Perry Rhodan 3197: Die Gezeiten der Audh - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3197: Die Gezeiten der Audh E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Nun ist Rhodans Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, stürzt auf die Milchstraße zu und droht sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Bauprojekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre zu verknoten – einem unkontrollierbaren Machtfaktor, der seinesgleichen sucht. Wird dem nicht Einhalt geboten, kann das das Ende der ganzen Galaxis bedeuten. Perry Rhodan und seine Gefährten haben aufgeboten, was ihnen möglich war – aber fest steht bisher lediglich, dass ein rein militärisches Vorgehen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen würde. Zwei Einsatzteams machen sich unabhängig voneinander auf den Weg ins Nervenzentrum FENERIKS, wo sie eine Entscheidung im Sinne des Friedens und der Kooperation herbeiführen wollen. Das eine untersteht dem Arkoniden Atlan, das andere Perry Rhodan selbst. Ein wesentliches Hindernis für ihren Auftrag sind dabei DIE GEZEITEN DER AUDH ...

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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Nr. 3197

Die Gezeiten der Audh

In FENERIKS Zentrum – Rhodan und Atlan erreichen ein einzigartiges Ziel

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Schattentanz

1. Feuerlohen

2. Durch die Schwärze

3. Pedotransferer

4. Die Aussortierten

5. Einblicke

6. Das Artefakt

7. Kegelraumschiff

8. Chaotekt

9. Audhem

Epilog

Fanszene

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Nun ist Rhodans Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, stürzt auf die Milchstraße zu und droht sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Bauprojekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre zu verknoten – einem unkontrollierbaren Machtfaktor, der seinesgleichen sucht. Wird dem nicht Einhalt geboten, kann das das Ende der ganzen Galaxis bedeuten.

Perry Rhodan und seine Gefährten haben aufgeboten, was ihnen möglich war – aber fest steht bisher lediglich, dass ein rein militärisches Vorgehen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen würde. Zwei Einsatzteams machen sich unabhängig voneinander auf den Weg ins Nervenzentrum FENERIKS, wo sie eine Entscheidung im Sinne des Friedens und der Kooperation herbeiführen wollen. Das eine untersteht dem Arkoniden Atlan, das andere Perry Rhodan selbst.

Ein wesentliches Hindernis für ihren Auftrag sind dabei DIE GEZEITEN DER AUDH ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner schwimmt.

Atlan – Der Arkonide dringt in FENERIK vor.

Alschoran – Der Kastellan übernimmt sich – beinahe.

Farbaud

»Man könnte meinen, dass einem Menschen, der unsterblich ist, das Leben von gewöhnlichen Sterblichen gleichgültig werden könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Mit jedem Jahr, das ich älter werde, begreife ich mehr von der Einzigartigkeit und Unersetzlichkeit jedes Lebens.«

Perry Rhodan

Prolog

Schattentanz

Er ist einer von Tausenden Tänzern. Er weiß nicht, dass er einer ist. Die anderen nimmt er kaum wahr. Sein Tanz in den Tiefen FENERIKS bestimmt alles; in ihm verliert sich das Denken. Das dünne Ende des zwei Meter hohen Zapfenkörpers gleitet über das Eis, die drei langen Arme berühren den klirrenden Grund. Harte Spitzen an ihren Enden streifen den Boden der Tatsachen, die nicht immer welche sind.

Er ist inmitten einer Menge und doch allein. Seine telekinetischen Kräfte helfen ihm, niemals mit anderen zusammenzustoßen. So kann er sich auf das konzentrieren, was wesentlich ist.

Sein ellipsoider Kopf mit dem y-förmigen Aufsatz neigt sich den Kristallen entgegen. Der Audh lauscht dem Lied der Gezeiten. Er hört es mit jeder Zelle des schuppenbesetzten Leibs. Seine beiden Münder stehen offen, während er inmitten von schwarzem All und fernen Sternen seine Bahnen über die gigantische Eiskugel zieht.

Glitzernde Kälte umgibt ihn, dringt in ihn ein, doch er stört sich daran so wenig wie an seinen verlorenen Gedanken. Sein Schal flattert ihm dicht über dem Boden nach, unverdrossen, als hätte das dünne graue Band vergessen, dass Materie gefriert.

In den Tiefen wummert es in kristallinen Maschinengesängen. Dort arbeitet ein Teil der Ernte, mit der jeder an diesem Ort verbunden ist. Die Chaofakta sind unerreichbar, und doch dringt ihr Ton durch die Kristalle. Sie sind nicht das Einzige, das sich im Eis bemerkbar macht.

Unter dem Tänzer, tief in der sich ausdehnenden und zusammenziehenden Kugel, regen sich zwei Schatten. Die Schatten sind da, so selbstverständlich wie die 814 Kilometer durchmessende Kugel aus Eis da ist. Einer gehört seit dem Anbeginn dazu, seit der Tänzer denken kann und das Denken verloren hat. Jeder Audh weiß um ihn und doch hätte ihn keiner zu benennen gewagt.

Dieser Schatten ist uralt, gelöst wie Zou Skost; umgeben von der Frequenz des Geheimnisvollen.

Der andere dagegen ist neu, voll wilder Erwartung. Es ist das Zittern eines Davor, eine Proto-Protuberanz, die zwischen den Kristallen im Klang der Maschinen vibriert und darauf wartet, wie eine Fontäne ins Sein geschleudert zu werden.

»Bald«, scheint es stimmlos zu raunen. Das Versprechen ist gegeben. Eine Ahnung formt sich zu Gewissheit: FENERIK wird in die Yodor-Sphäre stürzen. Mitten hinein in ein Herz der Ordnung. Dort droht das Chaos zu zerschellen und neu, anders, verbogen, wiederzuerstehen. Der Aufprall steht kurz bevor. Das Ende ist nah.

Der Audh ignoriert die dunkle Gefahr. Seine Konzentration bleibt bei seinen Bewegungen. Er tanzt. Seine Gefühle sind wie die Gedanken verloren gegangen. Gemeinsam mit und doch getrennt von den anderen drückt sein Körper aus, was nur ein Audh ausdrücken kann: die Schatten, die stummen Töne, das Sein und das Nicht-Sein. Seine Ruhe bleibt erhalten, still und kalt wie das Eis, das ihn trägt.

1.

Feuerlohen

Wir waren durch schwarze Feuer gegangen, kälter als das All, und gleißend helle Explosionen, die uns ohne Schutzanzüge die Haut von den Knochen geschmolzen hätten. Seitdem wir uns an Bord der PAALVAGUR verborgen hatten, war einiges schiefgelaufen. Wir hatten TARAS und Ausrüstung eingebüßt und uns mehr als einmal in Lebensgefahr befunden. Doch bisher waren wir nicht entdeckt und gefangen genommen worden. Farbaud hielt mich für tot.

Ich blickte durch den winzigen, versteckten Raum, in dem wir ausharrten. Dunkle Schwaden durchzogen ihn, so wie den Rest dieses ungewöhnlichen und hasserfüllten Schiffs, das der verstorbenen Quintarchin Schomek gehört hatte. Ohne den SERUN und die bereinigte Sicht hätte ich die anderen kaum sehen können. Sie hockten zwischen unseren Tornistern und den gespannten Fixadimbändern, die ein wesentlicher Bestandteil unseres verborgenen Raums waren. Antanas Lato drängte sich an Yashuru D'a, was vielleicht nur der Enge geschuldet war, während Alschoran und Iwán Mulholland allein saßen.

Ich hörte Antanas leise schnarchen. Der Hyperphysiker und Dimensiologe war eingeschlafen. Gut so. Auf diese Weise brachte er niemanden durch sein ungewöhnliches Verhalten zur Verzweiflung und schöpfte Kraft, die er an Bord von FENERIK bitter nötig haben würde.

Von all meinen Teammitgliedern wirkte Iwán am mitgenommensten. Er hatte telepathisch belauscht, was Hookadar, unserem Verbündeten, zugestoßen war. Gharsen waren an Bord gekommen, als die PAALVAGUR in die Kluft eingeflogen war. Ihnen hatte Farbaud Hookadar zum Geschenk gemacht, für ihre Galerien. Auch die zuvor von Farbaud gequälten Posbis und Matten-Willys teilten dieses elende Schicksal. Diese Art der Unsterblichkeit hatte niemand verdient ...

Ich legte eine Hand auf Iwáns Schulter. »Wir können sie befreien. Später.«

Iwán schaute auf. Ein schwaches Lächeln huschte über das Gesicht, das männlich wie weiblich aussehen konnte. Mir erschien es in dem Moment wie das Antlitz eines sehr jungen Mannes, der fast noch ein Kind war, und das, obwohl Iwán Mulholland bereits einige Lebenserfahrung vorzuweisen hatte.

»Du meinst, nachdem wir die Milchstraße gerettet haben?«, fragte er.

»Ja«, sagte ich. »Und noch mehr.«

»Wir landen!«, verkündete Alschoran. Hinter dem Visier erkannte ich seine braunen Augen, deren Blick sich fest auf seine Hände richtete.

Die Handschuhe des rot blauen Kastellan-Anzugs hatte er abgestreift. Dunkelheit loderte über den blassen Handinnenflächen auf, und eine kalte, schwarze Flamme bildete sich. Sie zuckte von links nach rechts wie ein Gefangener, der sich gegen Käfigstäbe warf.

Ich atmete scharf ein.

Iwán und Yashuru D'a fuhren herum.

Antanas Latos Kopf rutschte von Yashuru D'as Schulter. Er grunzte und wachte auf. »8243«, murmelte er.

Eine Primzahl, meldete sich mein Extrasinn, als hätte ich im Moment keine anderen Sorgen.

»Was tust du da?«, fuhr ich Alschoran an.

Der Kastellan von ES schaute aus seiner hockenden Haltung zu mir auf. »Ich aktiviere einen Kontaktkern, den ich aus den Feuern PAAEMS entnommen habe.« Er hob seine Hände an, und das kalte schwarze Feuer spiegelte sich durch das Visier hindurch auf der halbdurchsichtigen, blauen Scheibe an seiner linken Schläfe. Diese Scheibe war eine Kastellans-Insigne, und sie erinnerte mich daran, dass der Ase Alschoran als Anführer der Kastellane von ES vielleicht noch eigenwilliger und starrköpfiger war als ich.

Unmöglich, kommentierte mein Extrasinn.

Wenn du nichts Sinnvolles beizutragen hast, ist Schweigen Gold.

»Du hast einen Teil PAAEMS in unser Versteck gebracht!«, warf ich Alschoran vor. »Einen Kern des Feindes! Willst du unsere Mission sabotieren?«

Alschorans Unterkiefer mahlte. Er reckte das kantige Kinn vor. Um die Mundwinkel spielte ein herausforderndes Lächeln. »Deine Sorge ist unbegründet, Arkonide. Ich stehe ständig mit PAAEM in Verbindung, und ich werde immer besser darin, den Bordrechner zu kontrollieren.«

»PAAEM ist mehr als eine Maschine«, erinnerte ich. »Sie ist die Haushofmeisterin der Residenz von Schomek, der Lohe. Eine Vertraute der verloschenen Quintarchin und von Hass zerfressen, weil Schomek tot ist und niemand ihr genügend nachtrauert. In ihrem Schmerz ist sie unberechenbar!«

Das Feuer in Alschorans Händen formte sich zu einer perfekten Kugel, die rasch anwuchs. In ihr zeigte sich ein Holobild. »Ich weiß, was PAAEM ist. Hör auf, meine Fähigkeiten zu unterschätzen und mich zu gängeln. Auch du willst sehen, wo wir gelandet sind, oder?«

In der Kugel breitete sich das Bild einer Werft aus. Zwei Trikuben der Munuam, die Splitter eines Scherbenschiffs und mehrere rote, sternzackenförmige Beiboote schmiegten sich hintereinander gestaffelt an das Äußere eines halbrunden Stegs von über drei Kilometern Länge. Der Steg schälte sich aus einem der beiden Kolbenstücke FENERIKS hervor wie ein Fremdkörper, der aus dem Gesamt des Chaoporters ausgeschieden werden sollte. Er glühte im selben Unheil verkündenden Rot wie der Rest FENERIKS.

Vom Steg führten dicke Verbindungsrohre ins Innere des stundenglasförmigen Riesengebildes sowie zu den es umlagernden Raumschiffen. Zwischen den inneren Rohren spannten sich technische Konstruktionen und fremdartige Maschinen, die offensichtlich für die Reparatur oder den Bau von Schiffen gebraucht wurden. Über der Werft und den Raumern lag eine rote Schutzhülle aus Energie, die wir bereits durchquert hatten.

Irritierenderweise lag dahinter freies All. Eigentlich hätte dort das Bathos sein müssen, der innere Bereich des Limbus, der FENERIK umgab. Dass der Limbus nicht da war, bedeutete, dass wir ihn bereits hinter uns gelassen hatten und dies eine Domäne FENERIKS darstellte. Das All im Hintergrund war kaum mehr als eine Illusion, die bestenfalls einen Maximaldurchmesser von 80 Kilometern aufweisen konnte.

»Wir sind auf dem Chaoporter!«, sagte Yashuru D'a das Offensichtliche. Für sie, die kaum Erfahrung in Außeneinsätzen hatte, musste es das Abenteuer ihres Lebens sein. Sie wollte einen Finger in die schwarze Holokugel stecken, doch Alschoran warf ihr einen derart warnenden Blick zu, dass die Bewegung der Akonin gefror als hätte man sie schockgefrostet.

»Iwán«, wandte ich mich an Mulholland. »Bekommst du Kontakt zu Gucky?«

Iwán schwieg einige Sekunden, schüttelte dann den Kopf. »Ich empfange nichts.«

»Wirklich nicht?«, fragte Antanas Lato und hob einen Blechbecher vom Boden auf. Seine Hände zitterten dabei. Das ovale Gesicht mit den gründlich rasierten Wangen und dem spitzen Kinn wirkte blass unter den rabenschwarzen Kraushaaren. »Das ist beunruhigend. Wie eine Gleichung, die sich nicht lösen lässt.«

»Das war zu erwarten«, wiegelte ich ab. »Der Chaoporter ist riesig. Es muss nicht bedeuten, dass unser zweites Team nicht vor Ort ist. Vielleicht liegt es an örtlichen Gegebenheiten. Am besten verlassen wir die PAALVAGUR und machen uns auf die Suche nach dem Schaltzentrum FENERIKS.«

»Das dürfte schwierig werden«, sagte Alschoran.

Das Bild in der Kugel veränderte sich und zeigte nun die PAALVAGUR von außen. Aus dem tiefschwarzen, stabförmigen, über 3000 Meter langen Raumer leckten schwarze Flammen, die den Steg jedoch nicht berührten, sondern sich an einer Energiewand auffächerten. Das Schiff lag in einer hellblauen Hülle, die es wie eine Blase umschloss und vom Steg sowie den anderen Schiffen abtrennte.

Illustration: Swen Papenbrock

Alschorans Stimme wurde nachdrücklich. »Von einem Versuch, diesen Schirm zu durchqueren, rate ich dringend ab. Vielleicht ist er der Grund, aus dem Iwán nicht zu Gucky durchdringt. Ich versuche mehr darüber zu erfahren.«

»Jemand kommt!«, rief Iwán und griff sich dabei an die Schläfe. Der telepathische Kontakt schien ungewöhnlich intensiv zu sein, denn der Parabegabte verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. »Farbaud hat ihn an Bord bestellt! Er nennt sich Od-Nar und hat eine wichtige Funktion in diesem Teil des Chaoporters. Er gehört zu den wenigen Dhekko in FENERIK.«

»Ist das ein Titel oder ein Rang?«, hakte ich nach.

»Keins von beiden. So heißen Wesen wie er.«

Alschoran legte die zweite Hand über die nun kopfgroße Kugel und bewegte seine Hände voneinander fort. Die Kugel glitt in zwei blassen, durchsichtigen Gebilden auseinander. Beide strahlten Kälte aus, doch sie waren lange nicht so kalt wie die echten Feuer der PAALVAGUR. Die eine Kugel, die nun über Alschorans rechter Handinnenfläche schwebte, zeigte die Werft. Die andere offenbarte einen Einblick in den sakral anmutenden Bereich unterhalb der Zentrale der PAALVAGUR.

Dort stand Farbaud, der im Glanz, neben einer schwarzen Feuerlohe, die aus einer Chromschale emporschoss. Graue, sechseckige Tücher umwehten ihn. Der Bereich, der zu PAAEMS Wesenskern gehörte, war von dichten Schwaden durchzogen. Dünne Magmaflüsse liefen in Rinnen durch den Boden und zerteilten ihn wie ein Spinnennetz.

Vor Farbaud gleißte es auf. Als das Licht nachließ, stand dort ein Geschöpf, wie ich es nie zuvor erblickt hatte. Es erinnerte sowohl an einen Humanoiden als auch an einen Audh. Die Grundform war die eines Zapfens, der sich nach unten verjüngte. Der Zapfen und die Dutzenden, zu diffizilen Werkzeugen optimierten Arme waren vermutlich kybernetisch verändert worden. Der Kopf war nicht ellipsoid wie der eines Audh, sondern kastenförmig. Zahllose runde Augen saßen auf dünnen Schienen, auf denen sie sich über den Zapfenleib und den Kopf bewegten. Es waren vermutlich mehr als ein Dutzend, die sich in alle Richtungen umschauten, als könnten sie die dichten Schwaden durchdringen.

Alschorans Hände zitterten, und ich hoffte bei allen Welten Arkons, dass er nicht gerade die Kontrolle über PAAEM verlor. Falls der Bordrechner meldete, dass es nach wie vor blinde Passagiere gab, waren wir geliefert, noch ehe unsere Mission richtig begonnen hatte.

Das Bild in der Kugel wurde klarer und schärfer. Es vergrößerte sich weiter. Die dunklen Schwaden nahmen einen hellen, fast durchsichtigen Farbton an.

»Werftmeister!«, rief Farbaud und breitete die Arme aus, von denen einer in einer Hand und der andere, schief hängende, in einer zweifingrigen Klaue endete. Farbaud überragte das schmächtige Wesen um einen guten Meter. Dabei machte der gewaltige Kopf des Quintarchen beinahe die Hälfte seiner Körpergröße aus. Auf Farbauds schwarz glänzender Haut spiegelte sich der Schein des Magmas. Sein gedrungener Leib mit den kurzen Säulenbeinen wirkte wie aus Metall gehämmert.

Ich behielt besonders den blauen Wickel um Farbauds Hüfte im Blick, denn von dort konnte er auf eine schier unbegrenzte Menge von Waffen zugreifen. In einem Lendenbeutel, der in den Wickel eingearbeitet war, lagen Gran-Legaten. Diese konnte Farbaud zu allem Möglichen zertifizieren, von Materieverformung über Nachrichtensendungen bis zu Explosivstoffen. Was er damit alles imstande war zu tun, hatte er uns seit unserem Aufenthalt in der PAALVAGUR mehr als einmal gezeigt.

»Farbaud, der im Glanz«, sagte das kleine, zapfenförmige Wesen mit respektvollem Ton. »Der große Quintarch ist zurück!« Der Kastenkopf des Wesens ruckte um 90 Grad herum. Seine Stimme veränderte sich und war nun feindselig. Die Augen, die eben noch gelb geleuchtet hatten, glühten rot wie FENERIKS Rumpf. »Und er bringt die stolze PAALVAGUR als Wrack zurück! Schande über ihn! Schande!«

»Nicht doch«, sagte Farbaud galant. »Diesen kleinen Schaden kannst du sicher im Kopfumdrehen richten. Ich brauche ein neues Schiff, und die PAALVAGUR wäre meine erste Wahl.«

Die Augenfarbe Od-Nars zeigte wieder Gelb. »Eine höchst interessante Idee, die einem ehrwürdigen Quintarchen wie dir angemessen ist.«

Ich blinzelte, so schnell änderte sich die Farbe erneut in Rot. Od-Nar wirbelte um Farbaud herum. Er hob dabei ein Stück vom Boden ab, als wollte er dem Quintarchen besser in die tief liegenden Augen sehen können. »Dumm nur, dass es Jahre dauern wird, dieses edle Kunstwerk zu retten! Jahre! Du hättest besser auf deinen Container aufpassen sollen! Zerstörer! Wie konntest du ihn allein in der Fremde zurücklassen? Er war mein Zögling! Meiner!«

Die hängende Schulter Farbauds zuckte. Ich kannte ihn als launenhaft und fragte mich, wie lange er so mit sich umspringen lassen würde. Dieser Werftmeister musste eine sehr spezielle Stellung in FENERIK einnehmen, dass er es sich leisten konnte, so mit einem Quintarchen zu sprechen. Vielleicht war er ein Roboter, der keine Angst vor seinem Tod kannte, weil er nicht lebte.

Womöglich weiß Farbaud aber auch, dass er von diesem Wesen abhängig ist, gab mein Extrasinn zu bedenken. Er braucht ein neues Schiff, und offensichtlich kann dieser Werftmeister schnellstmöglich für Ersatz sorgen.

Farbaud bestätigte die Äußerung meines Extrasinns: »Ich habe es eilig! Du weißt, dass wir kurz vor einer unvorstellbaren Katastrophe stehen! Meine Mission ist die Rettung des Chaoporters. Einer wie du stellt sich mir nicht in den Weg!«

»Aber natürlich!«, flötete Od-Nar nun wieder mit gelben Augen, deren Farbe an flüssigen Bernstein erinnerte. »Ich kann die PAALVAGUR herrichten, sodass sie dir in einem Notmodus dient. Sie könnte deine unvollkommene Hofmeisterin werden.«

»Drei, zwei ...«, zählte Antanas Lato rückwärts, »... eins!«

Die Augen Od-Nars glühten rot auf, genau mit Latos letzter Zahl. »Aber zuvor kommt die PAAEM selbst zu Wort! Dieses einzigartige Schiff gehörte der Lohe! Ich will Schomek ehren und hören, was die Hofmeisterin zu sagen hat! Wie siehst du das PAAEM? Willst du wirklich diesem Versager dienen, der seinen Container nicht schützen konnte? Willst du?«

PAAEMS rauschende Stimme meldete sich aus den schwarzen Flammen über der Chromschale. »Nein! Ich will nicht seine Hofmeisterin sein! Er ist wie das Zerrbild eines Wesens. Seine Trauer ist beschränkt. Er hat zu wenig Schmerz, um ihn zu teilen.«

»Hör nicht auf sie!«, verlangte Farbaud. »Das Verwehen der Lohe hat sie verwirrt.«

»Ich kann sie untersuchen«, bot Od-Nar nun wieder freundlich an.

»Tu das!«, befahl Farbaud, bevor der Werftmeister erneut den Kopf herumrucken und die Augenfarbe ändern konnte.

Od-Nars zahlreiche Augen kamen auf den Schienen zum Stillstand. Er stieg in eines der schwarzen Feuer hinein, wobei ein Flirren um ihn zeigte, dass er in einen Schutzschirm gehüllt war. Stille senkte sich über den Wesenskern PAAEMS.

»Wird PAAEM uns an diesen Od-Nar verraten?«, flüsterte Yashuru D'a ängstlich. Ihre sattgrünen Augen waren größer denn je, was in mir den Wunsch weckte, sie zu beschützen. Mit ihren 40 Jahren war sie entsetzlich jung, und sie war schön.

Auch wenn ich wusste, dass das keine Rolle spielen sollte, faszinierten mich die samtartig-bräunliche Haut und das schulterlange, rote Haar, das ungewöhnlich fein und dicht war. Weit wichtiger als ihr Aussehen war ihre Unerfahrenheit in Außeneinsätzen. Dabei hing viel von ihr ab. Falls PAAEM uns tatsächlich verriet, musste Yashuru D'a den Raum bewegen und uns von dieser Position fortschaffen.

Alschoran schaute zu uns auf. »Keine Sorge. Ich habe PAAEM im Griff und mehr über diesen Ort erfahren. Um von hier aus durch die Röhren tiefer in FENERIK und damit in eine andere Domäne zu gelangen, braucht es ein Permit – eine Art Zugangsberechtigung, die an die ÜBSEF-Konstante geheftet wird. Jeder, der kein solches Permit hat, wird auf der Werft und in FENERIK umgehend Alarm auslösen.«

Antanas Lato wurde noch blasser. »Und wie sollen wir dann jemals dieses Schiff verlassen?«

Alschoran schenkte uns ein strahlendes Lächeln. »Indem ich uns ein solches Permit besorge: von PAAEM!«

Mein Extrasinn meldete sich zu Wort. Möglicherweise hast du die Wichtigkeit von Alschoran in deinem Team unterschätzt. Genauso wie seinen Einfluss auf den Bordrechner.

Möglicherweise, räumte ich ein. Aber ich bleibe skeptisch, was diesen Kontaktkern angeht.

Zu Recht, sagte mein Extrasinn und überraschte mich damit.

In der Zentrale schloss Od-Nar seine Sichtung der PAALVAGUR ab. Er trat aus der Flammenlohe und ließ seine künstlichen Augen wieder in allen möglichen Positionen um seinen Körper gleiten. »Eine Viertel Ablösung«, sagte er. »So lange wird es dauern, die PAALVAGUR notdürftig zu reparieren, erhabener Glanz FENERIKS.«

»Zu lang!« Farbaud stieß einen scharfen Pfeifton aus. »Dann stell mir ein anderes Schiff zur Verfügung. Sofort!«