschleuse und brachte die Liege samt ihrer Fracht hinein.

Von dieser Stelle aus war es nicht mehr weit bis zu den Orten, an denen die fünf erwachen sollten – die vier übrigen getrennt von dem Unsterblichen. Verind wollte wissen, wie Atlan sich allein schlug. Sie warf fünf Mikrosonden in die Höhe, die sich jeweils an einen der zu Testenden hängten. Dabei fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre, Atlan allein auf die UNGEZÄHLTE STERNE zu schicken.

Die Lage an Bord war höchst brisant. Atlan würde sich zu helfen wissen, und er hatte einen Zellaktivator. Zweifellos würde es auch für ihn gefährlich sein, doch vermutlich würde er überleben. Seine Begleiter dagegen waren einem weit größeren Risiko ausgesetzt.

»Das heißt, ich war ein Experiment?«, hörte sie Atlans anklagende Stimme in ihrer Erinnerung.

Ja, so war es. Und so würde es bleiben, bis sie Gewissheit hatte oder zumindest etwas, das dem so nahekam wie irgendwie realistisch. Aber sie würde auch auf die Gruppe aufpassen – so gut es eben ging.

Auf Verinds Befehl legte die Liege die ersten vier Bewusstlosen ab. Ein winziger Medoroboter schwirrte von einem zum anderen und gab ihnen Medikamente, damit sie schneller aufwachten. Dann ging sie mit Atlan in einen langen, tunnelartigen Gang, in dem es feucht und moosig roch. Erst an einem ganz besonderen Ort würde die Stasis von ihm abfallen: im Sektor der Schattenläuferin.

»Wenn du glaubst,

du bist gelassen,

geh und verbring einen Tag

mit deiner Mutter.«

Vui Hann

2.

Schattenläuferin

Leiser!, dachte Bo und stellte sich dabei einen Wald mit mächtigen, grünen Baumkronen vor. Angenehme Wärme auf der Kopfhaut zeigte, dass der Chip in ihrem Gehirn die richtige neuronale Musterzuordnung gefunden hatte.

Das Geräusch der Meeresbrandung ebbte ab.

Bo setzte sich neben dem würfelförmigen, im Boden verankerten Tisch auf einen Hochteppich und blickte aus der Fensterfront auf die aufgewühlten Wellen tief unter ihr. An diesem Tag hatte sie Sturm gewählt. Der Tisch stand scheinbar auf einem Felsen hoch über dem französischen Meer. Draußen segelten Möwen vorbei. Sie hätte in einem Luxusrestaurant auf dem alten Terra sitzen können, doch natürlich war sie dort nicht.

Bo war nie in ihrem Leben auf Terra gewesen und hatte insgesamt kaum zwölf Planeten besucht, obwohl sie früher Schatzsucherin gewesen war. Ihre Heimat war die UNGEZÄHLTE STERNE, und sie hatte das Schiff geliebt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Eugen Armonentesh die Macht an sich gerissen hatte. Von da an war ihr Leben vom Tunnelband geflogen, und nicht nur ihres. Verdammte Matriarchen-Technik! Verfluchte Diktatur!

Wieder wurde das dünne Netz auf ihrer Kopfhaut warm, doch dieses Mal war es beinahe unangenehm. Der im Gehirn eingepflanzte Mikrochip erinnerte sie daran, in der Gegenwart zu bleiben und keinen negativen Gedanken nachzuhängen. Das war besser für den Blutdruck.

»Li! Tisch decken!«

Der Serviceroboter reagierte auf den Zuruf und setzte sich in Bewegung. Sie hörte ihn in der Küche hantieren, wobei es bedenklich laut klapperte. Die Feinmotorik ließ mehr und mehr zu wünschen übrig.

»Mach nichts kaputt!«, rief Bo. »Ich habe erst in drei Wochen neue Haushalts-Hypa.«

»Es tut mir leid zu hören, dass du knapp bei Kasse bist.«

»Tisch decken und Klappe halten!«

»Selbstverständlich.« Li brachte das Geschirr samt einer Kerze und einem Blumenstrauß auf einem silbernen Tablett. »Brauchst du noch etwas? Die Kochmaschine ist in drei Minuten fertig.«

»Ein wenig mehr Freiheit wäre nicht schlecht. Offener Hyperfunk. Planetenfreigänge alle ein bis zwei Jahre. Ein paar Hypa mehr. Und ein Baby würde ich auch nehmen. Einen Jungen, wenn's geht. Braunhaarig. Aus externen Genen.«

»Damit kann ich leider nicht dienen. Wasser oder Rotsaft?«

»Rotsaft.«

Li verschwand wieder in Richtung Küche, und Bo genoss es, einfach dazusitzen und auf den riesigen Bildschirm zu starren, der ihr perfekt vorspiegelte, dass sie auf einem Planeten war. Sie mochte diese kleinen Momente vor dem Essen, die ihr Ruhe schenkten.

Ein ansteigender Ton im Ohr störte die Stille. Bo stellte sich eine keramikfarbene Sensorfläche vor und nahm damit die Verbindung an. Der Chip übersetzte das neuronale Muster ihrer Gedanken in einen simplen, zuvor verknüpften und abgespeicherten Befehl, den er an die Raumpositronik LIA weitergab.

»Was gibt's?«, fragte Bo.

»Eindringlingsalarm in Sektor 10!«, verkündete Lio mit heller Stimme.

Der spinnenartige Wachroboter patrouillierte für sie in ihrem Reich. Er war ein Teil der besonderen Macht, über die Bo an Bord verfügte. Dank seiner Hilfe hatte sie seit Jahren in ihrem eingeschränkten Rahmen der Diktatur trotzen können.

»Zeig her!«

Sie erwartete ein paar neugierige Jugendliche zu Gesicht zu bekommen, die noch nie ein Chip-Netz in der Hand gehalten hatten.

Auf dem zwei Meter hohen Bildschirm verschwand die realistische Meeresdarstellung. Sie wich einem dunklen Gang in Sektor Zehn. Lio strahlte mit zwei Scheinwerfern den Mann an, der dort auf dem Boden lag. Er hatte weißes Haar, wirkte jedoch nicht alt, sondern muskulös und bestens trainiert. Schade, dass er angezogen war. Aber auch so bot er einen appetitlichen Anblick.

»Interessant. Halt ihn an Ort und Stelle! Ablösung ist unterwegs.« Sie schaltete Lio mit einem doppelten Blinzeln weg, ohne auf die Bestätigung zu warten.

»LIA! Verbindung zu Shiyon!«

Die Raumpositronik reagierte nach einer leichten Verzögerung. Auch sie war störanfällig, genau wie der Serviceroboter. Doch bisher hatte sie ihre Aufgaben stets erledigen können.

Vor dem Bild mit dem liegenden Weißhaarigen schien ein transparentes Holo aus dem Schirm herauszutreten. Es zeigte die hagere Gestalt von Shiyon, der seine Hand grüßend erhoben hatte. Dabei fiel Bos Blick auf dessen grauen Daumen, und sie schauderte. Shiyon war ein lebendes Mahnmal. Wann immer sie seinen Daumen sah, wurde sie darauf zurückgeworfen, wie endgültig die Zeit der Freiheit vorüber war. Aber letztlich hatte sie keine Wahl. Sie würde das Beste daraus machen. Was sonst?

Das Holo, das nur anzeigte, mit wem sie sprach, erlosch. »Ja?«, fragte Shiyon ohne eine Bildverbindung.

»Lio hat etwas gefunden. Hast du Zeit für einen Kontrollgang?«

»Ganz übel. Die Sechzehn-Uhr-Kämpfe müssen vorbereitet werden, und mir fehlt der Verurteilte der letzten Streckenrechenschaft. Du hast nicht zufällig einen Kandidaten?«

Bo kniff die Augen zusammen. Der Weißhaarige wirkte brauchbar. Jedenfalls, wenn er gesund und bei klarem Verstand war. Aber wer an Bord dieses Wahnsinnskahns war überhaupt klar bei Verstand? »Vielleicht schon. Ich melde mich wieder.«

Sie beendete die Verbindung und stand auf. Das Essen musste ausfallen.

*

Dunkelheit umgab mich. Es war so finster, dass ich einen Moment brauchte, um zu verstehen, dass meine Augen tatsächlich offen waren. Es gab offenbar nichts zu sehen. Kein Licht. Dafür roch ich etwas. Moos. Feuchtigkeit. War ich auf einem Planeten? Der Boden unter mir war hart wie Arkonstahl. Etwas klickte in der Nähe in schneller Folge. Grelles Licht flammte auf.

Ich wollte aufspringen, da meldete sich mein Extrasinn.

Stopp! Du wirst beobachtet. Stell dich schlafend!

Ich gehorchte. Erst nachdem ich das Klicken eine Weile nicht mehr gehört hatte, öffnete ich die Lider einen Spalt weit und schloss sie sofort wieder. Keine drei Meter entfernt hockte mit angezogenen Beinen eine blasse Riesenspinne, die wirkte, als wäre sie eine Skulptur aus Keramik und Metall. Durch das Klicken ihrer Beine verriet sie allerdings, dass sie weit mehr war, wahrscheinlich ein vollbeweglicher Roboter.

Das Geräusch näherte sich.

Mit ihm kam die Erinnerung: Verind Nott hatte mich entführt und offensichtlich irgendwo ausgesetzt, für eine zweite Prüfung. Wo waren die anderen, die wie ich von ihr betäubt worden waren? Und was drohte mir von diesem künstlichen Ding, das mindestens so groß wie mein Kopf war?

Bleib ruhig!, empfahl der Extrasinn.

Als ob ich darauf nicht selbst kommen würde, spottete ich gedanklich. Manchmal frage ich mich, ob Skrul nicht recht hat. Du bist ein überflüssiger Luxusartikel.

Das Kunstwesen näherte sich vorsichtig. Ich beobachtete aus fast geschlossenen Augen, wie es eines der langen dünnen Beine ausstreckte. Am Ende war ein Tuch befestigt. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, als es mir damit über die Stirn tupfte und meinen Schweiß abwischte.

»Hier bin ich!«, verkündete eine Stimme von meiner anderen Seite. »Was ist das für ein Kerl, Lio? Hat er Drogen genommen?«

»Keine Drogen«, antwortete der Spinnenroboter. »Er muss von Deck Acht gekommen sein. Durch die Toruslücke.«

Innerlich bereitete ich mich auf einen Kampf vor. Die dunkelhaarige Frau wirkte schmächtig. Sie war einen Kopf kleiner als ich, vermutlich etliche Kilogramm leichter und trug keine erkennbare Waffe. Vielleicht hatte sie im Stiefel oder unter dem weiten, roten Hemd ein Vibromesser, einen Schockstab oder einen schmalen Strahler verborgen.

Wichtiger als sie zu überwältigen, war allerdings, Informationen zu sammeln. Wo war ich? Was war das für ein Ort? Wo steckten Deena, Angu, Odard und Skrul, und was konnte das für eine Prüfung sein, die sich Verind Nott ausgedacht hatte?

Die dunkelhaarige Frau wirkte asiatisch. Als käme sie von Terra. Sie sprach akzentfreies Interkosmo. Wer war sie? Zu welchem Volk oder welcher Gruppierung zählte sie sich?

Die Frau kam so nah, dass sie mich mit dem Fuß hätte treten können. Ich spannte meine Muskeln an.

Ihre Stimme klang spöttisch. »Ich weiß, dass du wach bist, Weißhaar. Hör auf dich zu verstellen. Wer bist du, und was machst du hier unten?«

Hier unten. Deck Acht. Ich war also aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer Station oder einem Raumschiff. Ich blinzelte erneut, verfestigte meinen Eindruck. Die Frau vor mir wirkte eindeutig wie ein Mensch, selbst die Art, wie sie gekleidet war, zeigte, dass sie mit der Liga in Verbindung stand. Sie trug eine eng anliegende, schwarze Hose, schwere Stiefel und eine rote Bluse mit dünnem Stehkragen.

»Das ist nicht wichtig«, murmelte ich. »Lass mich einfach in Ruhe.«

»Nicht wichtig?«, echote sie. »Du bist in meinen Sektor eingedrungen. Und ich habe dich erwischt. Du weißt, was das bedeutet, oder?«