Pferdgestützte Heilpädagogik - Marion Menke - E-Book

Pferdgestützte Heilpädagogik E-Book

Marion Menke

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Beschreibung

Das Buch vermittelt Grundlagen der Pferdgestützten Heilpädagogik. Es orientiert sich am Aufbaubildungsgang, der vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKTHR) entwickelt wurde und derzeit bundesweit der einzige mit staatlichem Abschluss ist. Die Ausbildung von Pferd und Fachkraft für den Einsatz, die Prozesse im Beziehungsdreieck KlientIn, Pferd und Fachkraft sowie die Planung, Durchführung, Dokumentation werden ausführlich dargelegt. Lehrbuchartig ist das entsprechende Wissen zur Qualifizierung von Fachkräften sozialer, (heil-)pädagogischer und therapeutischer Berufe aufbereitet, um einen Überblick über ein komplex entwickeltes Handlungsfeld zu erlangen.

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Inhalt

Cover

Titelei

Widmung und Dank

1 Einleitung

2 Vom Nutzen des Nutztiers Pferd als eigenständiges Wesen und Teil des Teams in der heilpädagogischen Arbeit

3 Das Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten und andere Aus-‍, Fort- und Weiterbildungsstätten

4 Qualitätsstandards in der pferdgestützten Heilpädagogik, Förderung und Therapie – eine Einführung

4.1 Qualität in der tiergestützten Arbeit

4.2 Qualität im Bereich der »Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd«

5 Einführung in den Aufbaubildungsgang »Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd« (staatlich geprüft) (DKThR)

6 Die pferdgestützte Heilpädagogik im Verhältnis zur pferdgestützten Pädagogik

7 Die Lernfelder

7.1 Lernfeld 1: Die Bereiche der heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd erschließen und einordnen

7.1.1 Theorie und Praxis der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.1.2 Theorie und Praxis der Therapiepferdeausbildung

7.1.3 Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.1.4 Organisation, Recht, Verwaltung

7.2 Lernfeld 2: Die Ausbildung des Pferdes für die Therapie und der Einsatz des Pferdes in der Therapie

7.2.1 Theorie und Praxis der Therapiepferdeausbildung

7.2.2 Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.2.3 Organisation, Recht, Verwaltung

7.3 Lernfeld 3: Die Gestaltung von Prozessen im Beziehungsdreieck Klient-Pferd-Fachkraft

7.3.1 Theorie und Praxis der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.3.2 Theorie und Praxis der Pferdeausbildung

7.3.3 Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.3.4 Organisation, Recht, Verwaltung

7.4 Lernfeld 4: Heilpädagogische Fördermaßnahmen planen, durchführen, dokumentieren und evaluieren

7.4.1 Theorie und Praxis der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.4.2 Theorie und Praxis der Therapiepferdeausbildung

7.4.3 Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.4.4 Organisation, Recht und Verwaltung

7.5 Lernfeld 5: Konzepte der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd im betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kontext entwickeln

7.5.1 Theorie und Praxis der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.5.2 Theorie und Praxis der Therapiepferdeausbildung

7.5.3 Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

7.5.4 Organisation, Recht und Verwaltung

8 Verzeichnisse

Nützliche Adressen

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Die Autorinnen

Basiswissen Helfende Berufe

Herausgegeben von Heinrich Greving und Marion Menke

https://shop.kohlhammer.de/basiswissen-helfende-berufe

Die Autorin

Dr. Marion Menke ist Professorin für »Gesundheitswissenschaften für soziale und pflegerische Berufe« am Fachbereich Sozialwesen an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster. Sie arbeitet u. a. in Seminaren zur Tiergestützten Therapie und Pädagogik mit Hund und Pferden in den Studiengängen Heilpädagogik/Inklusive Pädagogik und Soziale Arbeit.

Marion Menke

Pferdgestützte Heilpädagogik

Leitfaden für therapeutische, pädagogische und soziale Berufe

Unter Mitarbeit von Nicole Jaite-Hanke und Inke Grauenhorst

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-042818-8

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-042819-5epub:ISBN 978-3-17-042820-1

Widmung und Dank

»Ohne mein Pferd wäre ich nicht die, die ich heute bin.« Diesen Satz sagte eine Studentin im Rahmen unseres Seminars zur Tiergestützten Therapie und Pädagogik an der Hochschule. Der Satz kam von Herzen, und ich kann ihn auch genauso unterschreiben. Die meisten, die eine enge Beziehung zu einem oder mehreren Pferden haben bzw. hatten, werden den enormen Einfluss dieser wunderbaren Geschöpfe bestätigen. Pferde lehren uns so viel. Daher widme ich dieses Buch meinen beiden Pferden Henry und Frodo, die mich in unterschiedlichen Lebensphasen begleitet und bereichert haben. Sie haben mich so viel gelehrt, mir meine Möglichkeiten und Grenzen gezeigt, mich wachsen lassen, mir all ihr Vertrauen geschenkt, mich in vielen Situationen gerettet, mich gesund erhalten und mein Leben so sehr bereichert. Ohne sie wäre ich nicht die, die ich heute bin.

Ich danke Nicole Jaite-Hanke und Inke Grauenhorst, die mir während der Schreibarbeit immer wieder konstruktive Rückmeldungen gegeben und die Fallbeispiele beigetragen haben. Diese Zusammenarbeit hat erst den Theorie-Praxis-Bezug in vielerlei Unterkapiteln der vorliegenden Version ermöglicht.

Mein weiterer Dank gilt den Mitarbeitenden des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten, insbesondere Ina El Kobbia, die als Geschäftsführerin des DKThR die Idee zu dem Buch sofort unterstützt hat. Der Leitung und dem Verwaltungsrat der Katholischen Hochschule NRW gilt mein Dank ebenfalls. Ohne die Unterstützung der Hochschule wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Danken möchte ich auch Dr. Klaus-Peter Burkarth, der im Rahmen des Pädagogik-Lektorats des Kohlhammer Verlages die Werke in dieser Reihe begleitet und die Idee zu diesem Buch ebenfalls mit Begeisterung aufgenommen hat.

Ein herzliches Dankeschön geht an die Kinder und Eltern für die schönen Fotos, die uns zur Verfügung gestellt wurden.

Mein Dank gilt ebenso den Wesen, die während der Schreibphase die erforderliche Stabilität gegeben haben und immer ein offenes Ohr für mich hatten: Henry und Henessy, meine Stallkollegin und Freundin Lena mit Henri, unsere Unterstützerinnen bei den Pferden Marie und Lene sowie meinen Freundinnen Geli und Uta und natürlich meinem Frodo.

Greven, den 17. 05. 2024

Abb. 1:Marion Menke mit Frodo (Foto www.valentina-goeck.de)

Abb. 2:Nicole Jaite-Hanke mit Quin

Abb. 3:Inke Grauenhorst mit Grace

1 Einleitung

Dieses Buch »Pferdgestützte Heilpädagogik« soll grundlegende Kenntnisse der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd vermitteln, einen Einblick in dieses Arbeitsfeld geben und eine spezifische Weiterbildung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR) vorstellen, die in Zusammenarbeit mit zwei Fachschulen in Nordrhein-Westfalen (NRW) durchgeführt wird. Beteiligt sind hier das Berufskolleg der Friedrich von Bodelschwingh-Schulen in Bielefeld Bethel und das Gisbert-von-Romberg-Berufskolleg in Dortmund. Weiterhin soll die Diskussion der Mensch-Tier-Beziehung zum Nutzen des Pferdes als eigenständiges Wesen und Teil des Teams in der heilpädagogischen Arbeit erläutert werden. Hier spielt die Ausbildung der Pferde ebenso eine zentrale Rolle wie deren Haltung und die Beachtung des Tierschutzes bzw. des Wohlbefindens der Pferde. Darüber hinaus werden die Besonderheiten dieser Diskussion in Bezug auf die Qualitätssicherung im Bereich der pferdgestützten Arbeit aufgezeigt und letztlich wird der derzeit einzige Aufbaubildungsgang zur Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd in Deutschland mit staatlicher Prüfung dargestellt (MSW NRW 2016).

Dieser Aufbaubildungsgang qualifiziert zur »Staatlich geprüften Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd«1. Das Buch widmet sich eingehend der Ausarbeitung der fünf Lernfelder des Aufbaubildungsgangs, die in den Richtlinien und Lehrplänen für das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen aufgeführt sind.

Dabei geht es zunächst um die verschiedenen Arbeitsbereiche, in denen die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd stattfindet (z. B. im klinischen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Schulsozialarbeit) (MSW NRW 2016, S. 23). Dann folgt in einem weiteren Teil die Ausbildung des Pferdes für den Einsatz in der Therapie. Daran anschließend soll die Gestaltung von Prozessen im Beziehungsdreieck Klient/in-Pferd-Fachkraft dargestellt werden. Die Planung, Durchführung, Dokumentation und Evaluation von heilpädagogischen Fördermaßnahmen zählen zu den zentralen Vorrausetzungen, um ein professionelles Handeln gewährleisten zu können. Darüber hinaus soll die Entwicklung von Konzepten der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd im betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kontext betrachtet werden, da diese Grundlagen ebenfalls zentral für Fachkräfte sind. Für die fünf Lernfelder mit theoretischem Unterricht in der Schule und praktischem Lernen in der Praxiseinrichtung und einer abschließenden Projektarbeit werden in der Zusammenschau 560 bis 600 Stunden veranschlagt (MSW NRW 2016, S. 17).

In diesem Werk soll somit die Qualifizierung von Fachkräften sozialer, (heil-)‌pädagogischer und therapeutischer Berufe für die Pferdgestützte Heilpädagogik der benannten Schulen in Kooperation mit dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) vorgestellt und mit einer wissenschaftlich fundierten Literaturanalyse ergänzt werden. Das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (DKThR) ist der bundesweit agierende Fachverband für pferdgestützte Therapie, Förderung und den Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Das DKThR ist Anschlussverband der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Kooperationspartner von Physio Deutschland, Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) und des Deutschen Verbandes Ergotherapie (DVE) sowie Sondermitglied für den Pferdesport beim Deutschen Behindertensportverband (DBS)« (DKThR 2023, S. 1).

Die hier angesprochene Qualifizierungsmaßnahme zur »Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd« wird im Schulsystem der Berufskollegs als solche benannt. Seitens des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten wurden die Weiterbildungen alle umbenannt und tragen jetzt den Begriff »Pferdgestützte« Heilpädagogik (oder Ergotherapie oder Physiotherapie oder Pädagogik etc.) im Namen.

Der Aufbaubildungsgang »Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd« ist dem Bereich pferdgestützte Heilpädagogik zuzuordnen.

Dieser Aufbaubildungsgang setzt den Abschluss eines einschlägigen Fachschulbildungsgangs des Sozialwesens oder den Nachweis einer mindestens gleichwertigen pädagogischen oder psychologischen Vorbildung voraus, wie u. a. die Berufsausbildung zum/zur Erzieher_in, Heilerziehungspfleger_in, Heilpädagog_in, ein abgeschlossenes Studium der Psychologie, Heilpädagogik oder der Sozialen Arbeit.

Das vorliegende Buch wird in erster Linie für die Teilnehmer_innen des Aufbaubildungsgangs, für Praktiker_innen, Lehrende, Interessierte, Studierende in verschiedenen Studiengängen interessant sein. Es ist auch für die o. g. genannten Berufsgruppen gedacht, die sich für diese Qualifizierung interessieren, aber auch für Klient_innen und deren Angehörige, die sich über diese Arbeitsfelder, den Aufbaubildungsgang und die Arbeitsweisen in der pferdgestützten Heilpädagogik informieren möchten und/oder eine fachliche Vertiefung wünschen.

Das Buch soll außerdem für die Teilnehmer_innen von weiteren Fort- und Weiterbildungen in der tier- bzw. pferdgestützten Arbeit interessant sein und insbesondere auch jene ansprechen, die einen schnellen Überblick über ein inzwischen sehr komplex entwickeltes Handlungsfeld benötigen (z. B. Akteur_innen der Kostenträger und Leistungsanbieter wie z. B. Mitarbeitende der Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe, Beschäftige in sozialen, pädagogischen und gesundheitsbezogenen bzw. medizinischen Berufen, Personen aus der Politik, Lehre und Wissenschaft).

In der deutschsprachigen Fachliteratur gibt es inzwischen einige Werke zur Reittherapie, zur heilpädagogischen Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und Pferden, zur Hippotherapie etc. – einen ausgearbeiteten Lehrplan zu einem Aufbaubildungsgang für die Fachkraft zur heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd gibt es bislang nicht. Daher hat das vorliegende Buch den Charakter eines Studienbuchs erhalten, das sich an den Themen der Lernfelder des genannten Aufbaubildungsgangs in NRW orientiert. Das Buch vermittelt Inhalte, bei denen die Praxisbezüge einen hohen Anteil haben (die während der Ausbildung in den Praxiseinrichtungen erlernt werden), diese aber dennoch theoretisch bzw. wissenschaftlich fundiert und für potenzielle Leser_innen interessant und nachvollziehbar gestaltet sind. Die Inhalte werden innerhalb der einzelnen Lernfelder aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und im Verlauf der Kapitel immer wieder aufgegriffen und weitergehend vertieft.

Der jeweilige Fokus für die Arbeit mit Pferden, die methodischen Vorgehensweisen im Umgang mit Klient_innen, die Zielsetzungen und die Einsatzweise von Pferden sind meist abhängig von der »Basisqualifikation« bzw. dem Grundberuf der jeweiligen Fachkraft. Die hier im Fokus stehende pferdgestützte Heilpädagogik mit dem Aufbaubildungsgang bezieht sich auf unterschiedliche Grundberufe aus dem pädagogischen bzw. therapeutischen Bereich, die oben bereits als Voraussetzung für die Teilnahme genannt worden sind. Die Teilnehmer_innen qualifizieren sich für die Weiterbildung als Fachkraft heilpädagogische Förderung mit dem Pferd, die als Aufgabenfeld wiederum an klinische oder pädagogische Einrichtungen angegliedert sein kann oder von einem Reitstall mit entsprechenden Möglichkeiten angeboten wird. Einige Absolvent_innen machen sich selbstständig mit einem eigenen Hof bzw. Betrieb oder bieten ihre Dienste mit eigenen Pferden an und kooperieren in unterschiedlicher Weise freiberuflich mit anderen Einrichtungen.

Der Aufbaubildungsgang bezieht sich hier explizit auf das heilpädagogische Handeln mit dem Pferd, auch wenn die Absolvent_innen einen anderen Grundberuf erlernt haben und meist keine originären Heilpädagog_innen sind (z. B. mit einem Abschluss nach einem Bachelor-Studiengang Heilpädagogik).

Der Professionalisierungsgrad der Heilpädagogik ist nicht nur im deutschsprachigen Raum bereits deutlich vorangeschritten. Die Handlungsfelder sind aber auch gekennzeichnet von unterschiedlichen Qualifikationen in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen, es gibt Teams mit unterschiedlichen Berufsabschlüssen (Greving & Ondracek 2014, S. 260). Dieses Buch soll daher einen Beitrag dazu leisten, die Professionalisierung in der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd weiter zu gestalten und das Profil des heilpädagogischen Handelns weiter zu schärfen.

Für die Entwicklung der nachfolgenden Kapitel werden die Lernfelder mit Fachbeiträgen und wissenschaftlicher Literatur fundiert und ausgearbeitet. Einige Lehrende aus den Fachschulen und Dozent_innen des DKthR haben der Autorin außerdem ihr Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, so dass das vorliegende Werk keine Dokumentation von empirischen Forschungsergebnissen darstellt (auch wenn diese an passender Stelle eingebracht werden), sondern es geht vielmehr um eine Literatur- und Lehrstoffanalyse für die Theorie und Praxis der pferdgestützten Heilpädagogik. Darüber hinaus haben die beiden Leiterinnen des Aufbaubildungsgangs in NRW Nicole Jaite-Hanke und Inke Grauenhorst die Ausarbeitung dieses Buchs unterstützt und wichtige Hinweise aus Sicht ihrer praktischen Tätigkeit in der pferdgestützten Heilpädagogik und aus ihrer Lehrtätigkeit geliefert.

Dabei geht es immer wieder um die Perspektiven der Beteiligten: die der Fachkräfte, die der Klient_innen und die der Pferde gleichermaßen.

Nach dieser Einleitung (▸ Kap. 1) geht es dann zunächst um den »Nutzen« des Pferdes als ein eigenständiges Wesen im Team für die heilpädagogische Arbeit (▸ Kap. 2). Anschließend folgt ein Einblick in die Aufgaben und Qualifizierungen des Deutschen Kuratoriums für therapeutisches Reiten sowie ein Hinweis auf andere Weiterbildungsträger (▸ Kap. 3). Im Zuge der Anerkennung von professionellen Tätigkeiten unter Einbeziehung von Tieren respektive Pferden werden einige zentrale Hinweise zum Thema »Qualität« in der tiergestützten Arbeit dargelegt (▸ Kap. 4). Kapitel 5 (▸ Kap. 5) führt in die Struktur des Aufbaubildungsgangs ein. In Kapitel 6 (▸ Kap. 6) werden Abgrenzungen bzw. Überschneidungen der pferdgestützten Heilpädagogik zur pferdgestützten Pädagogik erläutert. Die Lernfelder sind in Kapitel 7 (▸ Kap. 7) entsprechend der inhaltlichen Vorgaben des Lehrplans ausgearbeitet und bilden den Schwerpunkt dieses Buchs. Das siebte Kapitel folgt den fünf Lernfeldern, die jeweils in die gleichen Unterrichtsfächer aufgeteilt sind und die Inhalte aus den Perspektiven der Fächer beleuchten. Diese werden im Text dann in weitere Unterkapitel untergliedert. Die Fächer sind folgende:

Theorie und Praxis der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

Theorie und Praxis der Therapiepferdeausbildung

Methoden der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

Organisation, Recht, Verwaltung

Diese Fächerstruktur wiederholt sich in den fünf Lernfeldern und bildet die Binnenstrukturierung für die Inhalte. Die Lernfelder werden nachfolgend aufgezeigt:

Lernfeld 1: Die Bereiche der heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd erschließen und einordnen

Lernfeld 2: Die Ausbildung des Pferdes für die Therapie und der Einsatz des Pferdes in der Therapie

Lernfeld 3: Die Gestaltung von Prozessen im Beziehungsdreieck Klient–Pferd–Fachkraft

Lernfeld 4: Heilpädagogische Fördermaßnahmen planen, durchführen, dokumentieren und evaluieren

Lernfeld 5: Konzepte der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd im betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kontext entwickeln.

Im Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen wurden im April 2016 laut Runderlass für die Schulen der Sekundarstufe II – Berufskollegs mehrere Lehrpläne veröffentlicht. Dazu zählt unter anderem der in Heft 7630 veröffentlichte Lehrplan für die Fachschule des Sozialwesens für den Aufbaubildungsgang Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd mit den genannten Vorgaben (MSW NRW 2016). Die inhaltliche Struktur der Fächer innerhalb der Lernfelder gibt den thematischen Aufbau des Buches in Kapitel 7 wieder.

Pferde haben eine heilsame Wirkung auf die meisten Menschen, sofern eine Annäherung mit Sachverstand erfolgt und eine gezielte und qualifizierte Herangehensweise unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen und Pferden gegeben ist. Ob nun die heilsame Wirkung auf die Seele in der pferdegestützten Psychotherapie nachgewiesen wird (Heintz & Weiger 2020) oder der Fokus mit der Hippotherapie eher auf der physiotherapeutischen, neurophysiologischen Behandlung und Begleitung liegt – Pferde erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der professionellen Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen in therapeutischen und pädagogischen Settings (Gäng 2021). Eine anspruchsvolle Qualifizierung ist somit für diese Settings unabdingbar. Dies ist mit den Weiterbildungen, z. B. des DKThR und diesem Aufbaubildungsgang in Nordrhein-Westfalen, bereits gelungen.

Endnoten

1Auszug aus dem Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Nr. nn/16 Sekundarstufe II – Berufskolleg; Bildungsgänge der Fachschulen; Lehrpläne Rd.Erl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 15. 04. 2016 – 311.6.08.01.13. Für die in der Anlage 1 aufgeführten Bildungsgänge der Fachschulen werden hiermit Lehrpläne gemäß § 6 in Verbindung mit § 29 Schulgesetz (BASS 1 – 1) festgesetzt. Sie treten zum 01. 08. 2016 in Kraft.

2 Vom Nutzen des Nutztiers Pferd als eigenständiges Wesen undTeil des Teams in der heilpädagogischen Arbeit

Rechtlich betrachtet wird das Pferd heute als Nutztier oder als Luxustier beschrieben, je nach »Funktion«. So ist, vereinfacht gesagt, das private Reitpferd ein Luxustier, Pferde von Landwirten, Gestüten oder die für die pädagogische bzw. therapeutische Arbeit genutzten Pferde sind dagegen Nutztiere. Im Bürgerlichen Gesetzbuch finden sich in § 833 S. 1 BGB (Luxustiere) und in § 833 S. 2 BGB (Nutztiere) die entsprechenden Informationen dazu. Zur Liebhaberei gehaltene Rennpferde zählen z. B. nicht zu den Nutztieren, weil sie nicht mit den beruflichen Tätigkeiten der Halter_innen zusammenhängen. In Bezug auf haftungsrechtliche Fragen und z. B. Fragen zur Schuld bzw. Mitverschuldung ist es daher bedeutsam, sich genau über die rechtlichen Grundlagen zu informieren (Sonneborn (o. J.) (▸ Kap. 7.2.3 und ▸ Kap. 7.4.4). Das »Nutztier Pferd« wird somit in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit für einen wirtschaftlichen Zweck eingesetzt, wenn die Fachkraft damit ihr Einkommen oder einen Teil ihres Erwerbs sichert.

»Unter tierschützerischen Gesichtspunkten kommt dem Umgang mit Nutztieren in verschiedener Hinsicht erhebliche Relevanz zu. Zahlreiche Konfliktbereiche zwischen Wirtschaftlichkeit und Tierschutz ergeben sich dabei durch die industrialisierte Intensivhaltung mit grossen Tierbeständen in räumlich stark begrenzten Haltungssystemen. Durch entsprechende Zucht, Haltungs- und Produktionsmethoden erreichte Leistungssteigerungen lassen das Einzeltier und seine Bedürfnisse in den Hintergrund treten. (Stiftung für das Tier im Recht (o. J.)«

Dies trifft nicht nur auf die Tierhaltung von Nutztieren für die Produktion von Gütern und Lebensmitteln (in der Schweiz) zu, sondern auch für die Haltung von Pferden, die dem Sport, der Freizeit, der Zucht oder eben der Pädagogik und Therapie in Deutschland »dienen« bzw. dafür einen »Nutzen« bringen. Somit besteht nicht nur ein soziales Spannungsfeld zwischen den Beteiligten der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd im Beziehungsgeflecht oder Beziehungsdreieck Fachkraft, Klient_innen und Pferd, sondern zahlreiche Spannungen und Konflikte ergeben sich bei der Nutzung und Haltung des Pferdes in diesem Kontext mit Blick auf das Tierwohl. Das Tierwohl ist durch körperliche, seelische und geistige Über- und Unterforderung immer auch gefährdet. Einseitige Belastungen, unsachgemäßer Umgang und problematische Haltungsbedingungen sind häufig dann vorprogrammiert, wenn es um den wirtschaftlichen Nutzen von Tieren geht. Der Umgang mit diesen Spannungsfeldern stellt für die meisten Fachkräfte eine Herausforderung im alltäglichen Arbeiten dar, die nicht immer zufriedenstellend bewältigt werden kann. Termine sollen eingehalten werden, aber das Pferd zeigt gesundheitliche Probleme, die erstmal nicht gravierend erscheinen. Schon entsteht ein Konflikt, denn ein Pferd, das nicht gesund ist, sollte nicht eingesetzt werden. Gleichwohl sollten die Termine nicht abgesagt werden. In derartigen Situationen können sich diejenigen glücklich schätzen, die andere Pferde einsetzen können oder kreative Lösungen als Ersatz für die ursprünglich geplante Einheit finden (▸ Kap. 7.4.1).

Bedeutsam für das Tierwohl sind die Haltungsbedingungen. Nicht nur der Stall, sondern auch die Möglichkeiten zur freien Bewegung auf Paddocks und Weiden sind erforderlich: »Bei der Planung von Pferdeställen sollte immer auch geprüft werden, ob ausreichend groß bemessene Auslauf- und/oder Weideflächen verfügbar sind. Eine diesbezüglich ausreichend Flächenausstattung ist insbesondere für Neueinrichtungen unbedingt erforderlich« (BMELV 2009, S. 5).

Die Haltungsbedingungen von Pferden haben sich in den letzten Jahrzehnten schon deutlich dahingehend verbessert, dass jenseits von Anbinde- und Boxenhaltung zunehmend häufiger auch Paddockboxen mit etwas mehr Bewegungsfreiheit und Offenstallhaltungen in Herden oder gar Aktivställe Verwendung finden. Eine »artgerechte« Haltung erfordert allerdings hohe finanzielle und räumliche Ressourcen (z. B. Umbauten, Ausläufe, Weideland), und selbst dann ist nicht gesichert, dass den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Pferde mit angepassten Haltungsformen begegnet werden kann. Für manche Pferde ist z. B. die Herdenhaltung nicht unbedingt die optimale Lebensform. Sie fühlen sich ggf. in der Zweisamkeit wohler, weil die Zusammensetzung der Herde für sie nicht geeignet ist und das zu Stress führt. Andere kommen wiederum in genau dieser einen Herde nicht zurecht, die an einem Stall gehalten wird, weil die Hierarchie ihnen große Schwierigkeiten bereitet. Pferdehalter_innen wissen aus Erfahrung, dass die unterschiedlichen Charaktere und körperlichen sowie gesundheitlichen Voraussetzungen der Pferde auch verschiedene Haltungsformen benötigen. Je nach Stellung in der Herde, Futterbedarf, Grunderkrankungen etc. sollten die Haltungsformen entsprechend angepasst werden können. »Sowohl bei Einzelhaltung als auch bei Gruppenhaltung ist auf das soziale Gefüge und die Verträglichkeit der Pferde untereinander Rücksicht zu nehmen. Dies gilt auch für rasse-‍, alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede« (BMELV 2009, S. 4). So müssen oftmals Kompromisse gefunden werden, die aber jene o. g. Spannungsfelder erzeugen und die Fachkräfte regelmäßig vor ethische und moralische Fragen stellen. Dies geschieht spätestens dann, wenn die Pferde sich offensichtlich nicht wohl fühlen.

Im wissenschaftlichen Kontext ist die Forschung zum Verhalten und den Bedürfnissen der Pferde in unterschiedlichen Haltungsformen noch nicht sehr weit gediehen. »Objektive wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen verschiedener Haltungssysteme auf das Verhalten, speziell auf das Raum-Zeit-Budget und die soziale Organisation von Pferden sind jedoch noch rar« (Burger, Bachmann & Poncet 2008, S. 176).

Umso erfreulicher ist es, wenn die Haltungsformen und Einsatzbedingungen für die Pferde dem Tierwohl gerecht werden können, Fachkräfte und Klient_innen sich ebenfalls wohl fühlen und eine gelingende Zusammenarbeit im Team von Menschen und Pferden aufgebaut werden kann. Wie das Pferd für den Einsatz in der heilpädagogischen Förderung ausgebildet und trainiert bzw. gehalten werden sollte, wird in den Kapiteln 7.2.1 (▸ Kap. 7.2.1), 7.3.2 (▸ Kap. 7.3.2) und 7.4.2 (▸ Kap. 7.4.2) dargelegt. Wie dann weiterhin die Prozesse im Beziehungsgeflecht von Fachkraft, Pferd und Klient_innen gestaltet werden sollten, wird in Kap. 7.3 (▸ Kap. 7.3) gezeigt. Dabei steht das Pferd als ein Teil des Teams in der heilpädagogischen Förderung ebenso im Fokus wie die beteiligten Menschen.

Die Nutzung von Wirkmechanismen in der Beziehung zwischen Menschen und Tieren ist für die tiergestützte Arbeit eine wesentliche Grundlage. Dabei gelten diese Wirkungen nicht nur für Pferde, sondern auch für andere Tierarten, die in sozialen Verbindungen wie Herden oder Rudeln leben. Wohlfahrt, Mutschler und Bitzer (2013) fassen in ihrem Forschungsbericht die zentralen Wirkmechanismen in Bezug zu unterschiedlichen Modellen zusammen. Dabei sind die Wirkmechanismen eher als Erklärungsmodelle zu verstehen, da die empirische Forschung diese theoretischen Bezüge noch nicht oder kaum ausreichend belegen konnte. Die Erklärungen basieren somit vorwiegend auf praktischen Erfahrungen oder kleinen Forschungsprojekten, die sich gezielt mit einem Ausschnitt der vielfältigen Wirkmöglichkeiten bei einer bestimmten Tierart und/oder Klientel auseinandergesetzt haben. Demnach können u. a. Tiere in der Zusammenarbeit Angst- und Spannungsgefühle verringern und sie erzeugen oftmals eine positive Stimmung, die sich auch in neurobiologischen Messwerten zeigen (Wohlfahrt, Mutschler & Bitzer 2013; Beetz, o. J.). Darüber hinaus gehen Menschen auch Bindungen zu Tieren ein, dabei können in menschlichen Beziehungen verinnerlichte (internalisierte) Bindungsmuster im Umgang mit Tieren außer Kraft gesetzt werden und neue, positive Beziehungs- und Bindungserfahrungen erlebt werden (Julius et al. 2014).

Tiere können außerdem die Motivation steigern und haben eine Funktion als Türöffner, so dass Menschen sich emotional leichter öffnen können und motivierter in der Zusammenarbeit sind (Wohlfahrt, Mutschler & Bitzer 2013, S. 13). Tiere sind im »Hier und Jetzt« und ohne Vorurteile authentisch, so dass sie quasi im Sinne von Carl Rogers' klientenzentrierter Therapie auch einen empathischen und vorurteilsfreien Umgang herausfordern können (Rogers, 2012; Weinberger, 2011). Außerdem kann es Menschen in der Kommunikation mit Tieren leichter fallen, Dinge anzusprechen bzw. auszusprechen. Weiterhin können Tiere dabei helfen, das Selbst zu spiegeln und den Fachkräften so ermöglichen, über das »Lesen« des Tieres wiederum etwas über den Zustand der Klient_innen zu erfahren. Auch setzt der Mensch ein Tier ggf. in Bezug zu sich selbst und nutzt es daher in unterschiedlicher Weise als Selbstobjekt. Ebenso kann die Förderung mit Tieren die Selbstwirksamkeit steigern, so dass hier ein weiterer Ansatzpunkt für die therapeutische und pädagogische Arbeit fokussiert wird (Menke, Huck & Hagencord 2018).

Praktiker_innen können zahlreiche Erfahrungen und Erfolge der Wirkung tiergestützter Arbeit bestätigen, in der empirischen Forschung fehlt allerdings oftmals der Nachweis. Abgesehen davon, dass entsprechende Forschungsarbeiten aufwändig und teuer sind, fällt der exakte Nachweis von Wirkungen durch ein Tier oftmals schwer, da zahlreiche Faktoren in tiergestützten therapeutischen und pädagogischen Settings und Verläufen wirken.

Die genannten Ansätze und theoretischen Bezüge lassen sich für zahlreiche Tierarten feststellen, die angesichts ihres Sozialverhaltens einen Kontakt zu Menschen eingehen (Julius et al. 2014). Das Pferd wirkt und reagiert in ganz besonderer Weise, so wie auch andere Tierarten wie z. B. Hunde, Esel oder Alpakas in der ihrer Art eigentümlichen und besonderen Weise agieren und reagieren. Im Folgenden sollen zusammenfassend einige wichtige Verhaltensweisen von Pferden dargestellt werden: Anders als Hunde sind Pferde in erster Linie Flucht- und Herdentiere mit einer enormen und sehr feinen Kommunikationsfähigkeit untereinander, die arterhaltend und überlebensnotwendig ist. Über das Sozialverhalten und das soziale Gefüge von Pferden in Herdenverbänden gibt es einige anschauliche filmische und literarische Arbeiten, wie z. B. die Filmreihe »Cloud« von der Dokumentarfilmerin Ginger Kathrens, die über sieben Jahre lang das Aufwachsen eines wilden Mustanghengstes (den sie »Cloud« nannte) in seiner Herde in den Rocky Mountains filmte2. Derartige Beobachtungen in freier Wildbahn zeigen sehr feinsinnige und weitreichende Kommunikationsweisen einzelner Pferde im Kontext der Herde bzw. im Familienverband auf. Diese Kommunikationsfähigkeit der Pferde untereinander ist zum Teil auch im Umgang mit Menschen nutzbar. Wenn Menschen sich auf die Sprache der Pferde einlassen, die nonverbalen Gesten und Signale wahrnehmen können und diese verstehen und interpretieren lernen, bestehen weitreichende Möglichkeiten eines sozialen Miteinanders zwischen Menschen und Pferden. Die Menschen, die als sogenannte Pferdeflüsterer bekannt geworden sind, haben letzten Endes genau das gelernt: Sie haben die Kommunikation der Pferde exakt studiert, die eigene Körpersprache, Energie und Stimme mit den zugrunde liegenden Emotionen im richtigen Timing eingesetzt und die Lernfreude und -fähigkeit von Pferden in der Zusammenarbeit genutzt. Untersuchungen zur Verständigung zwischen Pferden und Menschen kommen u. a. zu dem Ergebnis, dass Pferde die menschliche Stimme in Verbindung mit Mimik und kongruentem Ausdruck von Gefühlen sehr wohl einordnen können und dass ihre Herzfrequenz ansteigt, wenn sie Inkongruenz erfahren, also Unstimmigkeiten im Zusammenspiel von Emotionen und deren Ausdruck. Demnach scheinen Pferde also den Klang der Stimme, die Mimik und die Gefühlslage auszuwerten und unterschiedlich auf menschliche Emotionen zu reagieren – sie spüren, wie stimmig oder unstimmig der äußere Ausdruck mit dem inneren Erleben ist (Nakamara, Takimoto-Inose & Hasegawa 2018 zit. nach Schütz 2020, S. 53 – 57). Auch weitere Tests haben gezeigt, dass Pferde direkt auf Gefühlsäußerungen akustischer und/oder optischer Art von Menschen reagieren, selbst dann, wenn diese in Videos vorgespielt werden (Schütz 2020, S. 66).

Pferde sind offenbar in der Lage, ihre feinsinnige Wahrnehmung nicht nur gegenüber der eigenen Art zu zeigen, sondern auch Menschen mit allen Sinnen wahrzunehmen und entsprechend zu interpretieren bzw., besser formuliert, als stimmig oder unpassend wahrzunehmen. Wissenschaftlich wahrscheinlich nie eindeutig zu belegen, zeigt aber die Erfahrung von Praktiker_innen: Pferden kann man nichts vorspielen, sie spüren sehr genau die emotionale Situation eines Menschen, auch wenn dieser die Gefühle hinter einer Fassade zu verbergen versucht. Dieser feine Sinn dient evolutionsgeschichtlich betrachtet der Rettung der Art, denn Anspannung, Aufregung bzw. Angst eines Artgenossen löst sofort Alarm aus und macht zur Flucht bereit. In gleicher Weise verweisen Freude und Ausgelassenheit oder Entspannung auf eine gefahrlose Situation und so kann sich das Pferd selbst entspannen. Pferde kommunizieren über eine ausgeprägte Körpersprache untereinander und im Kontakt mit Menschen, die auch für den geübten Laien durchaus erkennbar ist. Nicht nur die Körperhaltung (z. B. Kopf und Hals) und Körperspannung im Bereich des Rumpfes und der Beine sind bedeutsam, auch der Schweif, die Stellung der Ohren und die Mimik im Gesicht der Pferde sind aussagekräftig (z. B. die Falten und die Spannung an der Unterlippe, um die Nüstern, die Stirn und um die Augen). Einige Pferdehalter_innen lernen mit der Zeit, ihre Pferde zu lesen, und die wiederum lesen ihre Besitzer_innen, und so kann über die Beziehungsarbeit eine gute Kommunikation entstehen. Wenn auf die »Sprache« der Pferde geachtet wird und Pferden die Möglichkeit zur Kommunikation mit dem Menschen gegeben wird (will heißen, dass sie auch wahr- und ernstgenommen werden), dann kommunizieren sie auch und können sehr deutlich darstellen, was sie möchten und was nicht, was sie bei Menschen wahrnehmen und welchen Umgang sie pflegen wollen und welchen nicht. Dies gelingt insbesondere dann, wenn Menschen über eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren Pferden ein partnerschaftliches Miteinander gestalten, denn:

»[...] Das Pferd kann seine Kraft gezielt ›partnerschaftlich‹ oder entgegengeartet einsetzen und kann auf diese Weise punktgenau Wohlbefinden, Angst, Schmerz oder einen sich anbahnenden Bruch in der Partnerschaft anzeigen und Spannungen im Beziehungsdialog deutlich machen. [...] Das Pferd ist in der Lage, gegenseitige Zuneigung zwischen ihm und dem Menschen zu erkennen zu geben, sodass im emotionalen Bereich beim Menschen Bindungen wachsen können, die ihm eventuell wieder einen Weg zu echtem Vertrauen ebnen« (Kröger, Schulz &Baum 2005, S. 53).

Dies sind zwei besonders wichtige Voraussetzungen, die für den Umgang von Menschen mit Pferden grundsätzlich von Bedeutung sind. Pferde beeindrucken durch ihre Kraft und ihre Größe. Sie können sich sanft und zuvorkommend verhalten, sie spüren die Emotionen in jeder Situation punktgenau, sie sind präsent und fordern dieses Präsentsein auch vom Menschen. Eine ausgeprägte Konzentration auf die emotionalen Befindlichkeiten in einer Situation und das Präsentsein in der Wahrnehmung sind seitens der Menschen erforderlich, denn die Kraft des Fluchttiers Pferd sollte kontinuierlich mit Blick auf Wohlbefinden, Angst und Schmerz beobachtet werden, um vorausschauend zu handeln und Unfälle zu vermeiden. Diese Aspekte sorgen nicht nur für »Vor-Sicht« im Umgang mit dem Pferd, sondern diese Konzentration auf das Hier und Jetzt mit dem Pferd in der Situation sorgt in einer schnelllebigen und zunehmend digitalisierten Welt mit Multitasking-Anforderungen für eine gute Möglichkeit zur Entspannung. Der Kopf ist frei von Ablenkung, Körper, Geist und Seele sind im besten Falle gleichermaßen in der Situation.

Darüber hinaus bedeutet dies, dass über Zuneigung und den Ausdruck von zugeneigten Gefühlen eine Beziehung zum Pferd aufgebaut werden kann, die das Pferd auch anerkennt und widerspiegelt. Daraus kann ein vertraulicher Umgang mit dem Pferd und ein vertrauter Umgang mit einer/einem Pädagog_in/Therapeut_in entstehen, der zu einer Beziehungserfahrung wird und damit auch bei schwierigen Bindungserfahrungen und/oder unsicheren bzw. desorganisierten Bindungsmustern eine Chance für vertrauensvolle und verlässliche Erfahrungen bietet, die später vom Kontakt mit dem Pferd und der Fachkraft auf andere Menschen übertragen werden kann (Julius et al. 2014, S. 188 ff). Auf diese Weise sollte das Pferd als eigenständiges Wesen mit all seinen Fähigkeiten und Grenzen wahrgenommen werden und als Teil des Teams in der heilpädagogischen Arbeit anerkannt werden. Zum partnerschaftlichen Umgang im Kontext der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd werden später in diesem Buch noch weitere Ausführungen folgen.

Endnoten

2Zu finden unter https://www.fernsehserien.de/cloud/episodenguide/0/36817

3 Das Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten und andere Aus-‍, Fort- und Weiterbildungsstätten

Das Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten (DKThR) ist ein Fachverband, der in Deutschland agiert und mit internationalen Partner_innen kooperiert. Der Verband wird seitens der Bundesgeschäftsstelle mit Sitz in Warendorf (NRW) geleitet und setzt sich hauptsächlich für die Verbreitung des therapeutischen Reitens und die Qualifizierung von Fachpersonal ein. Das therapeutische Reiten umfasst die pferdgestützte Therapie und Förderung sowie den Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Das DKThR macht es sich zur Aufgabe, das therapeutische Reiten in Deutschland zu etablieren und die Qualität der Arbeit zu sichern. Der Fachverband wurde 1970 gegründet und versteht sich als Anlaufstelle für alle Belange, welche die pferdgestützte Therapie und Förderung sowie den Pferdesport für Menschen mit Behinderung betreffen. Das DKThR ist darüber hinaus ein großer Anbieter für die Fort- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich der pferdgestützten Therapie und Förderung sowie im Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Das Angebotsspektrum ist breit, u. a. führt das DKThR – wie oben bereits beschrieben – in Kooperation mit Berufsschulen in NRW die staatlich anerkannte Fortbildung zur »Staatlich geprüften Fachkraft für heilpädagogische Förderung mit dem Pferd« durch, die in den nachfolgenden Kapiteln genauer ausgeführt werden wird.

Es gibt unterschiedliche Qualifizierungen im Bereich des therapeutischen Reitens, die über das Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten angeboten werden (▸ Abb. 4, ▸ Kap. 7.1.1). Der Begriff »Therapeutisches Reiten« wird hier als »Oberbegriff« genutzt und umfasst laut DKThR die pferdgestützte Therapie und Förderung in den Fachbereichen Medizin, Psychotherapie, Psychologie und Pädagogik. Im Mittelpunkt der Arbeit aller Fachrichtungen steht immer der Bewegungsdialog und die Beziehungsgestaltung mit dem Pferd. Je nach Fachrichtungen, aus denen die Teilnehmer_innen mit ihrer beruflichen Ausbildung stammen (z. B. Soziale Arbeit, Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie), können sie eine Weiterbildung passend zum Grundberuf absolvieren. In den Arbeitsfeldern und Zielsetzungen, die der jeweiligen beruflichen Ausbildung entsprechen, werden sie ihre Arbeit mit dem Pferd und entsprechender Klientel bzw. mit entsprechenden Patient_innen ausführen. Einige Fort- und Weiterbildungen sind dann für mehrere Berufsgruppen möglich bzw. speisen sich auch in Bezug auf die Ziele und Inhalte aus mehreren Fachrichtungen. So gibt es die Fachrichtungen Psychologie und Pädagogik die Pferdgestützte Traumapädagogik, die Pferdgestützte Heilpädagogik und die Pferdgestützte Pädagogik. Die Traumapädagogik steht dann an der Schnittstelle der Psychologie zur Psychotherapie, wobei es seit dem Jahr 2020 eine spezielle Qualifizierungsmaßnahme für die Pferdgestützte Psychotherapie gibt, die ausschließlich von approbierten Psychotherapeut_innen absolviert werden kann. Darüber hinaus gibt es die Pferdgestützte Ergotherapie, die für eben diese Berufsgruppe konzipiert ist und sich auch an der Schnittstelle zur Medizin befindet. Für die Gesundheitsfachberufe wie die Ergotherapie und die Physiotherapie stellt die Medizin zunächst die grundlegende Fachrichtung dar. Es folgt die Pferdgestützte Physiotherapie bzw. Hippotherapie (DKThR 2023, S. 1). »Die Hippotherapie (DKThR)® (HT) ist eine physiotherapeutische Behandlungsmaßnahme auf neurophysiologischer Grundlage. Ziel ist die Verbesserung des Bewegungsablaufs durch ein optimales Zusammenspiel von zentralem sowie peripherem Nervensystem mit dem Stütz- und Bewegungsapparat. Sie wird von Physiotherapeuten/Ärzten mit der Zusatzqualifikation zum Hippotherapeuten (DKThR) auf Grund einer ärztlichen Verordnung durchgeführt (DKThR 2022)«. Für die Fachrichtung Sport gibt es dann die entsprechende Qualifizierung für den Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Auf der Internetseite des DKThR finden sich u. a. die Zielsetzungen des Fachverbandes, die Kooperationspartner_innen, zahlreiche Informationen zu den Fort- und Weiterbildungen, Veranstaltungen, Studien und Literatur (vgl. https://www.dkthr.de)

Die Suche im Internet zu verschiedenen Aus-‍, Fort- und Weiterbildungen im Bereich des therapeutischen Reitens ergibt sehr viel mehr Pferdehöfe und Einzelpersonen, die therapeutisches Reiten als praktizierende Personen anbieten, aber es gibt auch einige Akademien oder Ausbildungsstätten, die für diese Tätigkeiten qualifizieren. Eine umfassende Recherche dazu führt an dieser Stelle zu weit, zu nennen wäre hier beispielhaft das Institut für Therapeutisches Reiten (IPTh) mit Hauptsitz in Konstanz, welches im Jahr 2004 gegründet worden ist und Weiterbildungen an inzwischen sieben Standorten in Deutschland und einem Standort in der Schweiz anbietet (s. auch https://www.ipth.de/ueber-uns/standorte/). Das IPTh bildet für die Reittherapie, Reitpädagogik und Pferdgestützte Psychotherapie aus und bietet außerdem einen aufbauenden Bildungsgang für bereits vorgebildete Fachkräfte an (s. auch https://www.ipth.de/weiterbildungen/).

Darüber hinaus ist die Leiterin auch die Geschäftsführerin des GREAT (German Research Center for Equine Assisted Therapy), welches eine forschungsorientierte Einrichtung darstellt und eine Vernetzung von Wissenschaft und Praxis im Bereich pferdegestützter Interventionen fördert (s. auch https://www.great-horses.org/). In der Europäischen Union (EU) gibt es für diese Qualifizierungen in der pferdgestützten Therapie und Förderung keine einheitlichen rechtlichen Grundlagen bzw. unterliegen die Ausbildungsgänge keiner staatlichen Behörde, abgesehen von der oben bereits genannten Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd in Deutschland, die bislang ausschließlich in Nordrhein-Westfalen angeboten wird. Der Aufbaubildungsgang ist daher der einzige bundesweit, der mit einer staatlichen Anerkennung einhergeht und dürfte somit als vorbildlich für die Zukunft gelten können. Die anderen Akademien oder Ausbildungsinstitute stellen in der Regel ein Zertifikat nach Abschluss der Ausbildung aus, welches dann als Sachkundenachweis für die Ausübung der pferdgestützten Tätigkeit dienen kann. Die Akademien selbst sollten eine Genehmigung der jeweils zuständigen Behörde nach §11 des Tierschutzgesetzes nachweisen können.

Die Dauer und die Gestaltung der Weiterbildungen sind somit bundesweit sehr unterschiedlich, ebenso die jeweiligen Kosten. Da es keine einheitlichen Qualitätsstandards gibt, die national oder im Bereich der Europäischen Union gelten, wird nachfolgend der Versuch unternommen, unterschiedliche Standards dazu in den Blick zu nehmen.

4 Qualitätsstandards in der pferdgestützten Heilpädagogik, Förderung und Therapie – eine Einführung

Die Begriffe »Qualität« und »Qualitätsstandards« implizieren zunächst rechtliche Grundlagen für die Qualität einer Arbeit oder eines Produkts bzw. erinnern auch an den Begriff Qualitätsmanagement aus dem wirtschaftlichen Sektor, der u. a. Fragen von Effizienz und Effektivität einschließt. Im Bereich der tiergestützten Arbeit gehen die Grundlagen für eine qualitativ hochwertige Tätigkeit in so genannten »Richtlinien« oder »Leitlinien« gelegentlich durcheinander, weil sie sich auf unterschiedliche Settings bzw. Beteiligte beziehen oder eher die Voraussetzungen und strukturellen Merkmale festlegen. Die unterschiedlichen Richtlinien beziehen sich außerdem weniger auf pädagogische bzw. therapeutische Prozesse und Ergebnisse des therapeutischen Reitens, sondern vielmehr auf Mindeststandards für die Haltung und Ausbildung des Tieres sowie dessen Einsatz in sozialen Handlungsfeldern. Darüber hinaus beinhalten sie Vorgaben zum Tierschutz zu strukturellen Merkmalen wie z. B. die Umgebungsgestaltung und die Qualifikation der Fachkräfte. Dort werden z. B.

die beruflichen Voraussetzungen und Qualifikationen in Bezug auf die Fachkraft benannt oder

Kriterien für die angebotenen Bildungsgänge festgelegt oder

es wird auf die Bedeutung der Dokumentation des therapeutischen Reitens hingewiesen oder

es werden Dokumentationssysteme empfohlen bzw. vorausgesetzt.

Die grundlegende Frage, die sich zunächst mit dem Begriff der Qualität stellt, hat etwas mit der Güte einer Tätigkeit, einer Dienstleistung und/oder eines Produktes zu tun. Qualität umfasst also die Gütekriterien, die einem Mindestmaß der Standardisierung von Qualität genügen sollen:

»Wie gut ist die geleistete Arbeit? Was bedeutet ›gute‹ Arbeit für mich, für meine Kollegen/innen, die Einrichtung, den Träger der Einrichtung, den Berufsverband, den Kostenträger etc.? Wovon hängt diese ›gute‹ Arbeit ab? Wie können wir ›gute‹ Leistungserbringung kontinuierlich sichern und weiterentwickeln? Wer beurteilt ›gute Arbeit‹? Um diese Fragen zumindest ansatzweise beantworten zu können, soll [...] auch auf die Bedeutung von Konzeptentwicklung als Strategie hingewiesen werden und ein Schlaglicht auf die Qualitätssicherung und -entwicklung professioneller Arbeit gelegt werden« (Menke, Huck & Hagencord 2018, S. 217).

Ein Rahmenkonzept zur Qualität des therapeutischen Reitens, welches das Vorgehen mit Blick auf die Güte fokussiert, welches wissenschaftlich entwickelt und evaluiert ist, existiert derzeit in Deutschland nicht. Dazu müssten folgende Arbeitsschritte für die Konzeptentwicklung für die jeweiligen Berufsgruppen und Handlungsfelder des therapeutischen Reitens vorgenommen werden (Menke, Huck & Hagencord 2018, S. 218):

Bedarfsanalyse

Problemhintergrund (definierte Ausgangssituationen)

Zielsetzungen der unterschiedlichen Berufsgruppen und Zielgruppen

Leistungsbeschreibungen (Leistungsvereinbarung, wie ggf. das Verhältnis von Preis und Leistung)

Methodisches Vorgehen und Maßnahmen im Überblick (planerische Komponente)

Entwicklung

Implementation und Umsetzungsschritte in der Praxis

Evaluation der Ergebnisse.

Wie bereits in Bezug auf die Weiterbildung zum Pädagogik- und Therapiebegleithundeteam bzw. die hundgestützte Arbeit andernorts beschrieben, haben die Diskussionen um die Qualität und deren Darlegung bedeutsame Funktionen in der Professionalisierungsdebatte sozialer und gesundheitsbezogener Berufe:

»Die Debatte um Qualität und Konzeptentwicklung dient der Legitimation der Arbeit ›nach außen‹ und ›nach innen‹. Dabei zeigen die Diskussionen Spannungsfelder auf, wie z. B. professionelle Arbeit zwischen den Polen

professioneller Autonomie und Kontrolle von außen,

formalisierte Vorgehensweisen und professionsbezogene Sprache einerseits und ›Eigensinn‹ der Profession andererseits,

Professionalisierung (Selbstverständnis, Selbstvergewisserung, Transparenz, Maßstäbe, Standards) und Selbstkontrolle (versus Außenkontrolle),

berufsübergreifende Ebene wie Ökonomisierung und Finanzierung und wissenschaftlich basierter Tätigkeit sowie

Kostendämpfung im Gesundheits- und Sozialwesen durch Ressourcenabbau und zunehmender Bedarf an gesundheitsbezogener, pädagogischer und therapeutischer Methodenvielfalt« (Menke, Huck & Hagencord 2018, S. 218).

Nachfolgend werden in Kap. 4.1 einige Grundlagen zur Qualitätsentwicklung dargelegt. Daraufhin folgen Überlegungen für die Qualität von Weiterbildungen und eine Einordnung des Aufbaubildungsgang »Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd« in die Diskussion. Anschließend werden kritische Anmerkungen zu fehlenden rechtlichen Standards für die tiergestützte Arbeit insgesamt vorgetragen. Weiterhin werden vorhandene Institutionen und Strukturen mit Blick auf Zertifizierungen vorgestellt und fehlende rechtliche Vorgaben thematisiert. In Kapitel 4.2 (▸ Kap. 4.2) geht es dann um die Qualität hinsichtlich des Aufbaubildungsgangs »Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd«.

4.1 Qualität in der tiergestützten Arbeit

Mit Blick auf eine »gute« pädagogische, therapeutische und gesundheitsbezogene Dienstleistung sollten die zentralen klientenbezogenen, die organisations- und die fachbezogenen Aspekte benannt werden, die sich wiederum auf die Ebenen der Planung, Strukturen und Voraussetzungen, Durchführung und Prozesse sowie Evaluation beziehen. In der tiergestützten Arbeit kommt im Besonderen das Tier mit Blick auf den Tierschutz bzw. das Wohl der Tiere im partnerschaftlichen Umgang hinzu (TVT 2012). In den sozialen und gesundheitsbezogenen Handlungsfeldern herrschen unterschiedliche rechtliche Grundlagen und Qualitätsmanagementsysteme. Vor dem Hintergrund kennen die verschiedenen Berufsgruppen unterschiedliche Systeme aus den Einrichtungen, in denen sie tätig sind. Dabei kann Qualitätssicherung stärker ökonomisch geprägt sein, wie z. B. im Gesundheitswesen durch das SGB V (Sozialgesetzbuch V) oder in der Altenhilfe und Pflege durch das SGB XI (Sozialgesetzbuch XI). Rechtliche Grundlagen zur Qualität werden aber z. B. auch durch § 78 SGB VIII Jugendhilfe und Personal- und Organisationsentwicklung oder die Qualitätsprüfung im Bereich der Altenpflege, z. B. im SGB XI durch Prüfungen des MDK (Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen), gekennzeichnet (Rosenbrock &Gerlinger 2006).

Planungs-‍, Struktur-‍, Prozess- und Ergebnisqualität beziehen sich auf ein althergebrachtes Modell von A. Donabidian, welches bereits in den 1960er Jahren in den medizinischen und pflegerischen Bereich eingeführt worden ist (Badura & Siegrist 1999). Die Qualitätskriterien für die Planung sind allerdings als vierte Dimension erst später hinzugekommen. Wohlfahrt und Mutschler (2007) übertragen die Kennzeichen der Qualitätsdimensionen auf die tiergestützten Interventionen. Sie werden dazu noch um das Management von Risiken und die Verhütung von Unfällen ergänzt (Wohlfahrt, Mutschler & Bitzer 2013, S. 10 – 15). Dabei beinhalten einige Kriterien auch die Arbeitsschritte, die für die oben genannte Entwicklung eines Rahmenkonzeptes gefordert werden. So bezieht sich die Qualität und die Planung von tiergestützter Heilpädagogik und Therapie in eben dieser Planungsphase auf die Bedarfsanalyse, die Aushandlung des Auftrags, die Bedürfnisse und Bedarfe der Zielgruppe bzw. Zielperson‍(en), die Formulierung von (Förder-)‌Zielen und die Maßnahmenplanung sowie die Evidenzbasierung professionellen Handelns im Sinne einer wissenschaftlich fundierten, theoriegestützten Planung und darüber hinaus der Einbeziehung vorhandener Projekterfahrungen (vgl. Wohlfahrt & Mutschler 2013, S. 199 ff):

Kriterien der Strukturqualität können mithilfe folgender Fragen entwickelt werden: Sind organisatorische und institutionelle Rahmenbedingungen angemessen? Sind die personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen angemessen? Gibt es eindeutige Aufgabenzuordnungen und Verantwortlichkeiten? Wie gestalten sich die beruflichen und technischen Voraussetzungen? Wie genau soll die Umgebung gestaltet werden? Welche Materialien sind erforderlich? Welche rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen sind für die tiergestützten Interventionen vorhanden, wenn diese in die konzeptionellen und methodischen Grundlagen eines Qualitätskonzeptes eingebettet werden?

Typische Fragen für die Entwicklung von Kriterien für die Prozessqualität wären z. B. folgende: Wird das Vorgehen wie geplant umgesetzt? Wie gelingt die Verfolgung der Ziele mit Blick auf die Klientel und mit Blick auf das Pferd? Welche Probleme gibt es mit der Kommunikation oder dem Informationsfluss? Welche Hindernisse bzw. Schwierigkeiten lassen sich identifizieren? Welche förderlichen Bedingungen sind vorhanden? Wie gestaltet sich die Klientenorientierung? Welche Maßnahmen erfolgen zum Schutze des Tieres und der Klientel? Wie gestaltet sich das Hygienekonzept? Wie gestalten sich die Maßnahmen und Projekte in der Durchführung und wie gestaltet sich die Koordinierung?

Die Kriterien für die Ergebnisqualität beziehen sich dann auf die Frage, ob mit der Intervention (bzw. den konkreten Methoden) auch das erreicht wurde, was in der Planung angestrebt worden ist. Dazu verdeutlicht die Evaluation die Ziele der Maßnahmen im Verhältnis zu den Ergebnissen, die den tiergestützten Interventionen zuzuordnen sind. Somit stellt die Ergebnisqualität einen SOLL/IST-Vergleich dar und bezieht die Beschreibung Bedarfsanalyse, die Veränderungen hinsichtlich der Förderbedarfe, des Gesundheitszustandes, der persönlichen Ressourcen, der Persönlichkeitsentwicklung, der Lern- und Alltagskompetenzen, der Lebensqualität und der Lebensgestaltungskompetenzen etc. ein (a. a. O., S. 200, zit. nach Menke, Huck & Hagencord 2018, S. 219 – 220).

Je nach Handlungsfeld sind grundsätzlich für tiergestützte Interventionen die entsprechenden rechtlichen Grundlagen zu berücksichtigen. Diese sind in der Entwicklung eines Rahmenkonzeptes für Qualitätsstandards und für das therapeutische Reiten insgesamt bedeutsam. Dazu zählen u. a. Tierschutzgesetz, Datenschutz, Versicherungsschutz, Aufsichtspflicht, Straßenverkehrsordnung, Heilpraktikergesetz, Arbeitsschutzgesetz, Infektionsschutzgesetz (vor allem Hygieneplan), Biostoffverordnung, Gefahrstoffverordnung (Reinigungs- und Desinfektionsmittel) (Wohlfahrt & Mutschler 2017, S. 204 – 206). Je nach Handlungsfeld und Einrichtung sind ggf. weitere rechtliche Grundlagen zu beachten (s. weiter unten in diesem Kapitel z. B. die Anforderungen an die Praxiseinrichtungen).

Wenn nun Qualitätskriterien in entsprechende Standards überführt werden und diese sich in ein Konzept zur Qualitätssicherung integrieren sollen, dann ist eine Überprüfung der entsprechenden Kriterien durch Fachleute erforderlich, die im Sinne einer Evaluation die Planung, Durchführung und Ergebnisse bewertet. Eine interne Kontrolle und eine externe Qualitätsprüfung würden dann helfen, die Qualität kritisch zu betrachten und sie bei Bedarf im Sinne einer »Lernspirale im Prozess« zu verbessern. Diese Qualitätsentwicklung und -kontrolle sollte eine gemeinschaftliche Aufgabe von Wissenschaft und Praxis darstellen.

In den Handlungsfeldern der tiergestützten Tätigkeiten verbindet sich die Qualität der strukturellen Voraussetzungen, der Umgebung und der professionellen Handlungen mit dem Wohl der Tiere und mit dem Erfolg bzw. der Zielerreichung für die Klient_innen auf der Basis der Professionalität der Fachkräfte. Um die Entwicklung dieser Tätigkeiten vor dem Hintergrund von qualitativen Überlegungen zu begreifen, soll zunächst auf ausgewählte Organisationen hingewiesen werden, die sich für die tiergestützte Arbeit mit mehreren bzw. unterschiedlichen Tierarten einsetzen und Standards bzw. Leitlinien für die tiergestützten Interventionen aufgestellt haben.

In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich auf internationaler und nationaler Ebene mehrere Organisationen und Verbände für die tiergestützte Arbeit stark gemacht. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde in Toronto (Kanada) die »International Association of Human-Animal Interaction Organizations (IAHAIO)« gegründet. Frei übersetzt ist das der internationale Verband für Organisationen, die sich mit Mensch-Tier-Interaktionen beschäftigen. Dieser Verband umfasst an die einhundert Mitgliedsorganisationen weltweit und steht für die Förderung und Mitentwicklung von Mensch-Tier-Interaktionen in Forschung und Praxis. »Im deutschen Sprachraum sind die beiden Institute für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT-Österreich, IEMT-Schweiz) und der Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft (Deutschland) Gründungsmitglieder der IAHAIO« (Beetz, Riedel & Wohlfahrt 2021, S. 15).