Perry Rhodan 3288: Die Geister von Gotham - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3288: Die Geister von Gotham E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt. Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, hat Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte ein anderes Fragment gefunden und bricht Richtung Milchstraße auf. Atlan und die Blaugoldflotte aus Gruelfin sind derweil mit dem ersten gefundenen ES-Fragment bereits eingetroffen. Auf sie warten DIE GEISTER VON GOTHAM ...

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Nr. 3288

Die Geister von Gotham

Sie wollen eine Superintelligenz entstehen lassen – und stürzen eine Stadt ins Chaos

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Ein gescheiterter Plan

2. Die Falle

3. Partikelgewitter

4. Sols Sekretärin

5. Resonanzen

6. Gothams Geister

7. Die Lesung

8.

9.

Epilog: New York. 29. August 2098 NGZ

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.

Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt.

Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, hat Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte ein anderes Fragment gefunden und bricht Richtung Milchstraße auf. Atlan und die Blaugoldflotte aus Gruelfin sind derweil mit dem ersten gefundenen ES-Fragment bereits eingetroffen. Auf sie warten DIE GEISTER VON GOTHAM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Damar Feyerlant – Der Konnektor erreicht nach einer langen Reise Terra.

Aurelia Bina – Die Direktorin des TLD zieht Missionen Reisen vor.

Akthra – Die Majorin schätzt Reiseliteratur.

Tenxü

Prolog

Der Blaugoldraumer VORSICHTERBARMEN sank dem 40 Kilometer umfassenden Landefeld des Terrania Spaceport entgegen. Das 800 Meter lange Schiff senkte den spitzen Bug wie ein Vogel, der mit dem Schnabel voran in das Konglomerat aus Towern, Hangars, Hyperfunkanlagen, Lagerhallen, Roboterunterkünften, Verwaltungsgebäuden und Raumern hinabstoßen wollte. Mit einem leichten Schwung veränderte es die Position seines wellenförmigen, gerundeten Körpers. Die vier rund um die Mitte des Hecks platzierten Aufsätze bewegten sich wie Flügel. Sie schienen den Wartenden zuzuwinken, die sich am Boden in einem Hochsicherheitsgebäude verschanzt hatten.

Wie ein neugieriges, überdimensioniertes Flugtier aus einer anderen Welt suchte das Schiff den für ihn vorbereiteten Platz. Die Lichter, die aus den zahlreichen Fenstern der Galerien brachen, wurden heller. Der fremdartige Raumer verharrte über dem Landefeld, abgesetzt auf einem großen, ebenerdigen Antigravfeld.

Um ihn gingen Batterien aus Scheinwerfern an, die das eigentümliche Blaugold der Hülle zum Leuchten brachten. Die mäandernden Muster auf der Oberfläche erinnerten an geschmolzenes und wiedererstarrtes Gold.

Schwebende Projektoren, groß wie Mehrpersonengleiter, umkreisten den exotischen Neuankömmling. Drei von ihnen legten einen Prallschirm rund um den fremdartigen Besucher, der aus der weit entfernten Galaxis der Cappins bis zum Solsystem gereist war.

Summend erwachten sechs weitere Projektoren zum Leben. Ein zweiter Schirm, höherdimensional, schloss sich wie eine Sphäre um das Schiff. Wie der erste reichte er in den dafür ausgehöhlten Boden.

Mehrere Terkonitstützen durchbrachen den Schirm, um das Stück Landebahn über ihm zu tragen. Die Schicht, die zwischen dem Terkonit und dem unterirdischen Teil der Schirmsphäre lag, war dünner als die Schnittfläche eines Vibroskalpells. Ob die Stützen die volle Last des Raumers tragen konnten, blieb fraglich. Dafür gab es das Antigravfeld.

Die beeindruckenden Schirme sollten das Schiff vor seiner Umgebung schützen – und umgekehrt. An Bord der VORSICHTERBARMEN lagerte ein Fragment der Superintelligenz ES – und damit sowohl ein Ziel als auch die mögliche Quelle einer ultimativen Bedrohung.

Inmitten der Kugelraumer des Raumhafens fiel die VORSICHTERBARMEN durch ihre Formgebung, Größe und Farbe auf. Sie war isoliert, überragte ihr Umfeld, und sie war schön. Ihr eigenartiges Blaugold schien von innen her zu leuchten. Die geheimnisvollen Goldbahnen fluktuierten anmutig auf dem Rumpf.

1.

Ein gescheiterter Plan

Aurelia Binas Plan war gescheitert. Vorerst jedenfalls.

Damar Feyerlant glaubte nicht, dass sich die Posmi derart leicht geschlagen gab. Sie war nicht umsonst die Leiterin des Liga-Geheimdienstes TLD.

Damar trat aus dem glatten, blaugoldenen Korridor und ging durch den bogenförmigen Ausgang, den die VORSICHTERBARMEN für ihn bildete, hinaus auf die ausgeformte Rampe. Er verließ den uralten Blaugoldraumer, der lange vor der Erhöhung der Hyperimpedanz gebaut worden war, und folgte den Positionslichtern im Schatten des hoch aufgewölbten Rumpfes. Die Lichter führten ihn zur Schirmschleuse. Dort erkannte er den Umriss einer Frau im SERUN. Sie trat gerade durch eine geschaltete Lücke in die Schleusenkammer. Zuerst dachte Damar, es handelte sich um Sichu Dorksteiger. Doch dann fiel ihm ein, dass Sichu bereits vor einer halben Stunde aufgebrochen war. Die Frau vor ihm war die Leiterin des Sicherheitsteams, das seit einem Tag an Bord war.

»Warte, Akthra!«, rief Damar und lief schneller.

Die hünenhafte, leicht untersetzte Majorin drehte sich zu ihm um. Der Blick ihrer schwarzen Augen wirkte amüsiert. »Du bist spät, Maschinenflüsterer. Liegt das an deinen kurzen Beinen?«

Damar lächelte verkniffen. Akthra Tafari hielt sich nicht an die Etikette der Liga, die davon absah, andere abwertend auf Körperlichkeiten hinzuweisen. Er überging die Frage und ersparte sich und Akthra eine Klarstellung. Er konnte nur mit biopositronischen Maschinen sprechen, nicht mit allen Maschinen. Aber den Begriff »Biopositronikschnittstellenkonnektor und -manipulator« hätte er selbst nicht flüssig über die Lippen gebracht.

Akthra war eine herausragende Einsatzleiterin, die bereit war, ihr Leben für eine Mission zu geben, und das schon drei Mal unter Beweis gestellt hatte. An ihrer Schläfe glänzte in der ebenholzfarbenen Haut ein silberner Einschluss. Sie hatte einen Streifschuss aus einem Strahler abbekommen, wobei ein Teil ihres Kopfes verbrannt worden war. Laut der Dienstakte war schon vor dieser Verletzung eines ihrer Markenzeichen gewesen, andere zu provozieren. Es hieß weiter, die mehrmalige Begegnung mit ihrem »Beinahe-Tod« habe diesen Zug noch verstärkt.

In den vergangenen Stunden hatte Damar bemerkt, dass Akthras Leute sie trotzdem mit höchstem Respekt behandelten und sie bei Abwesenheit flüsternd »Tatra« oder »Tara-Tatra« nannten. Man sagte ihr die Kampfwut, Kompromisslosigkeit und Romantik eines TARA-Kampfroboters nach. Es schien niemanden in ihrem Team zu geben, der sie nicht bewunderte.

»Wir werden pünktlich ankommen«, sagte Damar, während sie gemeinsam die Schleuse verließen und auf den Schirm zugingen.

Damar empfand es als unheimlich, so dicht an ihn heranzutreten. Es war anders, einem derartigen Monster von Paratronschirm gegenüberzustehen, als in einem SERUN konturnah geschützt zu werden. Die schiere Menge an Energie beeindruckte ihn.

Auf der anderen Schirmseite wartete ein voll automatisierter, gepanzerter Zwei-Personen-Gleiter, der an ein Tortenstück erinnerte. Die meisten Transporte und Entladungen auf dem Raumhafen liefen über die Robotflotte ab. Es gab etliche Gebäude, in deren Hangars ganze Parks von Maschinen standen und auf ihren Einsatz warteten.

Sie stiegen über eine Rampe nahe der Spitze ein und setzten sich.

Akthra verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin sicher, die teilen uns mit, dass sie nun einen Schritt weitergehen. Ich sage, Atlan wird darauf drängen. Wetten?«

»Worum?«, fragte Damar.

»Ich habe die Bewirtungsliste eingesehen. Rein aus Sicherheitsgründen, versteht sich. Es steht Dabo drauf. Nach einem Rezept meiner Familie. Mein Großvater hat das beste Dabo im Solsystem gebacken. Wenn ich recht habe, gibst du mir deine Platte.«

Damar hätte Akthra seinen Anteil an Honigbrot auch geschenkt und natürlich hätte sie vorab mehr für sich bestellen können, aber so funktionierte das Spiel nun mal nicht. Er lächelte und berührte den SERUN dort, wo auf der Haut darunter sein Lieblingsanhänger lag. »Wette angenommen!«

Sie flogen in den Hangar des nahen Sicherheitsgebäudes ein. TARAS empfingen sie zusammen mit einer zwölfköpfigen Wachmannschaft. Das war kein Wunder, denn das Raumhafengebäude hatte einen ganz besonderen Besucher: Cascard Holonder. Der Resident der Liga Freier Galaktiker war höchstpersönlich zu dieser Besprechung angereist. Sein schnittiger Gleiter stand bewacht an Ort und Stelle. Er glänzte im Licht der Deckenstrahler wie ein Kunstobjekt. Auch die Terranische Residentin würde zugeschaltet sein.

Langsam wurde Damar doch nervös. Waren sie zu spät dran? Er gab sich Mühe, mit den langen, schnellen Schritten Akthras mitzuhalten.

Ein wenig außer Atem erreichten sie den Besprechungsraum. Das Zimmer war so schnörkellos gestaltet wie der Rest des funktionsmäßigen Baus. Statt eines Fensters trennte eine durchsichtige Energiewand sie vom Landefeld.

Vor Damar saßen eine Frau, die aussah wie Xenia Biefang, Resident Cascard Holonder, Sichu Dorksteiger und mehrere Personen, die per Holo zugeschaltet waren. Ihre Körper waren durchsichtig. Damar kannte jeden von ihnen: Atlan da Gonozal, Homer G. Adams, der als Cascard Holonders Berater fungierte, Laura Sakinga, die Residentin des Solsystems, und Admiralin Satou Bezpalky, die Oberkommandierende der Solaren Flotte.

Cascard Holonder hielt einen Stift in der Hand und kritzelte auf einer Folie. Der zweieinhalb Meter große Ertruser saß als Einziger ebenerdig auf einem robusten Stuhl. Alle anderen hatten reale oder virtuelle Plätze auf einem Podest erhalten, das den Höhenunterschied zu Holonder ausglich. Der Resident der Liga schätzte es, mit seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe zu sitzen. In diesem Fall jedoch überragte Major Akthra die illustre Runde.

Damar dachte an die märchenhafte Karriere, die Cascard Holonder hingelegt hatte. Vom einfachen Piloten der RAS TSCHUBAI über Raumschiffs- und Flottenkommandant bis zum Residenten. Er selbst hingegen war in seinem Leben kaum die Karriereleiter hinaufgefallen – und zufrieden damit. Das Einzige, was er sich wirklich wünschte, war das Wiedersehen mit Shema Ghessow. Was war aus ihr, Antanas Lato und Perry Rhodan geworden?

»Wir sind vollzählig«, sagte die Frau, die aussah wie Xenia Biefang. Er erkannte aber, dass sie in Wirklichkeit Aurelia Bina war, die Leiterin des TLD in einer nahezu perfekten Maske.

Cascard Holonder hob den kahlen Kopf. Seine gut gepflegte Glatze glänzte im Licht. »Kannst du die Ereignisse der letzten Stunden für alle Anwesenden knapp zusammenfassen?«

»Selbstverständlich. Ich habe die Gestalt Xenia Biefangs angenommen und bin von der Solaren Residenz aus unter einem großen Bewachungsaufgebot zur VORSICHTERBARMEN geflogen. Inzwischen ist ein Einsatzteam unter Leitung von Akthra an Bord des Blaugoldraumers. Ich bin plangemäß unverzüglich auf das Schiff gegangen. Ziel war, die Zukunfts-Gataserin Tenxü aus der Reserve zu locken. Wir haben zuvor über die Investigativjournalistin Claire Bezpalky ein Gerücht streuen lassen. Demnach wollten wir den Mentalarchitektur-Prozessor an Bord der VORSICHTERBARMEN einem ersten Test unterziehen. Angeblich sollte ein erstes, wegweisendes Experiment zur Wiederherstellung von ES gestartet werden.«

Illustration: Swen Papenbrock

Cascard Holonder verzog säuerlich das Gesicht. Damar stellte sich vor, wie viele Anfragen und Beschwerden der Resident seitdem aus dem restlichen Galaktikum erhalten hatte. Er war froh, kein Politiker zu sein. Wie abgesprochen hatte Holonder dieses »Gerücht« dementiert.

»Leider«, fuhr Aurelia Bina fort, »hat der Fisch den Köder nicht geschluckt. Tenxü hat sich nicht blicken lassen. Es gibt derzeit keine Anzeichen von ihr oder von Aktivitäten, die mit ihr in Verbindung stehen. Selbstverständlich sucht der Terranische Liga-Dienst mit Unterstützung von NATHAN weiter.«

Sichu Dorksteiger beugte den Oberkörper vor. Wie so oft hatte sie ihre langen, silbernen Haare auf dem Hinterkopf zu einem kunstvollen Zopf zusammengefasst. »Vielleicht war der Köder nicht verlockend genug?«

»Unwahrscheinlich.« Aurelia Bina saß unbewegt, wie es nur ein Wesen konnte, durch dessen Körper kein Blut floss und das keine Knochen hatte, sondern ein Endoskelett aus hochverdichteten Verbundstoffen. »Wir wissen, dass Tenxü ein hohes Interesse hat, die Zusammensetzung von ES zu verhindern.« Binas Kopf bewegte sich genau abgemessen in Damars Richtung. Der Blick der intensiv blauen Augen war stechend.

Damar räusperte sich. »Das stimmt. Der Chronokontrakt bindet sie. Sie wird alles tun, um ihr Ziel zu erreichen. Ich denke, unser Problem liegt darin, dass wir ihre Mittel unterschätzen. Auf eine gefälschte Xenia Biefang fällt sie nicht herein. Sie kann das Original von der Kopie unterscheiden.«

»Das denke ich auch!«, sagte Atlan, der von Bord eines anderen Blaugoldraumers – außerhalb des Solsystems – per Hyperfunk-Relais-Kette zugeschaltet war. Die VORSICHTERBARMEN war das einzige Schiff, das derzeit auf Terra weilen durfte. Der Arkonide kniff die rötlichen Augen zusammen. »Deshalb ist es Zeit, mit dem Spielen aufzuhören. Wir müssen Xenia Biefang tatsächlich an Bord der VORSICHTERBARMEN bringen.«

Damar schob Akthra wortlos seine dreieckige Kuchenplatte zu. Die Majorin griff danach, ihre Hände berührten sich. Etwas wie ein Stromschlag traf Damar, eine Entladung verbunden mit einem Flüstern. Er zuckte zusammen.

Als Akthra die Platte zu sich zog und ihre Hände sich lösten, verschwand der Eindruck sofort. Damar spürte, wie sich die Haut zwischen seinen Augenbrauen zusammenzog. Was war da gerade passiert? Es musste mit seinen Konnektor-Fähigkeiten zu tun haben. Ob Akthra aufgrund ihrer zahlreichen schweren Verletzungen eine biopositronische Maschine im Körper trug? Womöglich hatte Damar kurzzeitig einen Kontakt dazu hergestellt.

Sichu Dorksteiger presste die Lippen aufeinander. »Was ist mit der humanitären Seite und der Gefahr, die Terra drohen könnte? Wir wissen, dass der Mentalarchitektur-Prozessor zum Kristallisationskeim für die Wiederherstellung von ES werden kann. Falls das Fragment an Bord sich unkontrolliert mit Xenia Biefang verbindet, stellt das ein erhebliches Risiko dar. Wird die Sextadim-Membran um den Prozessor beschädigt, kann das unvorhersehbare Auswirkungen haben. Xenia Biefang könnte dabei sterben.«

Eigentlich hatte Xenia Biefang ebenfalls an dieser Besprechung teilnehmen wollen. Doch inzwischen nahte die Zeit des Umbrischen Gongs. Dieser Gong hatte in den vergangenen beiden Tagen Auswirkungen auf Xenia gezeigt, daher wollte sie dem Phänomen ungestört nachspüren. Ihre Bereitschaft, an Bord zu kommen, hatte sie trotz möglicher Gefahren bereits zugesichert.

Damar schätzte, dass die Wissenschaftlerin alles tun würde, um mehr über ES zu erfahren. Sie brannte für dieses Wissenschaftsgebiet. Als Leiterin des »Instituts zur Erforschung der Struktur und Historie metaintelligenter Entitäten« hatte sie sich mit Hirn, Haut und Haaren der Erforschung von Superintelligenzen verschrieben.

»Ist es wirklich nicht möglich«, fragte Cascard Holonder, »den Prozessor aus Xenia Biefang herauszulösen?«

»Du kennst die Antwort. Falls du gehofft haben solltest, seit deiner letzten diesbezüglichen Frage hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, muss ich dich enttäuschen.« Sichu Dorksteiger klang reserviert. »Leider gibt es in dieser Richtung auf die Schnelle keine Fortschritte. Wir wissen schlicht zu wenig. Derzeit sind wir nicht einmal in der Lage, den Prozessor ausfindig zu machen.«

»Genau deshalb«, sagte Atlan, »sollten wir Xenia Biefang an Bord der VORSICHTERBARMEN bringen. Wir könnten dort Messungen vornehmen. Falls der Prozessor auf das ES-Fragment reagiert, könnte uns das einen Hinweis auf seine Position geben. Wie lange wollen wir warten? Bis die Zukunfts-Gataserin noch eine Einrichtung verwüstet oder sich in den Untergrund zurückzieht? Wir müssen Tenxü stellen und mehr über die Bedrohung durch sie und ihre Zeit erfahren. Vor allem, weil es offenkundig mit der Irreführung von ES zusammenhängen könnte.«

»Das wird ein Desaster«, murmelte Akthra so leise, dass nur Damar neben ihr sie hören konnte.

Auch Admiralin Satou Bezpalky, die Oberkommandierende der Solaren Flotte, wirkte zweifelnd. Ihr Gesicht erinnerte Damar an das einer Statue.

Cascard Holonder tauschte einen Blick mit Homer G. Adams. Der Zellaktivatorträger mit dem schmächtigen, buckligen Körper, dem großen Kopf und den klugen, blassgrauen Augen nickte kaum merklich. Auch die Residentin des Solsystems hob vage angedeutet den Daumen.

»Einverstanden«, sagte Holonder. »In den Parlamenten herrscht Einigkeit. Wir müssen früher oder später mit dem Mentalarchitektur-Prozessor umgehen können, um die Re-Genese von ES einzuleiten. Ich stimme Atlan zu, dass es besser ist, keine Zeit zu verlieren. Wer weiß, wie lange der Prozess an sich dauern wird. Die Mächtigkeitsballung ist in Gefahr. Ohne ES herrscht ein Machtvakuum. Es ist unsere Pflicht, schnell und entschieden zu handeln. Ich werde diesen Entschluss in Kürze öffentlich bekannt geben.«

Zwischenspiel

Pläne. Ich mache sie, verwerfe sie, schmiede neue. Ideen steigen auf wie Seifenblasen, treiben schillernd im Wind und platzen. Wohin soll die nächste Reise gehen? Wohin zieht es mich auf dieser blauen Kugel, die ich mehrmals umrunden möchte?

Die letzte Reise führte mich nach Äthiopien, zur Wiege der Menschheit. Hier brandet die Steppe an raues Gebirge, das Land an die Stadt, Felsenkirchen gegen Stelen und den Palast der Königin von Saba.

Ich sah Frauen Zementsäcke schleppen und Männer zuschauen, sah Blechhütten und Menschen, die mit ihren wenigen Habseligkeiten an den Rand der Stadt zogen, verdrängt von denen, für deren Hausbau sie schufteten.

Ich trank erlesenen Kaffee, entdeckte neue Speisen, so fremd und andersartig, dass ich sie mir nicht hätte ausdenken können.

Fürwahr, es gibt stets Neues zu entdecken, Mutthra, und nichts steht jemals still.

Ob das nächste Ziel mich berühren wird, wie es Äthiopien tat?

2.

Die Falle

Hinter ihnen wurde die Stahlorchidee kleiner. Damar Feyerlant beobachtete es mithilfe der vernetzten Kameras von SERUN und Miniatursonden, die Aurelia Bina ausgeschleust hatte. Auch auf die Kameras des Gleiters konnte Damar zugreifen. Sie lieferten gestochen scharfe Bilder. Das 1010 Meter hohe Wahrzeichen Terranias schien viel näher, als es eigentlich war. Die schwebende, an eine fünfblättrige Orchidee erinnernde Residenz dominierte diesen Teil Terranias.

Je weiter sie sich von der Solaren Residenz entfernten, desto ungeschützter kam Damar sich vor. Dabei hatten sie fünf Schutzgleiter bei sich, konnten jederzeit Verstärkung anfordern und standen in Kontakt mit mehreren kampftauglichen Beibooten unter dem Befehl von Admiralin Satou Bezpalky.

Lag es allein an der Gefahr durch Tenxü, dass Damar so nervös war? Wenn er ehrlich war, setzten ihm zwei Dinge zu: Zum einen war Tenxü gefährlich und durfte keineswegs unterschätzt werden. Noch war unklar über welche Mittel sie verfügte. Womöglich hatte sie Verstecke in Terrania, weitere Mitstreiter wie die Schemen oder Waffen, die bisher in der Kürze der Zeit gar nicht zum Einsatz gekommen waren.

Sie hatten Tenxü und Paytürin überrumpelt. Aurelia Bina war schnell gewesen. Nun waren mehr als zwei Tage vergangen – genug Zeit für Tenxü, sich neu zu organisieren.

Zum anderen hatte Damar ein persönliches Problem. Er fühlte sich unwohl außerhalb der VORSICHTERBARMEN. Beinahe hätte er aufgelacht. Wie oft hatte er auf der einjährigen Reise davon geträumt, anzukommen? Und nun, nachdem er endlich da war, fühlte er sich den Gehirnen an Bord des Blaugoldraumers näher als den Galaktikern auf Terra. Er wollte bei Sichu Dorksteiger sein, bei Atlan – und bei den Gehirnen, die sich als Kollektiv verstanden und die ihm inzwischen vertrauter waren als viele Menschen, die er gekannt hatte. Ob es lange dauern würde, dieses Fremdeln zu überwinden? Er musste sich erst wieder an eine Metropole wie Terrania und das Arbeiten in einem großen Team gewöhnen.

Unauffällig sah er zur Seite.

Xenia Biefang hielt einen kleinen Sextadimspürer in der Hand. Ihr Blick war auf das Gerät gerichtet. Hinter dem getönten Visier wirkten ihre aschgrauen, geflochtenen Haare dunkler, und die bunten, beweglichen Tätowierungen traten weniger in den Vordergrund. Sie kam Damar verklärt vor, wie sie da neben der stehenden Aurelia Bina in der Mitte des Militärgleiters saß. Irgendwie nicht ganz da. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, das dem der Mona Lisa Konkurrenz machte.

Damar musste sich zwingen, still zu sitzen. Er wusste von Sichu, dass sie Xenia Biefang als gereift erlebte, erst recht, seit diese ein kleines Fragment von ES in sich aufgenommen hatte. Ihm kam die Trägerin des Mentalarchitektur-Prozessors fern vor. Wie ein Stern, dem er sich nicht nähern konnte, ohne zu verbrennen.

»Wird schon schiefgehen«, sagte Majorin Akthra über Funk. »Ich passe auf dich auf.«

Damar drehte sich zu ihr. Sie saß in einen Deflektorschirm gehüllt neben ihm, doch dank der SERUN-Vernetzung und der Antiflex-Funktion sah er sie. »Ich dachte, du glaubst, unsere Mission wird ein Desaster.«

»Klar wird sie eines. Aber eines, das wir wahrscheinlich überleben.«

Das war das Positivste, das Damar bisher von der Majorin zu hören bekommen hatte.

»Sicher.« Er setzte sich gerader hin. »Entspannen wir uns. Tenxü wird ohnehin erst bei der Ankunft am Raumhafen zuschlagen. Falls überhaupt.«

»Huhany-Zhy!«, schimpfte Akthra. »Warum hast du das getan, Kurzer? Immer wenn jemand so etwas sagt, kommt es garantiert anders! Wetten?«

Damar fragte sich, warum die terranische Majorin ausgerechnet ein arkonidisches Wort benutzte, das auf das göttliche Licht der Dagormythologie verwies. Vielleicht war sie eine Dagorspezialistin? Bei ihrem Beruf lag Kampfkunsterfahrung nah.

Aurelia Bina nutzte den privaten Funkkanal. »Entspann dich! Dein Herz schlägt zu schnell, und dein Kiefer zeigt, wie unruhig du bist. Versuch, eine Spur von Tenxü aufzunehmen. Falls in diesen Gleiter ZytoKybs eindringen, müssen wir das wissen!«

»Klar.« Damar schloss die Augen und konzentrierte sich. Er hätte Aurelia Bina erklären können, dass seine Gabe so nicht funktionierte, aber das wäre eine Ausrede gewesen.

Die ZytoKybs der Zukunfts-Gataser waren eine Neuheit, mit der er lernen musste, umzugehen. Und dann waren da noch der Mentalarchitektur-Prozessor und die Anteile von ES in unmittelbarer Nähe auf dem Raumhafen. Sie machten eine »Ortung« von ZytoKybs schwierig.

Damars Gabe war kein passiver Prozess. Er verband sich mit biologischen Maschinen. Trotzdem hatte Aurelia Bina recht. Am TIPI, dem Terranischen Institut für Paranormale Individuen, hatte Damar gelernt, dass sich seine Gabe verändern konnte. Nichts blieb stets gleich. Es hing von der Umgebung und etlichen Details ab. Also konzentrierte er sich und tat sein Bestes, auf biopositronische Schnittstellen zu stoßen.

Tatsächlich war da ein feiner Hauch neben ihm. Ein Säuseln. Woher kam das?