Personzentrierte Pflegepraxis -  - E-Book

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Beschreibung

Wie kann die gesundheitliche Versorgung von Patienten verbessert werden? Wie können Menschen wieder in den Mittelpunkt der Versorgung und Pflegepraxis gestellt werden? Personzentrierung gilt als ein Schlüsselelemente für diese Form der Praxisentwicklung. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt klärt dieses Fachbuch.Personzentrierte Pflegepraxis bietet ein Fachbuch für Pflegemanager_innen, -lehrende und Praxisexpert_innen zur Entwicklung der Pflegepraxis in Gesundheitseinrichtungen. Die Autor_innen stellen die personzentrierte Pflegepraxis in ihren Grundprinzipien dar und veranschaulichen dessen theoretischen Bezugsrahmen modellhaft beschreiben Wege, Prinzipien, Rollen und Beispiele einer personzentrierten Kultur und Entwicklung der Praxis erläutern die Grundlagen und Beispiele personzentrierter Entwicklungsprozesse und deren Voraussetzungen eines Clinical Leadership und einer schlanken und personzentrierten Arbeitskultur beschreiben Ansätze und Instrumente zur Evaluation und Erforschung einer personzentrierten Praxis in der Akut- und Langzeitpflege zeigen mit Beispielen aus der deutschsprachigen Pflegepraxis, wie das Konzept der Personzentrierung entwickelt, erforscht, geplant und gelehrt werden kann.

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Christoph von Dach

Hanna Mayer

(Hrsg.)

Personzentrierte Pflegepraxis

Grundlagen für Praxisentwicklung, Forschung und Lehre

Unter Mitarbeit von

Corinne Auer

Teresia Bartolomeoli

Shaun Cardiff

Ana Cartaxo

Theresa Clement

Doris Eberhardt

Thomas Falkenstein

Irena Anna Frei

Catherine Gassmann

Florian Grossmann

Stefan Gschwenter

Kathrin Hirter

Susanne Knüppel-Lauener

Sabine Köck-Hodi

Jacqueline Martin

Nadine Saladin

Angela Schnelli

Maria Schwaighofer

Gabriela Tarnutzer

Martin Wallner

Personzentrierte Pflegepraxis

Grundlagen für Praxisentwicklung, Forschung und Lehre

Christoph von Dach, Hanna Mayer

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

André Fringer, Winterthur; Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Angelika Zegelin, Dortmund

Christoph von Dach, Prof. Dr., (Hrsg.). Hochschuldozent an der Berner Fachhochschule, Klinischer Pflegewissenschaftler an der Solothurner Spitäler AG, Honorary Lecturer Queen Margaret University, Edinburgh UK

Berner Fachhochschule

Murtenstrasse 10

CH-3008 Bern, Schweiz

E-Mail: [email protected]

Hanna Mayer, Univ.-Prof. Mag. Dr. (Hrsg.). Professorin für Pflegewissenschaft, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Person Centred Care an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems, Dozentin an der Universität Wien

Anschrift

Karl Landsteinern Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften

Dr.-Karl-Dorrek Straße 30

A-3500 Krems

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z. Hd. Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Sandro Bomio

Bearbeitung: Martina Kasper

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: Getty Images, SDI Productions

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96123-1)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76123-7)

ISBN 978-3-456-86123-4

https://doi.org/10.1024/86123-000

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Widmung

Dem Andenken an Prof. Dr. Jan Dewing gewidmet, einer großen Frau, einer Pionierin der Personzentrierung und der Praxisentwicklung und einer Kämpferin für ein humanistisches Gesundheitswesen.

Sie bleibt uns als tiefsinnige Wissenschaftlerin, fundierte Praktikerin und als wunderbarer Mensch in Erinnerung.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Dank

Geleitwort

EinleitungChristoph von Dach und Hanna Mayer

1 Das Modell der personzentrierten Pflegepraxis

1.1 Grundlegende Prinzipien personzentrierter PraxisBrendan McCormack und Tanya McCance Übersetzung: Theresa Clement und Martin Wallner

1.1.1 Einleitung

1.1.2 Die zentrale Bedeutung von Personhood

1.1.3 Personzentrierung

1.1.3.1 In Beziehung sein

1.1.3.2 In einer sozialen Welt sein

1.1.3.3 An einem Ort sein

1.1.3.4 Mit sich selbst sein

1.1.4 Personzentrierte Praxis

1.1.5 Grundlegende Prinzipien für eine personzentrierte Praxis

1.1.6 Fazit

1.2 Das Person-centred Practice FrameworkTanya McCance und Brendan McCormack Übersetzung: Theresa Clement und Martin Wallner

1.2.1 Der Weg zum Framework

1.2.1.1 Entwicklung eines Frameworks für personzentrierte Pflege

1.2.1.2 Personzentrierte Pflege: Theorie und Praxis

1.2.1.3 Eine Theorie mittlerer Reichweite

1.2.2 Das Person-Centred Practice Framework

1.2.2.1 Voraussetzungen

1.2.2.2 Das Praxisumfeld

1.2.2.3 Personzentrierte Prozesse

1.2.2.4 Personzentrierte Ergebnisse

1.2.3 Fazit

1.3 Das PeoPle Modell: Personzentrierte Langzeitpflege Hanna Mayer und Martin Wallner

1.3.1 Einleitung

1.3.2 Entwicklungsprozess

1.3.2.1 Phase 1

1.3.2.2 Phase 2

1.3.2.3 Phase 3

1.3.3 Das PeoPLe Modell

1.3.3.1 Grundprinzipien für Pflege und Betreuung

1.3.4 Fazit

1.4 Literatur

2 Praxisentwicklung: Der Weg zur personzentrierten Kultur

2.1 Einführung in den Ansatz der PraxisentwicklungIrena Anna Frei, Corinne Auer, Kathrin Hirter und Christoph von Dach

2.1.1 Ursprung des Ansatzes Praxisentwicklung

2.1.2 Definition und Entwicklung der Methodologie

2.1.3 Zu erwartende Ergebnisse

2.1.4 Top down oder Bottom up?

2.2 Praxisentwicklung – MethodologieIrena Anna Frei, Corinne Auer und Kathrin Hirter

2.2.1 Praxisentwicklung als Reise

2.2.1.1 Kennen von Werten und Überzeugungen

2.2.1.2 Entwickeln einer gemeinsamen Vision

2.2.1.3 Darlegung der Ausgangslage

2.2.1.4 Erstellen eines Entwicklungsplans

2.2.1.5 Aktionen, Reflexion, Evaluierung und Planung

2.2.1.6 Lernen am Arbeitsplatz

2.2.1.7 Austauschen, Abschließen und Zelebrieren

2.3 Fazilitation – die kritische Begleitung Irena Anna Frei

2.3.1 Die Fähigkeiten zur kritischen Fazilitation

2.3.2 Die Rolle der Fazilitator*innen

2.4 Instrumente zur Unterstützung personzentrierter KulturentwicklungChristoph von Dach, Corinne Auer, Ana Cartaxo und Hanna Mayer

2.4.1 CoSII – Heuristik einer „flourishing workplace Culture“

2.4.2 Arbeit mit „Personzentrierten Momenten“

2.4.3 Workplace Culture Critical Analysis Tool Revised (WCCATR)

2.4.4 Die Key Performance Indicators

2.5 Praxisentwicklung – Umsetzungsbeispiele

2.5.1 Praxisentwickler*innen gestalten reflektierte Fazilitation Florian Grossmann und Susanne Knüppel Lauener

2.5.2 Als Organisation wachsenChristoph von Dach

2.5.3 Arbeiten mit personzentrierten MomentenSabine Köck-Hódi und Hanna Mayer

2.6 Literatur

3 Leadership: Das Fundament personzentrierter EntwicklungsprozesseShaun Cardiff, Jacqueline S. Martin und Christoph von Dach

3.1 Einführung

3.2 Werte, Kultur und Leadership

3.3 Personzentriertes Leadership

3.4 Personzentriertes Leadership entwickeln

3.5 Ein Führungsentwicklungsprogramm

3.6 Lean und Personzentrierung

3.7 Fazit

3.8 Literatur

4 Evaluation: Erforschung personzentrierter Praxis

4.1 Methodologische Grundlagen personzentrierter Forschung Martin Wallner und Hanna Mayer

4.1.1 Personzentrierung: Ein Blick in die Forschungslandschaft

4.1.2 Wissenschaftstheoretische Grundlagen

4.1.3 Prinzipien personzentrierter Forschung

4.1.4 Anwendung der Prinzipien im Forschungsprozess

4.1.5 Exkurs: Personzentrierte Sprache und Terminologie

4.1.6 Fazit

4.2 Evaluation personzentrierter InterventionenMartin Wallner, Sabine Köck-Hódi und Hanna Mayer

4.2.1 Personzentrierte Praxis als komplexe Intervention

4.2.2 Evaluation: eine theoriebasierte Perspektive

4.2.2.1 Theoriebasierte Evaluation

4.2.2.2 Realist Evaluation

4.2.2.3 Cluster Evaluation

4.2.3 Fazit

4.2.4 Umsetzungsbeispiel

4.3 Instrumente zur standardisierten Erhebung von PersonzentrierungStefan Gschwenter, Martin Wallner und Hanna Mayer

4.3.1 Personzentrierung messen: Ein Überblick

4.3.2 Person-Centred Practice Inventories

4.3.2.1 Person-Centred Practice Inventory – Staff

4.3.2.2 Person-Centred Practice Inventory – Care

4.3.2.3 Person-Centred Practice Inventory – Student

4.3.3 Weitere ausgewählte Instrumente

4.3.3.1 Person-centred Care Assessment Tool

4.3.3.2 Person-centred Climate Questionnaire – Staff Version

4.3.3.3 Person-centred Climate Questionnaire – Patient Version

4.3.3.4 Person-centred Climate Questionnaire – Family Version

4.3.3.5 Person-Directed Care Measure

4.3.3.6 Person-Centred Community Care Inventory

4.3.4 Fazit

4.4 Literatur

5 Ausbildung: Dort wo alles anfängt

5.1 Einleitung Hanna Mayer

5.2 Mentoringkonzept – PCP in der institutionellen LangzeitpflegeThomas Falkenstein, Maria Schweighofer, Sabine Köck-Hódi und Hanna Mayer

5.2.1 Förderung von PCP durch Mentor*innen

5.2.2 Rollen und Aufgaben der Mentor*innen

5.2.3 Das Mentor*innenausbildungskonzept

5.2.3.1 Theoretische Rahmung der Mentor*innenausbildung

5.2.3.2 Pädagogisch didaktische Verortung

5.2.3.3 Formale Kriterien

5.2.3.4 Die curriculare Beschreibung

5.2.3.5 Exkurs: Die Lehrenden

5.2.4 Nachhaltigkeit durch Aufbau eines Netzwerkes

5.2.5 Die Basisausbildung im Bachelorstudium

5.2.5.1 Hintergrund und Entstehung

5.2.5.2 Umsetzung

5.2.5.3 Feedback der Studierenden

5.2.5.4 Fazit

5.3 Personzentrierung als Lerngegenstand im PflegestudiumDoris Eberhardt

5.3.1 Hintergrund

5.3.2 Curriculum-Konstruktion

5.3.2.1 Anforderungen an eine personzentrierte Praxis

5.3.2.2 Kompetenzen zur Bewältigung der Anforderungen

5.3.2.3 Lernergebnisse, Inhalte und Gestaltungselemente

5.3.3 Kunst-basiertes Lernen

5.3.4 Die nächsten Schritte

5.4 Personzentrierte Gesundheitsversorgung im Masterstudiengang PflegewissenschaftCatherine Gassmann, Nadine Saladin, Teresia Bartolomeoli, Gabriela Tarnutzer und Irena Anna Frei

5.4.1 Hintergrund

5.4.2 Praxisentwicklung & Leadership: die Module

5.4.2.1 Modul 1

5.4.2.2 Modul 2

5.4.3 Kompetenzen in der Rolle der Projektleitung

5.4.3.1 Leadership

5.4.3.2 Fazilitation

5.4.4 Praxisentwicklungsprojekte – zwei Beispiele

5.4.5 Kritische Reflexion

5.4.5.1 Bewusstseins-Ebene

5.4.5.2 Affektive Ebene

5.4.5.3 Bewertende Ebene

5.4.5.4 Konzeptuelle/theoretische Ebene

5.4.6 Fazit

5.5 Theaterpädagogische Workshops mit Personen mit DemenzAngela Schnelli

5.5.1 Bezugsrahmen der personzentrierten Pflege

5.5.2 Ein kreativer Ansatz zur Förderung von PCP

5.5.2.1 Die Entstehung der Idee

5.5.2.2 Der erste Workshop – ein Erfahrungsbericht

5.5.2.3 Potenzial von theaterpädagogischen Workshops

5.5.3 Fazit

5.6 Literatur

Autoren und Autorinnen

Sachwortverzeichnis

|11|Dank

Ein Buch wie dieses lebt von der Unterschiedlichkeit und der Vielfalt der Expertisen in Wissenschaft und Praxis und könnte nie in dieser Form von einer oder zwei Personen allein geschrieben werden. Wir danken daher allen Mitautorinnen und Mitautoren für die intensive und konstruktive Zusammenarbeit und die wertvollen Beiträge. Ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, die Vielfältigkeit und Reichhaltigkeit der Thematik zu erfassen und im vorliegenden Buch zu beschreiben.

Ein besonderer Dank gilt Theresa Clement und Jasmin Eppel-Meichlinger, die all die Beiträge in mühevoller redaktioneller Arbeit zu einem Werk zusammengeführt haben.

Ohne die Möglichkeit zu haben, Personzentrierung in der Praxis oder der Lehre umzusetzen oder einen Einblick in bestehende Praktiken zu bekommen, oder auch ein Forschungsfeld zu haben, in dem man Methoden entwickeln, einsetzen und evaluieren kann, hätte sich das reichhaltige Wissen nie entwickeln können. Wir danken daher allen Praxisinstitutionen, allen voran den Solothurner Spitälern AG, dem Universitätsspital Basel, den Niederösterreichischen Pflege- und Betreuungszentren für den Einblick in deren Projekte zur Entwicklung einer personzentrierten Pflege und deren Offenheit, Forschung und Praxisentwicklung in diesem Feld praktizieren zu dürfen.

Unser ganz besonderer Dank gilt aber Brendan McCormack, Tanja McCance und Jan Dewing. Nicht nur für die Erlaubnis, deren Texte für die ersten beiden Kapitel zu nutzen, sondern für ihre Inspiration, ihre Gedanken, Ideen, wissenschaftlichen Arbeiten und praktischen Erfahrungen, die sie immer gerne teilen. Ohne diese inspirierenden Menschen wäre das Thema für uns eines wie viele andere geblieben, ohne sie hätten wir nie „Feuer“ gefangen, selbst etwas zur Entwicklung eines Personzentrierten Gesundheitswesen beitragen zu wollen und letztendlich dieses Buch herauszugeben.

Hanna Mayer und Christoph von Dach

|13|Geleitwort

Preface – ‚Beyond Nice Ideas‘

When Hanna and Christoph told me they wanted to write this book, I was excited! Both these lead authors and editors have been committed to person-centred ways of knowing, being, doing and becoming throughout their nursing careers, and so the opportunity to bring key concepts and ideas to a new audience is to be welcomed. As Hanna and Christoph assert,

„The idea of the book is to … create foundations that can help in the development of a person-centred culture. We want to show that person-centredness is not just a nice idea, an utopia or an unattainable professional ideal, but can be researched, taught and guide practice development based on a solid theoretical and methodological foundation.“

Person-centred practice is now a global movement and there are many policy and strategy frameworks driven by national, international and global organisations and decision-makers that are directing an array of developments in this field. For many of us who have been working with person-centred ideas, concepts, theories and practices, it sometimes surprises us how little is understood about what it means to be a person-centred healthcare practitioner beyond the ‚simple act of giving choices‘ – as if somehow, we own the choices in the first place! The field of person-centred healthcare has been populated with an abundance of initiatives and superficial developments that capture the ‚trappings‘ of person-centred practice, that at best change experience for a short time and at worst cause practitioners to be confused about what this way of practising is about! These initiatives I believe can be damaging to the overarching goal of humanising healthcare in a deep and meaningful way, as they reinforce entrenched ideas that we ‚are doing it anyway‘. The development of person-centred cultures and practices is never a one-off project, initiative or innovation, but is instead a continuous commitment of health systems to continuously strive for places that enable all persons to flourish as human beings. Person-centredness is often confused with patient-centredness (and derivations thereof) and we need to remember that the distinct difference between these two healthcare philosophies is that person-centredness is an ethic of care that starts from the equality of all persons. It recognises that whilst patients and families should always be the central focus of healthcare practitioner work, person-centred care/services for patients and families is impossible to sustain without an equal commitment to the flourishing of individual practitioners and teams. This core ethic challenges all of us to rethink how we make decisions, what evidence we use to guide decision-making, how we manage relationships and how we build communities that are committed to the wellbeing of all persons. Traditional healthcare systems are not guided by these values, but instead are often dominated by cultures of efficiency and effectiveness, as if somehow people are a commodity that can be managed through a system.

So, books such as this are critical to deepening our understanding of what it means to be person-centred in all aspects of our life. Whilst the authors are committed to framing the work through an established theoretical framework, |14|they also push the boundaries of this framework by introducing new ways of approaching the development of person-centred healthcare. Their focus is on extending and expanding our understanding of person-centred practice and ensuring that we don’t take for granted the complexity of the work involved in creating these practices and the cultures needed to support and sustain them. It is a privilege to have the ‚Person-centred Practice Framework‘ positioned as the central theoretical lens through which the book is developed, but it is also exciting to know that this work is not being passively engaged with, and through this work, new knowledge is being added to the field, and to a whole new audience.

As Aristotle contends „Flourishing is the highest good of human endeavours and that toward which all actions aim. It is success as a human being“. This book is another significant contribution in helping us all be successful as healthcare human beings!

Professor Brendan McCormack,

Professor of Nursing, Head of The Susan Wakil School of Nursing and Midwifery,

Dean of the Faculty of Medicine and Health, The University of Sydney

|15|Einleitung

Christoph von Dach und Hanna Mayer

Die Gesundheitssysteme weltweit, und im Speziellen die des so genannten D-A-CH Raumes (Deutschland, Österreich und Schweiz) befinden sich in einem Veränderungsprozess.

Zunehmende Ökonomisierung, der Versuch einer marktwirtschaftlichen Orientierung, daraus resultierende Rationalisierung des Gesundheitswesens, aber auch sichtbare Fragmentierungstendenzen und eine rasant zunehmende Arbeitsverdichtung sind nicht zu übersehende Faktoren, die die Gesundheitssysteme nachhaltige verändern. Medizin und Pflege sind schneller geworden, Aufenthalte in den Spitälern und Krankhäusern kürzer und Pflegefachpersonen haben weniger Zeit für die Pflege und Betreuung. Verschärft wird diese Situation durch demografische und epidemiologische Entwicklungen, die eine Steigerung des Bedarfs an Pflege in hoch komplexen Pflegesituationen mit sich bringen. Der Druck auf das Pflegepersonal steigt und damit auch die Gefahr, Prozesse in der Pflege wieder vermehrt funktionell zu organisieren bzw. Pflegehandlungen implizit zu rationieren. Hierarchische Systeme und fehlende positive und förderliche Arbeitsplatzkultur wirken verstärkend. Körperliche Erschöpfung, moralischer Distress und letztendlich das Verlassen des Berufs sind Folgen daraus – die Zusammenhänge lassen sich in einschlägigen Studien nachweisen. Verstärkt wird die angespannte Personalsituation noch durch die vielen (teilweise auch vorzeitigen) Pensionierungen von Pflegefachleuten der ‚Babyboomer‘ Generation und die Auswirkungen der Covid -19 Pandemie tragen ihres dazu bei, dass ein massiver Engpass an qualifiziertem Pflegepersonal zu verzeichnen ist. Für Patientinnen und Patienten, aber auch für andere Gesundheitsberufe, die mit der Pflege direkt in ihren Arbeitsprozessen verknüpft sind, wird das mittlerweile deutlich spürbar.

Dem gegenüber stehen aber auch ganz andere Entwicklungen, sowohl gesellschaftlich als auch das professionelle Selbstverständnis der Pflegenden betreffend. Akademisierung der Ausbildung, neue berufliche Rollen und Aufgabenbereiche sowie Emanzipationsbestrebungen der Pflege lassen ein anderes berufliches Selbstverständnis entstehen. Auf der anderen Seite zeichnen sich Gesellschaften in westlichen Industrieländern durch zunehmende Diversität und Individualisierung aus, was sich nicht nur in der Politik, im öffentlichen Diskurs und in Lebensstilen äußert, sondern auch auf die Gesundheitsversorgung Einfluss hat (bzw. haben muss). Ein willkommener „Nebeneffekt“ dieser Individualisierung ist die gesteigerte Aufmerksamkeit auf die „Person hinter dem/der Patient*in“ (McCormack et al., 2017). Dies entspricht wiederum einem ganz zentralen professionellen Ethos der Pflege, die durch den Fokus auf den Menschen als Individuum als Profession seit jeher mit Personzentrierung assoziiert ist. Personzentrierung ist aber nicht nur Kern des pflegerischen Selbstverständnisses, sondern es hat sich im Laufe der Zeit eine breitere, inklusive Philosophie der Gesundheitsversorgung mit strategischem Fokus entwickelt. Die Förderung und Entwicklung von Personzentrierung steht dabei im Einklang mit internationaler Health Care Policy (McCormack & McCance, 2017). So hat etwa die Weltgesundheitsorgani|16|sation eine globale Strategie für eine personzentrierte und integrierte Gesundheitsversorgung veröffentlicht (World Health Organization, 2015). Bei Personzentrierung handelt es sich demnach längst nicht mehr nur um professionsspezifische Praktiken, sondern um eine philosophische Grundhaltung in der Planung und Ausrichtung der Gesundheitsversorgung, die Personen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt (McCormack & McCance, 2017).

Angesichts der aktuellen eher dramatisch wirkenden Situation im Gesundheitswesen und der scheinbar nicht zu durchbrechenden Spirale des zunehmenden Personalengpasses, scheint der Fokus auf Personzentrierung so utopisch wie notwendig.

Die Entwicklung einer personzentrierten Kultur, die auf alle Beteiligten fokussiert – d. h. auf Patient*innen, Bewohner*innen, Klient*innen und deren An- und Zugehörigen genauso wie auf das in Gesundheitswesen tätige Personal – führt zu einer, wie McCormack und McCance es bezeichnen, „healthful culture“, einer Umgebung, die für alle gesundheitsförderlich ist. Personzentrierung hat daher nicht nur auf der Ebene von gezielten Interventionen das Potenzial, positive Patient*innen Outcomes zu bewirken, sondern durch das Schaffen einer personzentrierten Kultur die allgemeine Pflegeerfahrung positiv zu beeinflussen. Eine positive Pflegeerfahrung machen aber auch Pflegende. Dies, sowie ein gesundheitsförderliches Arbeitsklima, wo man wachsen und gedeihen kann, Ideen verwirklichen und das leben zu können, was dem pflegerischen Berufsethos entspricht, führt letztendlich auch dazu, dass Pflegpersonen zufriedener im System sind und weniger moralischen Distress empfinden. Personzentrierung – so wie sie in der Theorie von McCormack und McCance verstanden wird und im Modell dargestellt ist – hat somit auch das Potenzial, Pflegepersonen länger im Beruf zu halten und einen Teil der aktuellen Probleme im Gesundheitswesen zu lösen.

Auf breiter Policy-Ebene gibt es bereits Vorstöße, die Gesundheitsversorgung personzentriert auszurichten (World Health Organization, 2015; 2017). In Europa nimmt gewiss Großbritannien eine Vorreiterrolle diesbezüglich ein, wo Personzentrierung zumindest auf Policy-Ebene im Rahmen verschiedener Strategien und Initiativen implementiert wurde (De Silva, 2014; McCormack & McCance, 2017; The Health Foundation, 2014). Ähnliche Strategien und Initiativen sind auch in skandinavischen Ländern sowie weltweit, etwa in den USA, Kanada und Australien seit nunmehr mindestens einem Jahrzehnt zu beobachten (McCormack & McCance, 2017). Auch im deutschsprachigen Raum gewinnt Personzentrierung zunehmend an Bedeutung, (Eberhardt, 2018; Grossmann et al., 2018; Mayer et al., 2020; Weis, 2018) auch oder gerade durch die angespannte Situation.

Die große Kunst scheint es jedoch zu sein, Policy-Strategien in die konkrete Praxis zu transformieren – die nachhaltige Implementierung und Entwicklung einer personzentrierten Praxis gilt trotz zahlreicher Initiativen als Herausforderung (Dewing et al., 2017; McCormack et al., 2013; McCormack et al., 2017).

Die Idee des Buches schließt nun genau daran an: Grundlagen zu schaffen, die bei der Entwicklung einer personzentrierten Kultur helfen können. Wir wollen aufzeigen, dass Personzentrierung nicht nur eine schöne Idee, eine Utopie oder ein nicht zu erreichendes professionelles Ideal ist, sondern basierend auf einem soliden theoretischen und methodologischen Fundament erforscht, gelehrt werden und Praxisentwicklung leiten kann.

Den Ausgangspunkt des Buches und zugleich das Kernelement stellt das „Person-centred Practice Framework“ dar. Hinter diesem steht eine von Brendan McCormack und Tanja McCance auf empirischen Grundlagen entwickelte Pflegetheorie (Middle Range Theorie). Jahrzehntelange Forschung und Erfahrung rund um diese Theorie haben sie zur Grundlage eines ebenfalls gut fundierten Praxisentwicklungsansatzes sowie zahlreicher (empirisch geprüfter) Instrumente gemacht. International ist das Modell und die dahinterstehende Middle Range |17|Theorie bereits ein international gut etablierter Hintergrund für Praxisentwicklung in der Pflege, der Forschung und auch für die Entwicklung von Curricula. Der deutschsprachige Raum bildet hier noch eine Ausnahme. Dies mag unter anderem daran liegen, dass das Modell (bzw. die Theorie) noch nie in deutscher Sprache publiziert wurde. Nichtsdestotrotz gibt es seit einiger Zeit in der Schweiz, in Österreich und auch in Deutschland erste Projekte, die das Person-centred Practice (PCP) Framework dazu nutzen, eine personzentrierte Praxis zu entwickeln und zu evaluieren oder Personzentrierung curricular zu verankern.

An diesem Punkt setzt dieses Buch an: Statt einer reinen Übersetzung eines Werkes aus dem angloamerikanischen Raum vereint es den Originalansatz (das Person-centred Practice Framework sowie die theoretischen Ansätze zur Praxisentwicklung) mit der Anwendungsperspektive und den Erfahrungen aus dem deutschsprachigen Raum. Konkrete Beispiele aus der Schweiz, Österreich und Deutschland machen das Modell auch für den D-A-CH Raum greifbar und sollen zu einem breiten Verständnis des Frameworks von McCormack und McCance als Grundlage der personzentrierten Praxisentwicklung im Akut- sowie im Langzeitpflegebereich beitragen.

Zu den Inhalten

Das erste Kapitel widmet sich dem Person-centred-Practice Framework (PCP Framework) und seinem philosophischen Hintergrund. Diese beiden Abschnitte wurden mit freundlicher Genehmigung von Brendan McCormack und Tanja McCance sowie von Wiley Blackwell zur Verfügung gestellt und von uns übersetzt und bearbeitet. Ergänzt wird es durch ein erweitertes Modell, welches das PCP-Framework durch die Entwicklung von Grundprinzipien näher an ein spezielles Anwendungsfeld – das der stationären Langzeitpflege – bringt.

Praxisentwicklung ist der zentrale Prozess, wenn es darum geht, Personzentrierung zu Leben zu erwecken und eine personzentrierte Kultur zu schaffen. Daher widmet sich das zweite Kapitel diesem Thema.

Im dritten Kapitel geht es um Leadership. Denn Führungspersonen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer personzentrierten Praxis. Personzentriertes Leadership ist mehr als „Management“. Es ist eine Führungskultur, die systematisch und kontinuierlich entwickelt und gepflegt werden muss.

Wissenschaftliche Forschung spielt nicht nur bei der Entwicklung von theoretischen Grundlagen eine wichtige Rolle, sie ist auch zentral dabei, Praxisentwicklung zu evaluieren und gezielt voranzutreiben. Daher findet sich im Kapitel 4 ein erster Einblick in die Prinzipien personzentrierter Forschung, in die Möglichkeiten der Evaluation und die verschiedenen Instrumente zur Messung von Personzentrierung.

Last but not least geht es im Kapitel 5 um den Ort, wo alles anfängt: das Thema Ausbildung. Hier wird der Fokus vor allem auf Konzepte und Anwendungsbeispiele gelegt, wie Personzentrierung in ganz unterschiedlichen Ausbildungsstufen und Settings umgesetzt werden kann.

Falls Sie sich gewundert haben, weshalb wir den Begriff „personzentriert“ und nicht „personenzentriert“ benutzen, so liegt dies daran, dass die Verwendung des Singulars sowohl semantisch als auch inhaltlich dem Originalbegriff „person-centred“ – auch im Sinne des Personverständnisses von Carl Rogers (eine zentrale Grundlage) besser entgegenkommt.

Und nun zu guter Letzt: Wenn Sie Näheres über Modelle oder Instrumente, die ins Deutsche übersetzt worden sind, wissen wollen oder darauf zurückgreifen möchten, so können Sie auf die ICOP-G Website (https://www.curaviva.ch/files/BTUYACC/erfassung_personzentrierter_momente__arbeitsinstrument__mayer___koeck_hodi__2022.pdf) zugreifen. Hier haben wir, als Mitglieder der internationalen PCP ICOP CIC (Person-centred Practice International Community of Practice) eine Gruppe aus dem D-A-CH Raum ins Leben gerufen, die sich der konsensualen Übersetzung englischsprachiger |18|Modelle und Instrumente sowie der Zusammenarbeit in Forschung und Praxis und der Verbreitung der Idee der Person-centred Praxis im deutschsprachigen Raum zum Ziel gesetzt haben.

In der Hoffnung, dass Sie sich auch für das Thema Personzentrierung begeistern lassen, wünschen wir Ihnen viel Freude beim Lesen des Buches.

Literatur

De Silva, D. (2014). Helping measure person-centred care: A review of evidence about commonly used approaches and tools used to help measure person-centred care. http://www.health.org.uk/sites/health/files/HelpingMeasurePersonCentredCare.pdf

Dewing, J., Eide, T. & McCormack, B. (2017). Philosophical Perspectives on Person-Centredness for Healthcare Research. In B.McCormack, S.van Dulmen, H.Eide, K.Skovdahl &T.Eide (Eds.), Person-Centred Healthcare Research (pp. 19–30). Wiley Blackwell. Crossref

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|19|1  Das Modell der personzentrierten Pflegepraxis

Das erste Kapitel führt in die grundlegenden Prinzipien der personzentrierten Praxis ein, stellt die Entwicklung und die Elemente des Person-centred-Framework vor und beschreibt mit dem PeoPLe-Modell einen theoretischen Rahmen für die Entwicklung einer personzentrierten Praxis in der Langzeitpflege.

1.1  Grundlegende Prinzipien personzentrierter Praxis

Brendan McCormack und Tanya McCance Übersetzung: Theresa Clement und Martin Wallner

Vorwort

Martin Wallner

Der vorliegende Beitrag von Brendan McCormack und Tanya McCance (2017, S. 55) erschien zuerst in englischer Sprache (hier übersetzt und bearbeitet mit Genehmigung) unter dem Titel „Underpinning principles of person-centred practice“ in dem Sammelwerk „Person-centred practice in nursing and health care: theory and practice (McCormack & McCance, 2017). Wie der Beitragstitel bereits verrät, werden darin grundlegende Prinzipien von Personzentrierung erörtert. Der Inhalt des Beitrags reicht dabei weit über bloße Begriffsbestimmungen hinaus; vielmehr erfolgt hier eine programmatische (richtungsweisende) Grundlegung des Kerns personzentrierter Praxis. Die hier eingeführten und diskutierten Konzepte bilden damit das theoretisch-philosophische Fundament zeitgenössischer personzentrierter Theorie im Gesundheitswesen. Um dem Rechnung zu tragen, wird ein notwendigerweise weiter Bogen gespannt. Das zentrale Konzept Personhood erweist sich dabei zugleich grundlegender, weitreichender und – mit Verlaub – auch widerspenstiger, als es zunächst den Anschein erwecken mag. Und auch wenn der hier umrissene Diskurs kursorisch anmutet, ist dies kein Defizit, sondern ein Merkmal personzentrierter Theorie. Denn eine letzt- oder allgemeingültige Antwort auf die Frage, was Personhood ausmacht, wird es nicht geben. Seine Bedeutung wird immer von verschiedenen gegenwärtigen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und letztlich lokalen Bedingungen geprägt sein, muss sozial ausgehandelt werden und hat damit diskursiven und dynamischen Charakter.

Vieles von dem, was hier theoretisch bearbeitet wird, wird praktizierenden Pflegepersonen (und anderen Gesundheitsfachpersonen) auf geradezu intuitive Weise vertraut vorkommen, werden darin doch wesentliche, in professioneller Hinsicht Identität stiftende und zutiefst humanistische Grundsätze pflegerischen Handelns thematisiert. Der Wert der nachfolgenden Zeilen besteht vor diesem Hintergrund nicht zuletzt darin, diese häufig impliziten Ideen zu versprachlichen, philosophisch einzuordnen und zu erörtern und damit einen Beitrag dazu zu leisten, das Wesen pflegerischen Handelns zu artikulieren.

|20|1.1.1  Einleitung

In diesem Kapitel wird auf grundlegende Begriffe im Zusammenhang mit Personzentrierung und personzentrierter Praxis sowie auf ihre Verbindungen und Spannungen eingegangen.

Während Personzentrierung mittlerweile ein relativ geläufiger Begriff ist, verbirgt sich dahinter ein komplexer Gegenstand, der eine Vielzahl an Bedeutungen umfasst. Ein Teil dieser Komplexität steht im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden philosophischen Gedanken von Personzentrierung, dem Konzept „Personhood“ („Personsein“). In der Philosophie gibt es darauf ebenso viele unterschiedliche Sichtweisen, wie es verschiedene Verwendungen des Begriffs in der Praxis gibt.

Diese unterschiedlichen philosophischen Perspektiven haben sowohl die Entwicklung theoretischer Rahmenmodelle geprägt und ebenso die Art und Weise, wie diese Rahmenmodelle in der Praxis angewendet werden.

Im Folgenden wird auf eine Vielzahl philosophischer, theoretischer und allgemeinverständlicher Literatur eingegangen, um die Grundsätze einer personzentrierten Praxis aufzuzeigen und kritisch zu betrachten.

Darüber hinaus werden Gesundheits-, Sozial- und Pflegepolitik und -strategien betrachtet, um personzentrierte Praxis in der breitgefächerten Landschaft des Gesundheits- und Sozialwesens zu verorten.

1.1.2  Die zentrale Bedeutung von Personhood

Über den Begriff „Person“ wird schon so lange debattiert, wie es philosophisches Denken gibt. Bei der Frage, wie wir zwischen Personen und anderen Arten (z. B. nicht-menschlichen Tieren) unterscheiden, handelt es sich um eine Schlüsseldebatte innerhalb dieser langen Tradition, die vielen moralischen und ethischen Rahmenwerken zugrunde liegt. So argumentieren beispielsweise Tierschützer*innen vehement, dass es moralisch falsch ist, Arzneimittel und Kosmetika an Tieren zu testen, bevor sie am Menschen angewandt werden. Ihre Argumentation beruht auf der Überzeugung, dass Menschen und Tiere gleichgestellt sind und daher auch gleichbehandelt werden sollten. In einer anderen Sichtweise wird der Mensch als eine dem Tier übergeordnete Spezies betrachtet, was den Einsatz von Tieren zur Förderung menschlichen Wohls rechtfertigt. Diese in solchen Debatten bezogene Position wird zu einem gewissen Teil von der Sichtweise darauf beeinflusst, was es bedeutet, eine Person zu sein.

Doch selbst innerhalb der „menschlichen Spezies“ kann einer „Person“ unterschiedliche Bedeutung zugeschrieben werden. Dies spiegelt sich beispielsweise in Debatten über Abtreibung wider, die durch unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob ein Embryo eine Person ist oder nicht, beeinflusst werden; ist ein Fötus eine Person oder wann wird ein Fötus zu einer Person? Und sollte einem Menschen mit bestimmten Arten von Hirnschäden/-störungen (z. B. schweren Kopfverletzungen oder Demenz) der Status einer „Person“ zugeschrieben werden?

Von einigen Philosophen (Frankfurt, 1989) wird es als unzureichend betrachtet, zu postulieren, dass der Mensch allein aufgrund der Erfüllung gewisser physischer und psychologischer Attribute als Person gilt. In konzeptueller Hinsicht ist es möglich, dass Angehörige einer anderen Spezies ebenso Anspruch auf die Anerkennung als Person erheben könnten. Wenn Attribute wie Sehen, Schmecken, Riechen, Sexualität, Erinnerungsvermögen, Wünsche, Motive usw. herangezogen würden, um die Differenzierung zwischen Personen und Nicht-Personen zu begründen, könnte man problemlos eine Liste von Angehörigen anderer Spezies anführen, die ähnliche Attribute besitzen. Diese Argumentation wurde besonders in der Debatte über „Tommy den Schimpansen“ und dem Kampf um seine Anerkennung als Person deutlich. Sein Besitzer im US-Bundesstaat New York hielt Tommy viele Jahre lang in Gefangenschaft. Die Organisation „Nonhuman Rights |21|Project“ (NhRP) reichte Klage ein, die darauf abzielte, Tommy auf rechtlicher Grundlage als Person anerkennen zu lassen. In dieser Klage wurde dabei nicht behauptet, dass Schimpansen Menschen seien, sondern, dass sie Anspruch auf Persönlichkeitsrechte haben. Dabei beruft man sich auf Forschungsergebnisse, in denen belegt wird, dass Schimpansen „autonom, selbstbestimmt, selbstbewusst, hochintelligent und emotional komplex“ sind (http://www.bbc.co.uk/news/magazine-29542829). Tommys Fall verdeutlicht die Komplexität des Begriffs „Person-Sein“ [personhood], und obwohl er vorrangig im Hinblick auf Tierrechte und Schutz von Tierrechten (an sich ein wertvolles und wichtiges Unterfangen) ein interessanter Fall sein mag, hat er darüber hinaus Auswirkungen auf Personen der menschlichen Spezies. Die aufgelisteten Attribute der Menschenaffen sind Eigenschaften, die sich auch beim Menschen wiederfinden. Soll nun also angestrebt werden, eine höhere Ordnung des Person-Seins zu bestimmen, kann man sich dabei nicht allein auf solche Attribute oder Eigenschaften stützen.

Wenn „Personhood“ lediglich auf dem Besitz einer Reihe physischer und psychologischer Eigenschaften beruht, ergibt sich ferner die Frage, was mit Personen geschieht, die einige dieser Eigenschaften durch Krankheit und Behinderung verlieren. Einer Person mit Demenz z. B., die eine Verschlechterung ihrer Gedächtnisleistung, Antriebsminderung und einen Verlust körperlicher Fähigkeiten (beispielsweise Mobilität, Hand-Augen-Koordination, etc.) erfährt, könnte auf Grundlage dieser Argumentation der Status als „Person“ aberkannt werden.

In der Tat lassen selbst Attribute höherer Ordnung, wie „Denken“ oder Entscheidungsfindung, keine klare Unterscheidung zwischen Personen und anderen Lebewesen zu. Der Mensch ist nicht das einzige Lebewesen, das Wünsche und Vorlieben hat. Angehörige anderer Spezies teilen diese Eigenschaften mit dem Menschen, und bei einigen Spezies könnte man sogar davon ausgehen, dass ihre Handlungen auf Überlegungen [deliberation] und sogar auf vorherigem Nachdenken (prior thought) beruhen – wie es im Fall von dem Schimpansen Tommy, argumentiert wurde. Denkt man etwa darüber nach, wie ein in freier Wildbahn lebender Löwe die Jagd auf seine Beute plant – eine Erfahrung, die einer der Autoren (Brendan McCormack) auf einer Safari in Südafrika machen durfte. Der Löwe, den er beobachtete, schien zu überlegen, zu „denken“ und ausgeklügelte Entscheidungen zu treffen, um die Bedingungen für eine erfolgreiche Jagd zu schaffen. Nach Erlegung der Beute schien er dann die Beteiligung seines Rudels an der Mahlzeit und das Sichern der Beute vor anderen Spezies zu „managen“. Ähnlich verhält es sich, wenn wir glauben, dass Sprachbesitz uns als Person auszeichnet. Denn Studien über die Kommunikationsmuster von Tieren deuten darauf hin, dass verschiedene Tierarten ihre eigene, einzigartige Sprache haben. Der Verlust der Sprache (z. B. infolge bestimmter Hirnverletzungen) könnte im Umkehrschluss wiederum den Verlust des Status als Person bedeuten.

Die Unterscheidung zwischen Personen und Nicht-Personen auf der Grundlage einer Hierarchie von Eigenschaften und Attributen erweist sich also als problematisch. Einige Autoren, z. B. Post (2006), argumentieren, dass die in westlichen Kulturen vorherrschende Fokussierung darauf, dass einige Attribute wichtiger sind als andere, zu einer Sichtweise geführt hat, in der gerade den kognitiven Eigenschaften von Personen die größte Bedeutung beigemessen wird. Dies zeigt sich auf vielfältige Weise im alltäglichen Leben. Denn die Fähigkeit, unser Denken mit unseren Handlungen zu verbinden, ist für unser alltägliches Leben (daily functioning) unerlässlich. Der Verlust dieser (kognitiven) Eigenschaften kann erhebliche Auswirkungen auf den Menschen und sein Dasein als Person haben. Folgen sind Einschränkungen bei der Teilnahme an Alltagsaktivitäten, Verlust des Arbeitsplatzes, Einschränkungen in Kommunikation mit anderen, Distanzierung von der sozialen Gemeinschaft, Trennung von Freun|22|den und Familie und zunehmende Vereinsamung und Isolation.

Auf welche Weise sollen wir also Personhood betrachten, damit Kognition und Rationalität keine vorrangige Rolle einnehmen, und damit eine Hierarchisierung der Attribute vermieden werden kann? Es gibt zwar keine einheitliche Antwort auf diese Frage, aber es ist wahrscheinlich nicht sehr hilfreich, sich lediglich darauf zu konzentrieren, was Personhood nicht ist oder es als etwas zu betrachten, das nur erkennbar wird, wenn es verloren geht oder abgesprochen wird.

Die Verbundenheit mit dem uns angeborenen Sinn dafür, uns selbst als menschliches Wesen mit Gefühlen, Emotionen, Gedanken und Wünschen wahrzunehmen, ist eine wesentliche Komponente von Person-Sein und de facto Personhood zu besitzen. Leibing (2008) vertritt die Auffassung, dass Personhood dieses innere Gefühl ist, das uns als Person leitet. Es ist die Summe all unserer Gefühle, Wünsche, Motivationen und Werte – oder, wie Leibing es nennt, „das, was wirklich zählt“ [„that which really matters“] (Leibing, 2008, S. 180). Die Auffassung von Personhood als das, was für uns als Personen wirklich zählt, hat das Potenzial, uns von Diskussionen über Hierarchien, Zuschreibungen und sogar von Debatten über die Existenz der „Seele“ (die in vielen Glaubensvorstellungen mit Personhood gleichgesetzt wird) zu lösen. Stattdessen ermöglicht diese Auffassung eine Verbindung zu unserem einzigartigen Menschsein als Personen – mit den inneren Perspektiven, die sich in unserem Körper abbilden und die unser Sein in dieser Welt beeinflussen. Leibing verwendet den Begriff „Innerlichkeit“ [interiority], um folgendes zu beschreiben:

„The materialization of certain values in time – and the moral question of what matters to certain people“ (Leibing, 2008, S. 180)

Die Auffassung von Personhood als das, was für uns zählt, kommt einem neutralen Verständnis vermutlich am nächsten und lässt sich mit unseren angeborenen menschlichen Eigenschaften in Verbindung bringen. Leibing führt jedoch an, dass diese „Innerlichkeit“ [interiority] bei Krankheiten, wie Alzheimer, bedingt durch Medikalisierung von Personen und einem dominanten biomedizinischen Fokus auf Krankheitsprozesse, schwindet.

Dieser Standpunkt deckt sich mit Sabats (2016) Ansicht, dass Personhood in enger Beziehung mit den unterschiedlichen Auffassungen des „Selbst“ [the self] steht.

Sabat (2002, S. 27) lehnt die im Diskurs um Demenz vorherrschende Vorstellung eines „Verlust des Selbst“ [loss of self], was nicht nur ein Schwinden von Personhood, sondern auch deren Verlust impliziert, mit der Folge, als „Nicht-Person“ [non-person] abgestempelt zu werden, ab. Er argumentiert, dass wir drei Formen von Selbst besitzen – Selbst 1, Selbst 2 und Selbst 3. Selbst 1 ist das „Selbst der persönlichen Identität“ [the self of personal identity], das sich in der Verwendung von Personalpronomen ausdrückt: „ich“, „mir“, „mein“, „mich“, „unser“ (d. h. mein und dein). Dieses Selbst bezieht sich auf unsere individuelle und einzigartige Sicht auf die Welt. Es gibt wider, wie wir uns zu unserem In-der-Welt-sein [being in the world] verhalten und welche Worte wir wählen, um dieses Dasein zu beschreiben. Es ist autobiografischer Natur und gestaltet das Narrativ unseres Lebens. Durch das Selbst 1 zeigen wir, in welcher Form wir die Verantwortung für uns selbst und für unser Dasein in dieser Welt übernehmen. Sabat führt an, dass der Verlust von Worten und Sprache (z. B. bei Demenzerkrankten) hier nicht den Verlust des Selbst bedeutet, und in der Tat bleibt dieses Selbst 1 erhalten. Selbst 2 umfasst unsere körperlichen und geistigen Eigenschaften, wie Augenfarbe, Größe, Gewicht, Glaube, Religion, Leistungen und Erfolge, Hobbys und viele weitere. Auch Selbst 2 bleibt trotz Bedrohung durch Krankheit und Leiden relativ intakt. Selbst 3 umfasst die verschiedenen sozialen Persönlichkeiten, die wir in unterschiedlichen Lebenssituationen einnehmen. In verschiedenen Situationen und Kontexten kann eine Person sehr unterschied|23|liche Verhaltensweisen zeigen – eine hoch engagierte und professionelle Pflegeperson bei Tag, eine harte Partygängerin in der Nacht; ein zielstrebiger und „knallharter“ Manager versus eines liebevollen, sensiblen und innigen Partners. Dieses Selbst 3 ist nach Sabat am vulnerabelsten, wenn es durch das Auftreten von Krankheiten wie Demenz bedroht wird, da es von der Verbindung mit mindestens einer anderen Person in unserer sozialen Welt abhängig ist. Während diese Gefährdung am Beispiel einer mit Demenzerkrankung lebenden Person offenkundig sein mag, sehen wir das Potenzial für einen Verlust des Selbst 3 in verschiedensten Krankheitssituationen, in denen das autobiografische Selbst nicht berücksichtigt wird. Hierbei geht es um Situationen, in denen wir uns mit Behandlung und Heilung befassen, ohne soziale Konstruktionsprozesse im Zusammenhang mit Krankheit und die damit verbundene Bedrohung von Personhood zu berücksichtigen.

Natürlich können auch diese Konstruktionen des Selbst infrage gestellt und diskutiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie sich Selbst 1 bis 3 dennoch verändern oder verändert werden können. Sabats Ideen zeigen jedoch, wie „Innerlichkeit“ [interiority] (Leibing, 2008) eine wichtige Grundlage für unser äußeres Verhalten bildet. Die Beachtung von Selbst 1 und 2 ist daher entscheidend für den Schutz von Personhood in Situationen, in denen eine Person vulnerabel und pflegebedürftig ist. Sabats Ausführungen zum Selbst stehen im Einklang mit Merleau-Pontys (1989) Diskurs über das Primat eines wahrnehmenden/„perzipierenden Leibs“ in der Welt. Merleau-Ponty wendet sich gegen die Vorstellung einer Trennung von Seele und Körper und dagegen, dass wir passive Empfänger unserer eigenen Geschichte sind. Dagegen vertritt er die Ansicht, dass wir in unseren Körpern unsere Vor-Erfahrungen fortwährend in uns tragen, die wir durch unser Dasein in der Welt aufnehmen, annehmen und verändern. Daher ist Selbst 1 stets präsent, selbst in Abwesenheit rationalen Denkens.

Diese Positionierung von Person in den Bezug zur „Innerlichkeit“ und die verschiedenen Erscheinungsformen des „Selbst“ tragen dazu bei, wie Personzentrierung verstanden wird.

1.1.3  Personzentrierung

Eine frühe Definition von Personzentrierung, welche auch heute noch häufig verwendet wird, liefert Kitwood (1997). Er beschreibt Personhood als „… a standing or status that is bestowed upon one human being by others, in the context of relationship and social being. It implies recognition, respect and trust“ (Kitwood, 1997, S. 8). Die Definition von Kitwood wird im Bereich der Versorgung von Personen mit Demenz häufig zitiert, jedoch ohne dass, wie uns scheint, die Grenzen der Definition in Bezug auf die Bedeutung für Personen dabei erkannt werden. Kitwoods Definition ist an feste Bedingungen geknüpft, nämlich dass Personzentrierung davon abhängt, dass andere meinen Status als Person anerkennen und dass sie nur in Beziehung zu anderen existiert. Kitwood argumentiert, dass Personen nicht isoliert existieren, sondern dass jeder von uns einen „Kontext“ hat, in dem sich seine Personhood manifestiert. Kitwoods Definition von Personhood stützt sich auf die Arbeiten des Schweizer Psychologen Paul Tournier (1999) und auf die philosophischen Arbeiten von Martin Buber (1984) und Carl Rogers (1961). Kitwood liefert ein überzeugendes Argument dafür, warum Menschen in ihrem Eigenwert respektiert werden sollten, auch wenn sie aufgrund von beeinträchtigenden Veränderungen des Gehirns/Geistes nicht mehr in der Lage sind, rational über ihr Handeln nachzudenken. Diese Sichtweise auf Personzentrierung wird jedoch auch durch die Notwendigkeit der Anerkennung durch andere in einer Beziehung eingeschränkt. Dewing (2008a) führt an, dass Kitwood (1997) die Art und Weise beeinflusst hat, in der personzentrierte Praxis in der Gesundheitsversorgung im Allgemeinen konzeptualisiert wird, die Be|24|deutung seiner Definition aber selten kritisch hinterfragt wird. Sabats (2002) Konstrukt des Selbst 3 und dessen vulnerable Natur verdeutlichen das Kernproblem von Kitwoods Definition. Denn ohne eine bedeutsame Verbindung [meaningful connection] zu einer anderen Person wird die Personhood von Menschen, die Pflege erhalten, in einen verletzlichen Zustand versetzt. Dies fordert auch die Organisationen im Gesundheits- und Sozialwesen heraus, sich Gedanken darüber zu machen, wie das Personal darauf vorbereitet werden kann, auf eine personzentrierte Art und Weise zu arbeiten.

Was alle angeführten Perspektiven auf Personhood gemein haben, ist die Erkenntnis über die besondere Bedeutung des „Seins“ und dies macht es selbstredend erforderlich, dass Personzentrierung unserem Sein als Person Aufmerksamkeit schenkt. Auf der Grundlage einer umfassenden Literaturanalyse und unter Verwendung der Definition von Kitwood als Ausgangspunkt beschreibt McCormack (2004) vier zentrale „Formen des Seins“ [„modes of being“], die den Kern von Personzentrierung abbilden:

In Beziehung sein – Being in relation

In einer sozialen Welt sein – Being in a social world

An einem Ort sein – Being in place

Mit sich selbst sein – Being with self.

1.1.3.1  In Beziehung sein

Being in relation

„In Beziehung sein“ betont die Bedeutung von Beziehungen und die zwischenmenschlichen Prozesse, die die Entwicklung von Beziehungen mit therapeutischem Nutzen ermöglichen. In der Tat haben verschiedene Pflegemodelle, unabhängig von ihren philosophischen Grundlagen, die Bedeutung von Beziehungen betont (Boykin & Schoenhofer, 1993; Peplau, 1952; Watson, 1999). Jüngste Kritiken in der gerontologischen Literatur argumentieren dagegen, dass der Begriff „personzentriert“ die besondere Relevanz von Beziehungen nicht beachtet. Nolan et al. (2004) sind der Ansicht, dass sich Personzentrierung [„person-centredness“] (in der pflegerischen Fachliteratur) überwiegend auf den Vorrang der Personhood der zu pflegenden Person konzentriert, auf Kosten derjenigen, die die Pflege leisten. Sie ziehen daraus den Schluss, dass in der Gerontologie der Begriff „beziehungszentrierte Pflege“ [„relationship-centred care“] angemessener ist. Wenngleich die Bedeutung von Beziehungen für Personzentrierung unbestritten ist, so ist „Beziehung“ [relationship] lediglich eine Komponente von Personhood. In der personzentrierten Pflege ist die Beziehung zwischen den Pflegenden, den zu pflegenden Personen und jenen Personen, die für sie in ihrem Leben wichtig sind, von zentraler Bedeutung. Um diese Beziehung, die für alle Beteiligten förderliche Aspekte aufweist, aufrecht zu erhalten, bedarf es einer Wertschätzung des Selbst, moralischer Integrität, Reflexionsfähigkeit, des Kennens von sich selbst und anderen [knowing of self and others] sowie Flexibilität, was sich aus der Reflexion über Werte und ihren Platz in der Beziehung ergibt (Dewing, 2008b; McCormack et al., 2012; Nolan et al., 2004). Der Aspekt „Being in relation“ spiegelt sich auch in einem der sieben Attribute von Personzentrierung wider, die in Slaters (2006) Konzeptanalyse identifiziert wurde. Slater (2006) beschreibt dies als eine Partnerschaft zwischen der Person und der/dem Pflegenden, die sicherstellt, dass die eigenen Entscheidungen der Person wertgeschätzt werden, und zwar in einer Beziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen und Wechselseitigkeit beruht, nicht wertend ist und sich nicht auf ein Machtgleichgewicht konzentriert. Auch im zeitgenössischen Diskurs über Mitgefühl, Würde und Humanisierung der Gesundheitsversorgung findet sich der Schwerpunkt auf Beziehungen (Hannah, 2014).

Hannah führt ein überzeugendes Argument dafür an, Beziehungen, die auf „Herzlichkeit“ [kindness] basieren, als Ausgangspunkt für die Achtung der Personhood bei Begegnungen [en|25|counters] im Gesundheitswesen heranzuzuziehen. Sie kritisiert die Dominanz der Biomedizin als Bezugsrahmen für die Kategorisierung von Menschen und ihren gesundheitsbezogenen Bedürfnissen. Stattdessen plädiert sie für einen Ansatz, der von Beziehungen ausgeht, Personhood respektiert und auf den Stärken des Einzelnen aufbaut – etwas, das den Kern von Personzentrierung ausmacht. Hannahs Betonung von Herzlichkeit [kindness] in den Beziehungen im Gesundheitswesen steht im Einklang mit der Arbeit des Philosophen John McMurray (1995), der argumentierte, dass wir eine Wahl haben, wie wir uns gegenüber anderen verhalten – auf eine unpersönliche Art, eine funktionale Art oder eine persönliche Art. McMurray vertritt die Ansicht, dass wir zwar alle diese Entscheidung treffen können, dass aber einzig die „persönliche Herangehensweise“ es uns ermöglicht, mit anderen wirklich in Verbindung zu treten. Auf persönliche Art in Verbindung zu treten, befähigt uns, uns zu der Person zu entwickeln, die wir werden wollen. McMurray zufolge ist „Freundschaft“ [friendship] die tiefgehendste Form der persönlichen Beziehung. Durch Freundschaft zeigen wir Liebe, Freundlichkeit, Mitgefühl und Fürsorge, oder anders gesagt, sind wir personzentriert!

1.1.3.2  In einer sozialen Welt sein

Being in a social context

Es wurde bereits dargelegt, wie Merleau-Ponty den Menschen als mit seiner sozialen Welt verbunden sieht, in der sein „Sein in der Welt“ [Being in the world] Bedeutung schafft und neu erschafft. Dieses Sein [being] wird in Form von Narrativen präsentiert und re-präsentiert. Im Bereich der Gesundheitsversorgung findet sich immer mehr Literatur über Bedeutung von Biografie und Narrationen. Bei biografischen und narrativen Ansätzen geht es nicht nur um das „Sammeln von Geschichten“ als Bestandteil von Assessments (z. B. Pflegeanamnese), sondern, wie Post (2006) feststellt, auch um die Manifestation des Selbst 1. Respekt gegenüber der Erzählung einer Person spiegelt das kantische Ideal des Respekts für den intrinsischen Wert einer Person wider (Kant, 1785/2012). Narrative Ansätze ermöglichen eine genauere Einschätzung dessen, was der einzelnen Person wichtig ist, und sind in diesem Zusammenhang in der Lage, die potenziellen Auswirkungen von Pflege- und Behandlungsmöglichkeiten zu verstehen. Narrationen sind ganzheitlich und vermitteln ein Bild des Seins einer Person in der Welt sowie von deren subjektiver Interpretation dieses Seins.

1.1.3.3  An einem Ort sein

Being in place

Das Konzept des „Ortes“ [place] und seine Auswirkungen auf Pflegeerfahrungen findet im Gesundheitswesen zunehmend Anerkennung. Bislang sind die Auswirkungen des Umfelds auf die Erfahrungen der Patient*innen jedoch nur wenig erforscht. Dementia Care Mapping ist weit entwickelt (Brooker, 2005; Brooker, 2010; Kitwood, 1997) und stellt einen der wenigen Ansätze zur Einschätzung und Planung der Pflege im Feld der Gerontologie dar, der die Auswirkungen des „Pflegemilieus“ auf die Pflegeerfahrung ausdrücklich anerkennt. Die Beachtung des „Ortes“ gewinnt im Rahmen pflegerischer Beziehungen zunehmend an Relevanz (Andrews et al., 2012).

Auf dem Gebiet der Palliativ- und Sterbebegleitung wurden bedeutende Arbeiten durchgeführt, die sich mit der baulichen Umgebung und ihren Auswirkungen auf Pflegeerfahrungen befassen. Die heilend wirkenden Eigenschaften von Gebäuden, ihre befähigende Gestaltung und die Charakteristika der Umgebung, in der die Pflege geleistet wird, sind allesamt wichtige Erwägungen. Darüber hinaus stellen unsere emotionalen Verbindungen zu Orten eine wichtige Erwägung bei Pflegeentscheidungen dar – Orte haben tiefgehende Bedeutungen, wecken tiefgehende Erinnerungen und verbinden uns |26|sowohl metaphorisch als auch physisch mit unserer Geschichte – dieser Verbindung wird in den Entwicklungen zum „Altern an einem Ort“ ausdrücklich Beachtung geschenkt (Wiles et al., 2012). Andrews et al. (2012) argumentieren weiterführend, dass Räume und Orte relational sind. Sie weisen darauf hin, dass Orte tiefgehende Verbindungen zum „Selbst“ haben und wir bewusste oder unbewusste Vergleiche zwischen Räumen und Orten aufgrund der Essenz von Erinnerungen an andere Orte anstellen. So gesehen verkörpern wir Räume.

1.1.3.4  Mit sich selbst sein

Being with self

Das Bedürfnis, als Person anerkannt zu werden, ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Anerkennung bringt Respekt mit sich, auf dessen Grundlage Beziehungen entstehen und durch die sich unser Personsein offenbart. In Anlehnung an Leibings (2008) Idee, dass Personsein das ist, was wirklich zählt [that which really matters], ist die Fähigkeit, das zu offenbaren, was uns wirklich wichtig ist, ein Weg, unser Selbst mit all seinen Erscheinungsformen zu offenbaren. Das zu respektieren, was wirklich wichtig ist, bedeutet im Wesentlichen, unsere Werte zu respektieren. Dies ist ein zentrales Element personzentrierter Praxis und ein Kernstück des Person-centred Nursing Frameworks (McCormack & McCance, 2010b). Eine Person dabei zu unterstützen, Sinn in der Pflege zu finden, kann ihr helfen, die Inkongruenz ihrer Situation zu tolerieren und Ziele für die Zukunft zu setzen. Dies spiegelt die Haltung des Philosophen John McMurray (1995) wider, der für den Vorrang des „self as agent“ plädiert und betont, wie wichtig es ist, dass die Person „sich selbst kennt“, um in eine authentische Beziehung zu anderen treten zu können. McMurray unterstreicht, wie wichtig die Transparenz der Werte ist, die das Verhalten und die Handlungen widerspiegeln und letztlich dazu beitragen, authentisch zu sein. Dies verdeutlicht, wie wichtig die Klärung von Werten in Beziehungen, in Teams und in Arbeitsprogrammen ist, die sich auf die Entwicklung von (mehr) Personzentrierung konzentrieren. Personal im Bereich der Gesundheitsversorgung, das an der Pflege beteiligt ist, muss sich seiner Selbst bewusst sein und wissen, wie sich ihre eigenen Werte und Überzeugungen auf die Entscheidungen über die Pflege und Behandlung einer Person auswirken können. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung der gemeinsamen Entscheidungsfindung in der Gesundheitsversorgung und die Notwendigkeit eines „ausgehandelten“ [negotiated] Ansatzes zwischen behandelnder und pflegebedürftiger Person. Zuvor hatte McCormack (2001) für eine „ausgehandelte Autonomie“ [negotiated autonomy] in Pflegebeziehungen plädiert, und in jeder ausgehandelten Situation ist es entscheidend, sich über Werte im Klaren zu sein.

1.1.4  Personzentrierte Praxis

Personzentriert [person-centred], patientenzentriert [patient-centred], klientenzentriert [client-centred] und individualisiert [individualized] sind Beispiele für Begriffe, die oftmals synonym verwendet werden, um die Idee einer personzentrierten Praxis auszudrücken (McCormack et al., 2010). Auf die Gefahr hin, die Angelegenheit noch komplizierter zu machen, haben Nolan und Kollegen auch das Konzept der beziehungszentrierten Pflege (relationship-centred care) eingeführt und plädieren für eine Abkehr von dem, was sie als Konzentration auf die Befriedigung individueller Bedürfnisse ansehen, hin zu einer Fokussierung auf die Interaktionen zwischen allen an der Pflege Beteiligten, deren Bedürfnisse berücksichtigt werden sollten, um eine gute Versorgung zu gewährleisten (Nolan et al., 2004). In mehreren Analysen wurde versucht, die Kernaspekte von Personzentrierung zu definieren, wenngleich dieses Unterfangen in der zeitgenössischen Literatur eine relativ junge Entwicklung darstellt (Leibing, 2008; |27|Leplege et al., 2007; McCormack, 2004; McCormack & McCance, 2010b; Slater, 2006).

In der aktuellen Gesundheits- und Sozialfürsorge zeigt sich eine Tendenz, von einer „personzentrierten Praxis“ zu sprechen, als ob diese universell verstanden und praktiziert würde. Personzentrierte Praxis wird in Gesundheitsstrategien regelmäßig befürwortet. In zunehmend mehr Ländern entstehen Programme zur Entwicklung personzentrierter Dienstleistungen und Praktiken. Es ist nicht ungewöhnlich, dass „Innovationen“ im Bereich von Personzentrierung einer Reihe von „Schnellschüssen“ („quick-fixers“) gleichen, die sich mehr mit der Sicherstellung einer einheitlichen Entscheidungsfindung, der Maximierung von Effizienz und Effektivität und der Gewährleistung individueller Entscheidungen befassen, als mit einem tatsächlichen Bezug zu dem theoretischen Konzept des Personseins [personhood] als Grundlage für die Praxis von Gesundheits- und Sozialfürsorge. Personzentrierte Praxis ohne Fokus auf „Personhood“ verfehlt die Bezugnahme zur Menschlichkeit von Personen und kann daher nur als eine weitere Maßnahme zur Qualitätsverbesserung angesehen werden. Daher lautet unsere Definition personzentrierter Praxis wie folgt:

… einen Ansatz für die Praxis, der durch den Aufbau und die Förderung gesundheitsförderlicher Beziehungen zwischen allen Leistungserbringern, Dienstleistungsnutzern und anderen Personen, die für sie in ihrem Leben von Bedeutung sind, entsteht. Sie beruht auf den Werten der Achtung der Person, des individuellen Rechts auf Selbstbestimmung, des gegenseitigen Respekts und Verständnisses. Sie wird durch Kulturen des Empowerments ermöglicht, der kontinuierliche Ansätze zur Praxisentwicklung fördert.

Der zentrale Baustein dieser Definition ist die Achtung der Personhood, die sich in gegenseitigem Respekt, Selbstbestimmung und Verständnis manifestiert. Ein großer Teil pflegerischer Praxis erfordert eine Verbindung zum Körper, daher ist der Respekt für den Körper während des Praktizierens ein Ausdruck des Respekts für „Personhood“. Merleau-Ponty (Dillon, 1988) legt dar, dass die Person „der Leib ist“ [is the body] und dass wir durch leibliche Auseinandersetzung mit der Welt [bodily engagement with the world] existieren. Somit ist der Körper „unser Ausdruck in der Welt, die sichtbare Form unserer Absichten“ [our expressions in the world, the visible form of our intentions] (Baldwin, 2004, S. 36). Geistige und körperliche Eigenschaften sind untrennbar miteinander verwoben und bilden ein nahtloses Ganzes (Edwards, 2001). So wird unsere Existenz durch unser „In-der-Welt-Sein“ ([being in the world] konstituiert, durch die Beziehung zwischen „unserem Körper und der Welt, zwischen uns und unserem Körper“ [our body and the world, between ourselves and our body]. Edwards (2001) argumentiert, dass die Betrachtung von Personen aus der Perspektive des „Körpers“ es uns ermöglicht, auf eine andere Weise über Krankheit und Behinderung nachzudenken, und dass sie im Falle von (beispielsweise) Menschen mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Frage leistet, wie das Personsein einer solchen Person erhalten werden kann, indem den körperlichen Reaktionen in Abwesenheit rationaler Reflexionsfähigkeiten Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Auf der Grundlage von Merleau-Pontys Ideen verdeutlicht Dewing (2007), dass es vier grundlegende Themen der Lebenswelt gibt, die gelebte Erfahrungen ausmachen. Diese Existenzialien bieten hilfreiche „Wegweiser“ für die Reflexion über das Personsein und die gelebten Erfahrungen. Die vier Existenziale sind: gelebter Körper (Körperlichkeit), gelebte menschliche Beziehung (Relationalität), gelebter Raum (Räumlichkeit) und gelebte Zeit (Zeitlichkeit). Aus Merleau-Pontys Idee, dass es sich bei ihnen um Existenzialien handelt, folgt, dass sie nicht seperabel sind und dass jede Existenzform in die andere eingebettet und mit ihr verwoben ist. Grundlegend für Merleau-Pontys Thesen ist, dass die Person der Leib ist, der die Verkörperung von Geist und Körper als Einheit darstellt. Dies steht im Gegensatz zu der kartesianischen |28|Weltanschauung, der zufolge Geist und Körper voneinander getrennt existieren, wobei der Geist dem Körper vorangestellt wird. Merleau-Ponty (1989, S. 12) fasst dies wie folgt zusammen: „Our relation to the world is not that of a thinker to an object of thought“. Vielmehr bewohnt der Körper den Raum und befindet sich deshalb auch in der Zeit. Für Merleau-Ponty ist der Raum keine abstrakte Einheit, die sich lediglich auf den Körper abbildet. Vielmehr nimmt der Körper den Raum aktiv durch Wahrnehmung, bewusste Bewegung und Aktivität ein Merleau-Ponty (1962). Der Raum existiert außerhalb des Körpers nicht, da er vom Körper von innen heraus erfahren wird. Auch der Geist bildet sich nicht auf den Körper ab. Folglich wird der Körper nicht durch den Geist bewegt. Überdies kann die Bewegung des Leibs am besten oder nur auf einer vorbewussten Ebene vollständig verstanden werden, da es der Körper und nicht der Geist ist, der sich in Raum und Zeit befindet. Bei der Erläuterung dieser Theorie müssen also der gelebte Körper und der existenzielle Raum und die Zeit ständig berücksichtigt werden. Die Nicht-Beachtung von Räumlichkeit, von Zeitlichkeit oder verschiedener Dimensionen der Wahrnehmung wäre unzureichend und würde die gelebte Erfahrung dekontextualisieren und entmenschlichen.

Merleau-Pontys Gedanken zur Leiblichkeit, insbesondere im Kontext von Menschen mit eingeschränkter Kognition, bieten eine grundlegend andere und sogar hoffnungsvolle Konstruktion des Körpers als Akteur, der versucht, auf Grundlage der Wahrnehmung angemessen zu handeln, selbst wenn das Gehirn und/oder der Geist als kognitiv nicht intakt gelten. Im Kontext personzentrierter Praxis wird Körperarbeit, die sich im pflegerischen Kontext auf die Beschäftigung mit den so genannten „Grundlagen der Pflege“ [fundamentals of care] konzentriert, zum Weg, über den Pflegende mit der Personhood der zu pflegenden Person in Verbindung treten und die individuellen Pflegebedürfnisse verstehen. In Anbetracht der Bedeutung dieser Körperarbeit sprechen sich jüngste Entwicklungen im Zusammenhang mit Leistungsindikatoren für die Pflege dafür aus, diese Arbeit als Kern dessen zu betrachten, was wir in der Pflege für wichtig halten und was wir im Hinblick auf die Wirksamkeit der Pflege „messen“ (Maben et al., 2012; McCance et al., 2011). Zuvor hatte McCance (2003) argumentiert, dass Pflegende durch die Erbringung von körperlicher Pflege eine Verbindung zu Personen herstellen, und dass diese Tätigkeiten nicht nur Aufgaben sind, sondern vielmehr das Fenster, durch das die Verbindung mit der anderen Person beginnt. Martinsen (2006) vertritt die Auffassung, dass diese Verbindung mit einer anderen Person bedeutet, dass wir etwas von der Person mitnehmen, wenn wir mit ihr auf sinnvolle Weise verbunden sind: „We all have something of each other’s lives in the palms of our hand“ (S. 71). Nach Martinsens Auffassung liegt es in der Verantwortung der einzelnen Praktiker*innen, jede Begegnung mit einem anderen Menschen als einzigartig zu betrachten, als eine Begegnung, die das Sein des Einzelnen in der Welt durch authentische Verbindungen verändern kann. Um authentisch zu sein, müssen wir Faktoren, wie die Bedeutung individueller Beziehungen, emotionales Engagement, Wissen und Entscheidungsfähigkeit bei der Bestimmung unseres „Seins in der Welt“ berücksichtigen. Die Authentizität (bei Heidegger „Eigentlichkeit“) einer Person setzt sich aus „Zeichen“ zusammen (Heidegger, 1927/1990, S. 108)

„Zeichen“ repräsentieren unser Leben, das heißt Überzeugungen, Werte und Lebenserfahrungen. Wir können diese entweder als losgelöste Dinge mit geringer Bedeutung behandeln, oder wir können sie als zentral für unser Leben betrachten. Es reicht nicht aus, die Überzeugungen, Werte, Ansichten und Erfahrungen eines anderen zur Kenntnis zu nehmen. Sie müssen in das Dasein des Einzelnen in der Welt integriert werden. Sich der Überzeugungen und Werte eines anderen bewusst zu sein, ist kein Handlungsrezept, sondern eine Anleitung für den am besten geeigneten Handlungsansatz auf der Grundlage der Lebenserfahrung des Einzel|29|nen. In Anerkennung dieser Verflechtung wird die Individualität aller Beteiligten in der Beziehung explizit gemacht. Ein solcher Ansatz erfordert die Bereitschaft der Personen, sich auf eine solche Beziehung einzulassen und sie zu akzeptieren.

Die Kenntnisnahme von „Zeichen“ ermöglicht es einer Person, Handlungen in einen Kontext zu stellen, oder wie es MacIntyre (1992, S. 210) formuliert, „der Akt der Äußerung wird verständlich, indem er seinen Platz in einer Erzählung findet“ [„the act of utterance becomes intelligible by finding its place in a narrative“]. Mit anderen Worten: Damit die Werte eines Menschen eine Bedeutung erhalten, müssen sie in den Kontext seines Lebens gestellt werden, denn wir werden uns unserer Werte erst bewusst, wenn sie entweder in positiver bzw. negativer Hinsicht hinterfragt bzw. in Frage gestellt werden (Heidegger, 1927/1990). Ohne eine Klärung der Bedeutung eines Wertes in seinem ursprünglichen Kontext kann es schwierig sein, ihn von etwas, das für uns vorhanden ist, zu etwas zu machen, das unser Handeln leitet. Wenn ein Wert nicht geklärt werden kann, bedeutet das nicht, dass er nicht existiert, sondern dass möglicherweise andere Werte erforderlich sind, um ihn zugänglich zu machen. Selbst wenn eine Person beispielsweise das Recht schätzt, selbst Entscheidungen zu treffen, ist es für eine andere Person möglicherweise nicht möglich, die Bedeutung dieses Wertes für sie zu verstehen, solange nicht andere Werte geklärt sind, z. B. jene, welche die Person über die Bedeutung von Fairness und Gerechtigkeit in der Gesellschaft hat.

Aus pflegerischer [caring] Perspektive ermöglicht das Beachten von „Zeichen“ die Förderung der Entscheidungsfindung aus der Perspektive des Patienten, d. h. die Förderung seiner Authentizität. Heidegger argumentiert, dass, wenn die Aufrechterhaltung der Authentizität [Eigentlichkeit] des Anderen bei fürsorglichen (pflegerischen) Praktiken keine Priorität hat, die Gefahr besteht, sich selbst an die Stelle des Anderen zu setzen und die Lösung von Problemen und Erfüllung von Bedürfnissen im Namen des Anderen zu übernehmen. Heidegger nennt eine solche Praxis „defiziente Fürsorge“, wobei der Eine dominant und der Andere abhängig gemacht wird, wodurch der Andere auf eine Sache reduziert wird. In einer „freiheitsgewinnenden“ [freedom-gaining] Beziehung (Barker, 1991) blickt man gemeinsam mit dem Anderen nach vorne, um ihm zu helfen, zu verstehen, was vor ihm liegt, und um angemessene Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Es gibt Momente, in denen eine solche Partnerschaft vielleicht nicht möglich ist und man dem Anderen „vorauseilen“ muss, um seine Authentizität zu fördern. Ziel bleibt es, dem Anderen zu helfen, zu erkennen, was er/sie für sich selbst braucht, und einen Mechanismus zu entwickeln, mit dem er/sie selbst erfolgreich umgehen kann. Man hält sich zurück, um dem Anderen die Entfaltung seiner Strategien zu ermöglichen, tritt aber vor, um in Momenten der Schwäche zu unterstützen, und lässt dem anderen die Freiheit, sein Schicksal selbst zu bestimmen (Barker, 1991, S. 191; Heidegger, 1927/1990, S. 159). Dieses Konzept der Authentizität deckt sich mit den Philosophien des „Personseins“ innerhalb einer Pflegeperson-Patient*innen-Beziehung, die Engagement, Risikobereitschaft, Zurücktreten, um Raum zu schaffen, und Vorausgehen in Zeiten von Vulnerabilität erfordert.

Betrachtet man personzentrierte Praxis aus der Perspektive der Authentizität, so geht man davon aus, dass jeder ein „angeborenes Potenzial“ hat, dessen Nutzung Individuen durch Sozialisation erlernen. Alle Erwachsenen besitzen das gleiche angeborene Potenzial, das jedoch durch Sozialisationsprozesse vollständig oder nicht realisiert wird. Es können verschiedene innere und äußere Zwänge oder Beschränkungen bestehen, die verhindern, dass das Potenzial einer Person voll ausgeschöpft wird, weshalb es notwendig werden kann, die Menschen bei der Bestimmung der am besten geeigneten Vorgehensweise zu unterstützen. Dieser Ansatz verlangt, dass sich die Rolle des Praktikers darauf konzentriert, die Authentizität des Einzel|30|nen zu fördern, damit sein volles Potenzial ausgeschöpft und seine Fähigkeit zu selbständigem Handeln durch die Beseitigung einschränkender Faktoren maximiert werden kann.

1.1.5  Grundlegende Prinzipien für eine personzentrierte Praxis

Die Literatur über personzentrierte Praxis weist eine Fülle von Ratschlägen, Instrumenten und Prozessen auf, die für die Einführung von Personzentrierung in der Praxis unerlässlich sind. Sie alle bieten bestimmte Herangehensweisen, um Aktivitäten und Praktiken im Gesundheits- und Sozialwesen auf eine personzentrierte Weise zu gestalten. Wir sind jedoch der Meinung, dass Personzentrierung am besten auf der Ebene von „Prinzipien“ operationalisiert werden kann, da die Art und Weise, wie sie funktioniert, in hohem Maße vom Umsetzungskontext abhängig ist und kein einzelnes Instrument, Verfahren oder eine Methode für jeden Kontext geeignet ist!