Perry Rhodan 3176: Das schwarze Verwehen - Michelle Stern - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3176: Das schwarze Verwehen E-Book und Hörbuch

Michelle Stern

5,0

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, versucht er, mehr über dieses Gebilde herauszufinden, und hat über den Quintarchen Farbaud bereits tiefe Einblicke erhalten. Farbaud indessen ist längst wieder an Bord von FENERIK – allerdings zusammen mit drei Galaktikern. Ihnen begegnet DAS SCHWARZE VERWEHEN ...

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Zeit:3 Std. 42 min

Sprecher:Jonas Baeck
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Nr. 3176

Das schwarze Verwehen

Terraner im Chaoporter – sie stellen sich dem Rostland

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Das schwarze Verwehen

1. Gefangene

2. Gegenwehr

3. Schwarzer Sturm

4. Dissvah

5. Der Ruf

6. Karrthirr

7. Spuren

8. Verfolgung

9. Täuschungen

10. Vidro

Epilog: Wunder

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, versucht er, mehr über dieses Gebilde herauszufinden, und hat über den Quintarchen Farbaud bereits tiefe Einblicke erhalten. Farbaud indessen ist längst wieder an Bord von FENERIK – allerdings zusammen mit drei Galaktikern. Ihnen begegnet DAS SCHWARZE VERWEHEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger erlebt das schwarze Verwehen.

Gry O'Shannon – Die Mutantin erfährt eine Ummantelung.

Anzu Gotjian – Die Paraspäherin soll zur Sextadim-Kanonierin ausgebildet werden.

Farbaud – Der Quintarch besucht eine Sieche Domäne.

Drei-für-Drei

Prolog

Das schwarze Verwehen

Ich treibe über die Ebene und suche.

Wo ist er? Hat er mich vergessen?

Warum höre ich seinen Ruf nicht?

Ich will zu ihm, ihn schützen wie früher.

Einst umhüllte ich ihn. Nun ist er fort, und ich bin zerrissen.

1.

Gefangene

Der fünfeckige Raum hatte keine Tür.

Gry O'Shannon blinzelte in goldgelbes Licht, das eine Spur zu strahlend war. Sie kniff die Augen zusammen. Wände aus hellem, gebürstetem Metall umschlossen sie. Über die Oberfläche zogen sich Muster, die sich bewegten. Wellen und Spiralen krochen in- und übereinander wie Schlangen, die sich aneinander wärmen wollten. Zwei lange, schlichte Bänke aus weißem Kristall standen sich als einzige Möbelstücke gegenüber.

Auf einer saß Alaska Saedelaere, der kosmische Mensch. Der seit einem Transmitterunfall besonders war, der Ewigkeiten erlebt und Universen bereist hatte, der Raumschiffe jenseits des menschlichen Begreifens befehligt hatte und nun, im Auftrag der Kosmokraten, mit dem Chaoporter FENERIK aneinandergeraten war. Viele gingen davon aus, dass das Cappinfragment, das er im Gesicht trug, seinen Status verantwortete. Gry O'Shannon wusste es besser. Das Fragment hatte die Entwicklung, die dieser Mann durchlief, lediglich beschleunigt.

Das Cappinfragment ... Jeder, der es sah, wurde dabei wahnsinnig oder starb sogar. Um andere zu schützen, trug Alaska Saedelaere daher stets eine stilisierte Gesichtsmaske. Für Gry war der schlaksige Kommandant des kosmokratischen Raumschiffs LEUCHTKRAFT wie ein Mensch gewordenes Wunder, das sie niemals vollends verstehen würde.

Auf der anderen Bank saß Anzu Gotjian. Die parabegabte Transmittertechnikerin mit dem speziellen Blick in die Kluft hatte die Arme vor der Brust verschränkt und das Kinn leicht gehoben. Gry fand, dass man ihr eine Fremdartigkeit anmerkte, die über ihre Paragabe hinausging.

Gry wollte nicht sitzen. Sie stand vor der einen Meter tiefen Mulde, die nun leer war. Dort hatte Farbaud sich nach ihrer Entführung niedergelassen, doch er war nur kurze Zeit bei ihnen geblieben. Ohne irgendeine Erklärung hatte Farbaud diesen Raum seines Containers verlassen. In Gry tobten die Gedanken.

Die Entwicklungen der letzten Stunden hatten sie überrollt: die Schlacht um die RAS TSCHUBAI; die Erkenntnis, dass alles eine Finte gewesen war; ihr genialer, aber leider erfolgloser Versuch, Farbaud zu stoppen. Die Situation kippte von surreal nach grotesk. Alaska und sie waren Gefangene Farbauds, seinen Launen ausgeliefert. Der Quintarch konnte sie jederzeit töten, falls ihm danach war, und besonders mit Alaska hatte er eine Rechnung offen. Alaska war es gewesen, der die LEUCHTKRAFT dazu benutzt hatte, FENERIK lahmzulegen, und dabei den Quintarchen erheblichen Schaden zugefügt hatte. Zwei waren gestorben, offenbar kein unmögliches, aber immerhin unerhörtes Ereignis. Zwei von fünf eliminiert, FENERIK geschwächt.

Und immer noch so entsetzlich erhaben in seiner Macht ... Wie mochte der Chaoporter erst wirken, sobald er mit fünf Quintarchen besetzt war?

Links und rechts veränderten sich zwei der fünf gerundeten Raumseiten. Sie wurden durchsichtig, zu Fenstern, die in verwaschene, verwirrende Strukturen übergingen. In einem erkannte Gry das gläsern blau schimmernde Maschinen-Glasma. Es machte gut 60 Meter des im aktiven Zustand 320 Meter langen Raumschiffs aus und bildete ein Zwischenstück. Dort konnte Farbaud bei Bedarf Maschinen erzeugen und zertifizieren, so wie er die Grane aus seinem Lendenbeutel zertifizierte. Gerade bildeten sich mehrere Strukturen aus, während andere verschwanden. Einige Maschinen bauten sich zurück, manche entstanden neu.

Aus einem Impuls ging Gry auf die blaue Kristallwand zu. Das spröde Material öffnete sich mit einem leisen Knirschen vor ihr. Es bildete eine sich rasch vergrößernde Ausstülpung, der Gry folgte. Doch schon nach wenigen Schritten endete der Weg in einer Sackgasse.

Gry blieb stehen. Es war unmöglich sich dem Maschinen-Glasma weiter zu nähern. Der Container, Farbauds ebenso ungewöhnliches wie hoch entwickeltes Raumschiff, verbot es.

»Suchst du das hier?«, fragte eine ausdruckslose Stimme von überall her. Es war PARPHARAN, die sich selbst »die Wesenlose« nannte.

Die Sextatronik des Containers hatte die Frage kaum beendet, da verschwand alles bis auf den Boden, und Gry hatte das Gefühl, aufrecht auf der Außenseite des Raumschiffs zu stehen. Sterne jagten über sie hinweg, so schnell, dass ihr Licht zu Funken und Streifen wurde. Doch es war nicht das lichtdurchflutete All, das Gry faszinierte.

Sie sank auf ein Knie, um näher am Boden zu sein. Wie über die Wände liefen über das schwarzrote Material wellenförmige Muster, die sich in- und gegeneinander schoben. Geometrische Formen bildeten sich, zerstoben zu Fraktalen und entstanden neu, als wollten sie die Vorgänge des Maschinen-Glasmas spiegeln. Überall unter Gry wuchsen und schrumpften sie in einem sinnverwirrenden, kunstvollen Spiel, das die Sterne verblassen ließ.

Ricodin. Das Wort kam Gry sofort in den Sinn. Sie kannte diesen speziellen Baustoff der Terminalen Kolonne TRAITOR. Als Materialforscherin hatte sie höchsten Respekt davor. Doch der Gedanke an Ricodin-Verbundstoff war falsch. Jeder Terraner, der je damit zu tun gehabt hatte, hatte Ricodin als bedrohlich und bösartig empfunden. Das, was dieses Schiff ausmachte, war anders.

Vorsichtig streckte Gry eine Hand aus und berührte den Boden. Er fühlte sich warm an. Dieses Material war weder bedrohlich noch bösartig, sondern fremd und ... schön. Eine bessere Beschreibung fiel Gry nicht ein.

»Gefällt es dir?«, fragte PARPHARAN.

»Ja«, gab Gry widerwillig zu. Sie mochte es nicht, dass die Sextatronik sie manipulierte. Sicher wusste PARPHARAN von Farbaud, dass Gry Spaziergänge auf der Außenhülle der RAS TSCHUBAI liebte.

Ihre Finger prickelten auf dem schwarzroten Material, das sich erwartungsvoll dagegen drückte. Fast war Gry, als spendete die simple Berührung mehr Nähe als die zu Anzu Gotjian oder Alaska Saedelaere. Die Substanz des Containers war fremd – aber auf unbegreifliche Weise auch vertraut, und vor allem gab sie ihr Kraft. Der Gedankensturm in Grys Kopf legte sich.

Ja, sie war entführt worden. Aber sie war keine willenlose Puppe, mit der Farbaud spielen durfte, wie es ihm gefiel, nur weil er stärker und in der besseren Position war. Abrupt stand sie auf, wobei die Illusion des Sternenhimmels über ihr verging. Gry kehrte zurück zu Anzu und Alaska.

»Wir nähern uns«, sagte Anzu. Ihr Gesicht war abgewandt, die Augen hatten einen Ausdruck, der verriet, dass sie etwas sah, was für Alaska und Gry unsichtbar blieb: den Chaoporter in der Kluft.

Gry schauderte. Sie setzte sich neben Alaska Saedelaere, der wie sie und Anzu wieder seinen SERUN trug. Farbaud hatte ihnen die Schutzanzüge zurückgegeben, nachdem er etliche Systeme verändert und die technischen Möglichkeiten stark eingeschränkt hatte.

»Du meinst, wir nähern uns der Kluft?«, fragte Gry, obwohl sie die Antwort kannte.

Fraglos näherten sie sich der Kluft, diesem seltsamen Phänomen, in dem sich der Chaoporter vorwärtsbewegte. Es handelte sich um eine selbst erzeugte Sextadim-Halbraumexklave. FENERIK stürzte darin auf die Milchstraße zu.

»Ja.« Anzus Stimme klang angespannt. Dabei war sie diejenige, die gelassen hätte bleiben können. Der Quintarch Farbaud hatte Gry und Alaska Saedelaere entführt. Anzu Gotjian dagegen begleitete ihn freiwillig oder behauptete das wenigstens. Spielte Anzu womöglich ein doppeltes Spiel?

Gry traute Perry Rhodan zu, dass er Anzu gebeten hatte, zur Doppelagentin zu werden. Sie dagegen hatte er das nie gefragt. Warum eigentlich? War einer Mutantin, die jederzeit ungewollt in kleine Würfel zerfallen und sich wieder neu zusammensetzen konnte, aus seiner Sicht nicht zu trauen? Oder lag es daran, dass diese Gabe im Zusammenhang mit einer angehenden Chaotarchin entstanden war? Wenn sie dadurch gewissermaßen nicht nur in deren Schuld, sondern sogar in deren Diensten stünde, ohne sich dessen bewusst zu sein? Und wenn demzufolge womöglich der einzige Ort, an dem Gry sich voll entfalten konnte, der Chaoporter war?

Der Gedanke war ungeheuerlich. Gry wollte ihm nicht nachgehen und konzentrierte sich wieder auf Anzu. Wahrscheinlich war die Frau tatsächlich eine Überläuferin. Sie verriet die Milchstraße und alles, was ihr einst wichtig gewesen war, darunter ihre Freiheit und ihr Recht auf Selbstbestimmung.

Für Gry hatte Farbaud, der im Glanz, jeglichen Glanz verloren, seitdem er kaltblütig mithilfe seiner Grane arkonidische Soldaten abgeschlachtet hatte, anstatt einfach die RAS TSCHUBAI zu verlassen.

Die blaue, kristalline Wand öffnete sich, indem die Kristalle darin sich blitzartig umschichteten. Farbaud trat in den hohen Raum und ging zu der Mulde, als wäre nichts gewesen. Er setzte sich hinein, was ein groteskes Bild war, weil sein Kopf daraus hervorragte, als würde der Körper mit der glänzend blauschwarzen Haut aus nichts anderem bestehen.

Durch die kantigen Schlitze von Alaskas Maske drang kühles, bläuliches Licht. Es veränderte sich schon seit Beginn ihrer Entführung nicht. Der Aktivatorträger saß reglos da, als wäre jede Bewegung Verschwendung von Energie.

Seine Stimme klang kalt und fordernd. »Es reicht, Farbaud! Bring uns zurück! Gry und ich haben nichts an Bord deines Containers verloren. Wir wollen nicht erneut in den Chaoporter.«

Farbaud wandte sich dem hageren Mann zu. Der Quintarch wirkte wie das vergrößerte Zerrbild eines Menschen. Die linke Schulter hing, der Arm daran lief in eine Klauenhand aus, die nur zwei daumenähnliche, zweigliedrige Finger aufwies, die einander gegenübergestellt werden konnten. An der rechten Hand hatte Farbaud fünf feingliedrige Finger. Am auffälligsten aber war der einen Meter lange Kopf. Es war ein Wunder, dass der Körper ihn überhaupt tragen konnte.

Illustration: Dirk Schulz

»Willst du wieder lästig werden?«, fragte der Quintarch.

Langsam stand Alaska auf. Seine Hände berührten die weiße Plastikmaske, die er trug. »Ich bin es leid, zu bitten oder an deine Vernunft zu appellieren.«

Gry erschrak. Als sie vor kurzer Zeit gemeinsam auf dem Chaoporter gewesen waren, war Alaskas Maske abgefallen, was alle in seiner Nähe in tödliche Gefahr gebracht hatte. Sie wich einen Schritt zurück, sodass sie nur Alaskas Hinterkopf sah. Auch Anzu reagierte. Sie sprang auf und drehte Alaska den Rücken zu.

Farbaud klang amüsiert. »Du drohst mir, Maskenträger? Nur zu! Tu es! Weg mit dem Stück Plastik! Lass uns sehen, was darunter ist.«

Alaska stand ganz still. Falls er zögerte, merkte Gry es ihm nicht an. Nach wie vor wirkte das Leuchten, das in diesem Moment schwach an den Rändern der Maske hervorbrach, bläulich und kalt. Überlegte er noch, oder war sein Warten Kalkül? Für Alaska war das Cappinfragment unter der Maske eine Waffe, die er immer mit sich trug. Gry wusste das nur zu gut. Sie wusste außerdem, dass ANANSI dringend davon abgeraten hatte, dass Alaska seine Maske Farbaud gegenüber abnahm. Doch das war an Bord der RAS TSCHUBAI gewesen.

Nimm sie ab!, dachte Gry, auch wenn das so unlogisch war, dass Alaska es kaum tun würde. Sie konnten den Container nicht steuern. Nur ein Quintarch vermochte das. Ohne Farbaud waren sie verloren. Es sei denn, Alaska, der Herr de LEUCHTKRAFT, wäre imstande, sie zu befreien?

»Ich sollte es tun«, sagte Alaska ausdruckslos. Das Blau hinter der Maske flackerte auf und kam Gry danach blasser vor. Es umhüllte Alaskas Hinterkopf und die Schultern.

»Ach ja?« Farbauds Stimme klang beleidigt, dabei vermutete Gry, dass Farbaud zu solchen Gefühlen nicht fähig wäre. Wut: ja. Unberechenbarkeit: ja. Aber beleidigt sein? Nein, das glaubte sie keine Sekunde. Dieses Wesen kannte Kränkungen so wenig, wie es Trauer kannte. Es mochte damit spielen und Betroffenheit heucheln, doch das war kaum echter als die Sterne, die über Gry zu Streifen und Funken geworden waren.

Der Quintarch ließ die Arme hängen. »Ich hätte dich auf der RAS TSCHUBAI sterben lassen können. Habe ich dir nicht das Leben gerettet und damit ein wenig Entgegenkommen verdient?«

»Ohne dich wären unsere Leben nie gefährdet gewesen«, stellte Alaska klar. »Bouner Haad, Donn Yaradua und Cornelia Zandt sind deinetwegen gestorben.«

Ein Zucken ging durch Farbauds Klauenhand. »Das ist bedauerlich, in der Tat. Einzig um den lästigen Nager tut es mir nicht leid. Möge er sich bei seinen Ahnen einfinden.«

Während Farbaud die Kosmolinguistin Cornelia Zandt gemocht hatte, hatte er von Anfang an kein Geheimnis daraus gemacht, wie wenig er von Gucky hielt.

»Du bist ein Mörder!«, entfuhr es Gry. So schön das Material des Containers war: Je beeindruckender das fremdartige, hoch entwickelte Schiff ihr erschien, desto hässlicher und verachtenswerter empfand sie die Art, wie Farbaud handelte.

»Genau wie er«, sagte Farbaud unbeeindruckt und wies auf Alaska Saedelaere. »Er hat auf Geheiß seiner kosmokratischen Herrin zwei Quintarchen getötet. Und das nur, weil Mu Sargai die Anwesenheit des Chaoporters nicht gefiel.«

Gry presste die Lippen zusammen, um nicht noch mehr zu sagen. Sie wusste, dass es vergeblich wäre. Menschliche Logik ließ Farbaud nicht gelten. Für ihn mochte es tatsächlich keinen Unterschied machen. Hätte sie in diesem Moment eine Maske gehabt, die sie sich nur hätte abnehmen müssen, um Farbaud in den Tod zu treiben – sie hätte es getan.

Farbaud stand auf. »Deine haltlosen Anschuldigungen vergeuden meine Zeit. Ich bin nur gekommen, um euch zu sagen, dass wir kurz davorstehen, in die Kluft einzutauchen. Da ich im Gegensatz zu anderen Leuten keinen gestohlenen Chaotreiber benutze, wird die Durchquerung schnell gehen und deutlich ungefährlicher sein.«

»Die Kluft ist nicht vollständig kalkulierbar«, sagte Anzu. Ihr Gesicht war blass. »Selbst für dich nicht.«

»So etwas wäre entsetzlich langweilig«, meinte Farbaud. Damit drehte er sich um und verschwand in einem Durchgang, der sich eigens für ihn formte und in den blauen Glasma-Raum führte. Er schloss sich sofort hinter dem Quintarchen.

Gry fühlte sich wütend und hilflos. Sie hatte gedacht, Anzu verstehen zu können, doch je länger sie eine Gefangene war, desto sicherer wusste sie, dass sie niemals zu einer Dienerin oder Leibeigenen werden wollte. Farbaud hatte es deutlich ausgesprochen, als sie und Alaska versucht hatten, Anzu zu sich zu holen: »Sie gehört mir!«

Für den Quintarchen war Anzu Gotjian ein Ding, über das er verfügen konnte. Es mochte sein, dass Anzu für ihn faszinierend war wie eine ganz besondere Perle oder ein erlesener Hyperkristall, doch sollte sie ihm je lästig werden, würde er sie ebenso rasch und kompromisslos töten, wie er es mit den arkonidischen Soldaten getan hatte.

»Wie kannst du das tun?«, fragte Gry. »Wieso gehst du freiwillig mit ihm?«

»Ich gehe nicht mit ihm«, korrigierte Anzu. »Ich folge meiner Bestimmung. Und die liegt im Chaoporter. Du hast selbst gesagt, dass ich dort mehr darüber lernen kann, was ich im Kern bin.«

»Was, wenn die Kosmokraten den Chaoporter angreifen? Wirst du als Sextadim-Kanonierin auf sie schießen? Vielleicht sogar auf Terraner wie Alaska und auf Schiffe wie die LEUCHTKRAFT?«

»Ich kann dir nicht sagen, was dann ist. Ich weiß nur, dass du recht hattest. Es gibt eine besondere Beziehung zwischen dem Chaoporter und mir. Ich will herausfinden, welche.«

»Gucky hätte nie versuchen sollen, dich ins Parakorps zu holen! Es war ein Fehler, dass er jemandem wie dir vertraut hat! Du hast kein Rückgrat!« Der Sätze waren heraus, ehe Gry sie zurückhalten konnte.

Anzu schwieg – und Gry traf eine Entscheidung.

Ahnungen

Alaska Saedelaere

Weiter. Du musst weiter, auch wenn du weder das Wesen magst, das dich entführt hat, noch den Ort, an den du gelangt bist. Tief in dir ist die Ahnung, dass du kurz vor einer wertvollen Entdeckung stehst. Dein Feind wird sich offenbaren.

Bald.

Jede Sekunde, die du mit ihm verbringst, verstehst du ihn besser und tauchst tiefer in ihn und seine Gedankenwelten ein.

2.

Gegenwehr

Sie bewegten sich durch die Kluft, mitten im Limbus. Der Container erglühte in immer hellerem Weiß. Eine der fünf Wände zerrieselte, sodass es schien, als flögen sie mitten in einem schwarzen Nichts. Aus diesem Nichts schälte sich der Chaoporter wie ein Ungeheuer, das aus der Tiefe aufstieg.

Alaska Saedelaere stützte sich gegen die unsichtbare Wand, die eine perfekte Außensicht zeigte. Er hatte schon viel gesehen, doch dieses Bild brannte sich ihm ein. Es war anders als damals, als er sich dem Chaoporter in den Weg geworfen hatte. Dieses Mal offenbarte sich FENERIK seinem Gegenüber. Es war, als wollte der Chaoporter einen dunklen Gruß an den Container senden. Sicher hatte er das Zertifikat des Chaotreibers geprüft und anerkannt.

Alaska spürte einen dunklen Hauch. FENERIK bewegte sich durch spezifische Maschinen und Energien fort, die Semisextadim-Expander und die zugehörige Tensionsenergie. Doch es gehörte noch mehr dazu: Bewusstseine. Ohne sie wäre das Exklavieren unmöglich, könnte der Chaoporter niemals auf diese ganz besondere Weise durch Zeit und Raum streifen und Dinge finden, die er gar nicht suchte.

Hinter all dem stand zudem ein ganz besonderes Bewusstsein, das FENERIK tränkte: Zou Skost, der vermutlich ein Chaotarch war, so wie Mu Sargai eine Kosmokratin. Dann jedenfalls ergäbe vieles von dem, was Alaska anfangs seltsam vorgekommen war, einen gewissen Sinn.

Während der Havarie der LEUCHTKRAFT war Alaska dem Chaoporter sehr nahe gewesen. Trotzdem hatte er ihn nie so klar wahrgenommen wie an Bord des Containers. Gegenwärtig befand sich der Chaoporter in Sziento-Phase Drei. Er hatte seine volle Stärke und Manövrierfähigkeit bislang nicht zurückerhalten.

Mit enger Brust betrachtete Alaska FENERIK. Die Form des Chaoporters erinnerte an ein in Schalen gegliedertes Stundenglas. Das Chaosinstrument schimmerte im dunklen Rot verglühender Kohlen wie ein niemals ganz erlöschender Brandherd. Seine Oberfläche war in Bewegung. Sie floss wie Lava kreuz und quer träge übereinander. Die Schalen wuchsen.

Unmittelbar vor dem Chaoporter erkannte Alaska ein Gebilde, das nahezu abgestreift war, sich jedoch scheinbar wieder in den Chaoporter schieben wollte.

Das Bild verschwamm. Die Wand, die es gezeigt hatte, dunkelte zu einem schwärzlichen Grau ab.

Die blauen Kristalle formten sich um und schufen einen Durchgang, durch den Farbaud trat. »Wir sind angekommen. Folgt mir!«

Anzu stand auf. Sie wirkte ruhig, doch Alaska ahnte, was in ihr vorging. Er hoffte, dass Perry keinen Fehler damit machte, die Mutantin als Doppelagentin einzusetzen. Perry schickte sie damit ins Herz der Gefahr.

»Nein!«, sagte Gry. Sie blieb sitzen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich werde mich keinen Millimeter bewegen. Bring uns zurück!«

Farbaud mahlte hörbar mit den Zähnen. »Letztes Mal wolltest du den Chaoporter erkunden. Nun bringe ich dich her, um dir weitere Wunder zu zeigen, und was machst du?«

»Letztes Mal war es meine freie Entscheidung, FENERIK zu erkunden. Dieses Mal bin ich deine Gefangene.«

»Ich finde deine Einstellung zu deiner Bewegungsfreiheit kleinlich.«

»Ach ja? Du selbst gehst, wohin du willst, egal, wer dafür sterben muss.«

Alaska begriff, dass Gry an die arkonidischen Soldaten dachte, die beim Kampf um die RAS TSCHUBAI gestorben waren. Er fühlte Kälte in sich. Gleichzeitig brannte ihm das Cappinfragment im Gesicht. Gry O'Shannon überraschte ihn. Es schien ihr tatsächlich ernst zu sein. Wie weit würde sie gehen?

Farbaud stieß einen trompetenartigen Laut aus. »Genug! Wir haben keine Zeit für sensible Befindlichkeiten! Was ich tue, tue ich für den Chaoporter. Es sollte dir eine Ehre sein, dass ich dich mitgenommen habe!«

Grys Stimme war so ausdruckslos wie die von PARPHARAN. »Steck dir FENERIK sonst wohin!«

Einen Moment herrschte Schweigen. Anzus Mund stand einen ganzen Fingerbreit offen. Normalerweise war es eher die Transmittertechnikerin, die gedankenlos provozierte oder im Ton danebengriff. Doch Gry provozierte im Gegensatz zu ihr ganz bewusst.

Farbaud holte aus und schlug mit der Faust auf die Bank neben Gry, die einfach sitzen blieb. Kristall zersplitterte und spritzte in Kaskaden durch den Raum. Ein Teil davon regnete auf Gry nieder und legte sich auf ihre dunkelroten Haare.

Unvermittelt wurde Farbaud ruhig. »Ich weiß, was du tust. Du willst mich provozieren. Du denkst, du kannst deine Paragabe nutzen und fliehen, wenn du durch meinen Zorn in Gefahr gerätst.«

»Ich kann meine Gabe nicht willentlich nutzen«, erinnerte Gry.

Alaska wusste, dass sie die Wahrheit sagte.

Farbaud beugte sich zu ihr, starrte sie an. Gry erwiderte den Blick mit einem Gleichmut, der Alaska einen Stich versetzte. Er so etwas in seinem langen Leben selbst gefühlt, am Ende der Melancholie.

Langsam ging Farbaud einen Schritt zurück. In der Bewegung lag Respekt. »Es ist dein Ernst. Du würdest bis zum Äußersten gehen. Neunundfünfzig Jahre. Würde dir das wirklich reichen?«

Grys grüne Augen verengten sich. »Reichen denn tausend, wenn der Moment nicht gut genug ist?«

Farbaud legte den Kopf schief. Es war erstaunlich, dass er dadurch nicht zur Seite kippte. Jegliche Aggression war aus seiner Haltung verschwunden. Er wirkte beinahe amüsiert. »Ein interessanter Gedanke. Was kann ich tun, um diesen Moment für dich lebenswerter zu gestalten?«

»Lass mich und Alaska frei!«

»Das ist leider ausgeschlossen.«

»Warum?«

Farbaud ignorierte die Frage. Er drehte sich um und stapfte aus dem Raum. Anzu folgte ihm.

Behutsam legte Alaska eine Hand auf Grys breite Schulter. »Das war mutig.«

»Und sinnlos«, sagte Gry bitter. »Er missachtet uns. Du hättest ihm dein Gesicht zeigen sollen.«

»Ich bin unsicher, wie er darauf reagiert. Möglicherweise wird es ihm ebenso wenig ausmachen wie einem Audh.«

»Einen Versuch wäre es wert gewesen!«

»Später! Ich denke, wir sollten mitgehen. Farbaud verheimlicht uns etwas, und ich will wissen, was es ist.«