Peter Hille - Neu aufgefundene Texte -  - E-Book

Peter Hille - Neu aufgefundene Texte E-Book

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Beschreibung

Zum 40-jährigen Jubiläum der Peter-Hille-Gesellschaft erscheint diese Sammlung neuer Texte von Peter Hille, die noch in keiner Werkausgabe enthalten sind. Die Entdeckung dieser Texte verdankt sich zum einen der fortschreitenden Verzeichnung von Autographen in Bibliotheken und Archiven, zum anderen der von Jahr zu Jahr anwachsenden Digitalisierung von Zeitungen, die in den meisten Fällen mit der Möglichkeit einer Volltextrecherche verknüpft ist. Weitere Entdeckungen an den Bildschirmen sind also nicht ausgeschlossen - und werden unser Bild von Hille ergänzen oder auch modifizieren.

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Vorwort

Am 11. September 1983 gründete sich die Peter-Hille-Gesellschaft e.V. als Vereinigung der Freunde des Dichters Peter Hille, um auch in seiner ostwestfälischen Heimat die Erinnerung an Leben und Werk des Dichters wachzuhalten und durch weitere Forschung aufzuhellen.

Den besonderen Anlass zur Gründung bot die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts an der Universität Paderborn unter der Federführung von Prof. Friedrich Kienecker erarbeitete Ausgabe der „Gesammelten Werke“ Peter Hilles in sechs Bänden. Im Zusammenwirken der Hille-Gesellschaft, der Universität Paderborn und der Literaturkommission Westfalen sind in den letzten 40 Jahren zahlreiche Publikationen zur Biographie und zum literarischen Werk Hilles erschienen, über die der Platz Peter Hilles in der Literaturgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mittlerweile erfreulich detailliert bestimmt werden kann.

Zum 40-jährigen Jubiläum der Hille-Gesellschaft erscheint nun die vorliegende Sammlung neuer Texte von Peter Hille, die noch in keiner Werkausgabe enthalten sind. Die Entdeckung dieser Texte verdankt sich zum einen der fortschreitenden Verzeichnung von Autographen in Bibliotheken und Archiven, zum anderen der von Jahr zu Jahr anwachsenden Digitalisierung von Zeitungen, die in den meisten Fällen mit der Möglichkeit einer Volltextrecherche verknüpft ist. Weitere Entdeckungen an den Bildschirmen sind also nicht ausgeschlossen – und werden unser Bild von Hille ergänzen oder auch modifizieren.

Der vorliegende Band versammelt in chronologischer Anordnung Texte von Peter Hille, die in den vergangenen zwölf Jahren neu aufgefunden wurden oder von der Peter-Hille-Gesellschaft als Autographen angekauft werden konnten. Nicht aufgenommen wurden die 2011 erworbenen Autographen aus der Sammlung Joachim Maas, die bereits 2015 in dem Band Welt und Ich, Neue Peter-Hille-Funde von Walter Gödden, Michael Kienecker und Christoph Knüppel publiziert und kommentiert worden sind. Die Wiedergabe erfolgt in der originalen Rechtschreibung und Zeichensetzung. Offensichtliche Lese- oder Druckfehler werden in eckigen Klammern korrigiert und kommentiert. Auch die mitunter recht eigenwillige Absatzgestaltung von Hille wurde beibehalten. Im Fall der Autographen werden auch durchgestrichene Wörter und Wortfolgen als solche wiedergegeben. Die Anmerkungen zu einzelnen Wörtern oder Sätzen wurden möglichst kurz gehalten. Unter den jeweiligen Texten finden sich Kommentare, die von Christiane Baumann (Texte 1, 2 und 8) und Christoph Knüppel stammen.

Die Peter-Hille-Gesellschaft dankt Christiane Baumann und Christoph Knüppel sehr herzlich für die intensiven Recherchen und Vorarbeiten, die diese „Jubiläums-Publikation“ erst möglich gemacht haben.

Inhalt

Vorwort

Peter Hille an N. N. (1877)

Geisterspuk, oder das große Umgehen auf der Veste Koburg

Hermann Heiberg (1889)

Schönheitsausstellung in Rom (1890)

[Auf dem Rigi in der Schweiz] (1893)

Am eisernen Kreuz (1895)

Wilhelm Arent. Biographische Skizze (1896)

Berlin im Jahre 3297. Ein Ausblick (vermutlich: 1897)

Brennende Liebe. Ein Stimmungsbild (1897)

[„O du fröhliche, o du seelige Weihnachtszeit!“] (1897)

Dieser Weihnachtsmorgen schämte sich (1897)

Null und Ziffer. Eine Parabel (Für den „Sozialist“) (1899)

Ein unglücklicher Millionär. Humoreske aus dem Schriftstellerleben (1901)

Der Dichter der Träume (1902)

Wie Katastrophen kommen und gehen (1903)

Freie Liebe (1903)

„Oale, stierw doch!“ Eine westfälische Dorfgeschichte (1904)

Die neue Kirche

1 Peter Hille an N. N. (1877)

Leipzig, den 15. Juni 1877.

Hochgeehrter Herr!

Aus einem Stande, wo nur Bedientenseelen1 herrschen, wo nur Bedientenseelen reüssiren2 können, aus dem Justiz-Subaltern-Dienste3, der mir zudem noch nichts einbrachte, in dessen kärglichen Sold ich erst nach einem rigorosen Examen in den geisttödtendsten Gegenständen gelangen konnte, dem gefängnißartigen Buerau entflohen, bin ich in Leipzig in trostloser Lage. Meinem Vater4, der mich nicht weiter unterstützen kann, mag ich meinen Unterhalt schon deshalb nicht ansinnen, weil ich nach seiner Ansicht in’s Blaue hinein gehandelt habe; jedenfalls kann ich, um ihm die Sorge meinethalben zu benehmen, ihn erst nach längerer Zeit um einen Zuschuss bitten. Die Hoffnung durch Gottschalls5, dem ich meine Gedichte vorgelegt hatte, Empfehlung bei Ph. Reclam6 eine Übersetzung de Musset’s7 für die Universalbibliothek zu bekommen, vereitelte sich durch Reclam’s Refüs8.

In nahezu 3 Wochen, die ich mich hier aufhalte, habe ich nur etwas Verdienst gehabt durch Abschreiben eines Trauer- und eines Lust-Spiels. Heute gedenke ich zu dem Redacteur der Deutschen Dichterhalle9, Dr. Ernst Eckstein10 zu gehen. Hoffentlich thut sich da ein, wenn auch noch so kleines Pförtchen auf.

Doch ich bin fast einen Monat hier und meine Wirthsleute sehen mich mißtrauisch an, ob ich am Ende desselben bezahlen kann. Dieser Zustand ist mir unerträglich. Ich beschwöre deshalb Ew Hochgeboren mir eine Unterstützung zukommen zu lassen, die mich für eine kurze Frist der alle poetische Kraft und Sammlung nehmenden Unruhe entreißt.

Unter der Zeit, daß dann wieder die Noth Miene macht, sich auf mich zu stürzen, werde ich ihr schon begegnen. Wenn die beiliegenden Gedichte11 Ew Hochgeboren nicht Stümperei scheinen, bitte ich um schleunige Hilfe: bis dat, qui cito dat.12

Ew Hochgeboren

ergebenster

Peter Hille

Burgstraße, 8IV.

Vereiteln Ew Hochgeboren meine Zuversicht nicht!

d. O.13

Prometheus:14

Entgegengeschmiedet

Auf schroffem Fels

Den Pfeilen der Sonne,

Dem Hagelgeprassel,

Trotz’ ich Olympier Dir.

Der wiederwachsenden Leber

Zuckende Fibern

Hackt mir des Geiers Biß

Aus klaffender Wunde.

Ein Wimmern, glaubtest,

Olympier, Du,

Würden die rauschenden Winde

Ins frohaufhorchende

Ohr Dir tragen?

Nicht reut mich der Mensch,

Der Leben und Feuer mir dankt,

Nicht fleht’ ich Entfesslung von Dir;

Jahrhunderte will ich

Felsentrotzig durchdauern,

Jahrtausende,

Wenn Dir die Lust nicht schwindet,

Wenn der Trotzende nicht

Zu glücklich Dir scheint.

Quelle: Universitätsbibliothek Leipzig, Sammlung Nebauer, L/Ha-Le/ L294. – Diese Sammlung, die 3.500 Briefe umfasst, wurde von dem gebürtigen Wiener, dem Tierarzt Paul Nebauer (1912–2004) angelegt, der zuletzt als Oberveterinärrat in Rostock tätig war.

Mit Brieffaksimile ediert in Christiane Baumann: „Doppelt gibt, wer schnell gibt“ – Ein unbekannter Brief des jungen Peter Hille, in: Literatur in Westfalen. Beiträge zur Forschung 18 (2022), S. 13–44.

Es handelt sich um den frühesten erhaltenen Brief von Peter Hille aus seiner Leipziger Zeit, die damit neu datiert werden kann. Hille hielt sich etwa vom 25. Mai 1877 bis zum Juni 1878 in der Buchmetropole auf.

Der Briefadressat konnte nicht ermittelt werden. Vieles deutet auf einen mit dem Leipziger Literaturbetrieb vertrauten Empfänger, bei dem es sich um den Germanisten Friedrich Zarncke (1825–1891) handeln könnte.

1 Bedientenseelen: veraltet für angepasste und unterwürfige Menschen.

2 reüssieren: (franz.) Anerkennung finden, Erfolg haben

3 Subalternbeamte waren dem eigentlichen Verwaltungspersonal zur Unterstützung beigegeben und untergeordnet.

4 Der Rentmeister Friedrich Wilhelm Hille (1827–1901).

5 Rudolf Gottschall (1823–1909), der 1877 von Kaiser Wilhelm I. in den erblichen Adelsstand erhoben wurde, studierte zunächst Jura an der Universität Königsberg, wurde 1844 wegen seines linksliberalen Engagements und seiner jungdeutschen Gesinnung von der Universität relegiert und setzte sein Studium in Breslau und Berlin fort. Nach seinem Doktorexamen 1846 war er als Dramaturg und Redakteur tätig, gab 1865 bis 1888 in Leipzig die Blätter für literarische Unterhaltung und die Zeitschrift Unsere Zeit heraus, wobei er zunehmend national-konservative Positionen vertrat.

6 Der Leipziger Verleger Anton Philipp Reclam (1807–1896).

7 Alfred de Musset (1810–1857), französischer Romantiker.

8 Refüs: (franz.) Weigerung, Ablehnung.

9 Die Zeitschrift Deutsche Dichterhalle, 1872 in Leipzig gegründet, erschien bis 1883 halbmonatlich. Die Herausgeber waren Oskar Blumenthal, später Ernst Eckstein und schließlich Ernst Remin. Das Journal publizierte vornehmlich Gegenwartslyrik und feuilletonistische Beiträge.

10 Ernst Eckstein (1845–1900), studierte in Gießen, Bonn und Marburg Jura, Philosophie sowie Philologie, war dann als freier Schriftsteller tätig und arbeitete von 1868 bis 1870 als Korrespondent u. a. in Paris, ab 1872 bei der Neuen Freien Presse, der seinerzeit führenden Wiener Zeitung. Berühmt wurde Eckstein durch seine Schulhumoresken, insbesondere Der Besuch im Karzer (1875). Von 1874 bis 1882 war Eckstein Redakteur der Deutschen Dichterhalle, die ein Magnet für die junge Dichter-Generation war. In den 1870er-Jahren publizierten in dem Journal zahlreiche spätere Naturalisten, darunter Heinrich und Julius Hart sowie Michael Georg Conrad; Peter Hille debütierte in Ecksteins Zeitschrift 1876 mit dem Gedicht „Hymnus der Dummen“ und publizierte dort danach mehrere Beiträge.

11 Dem vorliegenden Brief-Autographen lag lediglich das Gedicht Prometheus bei. Es gehörte offensichtlich zum Manuskript einer Gedichtsammlung Peter Hilles, die zwischen 1874 und 1876 entstand.

12 Bis dat, qui cito dat: Doppelt gibt, wer schnell gibt. Lat. Sprichwort, das auf den römischen Philosophen Seneca d. J. (1-65 n. Chr.) zurückgeführt wird. In dessen De beneficiis (Über die Wohltaten) heißt es: „Ingratum est beneficium, quod diu inter manus dantis haesit“: „Unangenehm ist die Wohltat, welche zu lange in der Hand des Gebers blieb“.

13 der Obige.

14 Es handelt sich um die einzige überlieferte handschriftliche Fassung des Gedichtes, dessen Erstdruck 1877 in der Deutschen Dichtung. Organ für Dichtung und Kritik unter der Redaktion von Albert Gierse und Heinrich Hart erfolgte. Zu Hilles Lebzeiten gab es einen weiteren Abdruck 1879 im Jahrbuch deutscher Dichtung. Kurz nach seinem Tod wurde das Gedicht in der Zeitschrift Das literarische Echo nach der Ausgabe der Gesammelten Werke 1904 abgedruckt. Auch in den Folgeauflagen der Gesammelten Werke 1916 und 1921 findet sich das Prometheus-Gedicht. Friedrich Kienecker griff bei der Ausgabe der Gesammelten Werke 1984–1986 auf den Abdruck im Jahrbuch deutscher Dichtung von 1879 zurück. Vergleicht man die Abdrucke mit der aufgefundenen Handschrift, so ist festzustellen, dass Hille auf eine strophische Gliederung, wie sie sich in den Gesammelten Werken der Jahre 1904, 1916 und 1921 findet, verzichtete. Weiter zeigt sich, dass die Abdrucke 1877 und 1879 der Hille’schen Handschrift am nächsten kommen.

2 [Besprechung:] Geisterspuk, oder das große Umgehen auf der Veste Koburg. Fröhliches Heldengedicht in 15 Stücklein von Fritz Hofmann. (Leipzig 1877, Verlag des Bibliographischen Instituts) (1877)

Ein fröhliches Heldengedicht ist in der That dieses trefflich illustrirte Buch.

Es führt einen spleenigen Engländer nebst seinem immer durstigen Paddy auf die Veste Koburg15, wo es Mitternacht unter der Rüstung lebendig wird, wo die alten Heldengestalten aus dem Rahmen treten, zum Umgehen.

Der Gegensatz dieser komischen Gestalten zu den ehrenfesten Nachtwandlern aus grauer Zeit, die Freundschaft zwischen ihnen, eingeleitet durch den realen Paddy, bei dem einen durch Cigarren, bei dem andern durch’s Bier, ist nicht unwirksam.

Die Sache verhält sich nämlich so:

Einen Lord schmerzen seine „rindfleischstolzen“ Zähne.

Er schickt seinen getreuen Paddy zur Veste Koburg, um ihm ein Spänlein von Luther’s Bett16, als magischen Stocher, zu holen.

Doch Paddy geräth zu Koburg in ein Wirtshaus und trinkt sich aus den Kleidern. Als er so dem Engländer erscheint, als Geist und ohne Span, fährt dieser aus der Haut, wie Paddy aus den Kleidern gefahren war. –

Jetzt kommt das Schicksal und verdammt die beiden, den einen wegen unbefugten Aus-den Kleidern-Fahrens, den andern wegen noch unbefugteren Aus-der Haut-Fahrens zum Umgehen. Die beiden sollen in Rapport stehen dergestalt, daß, wenn den einen der Zahn, den andern der Durst drückt, und umgekehrt.

„Laß deine Haut begraben! Du brauchst sie, Lord, nicht mehr;

Es wächst nun Spinnewebe um deinen Leichnam her.

Dann ziehet an die Kleider, du die, die du vertrankst,

Und setzt auf eure Häupter die hohen Röhren schwarzer Angst!“

So sprach das Schicksal gütig, verschwindend aus dem Raum,

Deshalb der Engeländer begraben hatte kaum

Im Stillen seine Haut, so beginnt sein Schmerz im Zahn,

Und Paddy, ach, der schaut so voll Durst zu seinem Herrn hinan.

Beiden ist zu Koburg, wo auch Paddy seine Kleider wieder holen muß, auf der Veste geholfen. Dort hat der Lord Luther’s Bett und Paddy das Wirtshaus, das ihn so pflichtvergessen gemacht, zur Hand. –

Im Rittersaale spukt ein spanischer Ritter. Ein sentimentales Gerippe, stöhnt er „Helene“! aus grinsender Kiefer und trommelt seine Liebespein auf die Scheiben.17

Er erschrickt sehr, als die beiden Verwunschenen eintreten; doch Paddy beruhigt ihn, auch über das unheimliche Glimmen, das er und der Lord vollführen.

Und siehe! auch der kastilianische Grande18 von anno 1487 ist zum Rauchen bereit!

Zwar etwas unbeholfen stellt sich das alte Kind,

Doch weil es was Unnützes, lernt er es auch geschwind.

Paddy bittet jetzt den Valencianer um Erzählung seiner Geschichte mit allerdings für einen Bedienten allzublühender Sprache:

Nach angerauchter Freundschaft – sprach Paddy – edler Held,

Führt uns auf Eurer Fahrten wohl lorbeerreiches Feld!

Der Edle hatte um Kaiser Maximilian’s19 natürliche Tochter, die minnigliche Helene, mit dem bärenhaften Ritter Rauber20, der um nicht zu straucheln, die Spitzen seines Bartes im Gürtel aufknüpfen mußte, ein Turnier in Graz. Es galt, den Gegner in den Sack zu stecken. Er wurde überwältigt und starb an gebrochener Ehre. Er und sein Gegner müssen umgehen; er turnierbereit, zu Roß – Rauber im Gemälde. –

Auch mit Rauber macht Paddy Bekanntschaft und versöhnt die beiden Feinde. –

Es beginnt jetzt ein gar fröhliches Leben.

Die Vier haben in ihrer Einigkeit ihre Kopfbedeckungen vertauscht. Paddy trägt des Rauber’s Federbarett, der Lord des Spaniers Helm – da schlägt es Eins, und die Kopfbedeckungen sitzen fest. Das Schicksal erscheint und fragt, ob sie erlöst sein wollen. Sie finden das Umgehen schöner. Die Frist bestimmt sich Paddy „bis Irlands Glück ersteht“, der Lord „so lange, als Albions21 Banner siegreich weht“. Der Spanier und der Deutsche schweigen.

Das Schicksal sieht die letzteren traurig an und meint:

Verständet Ihr nicht das Umgeh’n, so wär’s zu viel von Euch begehrt.

Der böse Mönch, der hier auch umgeht, muß ruhelos spuken, bis kein Mensch mehr an ihn glaubt.

Ferner spukt hier eine Ratte, der Gottseibeiuns selber, der in dieser Gestalt Luther bei seinem Bibelwerk gestört und durch stetes Umdrehen der Sanduhr ihn sich zu Tode predigen lassen wollte, aber von Luther entdeckt, zum Umdrehen der Sanduhr verflucht war, bis er seine Mutter gefunden. –

Die Ratte und der Mönch verbinden sich, die Eintracht der Viere zu untergraben, was ihnen eine Zeitlang gelingt.

Als in schönster Eintracht bei einanderstehen – es haben sich die Gestalten unübersehbar gemehrt – Gustav Adolf 22 und Ferdinand23, Tilly24 und Melanchthon25, als der Bann gelöst wird, spricht das Schicksal das Urtheil über die tückischen Genossen. Der Mönch geht um, bis der letzte Dumme an ihn glaubt. Die Ratte soll wahrscheinlich zum Suchen der Mutter verdammt werden; aber sie meint, auch die Social-Demokraten hätten keine Mutter. –

Das Schicksal entschuldigt die Beiden mit Irrthum und ändert das Urtheil dahin ab, daß sie bis zu ihrer gegenseitigen Bekehrung gebannt sind. –

Wie schon aus den Citaten ersichtlich, ist das Gedicht in der würdevollen Nibelungenstrophe26 geschrieben, die einen guten parodistischen Eindruck macht. –

Die Behandlung des Stoffes ist launig; doch dieser selbst ist zu tendenziös. Es blickt zu sehr die Absicht durch, die bekanntlich verstimmt. Es stört den unbefangenen Genuß, wenn man Allegorie wittert; man forscht peinlich nach der Beziehung und kommt aus der Stimmung, aus dem magischen Kreise der Poesie.

Wenn man nun gar noch vergeblich bei den Anmerkungen Rath sucht, diese Beziehung Einem unklar bleibt, so verschwindet die Freude an der Dichtung vor dem Fragezeichen.

Besonders die forcirte Verherrlichung des deutschen Reiches am Schlusse und der schonende Tadel der Social-Demokraten zeigen uns eher den National-Liberalen als den Dichter.

Aus: Deutsche Dichterhalle, Jg. 6, H. 16 (15. August 1877), S. 271–272. Zur Zeitschrift Deutsche Dichterhalle siehe den Kommentar zu Text 1.

Peter Hilles nur mit seinen Initialen P.H. gezeichnete Rezension entstand während seines Leipziger Aufenthaltes nach seinem Besuch bei Ernst Eckstein am 15. Juni 1877. Nach dieser Begegnung erschien in der Deutschen Dichterhalle vom 15. Juli 1877 bereits Hilles erste Rezension zur epischen Dichtung Gela von Karl Zettel (1831–1904). Vgl. Christiane Baumann: Geisterspuk. Eine unbekannte Rezension des jungen Peter Hille, in: Germanica Wratislaviensia 147 (2022), S. 29–43.

Autor des besprochenen „fröhlichen Heldengedichts“ war der Schriftsteller, Publizist und Märchensammler Fritz – eigentlich: Friedrich – Hofmann (1813–1888). Er entstammte einfachen Verhältnissen; nach dem frühen Tod seiner Eltern ermöglichte ihm ein Mäzen das Studium der Philosophie, Geschichte und Literatur an der Universität Jena. 1838 debütierte er mit dem Schauspiel Die Schlacht von Focksan und wurde 1841 ein wichtiger Mitarbeiter des Bibliographischen Instituts von Carl Joseph Meyer (1796–1856), einem sozial engagierten Anhänger der Juli-Revolution von 1830. Nach seiner Übersiedlung nach Leipzig wurde Hofmann 1861 ein ständiger Mitarbeiter der populären Familienzeitschrift Die Gartenlaube