Pflegewissenschaft 2 -  - E-Book

Pflegewissenschaft 2 E-Book

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Beschreibung

Die lehr- und forschungserfahrenen Herausgeber_innen und Mitautor_innen des Lehrbuchs für Pflegeforschung orientieren über die Pflegeforschung, den Forschungsbegriff, die Aufgaben und den Gegenstand der Pflegeforschung sowie die Phasen des Forschungsprozesses führen in wissenschaftstheoretische Positionen ein und diskutieren Designs und Methoden der Pflegeforschung reduzieren die Komplexität konkurrierender Ansätze durch exemplarische Methodenauswahl geben einen Einblick in das natur- und sozialwissenschaftliche Methodenspektrum sowie den Methodenmix der Pflegeforschung erläutern die Grundlagen, Werkzeuge, Formen und Suchtechniken der Literaturrecherche und zeigen Recherchetechniken am Beispiel von PubMed vergleichen und stellen qualitative, quantitative und spezielle Forschungsdesigns mit ihren Differenzierungen vor stellen verschiedene Erhebungsmethoden vor und vermitteln welche Gütekriterien zur Bewertung von Datenerhebungsmethoden gelten leiten zur kritischen Analyse, Recherche, Rezeption und Anwendung von quantitativen und qualitativen Studien und ausgewählten Methoden an vermitteln Kenntnisse und Fähigkeiten zur Forschungsethik erleichtern das selbstgesteuerte Lernen durch Übungsbeispiele, Lesetipps, weiterführende Literaturangaben und Glossarbegriffe fördern den Umgang mit englischsprachiger Literatur und erleichtern den Zugang zu pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen. Für die 4. Auflage wurde der Text vollständig überarbeitet, um aktuelle methodische Entwicklungen, Literatur und Lesetipps ergänzt und erweitert.

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Hermann Brandenburg

Eva-Maria Panfil

Herbert Mayer

Berta Schrems

(Hrsg.)

Pflegewissenschaft 2

Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Methoden der Pflegeforschung

4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

unter Mitarbeit von

Katrin Balzer

Sabine Bartholomeyczik

Christian Conrad

André Fringer

Elke Hausner

Daniela Holle

Susanne Kean

Sascha Köpke

Alexandra Manzei-Gorsky

Rahel Naef

Tina Quasdorf

Jörg große Schlarmann

Michael Simon

Erika Sirsch

Pflegewissenschaft 2

Hermann Brandenburg, Eva-Maria Panfil, Herbert Mayer, Berta Schrems (Herausgeber)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

André Fringer, Winterthur; Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Angelika Zegelin, Dortmund

Prof. Dr. phil. Hermann Brandenburg (Hrsg.). Prof. Dr. phil., Vinzenz Pallotti University Vallendar, Pflegewissenschaftliche Fakultät, Prodekan, Lehrstuhl für Gerontologische Pflege

E-Mail: [email protected]

Eva-Maria Panfil (Hrsg.). Dr., M. A., RN, Universitätsspital Basel

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Herbert Mayer (Hrsg.). Prof. Dr., EUFH – Hochschule für Gesundheit, Soziales & Pädagogik und Universität Witten/Herdecke

E-Mail: [email protected]

Berta Schrems (Hrsg.). Mag. Dr., M. A. (Hrsg.), Privatdozentin der Universität Wien, Institut für Pflegewissenschaft

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z.Hd. Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Martina Kasper, Rita Madathipurath

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/Cavan Images

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

© 2007/2013/2018 Hogrefe AG, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96225-2)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76225-8)

ISBN 978-3-456-86225-5

https://doi.org/10.1024/86225-000

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort zur 4. Auflage

Einleitung

1 Wissenschaftstheoretische Positionen, Designs und Methoden in der PflegeforschungHermann Brandenburg und Berta Schrems

1.1 Vorbemerkungen: Paradigmen in der Pflegewissenschaft

1.2 Wissenschaftstheoretische Positionen

1.3 Designs

1.4 Forschungsmethoden

1.5 Literatur

2 Forschung und ForschungsprozessEva-Maria Panfil

2.1 Pflegewissenschaft und Pflegeforschung

2.1.1 Aufgaben der Pflegeforschung

2.1.2 Gegenstandsbereiche der Pflegeforschung

2.2 Der Forschungsprozess

2.2.1 Die theoretische Phase

2.2.2 Die Datenerhebungsphase

2.2.3 Die Datenauswertungsphase

2.2.4 Die Abschlussphase

2.3 Wissenschaftliches Forschen

2.4 Literatur

3 Die Grundlagen der LiteraturrechercheElke Hausner, Michael Simon

3.1 Die Literaturrecherche

3.2 Der Recherche-Werkzeugkasten

3.2.1 Das Internet oder die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

3.2.2 Datenbanken PubMed & Co.

3.2.3 Spezielle Suchtechniken elektronisch und „per Hand“

3.2.4 Einfach fragen, wer sich damit auskennt: Expertinnen und Experten

3.2.5 Volltextbeschaffung: Nichts geht ohne die Bibliothek Ihres Vertrauens

3.3 Orientierende versus systematische Literaturrecherche

3.3.1 Orientierende Recherchen

3.3.2 Systematische Recherchen

3.4 Recherchetechnik am Beispiel von PubMed

3.4.1 Datenbankstruktur und Recherchesyntax

3.4.2 Bibliografische Angaben

3.4.3 Schlagwörter

3.4.4 Freitext-Elemente

3.4.5 Die Boole’schen Operatoren AND, OR, NOT

3.4.6 Erweiterte Suchfunktionen

3.4.7 Was bei PubMed im Hintergrund abläuft

3.4.8 Personalisierung

3.5 Entwicklung einer systematischen Literaturrecherche

3.6 Literatur

4 Qualitative DesignsAndré Fringer und Berta Schrems

4.1 Grundlagen und Rahmenbedingungen

4.1.1 Logik und Begrifflichkeiten

4.1.2 Qualitative Forschung im Überblick

4.1.3 Qualitative Forschung im internationalen Kontext

4.1.4 Qualitative Forschung und Pflegewissenschaft

4.1.5 Qualitative Forschung und der Forschungsprozess

4.2 Übersicht und Vergleich qualitativer Designs

4.2.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede

4.2.2 Ethnografie

4.2.3 Case Study Research

4.2.4 Grounded Theory

4.2.5 Phänomenologie

4.2.6 Qualitatives deskriptives Studiendesign

4.2.7 Triangulation

4.2.8 Weitere Designs und Zusammenfassung

4.3 Literatur

5 Quantitative DesignsEva-Maria Panfil und Herbert Mayer

5.1 Grundlegende Aspekte zum Verständnis quantitativer Designs

5.1.1 Variablen

5.1.2 Skalenniveau

5.1.3 Wahrscheinlichkeit

5.1.4 Bias, Kontrolle & Confounder

5.1.5 Hypothesen

5.2 Formen von quantitativen Designs

5.2.1 Fünf bzw. zwei Typen quantitativer Designs

5.2.2 Zeitdimensionen von quantitativen Designs

5.3 Deskriptives quantitatives Design

5.4 Komparatives Design

5.5 Korrelationelles Design

5.6 Experimentelle und quasi-experimentelle Designs

5.6.1 Kriterien von Experimenten und Quasi-Experimenten

5.6.2 Unizentrische und multizentrische Studien

5.6.3 Fehlerquellen in (quasi-)experimentellen Studien

5.6.4 Kausale Aussagefähigkeit von Forschungsdesigns

5.7 Literatur

6 Spezielle DesignsTina Quasdorf, Daniela Holle und Eva-Maria Panfil

6.1 Mixed-Methods-ForschungsdesignsTina Quasdorf und Daniela Holle

6.1.1 Notwendigkeit von Mixed Methods für die Pflegewissenschaft

6.1.2 Grundlegende Entscheidungen zur Auswahl eines Mixed-Methods-Designs

6.1.3 Klassifikation von Mixed-Methods-Designs

6.1.3.1 Basis Mixed Methods-Designs

6.1.3.2 Erweiterte Mixed Methods-Designs

6.1.4 Schlussfolgerung

6.2 Literaturübersichten – Literature ReviewsEva-Maria Panfil

6.2.1 Erstellung von Reviews

6.2.2 Typen von Reviews

6.2.2.1 Review-Familien: Unterscheidung nach der Art der Literatursuche

6.2.2.2 Typologie basierend auf formalen Dimensionen

6.2.2.3 Typologie basierend auf dem Beitrag zur Theorie- und Wissensbildung

6.2.3 Ausgewählte Review-Typen

6.2.3.1 Narrative Reviews

6.2.3.2 Scoping Review

6.2.3.3 Mapping Review

6.2.3.4 Systematische Reviews

6.2.3.5 Meta-Analysen

6.2.3.6 Meta-Synthesen

6.2.3.7 Das Neueste: Rapid-Reviews

6.3 Literatur

7 ErhebungsmethodenHerbert Mayer, Eva-Maria Panfil und Hermann Brandenburg

7.1 Methoden können viel, aber nicht alles

7.2 Verschiedene Erhebungsmethoden

7.2.1 Physiologische Messungen

7.2.2 Beobachtung

7.2.3 Befragung

7.3 Datenerhebungsmethoden in qualitativen und quantitativen Designs

7.4 Literatur

8 Gütekriterien von DatenerhebungsmethodenHerbert Mayer, Eva-Maria Panfil, Andrè Fringer und Berta Schrems

8.1 Gütekriterien bei quantitativen Erhebungen

8.1.1 Messen

8.1.2 Die „Güte“ von Messinstrumenten

8.1.2.1 Reliabilität von Assessmentinstrumenten

8.1.2.2 Validität von Assessmentinstrumenten

8.1.2.3 Praktikabilität von Assessmentinstrumenten

8.1.2.4 Zusammenfassung zu Reliabilität und Validität

8.1.3 Sensitivität und Spezifität

8.2 Gütekriterien bei qualitativen Erhebungen

8.2.1 Gütekriterien in der qualitativen Forschung

8.2.2 Zusammenfassung

8.3 Literatur

9 Stichprobenauswahl und StichprobengrößeHerbert Mayer und Jörg große Schlarmann

9.1 Grundgesamtheit und Stichprobe

9.2 Stichprobenauswahl

9.2.1 Zufallsauswahl bzw. zufällige Zuordnung

9.2.2 Gesteuerte oder bewusste Auswahlverfahren

9.3 Systematische Fehler in der Stichprobenziehung und deren Konsequenzen

9.4 Stichprobengröße

9.5 Literatur

10 Qualitative DatenanalyseAndré Fringer und Berta Schrems

10.1 Hintergrund und Grundlagen

10.1.1 Grundlagen und Logik

10.1.2 Die Triade „Induktion – Abduktion – Deduktion“

10.1.3 Die Logik inhaltsanalytischer Ansätze

10.1.4 Die Logik des Codierens (Coding) und von Codes

10.2 Ausgewählte Verfahren

10.2.1 Qualitative Inhaltsanalyse

10.2.2 Thematische Analyse

10.2.3 Codieren als Methode

10.2.4 Die Datenanalyse der Grounded Theory

10.2.5 Datenanalyse und Phänomenologie

10.2.6 Analyse von Videoaufzeichnungen

10.2.7 Transformation qualitativer oder quantitativer Daten

10.2.8 Zusammenfassung und Fazit

10.3 Literatur

11 Quantitative AnalyseHerbert Mayer, Jörg große Schlarmann und Christian Conrad

11.1 Grundlagen

11.2 Beschreibende Statistik

11.2.1 Ordnen der Daten

11.2.2 Zusammenfassen der Daten

11.2.3 Zusammenhänge zeigen

11.3 Schließende Statistik

11.3.1 Konfidenzgrenzen

11.3.2 Das Grundprinzip statistischer Tests

11.3.3 Fallzahlschätzung (Poweranalyse)

11.3.4 Ein- und zweiseitige Tests

11.3.5 Multiples Testen

11.3.6 Spezielle Testverfahren

11.3.7 Effektstärke

11.3.8 Epidemiologische Maßzahlen

11.3.9 Zusammenfassung

11.4 Literatur

12 PflegeforschungsethikSabine Bartholomeyczik und Berta Schrems

12.1 Einführung

12.1.1 Definition

12.1.2 Historische Eckpunkte zur Forschungsethik im Gesundheitswesen

12.1.3 Die drei Grundprinzipien einer Forschungsethik: der Belmont Report

12.1.4 Vulnerabilität

12.2 Ethische Anforderungen an die Planung und Durchführung von Studien im Einzelnen

12.2.1 Wert der Studie für die Gesellschaft (social value)

12.2.2 Anwendung wissenschaftlich anerkannter Regeln (scientific validity)

12.2.3 Gerechte Auswahl der Studienteilnehmenden (fair participant selection)

12.2.4 Positives Nutzen-Risiko-Verhältnis (favorable risk-benefit ratio)

12.2.5 Unabhängige Begutachtung (independent review)

12.2.6 Informierte Einwilligung (informed consent)

12.2.7 Respekt vor den Studienteilnehmenden (respect for partcipants)

12.3 Datenschutz und Anonymität

12.4 Ethikvotum durch eine unabhängige Ethikkommission

12.4.1 Deutschland

12.4.2 Österreich

12.4.3 Schweiz

12.5 Literatur

13 Analyse von ForschungsstudienEva-Maria Panfil

13.1 Gründe für das kritische Lesen von Studien

13.1.1 Peer-review-Verfahren

13.1.2 Publikationsstandards

13.1.3 Der Impact Factor

13.2 Kritische Analyse und Bewertung von Studien

13.2.1 Designvalidität

13.2.2 Nachvollziehbarkeit

13.2.3 Replizierbarkeit

13.3 Fünf goldene Regeln für die kritische Analyse von Forschungsberichten

13.4 Kriterien zur Analyse und Bewertung von Studien

13.4.1 Allgemeine Kriterien

13.4.2 Spezifika für ausgewählte Designs

13.5 Literatur

14 Analyse qualitativer StudienHermann Brandenburg (mit Beiträgen von Rahel Naef, Alexandra Manzei und Susanne Kean)

14.1 Das Beispiel der qualitativen InhaltsanalyseRahel Naef

14.2 Das Beispiel der DiskursanalyseAlexandra Manzei

14.3 Das Beispiel der Grounded TheorySusanne Kean

14.4 Literatur

15 Analyse quantitativer StudienEva-Maria Panfil (mit Beiträgen von Erika Sirsch, Katrin Balzer und Sascha Köpke)

15.1 Beispiel einer KorrelationsstudieErika Sirsch

15.2 Beispiel eines quasi-experimentellen DesignsKatrin Balzer

15.3 Beispiel eines systematischen ReviewsSascha Köpke

15.4 Literatur zu Kapitel 15.2

16 Pflegewissenschaft zwischen ​Theorie und PraxisHermann Brandenburg

16.1 Der Beitrag der Pflegewissenschaft zur Praxis

16.2 Das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Pflegewissenschaft

16.3 Ein Modell zur Umsetzung evidenzbasierten Wissens in der Pflege

16.4 Evidenzbasierte Praxisrichtlinien – eine Möglichkeit der Nutzung von Forschungsbefunden für die Pflege

16.5 Praxisentwicklung – Bausteine und Erkenntnisse

16.6 Zusammenfassung

16.7 Literatur

Anhang

Glossar

Lösungen der Aufgaben

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|13|Geleitwort zur 4. Auflage

Das Lehrbuch Pflegewissenschaft entwickelt sich mit beachtlicher Konstanz weiter. Davon zeugt die 4. Auflage.

Ich beleuchte drei Diskurse, die mir angesichts der letzten rund drei Jahrzehnte Entwicklung der Pflegewissenschaft und der damit einhergehenden Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum besonders wichtig erscheinen: a) die Etablierung der akademischen Laufbahn vom Bachelor- über die Master- und Doktoratsstufe bis hin zur Habilitation, b) die wachsende Bedeutung der Forschungsethik sowie c) Forschungskompetenzen in der klinischen Pflegepraxis.

Der stufenweise Aufbau der Forschungskompetenz in Bachelor-, Master- und Doktoratsstudiengängen bis hin zur Lehrbefugnis an Universitäten mit der Habilitation ist inzwischen etabliert. Der Weg dahin war allerdings nicht linear. In der Schweiz beispielsweise war ein pflegewissenschaftliches Masterstudium in den 1990er Jahren in Kooperation mit der Universität Maastricht möglich. Das Pflegestudium zum berufsbefähigenden Bachelorabschluss startete an der ersten Fachhochschule hingegen erst im Jahr 2005. Diese kuriose Historie der pflegewissenschaftlichen Ausbildung erschwerte den Konsens für einen Ausbildungsstandard zur Forschungskompetenz. Lehrbücher wie „Pflegewissenschaft 2“ tragen zur Klärung dieser Ausbildungsstandards bei. Das Werk ist für die Bachelorstufe besonders gut geeignet. Es bringt angehenden Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler die konzeptionellen und theoretischen Hintergründe, den Forschungszyklus einschließlich der Literaturrecherche sowie der Datenerhebung und -analyse näher. Auf Masterstufe dient es der Aktualisierung von Forschungswissen, insbesondere wenn der Konsekutivmaster nicht unmittelbar an das Bachelorstudium anschließt. Dazu sind v. a. die eingestreuten Aufgaben mit Lösungen hilfreich. Für Master- und v. a. Doktoratsstudiengängen finden sich zusätzlich Hinweise zu Handbüchern zu ausgewählten Forschungsdesigns und -methoden.

Kenntnisse und Fähigkeiten zu Forschungsethik sind zentral, um ein empirisches Projekt mit Menschen durchführen und die regulatorischen Prozesse zügig durchlaufen zu können. Beratende Instanzen von Ethikkommissionen sind – soweit vorhanden und eingespielt – eine wichtige Anlauf- und Schaltstelle für Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler. Die Forschungsfragen und -methoden von pflegewissenschaftlichen Vorhaben sind bei manchen Ethikkommissionen angesichts der überwiegenden Anzahl von humanmedizinischen und pharmazeutischen Forschungsanträgen oft noch wenig geläufig. Entsprechend müssen pflegewissenschaftlich Forschende mit den Gremien so gut kommunizieren, dass ihre |14|Anträge nach und nach im forschungsethischen Mainstream ankommen. Lehrbücher wie das vorliegende Werk vermitteln dazu wichtige Kenntnisse. Exemplarisch dienen regionale oder nationale Anforderungen als Anschauungsbeispiele, nach welchem Standard Projekte forschungsethisch beurteilt werden.

Schließlich interessiert der wachsende Diskurs zur Forschungskompetenz bei vorwiegend klinisch tätigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern. Auf Bachelorstufe besteht weitgehend Konsens, dass Forschungskompetenz v. a. der Forschungsanwendung dient. Somit erreicht (inter-)national verfügbares Know-how durch Bachelorabsolventinnen und Bachelorabsolventen die Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, aber auch Teamkolleginnen und Teamkollegen ohne Hochschulabschluss. Auf Masterstufe differenzieren sich seit einigen Jahren im deutschsprachigen Raum die curricularen Schwerpunkte aus, analog den internationalen Erfahrungen: Für die forschende Tätigkeit, oft mit dem Ziel eines Doktorats verbunden, bereitet ein Masterstudiengang mit empirischem Schwerpunkt vor. Dazu führen die Studierenden in aller Regel ein empirisches Forschungsprojekt durch. Auch für Stabs- oder Managementfunktionen, in denen zunehmend Kompetenzen der Datenanalyse nötig sind, bietet sich ein solcher Schwerpunkt an. Wer sich hingegen auf die Berufstätigkeit der fortgeschrittenen Pflegepraxis (Advanced Nursing Practice) vorbereiten möchte, braucht intensives klinisches Training, um Routine und Sicherheit für die nachfolgende Berufsausübung zu erlangen. Entsprechend treten Kompetenzen für die Durchführung von Forschungsprojekten in den Hintergrund. Forschungskompetenzen sind aber soweit nötig, um als Masterabsolventin oder Masterabsolvent Sparringpartner für empirisch Forschende sein zu können, wenn Forschungsfragen und –designs mit Blick auf Patientinnen-/Patienten- oder Angehörigenthemen entwickelt werden. Wer sich nach dem Masterabschluss für die jeweils andere Funktion interessiert, kann sich durch postgraduale Weiterbildungen darauf vorbereiten.

Angesichts dieser drei Entwicklungslinien dürfte die 4. Auflage von „Pflegewissenschaft 2“ nicht die letzte sein. Es braucht auch zukünftig Aktualisierungen entlang der Forschungsevolution von Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum.

PD Dr. Iren Bischofberger, Aarau

Frühsommer 2022

|15|Einleitung

Der vorliegende Band Pflegewissenschaft 2 konzentriert sich im Rahmen der dreiteiligen Buchreihe „Pflegewissenschaft“ auf forschungsmethodische Aspekte, die für die Pflegewissenschaft von Bedeutung sind.

Gegenstand zahlreicher Diskussionen zwischen den Hauptautoren und -autorinnen war die Frage, welchen Fokus unser Werk haben soll: Soll es Beginnenden als Einführung zum Forschen dienen? Oder liegt sein primärer Zweck darin, Forschung zu verstehen? Wir haben uns für Letzteres entschieden, da eine forschungsbasierte Praxis oft gerade wegen mangelhaft durchgeführter Studien nicht möglich ist. Ziel der Ausbildung sollte deswegen zunächst das Kennen und Verstehen von Forschung und Forschungsprozess sein, damit in erster Linie die kritische Analyse von Studien praktiziert werden kann. Das Buch bietet dazu eine Basis, die dann über andere Werke im Rahmen der evidenzbasierten Praxis ausgebaut werden kann. Das eigenständige Durchführen von methodisch adäquater Forschung ist nicht Ziel dieses Buches. Dazu hilft jedoch die Erfahrung, die bei der Studienanalyse gewonnen wurde. Beim kritischen Lesen entsprechender Forschungsarbeiten sind bestimmte Kriterien zu beachten. Wir praktizieren die Anwendung dieser Kriterien an deutschsprachigen Beispielen. Damit zeigen wir auch eine klassische Form des wissenschaftlichen Dialogs und der Qualitätssicherung, das sogenannte Peer-Review, das heißt die kritische Begutachtung von Studien durch Expertinnen und Experten des Faches.

Es ist ein Buch zur Einführung in die Methodendiskussion und zur praktischen Anwendung ausgewählter Methoden. Dabei sind -folgenden Aspekte für die Position der Verantwortlichen leitend:

Wir sind der Auffassung, dass für die pflegewissenschaftliche Forschung das gesamte Methodenspektrum der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften verfügbar sein muss.

Wir möchten zeigen, dass der Streit zwischen „qualitativ“ und „quantitativ“ überholt ist und dass sich die Methoden der beiden Ansätze zum Verstehen sozialer Phänomene ergänzen und nicht konkurrieren. Für die Beurteilung der Qualität des Erkenntnisgewinns sind letztlich andere Kriterien wichtig. Diese werden im Buch vorgestellt und ausführlich an Beispielen erläutert.

Wir werden keinen der bekannten „Methodenklassiker“ ersetzen. Das gilt für beide der oben genannten Forschungszugänge. Wer sich mit Methoden und Methodologie beschäftigt, der findet hier „nur“ eine Einführung. Es bleibt notwendig, auf das eine oder andere weiterführende Buch zurückgreifen zu müssen. Kein Band kann alle Geheimnisse der Forschung lüften! Wohl wissend, dass in der Forschung eher ein „Jein“ als ein eindeutiges „Ja“ oder „Nein“ gilt, wollen wir für Forschungsanfängerinnen und -anfänger |16|eine erste Orientierung im Sinne eines advanced organizers bieten.

Weiterhin möchten wir zur kritischen Anwendung von Methoden anregen. Dazu dienen Übungsbeispiele, Lesetipps, weiterführende Literaturangaben und das Glossar. Wir folgen damit dem didaktischen Anspruch des ersten Lehrbuchs.

Ebenfalls ist eines der erklärten Anliegen dieses Textes, die Leserinnen und Leser für einen selbstverständlichen Umgang mit englischsprachiger Literatur und den Einbezug der „Welt“ der (pflege)wissenschaftlichen Erkenntnisse zu sensibilisieren. Wenn „professionelle Pflege(wissenschaft)“ mehr als nur ein Lippenbekenntnis sein soll, dann kann sie sich nicht nur auf deutschsprachige Publikationen beschränken. Aus diesem Grunde wird auch immer wieder auf internationale Literatur verwiesen.

Für die 4. Auflage von Pflegewissenschaft 2 wurde der Text vollständig durchgesehen, um aktuelle methodische Entwicklungen, Literatur und Lesetipps ergänzt bzw. aktualisiert. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihr Engagement in der Sache.

Pflegewissenschaft 2 ist eine Arbeit, die hoffentlich nie endgültig abgeschlossen sein wird. Gerade in der Pflegewissenschaft gibt es ständig Änderungen, auch im methodischen Feld. Ein Buch lebt von Verbesserungen. Daher freuen wir uns auf Anregungen, die wir gerne für die weiteren Auflagen aufnehmen.

Hermann Brandenburg, Eva-Maria Panfil, Herbert Mayer, Berta Schrems

Vallendar, Heitersheim, Rheine, Wien, im Sommer 2022

|17|1  Wissenschaftstheoretische Positionen, Designs und Methoden in der Pflegeforschung

Hermann Brandenburg und Berta Schrems

Dieses Kapitel setzt an den Ausführungen zum Paradigmenbegriff und zu den wissenschaftstheoretischen Positionen von Pflegewissenschaft 1 an und führt diese Diskussion weiter (Brandenburg & Dorschner, 2021). Zu klären ist, wie die Begriffe „Wissenschaftstheoretische Positionen“, „Designs“ und „Methoden“ zusammenhängen bzw. wo sie voneinander abgegrenzt werden können. Dies ist deshalb bedeutsam, weil mit wissenschaftstheoretischen Positionen Implikationen über bestimmte Designs verbunden sind. Diese wiederum legen die Anwendung bestimmter Methoden zur Erhebung von Daten bzw. deren Auswertung nahe. Anders formuliert: Weil das Nachdenken über die Wissenschaft im Allgemeinen die Grundlage für wissenschaftliches Handeln im Besonderen darstellt, ist es wesentlich, die jeweilige Funktion und das Zusammenwirken der drei Ebenen im Wissenschaftsprozess zu kennen. Darum plädieren wir dafür, diese Ebenen analytisch auseinanderzuhalten, sonst sind Begriffsverwirrung und Unverständnis vorprogrammiert.

Die erste Ebene betrifft die grundlegenden Einstellungen zur Aufgabe und Vorgehensweise von Wissenschaft und Forschung1 (wissenschaftstheoretische Positionen). Beispiele hierfür sind der Kritische Rationalismus, die Kritische Theorie, die Phänomenologie, der (Radikale) Konstruktivismus sowie der Poststrukturalismus (Brandenburg & Dorschner, 2021). Die genannten Positionen beinhalten erkenntnistheoretische Aussagen und unterscheiden sich zum Teil grundsätzlich in Rolle und Funktion, welche der Wissenschaft in der modernen Welt zugeschrieben werden. Sie sind eng verbunden mit Überlegungen zur Forschungslogik und münden letztlich in eine „Theorie der Methoden“ (Methodologie).

Beispiel 1-1

Die „Grounded Theory“ kann im weitesten Sinne als ein „konstruktivistisches Verfahren“ angesehen werden und ist in ihrer handlungstheoretischen Fundierung sehr stark im amerikanischen Pragmatismus verwurzelt.

Die zweite Ebene ist die der Designs (vgl. Kap. 4, 5 und 6). Es geht hier um die Entwicklung eines für die Untersuchung einer bestimmten Fragestellung geeigneten Forschungskonzepts (Design). Das Design hängt natürlich von wissenschaftstheoretischen Grundsatzentscheidungen ab, das heißt, es wird auch von der Methodologie beeinflusst. Wer von einer von unserem Bewusstsein getrennten und empirisch beobachtbaren Welt ausgeht („Neuer Realismus“) (Gabriel, 2014), für den sind |18|quantitative (standardisierte) Designs sinnvoll, die er bzw. sie z. B. mit bestimmten messtheoretischen Überlegungen im Hinblick auf den Zusammenhang relevanter Dimensionen und Merkmale verbinden wird. Und wer von einer konstruktivistischen Auffassung geprägt ist und von der subjektiven „Konstruktion der Wirklichkeit“ – so der Titel eines soziologischen Klassikers von Berger und Luckmann (2003) – ausgeht, der wird eher zu qualitativen Verfahren neigen, denn sie erlauben einen rekonstruktiv-interpretatorischen Zugang zur Wirklichkeit.

Beispiel 1-2

Die „Grounded Theory“ wird vornehmlich in deskriptiven (beschreibenden) Designs angewandt. In einem ersten Schritt wird dazu ein induktiver Ansatz verwendet, das heißt, die Daten werden aus Einzelfällen und ohne theoretische Vorannahmen gesammelt.

Die dritte Ebene (Datenerhebung und -analyse) umfasst den konkreten Einsatz natur- oder sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden (vgl. Kap. 4 bis 7, 10 und 11). Ob und inwieweit ein standardisierter Fragebogen oder offene Interviews sinnvoll sind, hängt von dem Design und letztlich von wissenschaftstheoretischen Grundüberzeugungen ab. Grundsätzlich sind Forschungsmethoden Werkzeuge, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Positionen zur Anwendung kommen können.

Beispiel 1-3

Bei der „Grounded Theory“ kann die Datenerfassung im Rahmen einer qualitativ deskriptiven Studie z. B. mittels Interviews oder Beobachtungen erfolgen.

Wenn wir alle drei Ebenen zusammennehmen und bei unserem Beispiel der Grounded Theory bleiben, kann man daraus eine Verdichtung des Forschungsansatzes in fünf Prinzipien ableiten:

theoretisches Sampling (d. h. ständiges Wechselspiel von Datenerhebung und -auswertung)

theoriebasiertes Codieren (d. h. Herstellen eines Zusammenhangs zwischen Konzepten und Kategorien)

permanenter Vergleich

Schreiben von Memos (zur Reflexion)

Relationierung von Erhebung, Codierung und Memoschreiben, um den Forschungsprozess zu strukturieren und die Theoriebildung voranzutreiben.

Die erwähnten Zusammenhänge werden in Forschungsarbeiten häufig nicht oder nur ansatzweise transparent gemacht und selbst von Forschenden nicht selten unhinterfragt akzeptiert. Für jede Forschungsarbeit und deren Beurteilung ist es jedoch wichtig, dass über die eingesetzten Methoden und deren Hintergründe Rechenschaft abgelegt und den Lesenden entsprechende Begründungen deutlich gemacht werden.

Lernziele

Nach dem Bearbeiten dieses Kapitels sollen Sie

die Aufnahme bzw. Kritik des Paradigmenbegriffs von Kuhn in der Pflegewissenschaft nachvollziehen können,

die Begriffe „Wissenschaftstheoretische -Position“, „Design“ und „Methoden“ voneinander abgrenzen können,

eine Systematik der genannten Begriffe kennen.

Schlüsselwörter

Wissenschaftstheoretische Position, Design, Methoden

1.1  Vorbemerkungen: Paradigmen in der Pflegewissenschaft

Bevor wir in das Kapitel einsteigen, ist es wichtig, einige grundsätzliche Hinweise zur Diskussion in der Pflegewissenschaft zu geben. Wir |19|verfolgen die Debatten über nahezu 30 Jahre – da hat sich einiges getan. Bereits in Pflegewissenschaft 1 haben wir einige Aussagen zum Begriff des Paradigmas, seiner Bestimmung durch Kuhn und der Diskussion um das sogenannte Metaparadigma in der Pflege gemacht. Es wurde gezeigt, dass – obwohl der Paradigmenbegriff bei Kuhn in unterschiedlicher Art und Weise bestimmt wurde – im Kern darunter grundlegende theoretische Ansichten über die Möglichkeiten der menschlichen Erkenntnis und die damit verbundene Rolle von Wissenschaft und Forschung zu verstehen sind. Zu betonen ist auch, dass Paradigmen einen mehr oder weniger klar definierten Konsens innerhalb einer Gemeinschaft von Wissenschaftsbetreibenden über Methoden und Techniken der Erkenntnisgewinnung beinhalten.

Was hat das mit der Pflegewissenschaft bzw. -forschung zu tun? Beobachtende der Szene konstatierten vor mehr als 20 Jahren, mit dem Konzept „evidence-based nursing“ habe das empirische Paradigma in der Pflegewissenschaft Einzug gehalten (Ingersoll, 2000; Fawcett et al., 1999). Es kann dies als ein Paradigmenwechsel von einer normativ orientierten Disziplin, im Sinne der großen Pflegetheorien in den Anfängen der Pflegewissenschaft, hin zu einer empirisch fundierten Wissenschaft gesehen werden. Dieser Wandel erfolgte nicht revolutionär, sondern vielmehr in Form eines stetigen Wandels von Forschungsprogrammen als Reaktion auf Problemverschiebungen im Praxis- und Forschungsfeld (Lakatos, 1974).

Wie auch immer man diese Entwicklung beurteilt – dieser Perspektivenwechsel hat enorme Auswirkungen auf Wissen, Einstellung und Praxis der Pflege insgesamt (bis hin zur Pflegepolitik). Welcher Prozess der Wissensentwicklung in der Pflege auch angenommen wird, eine Verständigung und Auseinandersetzung über die Grundannahmen von Wissenschaft und Forschung sind essenziell. Lincoln und Guba (1988) haben dies so formuliert: „No inquirer […] ought to go about the business of inquiry without being clear about just what paradigm informs and guides his or her research“ (S. 218)2.

Lesetipp 1-1

Cody, W. K. (Hrsg.). (2013). Philosophical and Theoretical Perspectives for Advanced Nursing Practice (5th ed.). Boston, London, Singapore: Jones and Bartlett Publishers.

Dieses Buch enthält wichtige Aufsätze zur Entwicklung des pflegewissenschaftlichen Wissens und zu den Grundlagen der Pflegewissenschaft. Es ist noch immer eine der besten Übersichtsarbeiten über philosophisch-wissenschaftstheoretische Fragen in der Pflegewissenschaft. Wer sich ausführlich mit der Frage: „Was ist Pflege?“ beschäftigen möchte, für den ist dieses Buch eine Fundgrube. Auch für die Paradigmendiskussion, das Verhältnis von Theorie und Praxis sowie die Geschichte der Pflegetheoriediskussion ist dieses Buch empfehlenswert.

Lesetipp 1-2

Dahnke, M. D. & Dreher, H. M. (2016). Philosophy of Science for Nursing Practice: Concepts and Application (2. Aufl.). New York: Springer Publishing Company.

Eine grundlegende und nicht immer leicht zu lesende philosophiegeschichtlich orientierte Einführung. Es geht um die Begriffe „Wissenschaft“, „Beobachtung“, „Realität“, die immer auf Pflege und pflegewissenschaftliche Debatten bezogen werden. Etwas für Anspruchsvolle, daher geeignet für Studierende.

|20|1.2  Wissenschaftstheoretische Positionen

Der Paradigmenbegriff wird unterschiedlich verwendet und häufig mit wissenschaftstheoretischen Positionen gleichgesetzt. Entscheidend für unseren Kontext ist die Notwendigkeit, dass sich Forschende – bevor ein Forschungskonzept (Design) ausgewählt und konkrete Maßnahmen diskutiert werden – über die grundlegenden Prämissen ihres jeweiligen Forschungsansatzes im Klaren sind. Diese finden sich in wissenschaftstheoretischen Positionen – vom Kritischen Rationalismus bis hin zum Poststrukturalismus – wieder. Mit diesen Positionen sind bestimmte Annahmen über das Wesen des Menschen und seiner Stellung in der Welt (Ontologie), Möglichkeiten der Erkenntnis (Epistemologie) und der Art und Weise von Wissenschaft und Forschung (Methodologie) verbunden. Zur Verdeutlichung werden im Folgenden vier für die Positionierung zentrale Differenzen diskutiert.

Erste Differenz: Gibt es eine reale Welt?

Eine erste grobe Unterscheidung zwischen den wissenschaftstheoretischen Positionen kann daran festgemacht werden, ob eine von menschlicher Beobachtung als unabhängig existierende Realität angenommen wird (oder nicht). In der Wissenschaftstheorie wird dies auch als Außenweltproblem bezeichnet. Dies stellt sich deshalb als Problem dar, weil es keine endgültige Antwort auf diese Frage gibt. Gäbe es sie, wären die verschiedenen Positionen wenig sinnvoll. Die endgültige Antwort wird in der Wissenschaftstheorie die Letztbegründung genannt. Dabei geht es um die Gewissheit als letzte sichere Erkenntnisgrundlage, auch Certismus (lat. certus: sicher) genannt. Vertreter und Vertreterinnen realistischer Standpunkte – und hier würden wir trotz erheblicher Differenzen in wesentlichen Punkten den Kritischen Rationalismus und die -Kritische Theorie gleichermaßen zuordnen – sehen die Welt als eine von ihnen und ihrem Bewusstsein unabhängige Wirklichkeit an. Anhängerinnen und Anhänger nominalistischer, interaktionistischer oder konstruktivistischer Standpunkte – hier markieren trotz erheblicher Unterschiede Phänomenologie und (Radikaler) Konstruktivismus den Gegenpol zum Realismus – interpretieren die Welt als sozial konstruiert und als Produkt individuellen Bewusstseins. Und der Poststrukturalismus äußert sich in manchen Punkten grundlegend skeptisch gegenüber den Erkenntnismöglichkeiten moderner Wissenschaft überhaupt.

Zweite Differenz: Kann der Mensch die Realität erkennen?

Die Erkennbarkeit der Welt (der Realität) ist in der philosophischen Tradition immer ein Thema gewesen. Schon in der Antike hat es Strömungen gegeben, die davon ausgegangen sind, dass die vorhandene Welt prinzipiell für den Menschen unerkennbar bleibt. Dieser Zweifel an der Erkenntnis ist ein altes Phänomen, dem sich bereits Platon und Aristoteles in ihrer Auseinandersetzung mit dem Solipsismus gestellt haben. Beim (Radikalen) Konstruktivismus wird dieser alte Zweifel an der Erkennbarkeit der Realität neu belebt. Zwar wird etwa bei Glasersfeld (1995), einem der Hauptvertreter des Radikalen Konstruktivismus, die Existenz einer bewusstseinsunabhängigen Welt vorausgesetzt. Alle Aussagen über diese Welt sind aber ausschließlich dem subjektiven Erleben zuzuordnen; die Möglichkeit einer „objektiven“ Erkenntnis der Welt ist grundsätzlich nicht möglich und auch nicht sinnvoll.

Diese Position wird von Vertretern und Vertreterinnen der Kritischen Theorie, des Kritischen Rationalismus und letztlich auch der Phänomenologie in ihrer Radikalität nicht geteilt. Allerdings wird zugestanden, dass es keine unmittelbare Erkenntnis der Realität geben kann, sondern unser Wissen von der Welt theoriegeleitet ist. In der Wissenschaftstheorie wird dies auch als die Theoriegeladenheit der Beobachtung oder das Beobachterproblem bezeichnet. Das würde auch der Poststrukturalis|21|mus zugestehen, in dessen Zentrum die Analyse permanenter Dekonstruktionen kultureller Bedeutungssysteme steht. Während also in der ersten Differenz grundlegend die Frage gestellt wird, ob es überhaupt eine vom Bewusstsein unabhängige Wirklichkeit gibt, so liegt der Akzent der zweiten Differenz auf der Frage, ob und inwieweit die Wirklichkeit überhaupt erkennbar ist.

Dritte Differenz: Erkenntnisgewinn oder Gesellschaftskritik?

Eine weitere Unterscheidung im Hinblick auf die Funktion und Aufgaben von Wissenschaft führt zu einem anderen Gegensatzpaar. Einerseits finden wir wissenschaftstheoretische Positionen, die ihren Schwerpunkt primär in der Beschreibung, Deutung und zum Teil in der Erklärung von Phänomenen sehen (Kritischer Rationalismus, Phänomenologie); andererseits ist die Kritische Theorie zu nennen, deren Hauptanliegen die Kritik der aus ihrer Sicht ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse darstellt. Auch der Poststrukturalismus hat – obwohl diesbezüglich unterschiedliche Positionen existieren – einen gesellschaftskritischen Anspruch. Entscheidend für die Haltung gegenüber der Wissenschaft ist, ob die Welt (oder ein Teil der Realität) letztlich „nur“ einen Gegenstand darstellt, der aus der Sicht der Forschenden neutral beschrieben, klassifiziert und analysiert werden soll, oder ob das Anliegen die Kritik der bestehenden Verhältnisse und damit ein Beitrag zu deren Überwindung ist. Empirisch-analytisch Forschende in der Tradition von Karl Popper (und noch strenger sicher der klassische Positivismus von Comte bzw. der logische Empirismus von Carnap u. a.) sehen die Aufgabe von Wissenschaft und Forschung in einer wertfreien, die „Tatsachen“ und deren Zusammenhänge darstellenden Untersuchung. Vertreter und Vertreterinnen der Kritischen Theorie, aber auch anderer dezidiert gesellschaftskritischer Positionen (z. B. Marxismus, Feminismus), stellen hingegen die Möglichkeit einer wertneutralen Beschreibung grundsätzlich in Frage und legen den Akzent auf die Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse und entsprechender Missstände.

Studienaufgabe 1-1

Bilden Sie zwei Gruppen, welche die Grundpositionen zur dritten Differenz weiterentwickeln sollen. Für diese Gruppenarbeit stehen Ihnen 40 Minuten zur Verfügung. Versuchen Sie Argumente für die eine wie für die andere Position zu finden. Verhandeln Sie Ihre Gruppenergebnisse in einem abschließenden und vom Dozenten bzw. der Dozentin moderierten Streitgespräch.

Vierte Differenz: Theorien entwickeln oder Theorien überprüfen?

Als letzte Differenz sei auf ein unterschiedliches Grundanliegen und die Zielrichtungen von Forschung verwiesen. Welche Forschungsthemen als relevant angesehen werden, wie Theorien gebildet werden, welche Gütekriterien (Qualitätskriterien) überhaupt an Forschung angelegt werden – die Entscheidung dieser Fragen ist abhängig von einem grundlegenden (Vor-)Verständnis von Wissenschaft und Forschung. Es ist beispielsweise ein wichtiger Unterschied, ob Forschende primär an einer induktiv bestimmten Generierung neuer Theorien interessiert sind oder ob es ihnen darauf ankommt, deduktiv vorhandene Theorien zu testen und zu überprüfen. Die zuerst genannten Forschenden (z. B. „radikale“ Vertreter und Vertreterinnen qualitativ orientierter Pflege- und Sozialforschung) werden unter Umständen ein intensives Literaturstudium ablehnen, weil dadurch möglicherweise die Offenheit für neue Erfahrungen im Feld eingeschränkt wird. Die zuletzt erwähnten Forschenden werden sich ggf. auf eine bestimmte Theorie konzentrieren und diese dann mittels statistischer Verfahren überprüfen. Gerade bei Untersuchungsfeldern, in denen erst wenige empirische Befunde vorliegen – so das Argument – kommt es zunächst |22|auf die Generierung von Theorien durch Feldforschung, Beobachtung, Gespräche etc. an.

Insgesamt wird deutlich, in welcher Art und Weise grundlegende Annahmen, z. B. (Wert-)Urteile und Erkenntnisse über die Welt, die Haltung, das Verständnis und bestimmte Forschungszugänge beeinflussen. Wissenschaft beruht auf beobachtbaren Tatsachen, die in Aussagen über die Welt formuliert werden. Aber die Außenwelt ist keine beobachtungsunabhängige Realität. Jede Beobachtung ist eine Beobachtung im Lichte einer Theorie, das heißt, was beobachtet wird, wird durch die wissenschaftstheoretische Position, die Methoden und die Begriffe bestimmt und hängt von Vorwissen und Erfahrungen ab. Das gilt nicht nur für die Konzeption und Durchführung von Studien, sondern auch für das Lesen und Verstehen von Forschungsergebnissen.

1.3  Designs

In der Forschung werden verschiedene Designs unterschieden. Der Begriff „Forschungsdesign“ ist mit einem Kleidungsdesign vergleichbar. Menschen tragen in der Regel Unterwäsche, Oberbekleidung, Strümpfe und Schuhe. Je nach Ziel und Zweck des Anlasses entscheiden sich Menschen für ein bestimmtes „Design“, z. B. ein Design für einen festlichen Abend, ein Design zum Skifahren oder ein Design für die Gartenarbeit. Je nach gewähltem Design werden die Entscheidungen für die Kleidungsstücke anders ausfallen. Wird das falsche Design gewählt und der Berg in festlicher Abendgarderobe bestiegen, ist fraglich, ob das Ziel erreicht werden kann. Genauso verhält es sich mit den Forschungsdesigns. Je nach Forschungsfrage sind unterschiedliche Designs zur Beantwortung geeignet. Mit der Präferenz für ein bestimmtes Design korrespondieren bestimmte Entscheidungen, unter anderem für Art der Daten, Methode der Datenerhebung, Größe der Stichprobe, Gütekriterien und Methoden der Datenanalyse. Die Forschungsdesigns werden je nach Wissenschaft und Autor bzw. Autorin zum Teil unterschiedlich eingeteilt. Die in der Pflegewissenschaft geläufigen Unterscheidungen sind:

qualitative und quantitative Designs (Burns & Grove, 2005; LoBiondo-Wood & Haber, 2005; Polit et al., 2004)

naturalistische und positivistische Designs (Lincoln & Guba, 1985)

deskriptive, historische Forschung und experimentelle Forschung (Notter & Hott, 1997)

Querschnittstudien, Längsschnittstudien, retrospektive oder prospektive Studien, das heißt orientiert an Zeitpunkt und Häufigkeit der Datenerhebung (Mayer, 2019).

Im Hinblick auf Ziel und Zweck von Forschung findet sich eine differenziertere Unterscheidung nach folgenden Designs:

Interventionsforschung

Evaluationsforschung

Fallstudien oder Case-Studies

partizipative Formen der Aktionsforschung Delphi-Studien

Mixed-Methods-Designs

Metastudien (Mayer, 2019).

Diese Designs können je nach Fragestellung sowohl qualitativ als auch quantitativ, deskriptiv, korrelativ oder experimentell bzw. kombiniert ausgerichtet sein.

Bei den genannten Differenzierungen wird jeweils ein Aspekt betont, z. B.:

Es wird auf die Datenqualität abgehoben (quantitativ vs. qualitativ).

Es wird auf Unterschiede im Design fokussiert.

Verschiedene Arten von Forschung werden unterschieden (deskriptiv, historisch, experimentell usw.).

Zeitpunkt und Häufigkeit der Datenerhebung (Quer-/Längsschnitt usw.) oder Ziel und Zweck (Interventions-, Evaluationsforschung usw.) werden betont.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass es die richtige Unterscheidung nicht |23|gibt. Forschende bevorzugen aus bestimmten Gründen die eine oder andere Einteilung. Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags beispielsweise unterscheiden zwischen „qualitativen“ und „quantitativen“ Designs. Dies ist nur eine grobe Einteilung, weitere Differenzierungen im Hinblick auf die Art der Aussagen, die zeitliche Dimension und dergleichen sind notwendig. Wir können Ihnen eine eigene Entscheidung, welche Einteilung Sie wählen, nicht abnehmen, denn sie hängt letztlich von erkenntnistheoretischen Grundpositionen ab. Wesentlich ist vielmehr, dass die gewählte Einteilung begründet werden kann und die zentralen Aspekte, die ein Design ausmachen soll, beinhaltet. Bilden Sie sich selbst eine Meinung und nutzen Sie dazu die Grundlagen, die im Band Pflegewissenschaft 1 formuliert worden sind!

Wir haben bereits angedeutet, dass mit dem Designbegriff eine Reihe von Implikationen verbunden ist, daher eignet sich eine Differenzierungskategorie, die breiter gefasst ist, nämlich die Unterscheidung zwischen nomothetischen (nach Gesetzmäßigkeiten suchenden Ansätzen [„quantitative Forschung“]) und idiografischen (nach individuellen Besonderheiten suchenden Ansätzen [„qualitative Forschung“]) Ansätzen. Klar ist, dass es hier um eine idealtypische Beschreibung geht.

Quantitative Forschung – nomothetischer Ansatz

Beim nomothetischen Ansatz liegt der Akzent auf der Suche nach Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhängen in einer geordnet und regelhaft gedachten Welt. Anhängerinnen und Anhänger dieser Position gehen davon aus, dass einzelne „Gegenstände“ in der Welt, etwa das gehäufte Auftreten von Druckgeschwüren bei mobilitätseingeschränkten Patientinnen und Patienten, die unterschiedliche Inanspruchnahme medizinisch-pflegerischer Leistungen in sozialen Schichten oder der Zusammenhang von Pflegequalität und Pflegestilen (selbstständigkeitsfördernd vs. versorgend) mehr oder weniger systematisch vorliegen. Dies bedeutet, dass die einzelnen Gegenstände (dieser Begriff muss sehr weit gefasst werden) in geordneter Weise miteinander in Beziehung stehen und eine Struktur bilden. Aufgrund dieser Annahme besteht die Aufgabe der Wissenschaft darin, die in der Welt vermuteten Zusammenhänge „aufzudecken“, beobachtbare Ereignisse auf die ihnen zugrunde liegenden ursächlichen Bedingungen zurückzuführen und sie damit kontrollierbar, beherrschbar und prognostizierbar zu machen. Aussagen über die soziale Realität sollen im Idealfall „nomologischen“ Charakter aufweisen, das heißt, sie sollten in ihrem Geltungsbereich weder zeitlich noch räumlich relativiert sein.

Beispiel 1-4

Die Dekubitusprophylaxe ist eine Kernaufgabe der Pflege, an deren Beginn die Erfassung eines Risikos mittels Assessmentinstrumenten steht. Mit den in der Praxis verwendeten Instrumenten kann jedoch das Risiko nur unzureichend eingeschätzt werden. Dies wird mit der Komplexität der multifaktoriellen Abläufe der Dekubitusentstehung begründet, die mit den vorhandenen -Instrumenten nicht angemessen abgebildet -werden kann. Um nun gezielt und frühzeitig Maßnahmen setzen zu können, wurden unabhängig voneinander von zwei Autorengruppen konzeptuelle Modelle zur Entstehung von Druckgeschwüren entwickelt (Panfil, 2014). Beide Modelle basieren auf Erkenntnissen der epidemiologischen, physiologischen und biomechanischen Forschungen zu Ursachen der Entstehung eines Druckgeschwürs. Das „Spanish Pressure Ulcer Advisory Panel” (García-Fernández et al., 2014) umfasst sieben Typen von Wunden, die alle im Zusammenhang mit dem Risiko einer Pflegeabhängigkeit stehen und derzeit als Dekubitus verstanden werden. Es sind dies „[…] Feuchtigkeit-, Druck-, Reibung-Kombinationen: Druck-Feuchtigkeit, Druck-Reibung, Feuchtigkeit-Reibung und multifaktorielle Wunden. Jeder dieser Wundtypen erfordert nach den Autorinnen und Autoren eine andere Prävention und Therapie“ |24|(Panfil, 2014, S. 203). Das zweite Modell wurde von einer internationalen Expertengruppe entwickelt (Coleman et al., 2014). Das Modell wird in Form einer Waage zur Abbildung des individuellen Schwellenwerts für eine Hautschädigung dargestellt. Der Schwellenwert entsteht „[…] aus der Beziehung zwischen mechanischen begrenzenden Bedingungen, z. B. Höhe, Dauer und Typ der Kraft sowie der Empfindlichkeit und Toleranz des individuellen Menschen bezogen auf direkte, z. B. Immobilität, und indirekte kausale Faktoren, z. B. Feuchtigkeit“ (Panfil, 2014, S. 203).

Qualitative Forschung – idiografischer Ansatz

Im Gegensatz zu quantitativ-nomothetischen Ansätzen gilt für den Bereich des Sozialen bei den ideografischen Ansätzen die These einer vorgegebenen Struktur mit grundlegend gleichbleibenden Regeln nicht. Es wird postuliert, dass Menschen gesellschaftliche Strukturen (soziale Beziehungen, Regeln des Verhaltens und der Kommunikation) durch ihr Handeln selbst schaffen und damit auch ständig verändern. Die Art der Beziehung zwischen Menschen ergibt sich also nicht aus bestimmten Gesetzmäßigkeiten und Strukturen, sondern wird auf der Basis des bei jedem Mitglied der Gesellschaft vorhandenen Alltagswissens immer wieder neu definiert, in der konkreten Situation gebildet und weiterentwickelt. Hierbei kommt es entscheidend auf gegenseitige Vorerfahrungen, Einstellungen (z. B. bestimmte [Vor-]Urteile über den anderen) und Wahrnehmungen (z. B. Auftreten, Gestik etc.) an, welche die subjektive Interpretation der Situation bestimmen. Erst durch diese Interpretation, Deutung und Auslegung erhalten die wahrgenommenen Dinge eine Bedeutung für die Person und werden handlungsrelevant. Aussagen über die soziale Realität sollen im Idealfall die Einzigartigkeit und Komplexität einzelner Personen bzw. Personengruppen widerspiegeln. Dabei sind häufig Interpretationen notwendig. Dies entspricht der Grundannahme idiografischer Ansätze. Interpretieren bedeutet dann, den subjektiven Sinn einer Äußerung zu erfassen, das heißt das, was mit einer sprachlichen oder verhaltensmäßigen Äußerung ausgedrückt wurde.

Beispiel 1-5 und 1-6

Qualitative Studien der Pflegeforschung befassen sich mit der Frage nach der Bedeutung von Krankheit und Leiden für Patientinnen und Patienten bzw. ihren Angehörigen oder Bezugspersonen. Im Zentrum stehen Aspekte zum Erleben der Problem- und Konfliktsituationen sowie Formen der Auseinandersetzung und Anpassungsleistung der Betroffenen. Ein Beispiel zum Erleben eines Pflegephänomens von unmittelbar Betroffenen ist das der Malnutrition (Fehl- oder Mangelernährung), ein in Gesundheitsinstitutionen häufig vorkommendes Problem. Dazu wurden in den vergangenen Jahren in den Einrichtungen Programme entwickelt, jedoch ohne die Perspektive der Betroffenen mit einzubeziehen. Dies war für die Autorinnen Haldemann-Jenni, Fierz und Frei (2016) der Grund, sich des Themas anzunehmen. Sie untersuchten die Bedürfnisse von Betroffenen in Bezug auf das ihnen angebotene Malnutritionsmanagement und ihr Erleben der Ernährungsinterventionen. Es wurden acht Patientinnen und Patienten interviewt. Zentrale Ergebnisse der Untersuchung sind, dass die Patientinnen und Patienten sich bei der Nahrungsaufnahme im Spannungsfeld zwischen „Wollen und nicht können“ bewegen. Als Gründe geben sie unter anderem Schmerzen beim Kauen und Schlucken, Übelkeit oder verändertes Geschmacksempfinden an. Hinzu kommen institutionelle Hindernisse wie die vorgegebenen Essenszeiten und die begrenzte Menüauswahl. In der Bewältigung der Probleme waren die Patientinnen und Patienten sich selbst überlassen.

Ein Beispiel zum Erleben von Angehörigen bietet eine Studie zur Belastung von Eltern,|25|deren Kinder Mehrfachbehinderungen aufweisen und in ein Krankenhaus aufgenommen werden müssen (Seliner et al., 2016). Die Fragestellung der Studie lautete: Wie erfahren Eltern die Hospitalisation und welchen Unterstützungsbedarf geben sie für diesen Zeitraum an? Dazu wurden 26 Elternteile (24 Mütter, zwei Väter) von 24 mehrfachbehinderten Kindern interviewt. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Eltern die Sorge um das Wohl des Kindes im Zentrum steht. Dies wird als Arbeit erlebt, bei der sie Unterstützungsbedarf in folgenden Aspekten angeben: „Information und Schulung erhalten“, „Bekannt sein und Kontinuität erfahren“, „Ernst genommen werden und Mitsein erfahren“, „Begleitet werden von erfahrenen Pflegenden“ sowie „Entlastet und organisatorisch unterstützt werden“.

Grenzen quantitativer und qualitativer Designs und Möglichkeiten der Verbindung

Wir haben gesehen, dass die Akzente in den beiden Ansätzen sehr unterschiedlich gesetzt werden. Entweder liegt der Fokus auf der Generalisierung der analysierten Gesetzmäßigkeiten oder auf der möglichst detaillierten Analyse von manifesten und/oder latenten Sinnzusammenhängen. Betont werden muss jedoch, dass beide Perspektiven mit Begrenzungen verbunden sind. Beim quantitativen Ansatz wird die methodische Strenge durch eine Reduktion und Standardisierung der Komplexität des Alltags erreicht. Der reale Alltag in seiner Vielfältigkeit kann niemals in einer experimentellen Situation abgebildet werden, sondern muss in seiner Komplexität reduziert werden. Bei den qualitativen Ansätzen lässt sich kritisieren, dass die „Einzigartigkeit“ von Personen überbetont und die Regelhaftigkeit sozialen Verhaltens unterschätzt wird. Die interindividuelle Variabilität beim quantitativen Ansatz erfordert zumeist Stichprobenuntersuchungen größeren Umfangs. Der „(Einzel-)Fall“ – so interessant er letztlich sein mag – ist Zufall (Fall wird etymologisch von „Würfelfall“ abgeleitet). Bei aller Einstellung zum „Reichtum innerer Welten“ und zur Komplexität menschlicher Persönlichkeiten besteht allerdings die Gefahr, dass die Ergebnisse qualitativer Einzelstudien für sich stehen bleiben und nicht in eine Theoriebildung einfließen. Aus den Grenzen beider Perspektiven erwächst die Empfehlung, entweder innerhalb von Studien eine Kooperation zwischen den Ansätzen einzugehen (z. B. Mixed-Methods-Designs) oder für Entscheidungen in der Praxis Studien beider Ansätze zugrunde zu legen.

Beispiel 1-7

In den vergangenen Jahren lässt sich eine wachsende Zahl von Veröffentlichungen auch in der Pflegeforschung beobachten, die quantitative und qualitative Forschungselemente verbinden. Bei Mixed Methods geht es darum, einen gemeinsamen Forschungsgegenstand zu bearbeiten und die jeweiligen methodischen Zugänge zu unterschiedlichen Zeiten (und in unterschiedlicher Relation zueinander) zu berücksichtigen (Berger & Grebe, 2015; Quasdorf & Riesner, 2016). Man kann sich diesbezüglich verschiedene Varianten vorstellen – die häufigste ist die parallele Analyse der beiden Datensätze. Das jedenfalls haben Ostlund et al. (2011) durch einen systematischen Review von 168 Studien zur Anwendung von Mixed Methods aus den Jahren 1999 bis 2009 feststellen können. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Zielsetzung des Mixed Methods Ansatzes nicht immer deutlich benannt ist. In jedem Fall ist die Verbindung verschiedener Methoden eine Herausforderung, auch für die Forschungsteams selbst. Nicht nur „wissenschaftliche“ Fragen im engeren Sinne sind dabei bedeutsam, auch die Gruppendynamik, verschiedene Arbeitskulturen, andere Publikationsroutinen etc. müssen berücksichtigt werden.

Designs werden von wissenschaftstheoretischen Positionen beeinflusst. So kann man etwa eine Nähe zwischen positivistischen bzw. empirisch-analytischen Positionen und quantitativen Ansätzen, hermeneutisch-phänomenologischen |26|Positionen und qualitativen Ansätzen postulieren. Diese Nähe wird auch durch die Unterscheidung von „naturalistisch“ und „positivistisch“ erkennbar, wie sie bereits von Helen Prakke in der ersten Auflage dieses Buchs 2007 beschrieben wurde. Die kritisch-dialektischen Positionen lassen sich nicht so einfach zuordnen, denn sie sind in Bezug auf Designs und Methoden relativ offen und nutzen das gesamte Spektrum.

1.4  Forschungsmethoden

Während wissenschaftstheoretische Positionen und Designs eher auf grundsätzliche und allgemeine Probleme verweisen, geht es in diesem Abschnitt um den praktischen Bezug zum konkreten Forschungsalltag. Eine Methode ist ein spezielles System von Regeln, um an neue Erkenntnisse zu gelangen. Es gibt z. B. Methoden zur Stichprobengewinnung, Datenerhebung, Analyse von Gütekriterien und Datenanalyse. Dabei ist wesentlich, dass Methoden einen Prozess kennzeichnen, der auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist. Methoden kann man als „Problemlösungsmittel“ (Herrmann, 1999) auffassen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Methoden weder beobachtbare Ereignisse noch Sachen oder Waren sind. Bestimmte beobachtbare Verhaltensweisen, etwa der Einsatz von bestimmten Tests oder Beobachtungsinventaren, können als die Anwendung einer bestimmten Methode bezeichnet werden. Methoden sind also in erster Linie Systeme von Regeln, nach denen in transparenter Weise vorgegangen werden soll und die auch die Nutzung bestimmter Werkzeuge, Verfahren etc. implizieren.

Es ist augenscheinlich, dass – wenn Methoden aus Systemen von Handlungsregeln bestehen – die Anwendung einer Methode einem festgelegten Plan folgt, einen Beginn und ein definiertes Ende hat. Methoden sind gezielt auszuwählen, denn sie müssen kompatibel zur Fragestellung und zu den Designs bestimmt werden. Bei einer Forschungsarbeit ist zu überlegen, ob und inwieweit eine Entscheidung für oder gegen bestimmte Methoden begründet werden kann. Insofern steht eine Methode während ihrer Anwendung selbst zur Disposition. Daher bedarf es auch Gütekriterien, die eine sachgemäße Anwendung der Methoden garantieren (sollen). Grundsätzlich bleiben Methoden ein unverzichtbares Hilfsmittel bei der Erkenntnisgewinnung und dem Lösen wissenschaftlicher Probleme. „Man muss sie kennen, fehlerfrei anwenden können, und man muss ihre Funktion als Hilfsmittel durchschauen“ (Herrmann, 1999, S. 48) (Hervorheb. im Orig.).

Abschließend ist die Frage anzusprechen, ob es in der Pflegeforschung originäre Methoden gibt. Wir schließen uns diesbezüglich der Position von Bartholomeyczik (2000, 2014) an, dass dies nicht der Fall ist und die Pflegeforschung sich am gesamten Spektrum sozial- und naturwissenschaftlicher Methoden zu orientieren hat. Im deutschsprachigen Raum wurde in der pflegewissenschaftlichen Diskussion bisher die qualitative Seite akzentuiert. Erforderlich ist unserer Auffassung nach eine Methodendiskussion in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft – wie sie in etablierten Disziplinen (Soziologie, Psychologie) schon lange üblich ist. Ziel ist jedoch nicht die Kontroverse, sondern die Darlegung der Besonderheiten, Grenzen und Entwicklungspotenziale der jeweiligen Zugänge. Wichtig ist auch, über eine Verbindung bzw. Integration der Forschungsmethoden ins Gespräch zu kommen. Vor allem muss der leitende Gedanke letztlich die Professionalisierung der Pflegeforschung, die Weiterentwicklung des Pflegeberufs und die Verbesserung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung sein.

Lesetipp 1-3

Schnell, R., Hill, P. B. & Esser, E. (2018). Methoden empirischer Sozialforschung (10. Aufl.). München: Oldenbourg.

Vor dem Hintergrund der standardisierten Forschung ist dies ein sehr gutes Einführungsbuch in den Mainstream der empirischen Sozialforschung.

|27|Lesetipp 1-4

Przyborski, A. & Wohlrab-Sahr, M. (2014). Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). München: Oldenbourg.

Dieses Arbeitsbuch ist speziell für Studierende gedacht, die an qualitativer Sozialforschung interessiert sind. Es wurde mit einem Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ausgezeichnet.

Abschließend stellen wir eine Systematik vor, welche die Zusammenhänge zwischen Paradigmen, Methodologien und Forschungsmethoden verdeutlicht. Abbildung 1-1 zeigt eine Übersicht der für die deutschsprachige Pflegewissenschaft wichtigsten wissenschaftstheoretischen Positionen. Man kann diese Liste natürlich noch ergänzen (z. B. um feministische Ansätze, poststrukturalistische Positionen etc.). Aber die genannten Ansätze sind aus unserer Sicht vorherrschend in der deutschsprachigen Diskussion vertreten, wobei der Begriff „Pflegewissenschaft“ hier keinesfalls eng geführt werden sollte. Aktuelle Debatten um Pflegebildung, wie auch das Pflegemanagement sollten – soweit sie durch Forschung gestützt sind – dem Bereich der Pflegewissenschaft zugerechnet werden. Der Abbildung 1-2 ist eine genauere Bestimmung des Methodenbegriffs zu entnehmen. Die wichtigste Aussage ist, dass im Rahmen verschiedener Methodologien und Forschungszugänge sowohl quantitative als auch qualitative Methoden angewandt werden können. Entscheidend ist die Art der Daten. Wir haben einige der in der Pflegewissenschaft am häufigsten angewandten Forschungsmethoden aufgeführt. Sie finden weitere Informationen zu den Methoden in den angegebenen Kapiteln dieses Bandes.

Abbildung 1-1:  Wissenschaftstheoretische Positionen (Quelle: Eigenerstellung)

|28|

Abbildung 1-2:  Forschungsregeln und Handlungspläne (Quelle: Eigenerstellung)

Übungsaufgaben zu Kapitel 1

Wo liegt der Unterschied zwischen wissenschaftstheoretischen Positionen und Methoden?

Was sind quantitative (nomothetische) und qualitative (ideografische) Ansätze? Finden Sie je ein Beispiel aus der Pflegewissenschaft.

1

Manchmal werden die Begriffe „Paradigma“, „wissenschaftstheoretische Positionen“ und „Methodologie“ synonym verwendet. Wichtig ist, dass diese Ebene nicht mit der Ebene der konkret eingesetzten Forschungsmethoden verwechselt wird (vgl. hierzu Kap. 2 und 7).

2

Übersetzung: „Kein Erkenntnissuchender [Forscher/Forscherin] kann das Geschäft der Erkenntnisgewinnung wirklich betreiben, ohne sich darüber im Klaren zu sein, welche Paradigmen für seine oder ihre Forschungstätigkeit bestimmend sind.“

1.5  Literatur

Bartholomeyczik, S. (2000). Gegenstand, Entwicklung und Fragestellungen pflegewissenschaftlicher Forschung. In B. Rennen-Allhoff & D. Schaeffer (Hrsg.), Handbuch Pflegewissenschaft (S. 67–108). Weinheim: Juventa.

Bartholomeyczik, S. (2014). Pflegeforschung: Entwicklung, Themenstellungen und Perspektiven. In D. Schaeffer & K. Wingenfeld (Hrsg.), Handbuch Pflegewissenschaft (S. 67–94). Studienausgabe. Weinheim: Juventa.

Berger, B. & Grebe, C. (2015). Wie können qualitative und standardisierte Methoden in den Phasen des Forschungsprozesses mit Mixed-Methods-Designs integriert werden? Kongress: Forschungswelten, 03.03.2016, KSFH München.

Berger, T. & Luckmann, T. (2003). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt: Fischer.

Brandenburg, H. & Dorschner, S. (Hrsg.). (2021). Pflegewissenschaft 1. Ein Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in wissenschaftliches Denken in der Pflege. (4. Aufl.). Bern: Huber.

Burns, N. & Grove, S. K. (Hrsg.). (2005). Pflegeforschung verstehen und anwenden. München: Elsevier.

Coleman, S., Nixon, J., Keen, J., Wilson, L., McGinnis, E., Dealey, C. & Nelson, E. A. (2014). A new pressure ulcer conceptual framework. Journal of Advanced Nursing, 70(10), 2222–2234. Crossref

Fawcett, J., Watson, J., Neuman, B., Walker, P. H. & Fitzpatrick, J. J. (2001). On Nursing Theories and Evidence. Journal of Nursing Scholarship, 33(2), 115–119. Gabriel, M. (Hrsg.). (2014). Der neue Realismus. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Gabriel, R. (2014). Der neue Realismus. Frankfurt: Suhrkamp

García-Fernández, F. P., Soldevilla-Ágreda, J. J., Pancorbo-Hidalgo, P. L. & Verdú Soriano, J. (2014). A new theoretical model for the development of pressure ulcers and other dependence-related lesions. Journal of nursing scholarship: an official publication of Sigma Theta Tau International Honor Society of Nursing/Sigma Theta Tau, 46(1), 28–38. Crossref

Haldemann-Jenni, E., Fierz, F. & Frei, A. I. (2016). „Wollen und nicht können“. Malnutritionsmanagement in medizinischen Kliniken eines schweizerischen Zentrumsspitals: Erleben und Sichtweisen von Patient(inn)en. Pflege, 29(3), 115–123. Crossref

Herrmann, T. (1999). Methoden als Problemlösungsmittel. In E. Roth (Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Methoden (S. 19–48). München: Oldenbourg.

Ingersoll, G. L. (2000). Evidence-based nursing: What it is and what it isn’t. Nursing Outlook, 48(4), 151–152. Crossref

Lakatos, I. (1974). Falsifikation und die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme. In I. Lakatos & A. Musgrave (Hrsg.), Kritik und Erkenntnisfortschritt (S. 89–189). Braunschweig: Vieweg.

Lincoln, Y. S. & Guba, E. G. (1985). Naturalistic inquiry (1. Aufl.). Beverly Hills: Sage Publications.

Lincoln, Y. S. & Guba, E. G. (1988). Naturalistic inquiry. Beverly Hills: Sage Publications.

LoBiondo-Wood, G. & Haber, J. (2005). Pflegeforschung (2. Aufl.). München: Elsevier.

|29|Mayer, H. (2019). Pflegeforschung anwenden. Elemente und Basiswissen für Studium und Weiterbildung (5. Aufl.). Wien: Facultas.

Notter, L. E. & Hott, J. R. (1997). Grundlagen der Pflegeforschung (3. Aufl.). Bern: Huber.

Ostlund, U., Kidd, L., Wengström, Y. & Rowa-Dewar, N. (2011). Combining qualitative and quantitative research within mixed method research designs: a methodological review. International Journal of Nursing Studies, 48(3), 369–383. Crossref

Panfil, E.-M. (2014). Dekubitusrisikoskalen und neue Modelle zur Dekubitusentstehung. Pflege, 27(3), 203. Crossref

Polit, D. F., Beck, C. T. & Hungler, B. P. (2004). Lehrbuch Pflegeforschung. Methodik, Beurteilung und Anwendung. Bern: Huber.

Quasdorf, T. & Riesner, C. (2016). Mixed Methods in der Implementierungswissenschaft in Pflege und Gerontologie: Ein Überblick zu Chancen und Herausforderungen. In M. Hoben, N. Bär & H. W. Wahl (Hrsg.), Implementierungswissenschaft für Pflege und Gerontologie. Grundlagen, Forschung und Anwendung – Ein Handbuch (S. 242–261). Stuttgart: Kohlhammer.

Seliner, B., Latal, B. & Spirig, R. (2016). Erleben und Unterstützungsbedarf von Eltern hospitalisierter Kinder mit Mehrfachbehinderung. Eine qualitative Studie. Pflege, 29(2), 73–82. Crossref

von Glasersfeld, E. (1995). Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In G. Gumin & H. Meier (Hrsg.), Einführung in den Konstruktivismus (S. 9–40). München: C. H. Beck.

Weiterführende Literatur

Walker, P. H. & Redman, R. (1999). Theory-Guided, Evidence-Based Reflective Practice. Nursing Science Quarterly, 12(4), 298–303. Crossref

Remmers, H. (2011). Pflegewissenschaft im interdisziplinären Dialog. Eine Forschungsbilanz. Osnabrück: Universitätsverlag Osnabrück.

Hartmut Remmers sieht die Pflegewissenschaft als „transdisziplinäres Konstrukt“. Wer sich mit dieser anspruchsvollen Bestimmung von Pflegewissenschaft näher beschäftigen möchte, dem sei dieses Buch zur weiteren Lektüre und Vertiefung empfohlen. Nach einer wissenschaftstheoretischen Grundlegung findet sich eine Vielzahl empirischer -Beiträge, welche die Anschlussfähigkeit der Pflegewissenschaft an zwei zentrale Themenfelder dokumentieren, nämlich 1) Krankheit und Krankheitsbewältigung und 2) Umgang mit Alter, Altern und Lebensende.

Schwerpunktheft der Zeitschrift „Pflege & Gesellschaft“ zur Theorieentwicklung in der Pflege von 2/2019.

Sie finden hier mehrere Beiträge, den Stand der (deutschen) Diskussion kritisch reflektieren. Es wird deutlich, dass nach einem gewissen Boom der Theoriedebatten in den letzten Jahren eine Zurückhaltung eingesetzt hat. Das lag u. a. am Siegeszug eines evidenzbasierten Paradigmas, aber nicht nur. Wenn keine substanzielle Theorienentwicklung in der Disziplin möglich ist, dann fehlt ein Kompass.

|31|2  Forschung und Forschungsprozess

Eva-Maria Panfil

Dieses Kapitel widmet sich dem Verhältnis von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung: Wozu braucht eine Wissenschaft Forschung und wie werden in einer Wissenschaft Forschungsvorhaben genutzt?

Forschen folgt dem sogenannten Forschungsprozess. Dieser ist ein Problemlösungsprozess, also eine Systematik, um Forschungsfragen möglichst nachvollziehbar, aussagekräftig und übertragbar bzw. generalisierbar zu beantworten. Sie lernen die einzelnen Phasen und Schritte des Forschungsprozesses kennen, die zwar linear beschrieben werden, jedoch oft – wie auch im sogenannten Pflegeprozess – zirkulär ablaufen. Das Kapitel schließt dann mit der Entzauberung des Begriffs „wissenschaftlich forschen“.

Lernziele

Nach dem Bearbeiten dieses Kapitels sollen Sie

den Zusammenhang von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung darstellen können,

Fragestellungen der Pflegeforschung erarbeiten können,

die Phasen und Schritte des Forschungsprozesses beschreiben können.

Schlüsselwörter

Pflegewissenschaft, Forschungsprozess, theoretischer Hintergrund

2.1  Pflegewissenschaft und Pflegeforschung

2.1.1  Aufgaben der Pflegeforschung

Pflegeforschung und Pflegewissenschaft hängen eng miteinander zusammen. Aufgaben der Pflegewissenschaft sind die Sammlung, Ordnung, Überprüfung und Generierung pflegerischen Wissens. Als Methode dazu wird die Forschung genutzt. Pflegeforschung dient damit der methodischen Wissensvermehrung in der Pflege (Robert-Bosch-Stiftung, 1996).

Sammlung

Pflegefachkräfte, Patientinnen und Patienten sowie Angehörige verfügen im Praxisfeld der Pflege über sehr viel Erfahrungswissen. Kennzeichen dieses Wissens ist, dass es in der Regel ein persönliches Wissen der Betroffenen bleibt, das kaum weitergegeben wird und damit für die Allgemeinheit verloren geht. Aufgabe von Forschung ist unter anderem, bestehendes Wissen zu sammeln und zu dokumentieren, damit dieses Wissen sichtbar, nachlesbar und damit überprüfbar wird. Zur Sammlung von Wissen eignen sich beispielsweise deskriptive quantitative Designs oder das ethnografische Design.

Ordnung

Es ist sinnvoll, Wissen in irgendeiner Form zu ordnen. Dazu muss überlegt werden, welche Aspekte zusammengehören, das heißt „zusam|32|men“ einen Sinn ergeben. Prinzipiell versucht jede Wissenschaft ihren Wissensfundus in einem Theoriengebäude zu organisieren. Dazu müssen Phänomene identifiziert und zu Konzepten organisiert werden, denn erst aus der Verbindung von zwei oder mehreren Konzepten entsteht dann eine Theorie. Beispiele für diese Art von Pflegetheorien sind das Illness-Trajectory-Modell (Cooley, 1999) oder die Dekubitustheorie (Kottner et al., 2018). Mehr dazu können Sie im Buch „Pflegewissenschaft 1“ von Brandenburg und Dorschner (2021) lesen.

Wissen kann aber auch in „Taxonomien“ organisiert werden.

Beispiel 2-1

Ein Beispiel für eine Taxonomie sind die NANDA-Pflegediagnosen, die in „funktionellen Gesundheitsverhaltensmustern“ organisiert sind (Gordon & Georg, 2020), beispielsweise Ausscheidung, Selbstwahrnehmung und Selbstkonzept oder Kognition und Perzeption. Die existierenden Pflegediagnosen sind bestimmten Verhaltensmustern zugeordnet. So gehören Obstipation und Diarrhö zu dem Verhaltensmuster „Ausscheidung“, Chronischer Schmerz und Wissensdefizit zum Verhaltensmuster „Kognition und Perzeption“.

Ein Forschungsdesign zur Entwicklung von Theorien bietet die Grounded Theory; zur Identifikation von Konzepten kann man phänomenologische Studien nutzen.

Überprüfung

Sowohl in der Praxis bestehende als auch bisher nur theoretisch erarbeitete, noch ungeprüfte Wissensaspekte sollten methodisch auf ihre Gültigkeit überprüft werden. In der Pflegepraxis gibt es einige theoretisch begründbare Pflegehandlungen, die aber bisher noch nicht überprüft wurden. So existierte in Deutschland bis vor mehr als zwei Jahrzehnten die Vorstellung, dass mit einer abwechselnden Kälte- und Wärmebehandlung der Haut („Eisen und Föhnen“) ein Dekubitus verhindert werden könnte. Ein bestehender Zusammenhang konnte zwar theoretisch beschrieben, in einer empirischen Überprüfung jedoch nicht belegt werden (Birkenfeld, 1990).

Wissenschaftlich kontrovers wird auch der Nutzen von Risikoassessments diskutiert. So soll die Anwendung von Dekubitusrisikoskalen dazu beitragen, valide und reliabel (s. Kap. 8) diejenigen Patientinnen und Patienten zu identifizieren, die von einem Dekubitusrisiko betroffen bzw. nicht (!) betroffen sind. Tatsächlich lässt sich der Nutzen der Skalen verglichen mit einer nicht skalenbasierten Risikoeinschätzung hinsichtlich der klinischen Wirkung „Reduktion der Inzidenz von Druckgeschwüren oder Stürzen“ derzeit nicht belegen (Moore & Patton, 2019). Hier ist weitere Forschung notwendig.

Zur Überprüfung von Zusammenhängen und Unterschieden werden experimentelle, quasi-experimentelle, korrelationelle und komparative Designs verwendet.

Generierung

Im pflegerischen Bereich existieren unzählige ungelöste Fragen, mit jeder beantworteten Frage entstehen in der Regel neue. Mithilfe von Forschung können offene Fragen methodisch und systematisch beantwortet werden, erst dadurch entsteht neues Wissen.

Aufgabe jeder Forschung ist die methodische Wissensvermehrung, daher sollte auch jedes neu erforschte Wissen dahingehend untersucht werden, inwieweit es den Wissensfundus der Pflege (body of knowledge) erweitert und an welchem bestehenden Wissen angeknüpft werden kann.

Studienaufgabe 2-1

Zwei Forschendengruppen (Bräutigam et al., 2002; Haas et al., 2002) haben sich in einer Studie mit der gleichen Forschungsfrage beschäftigt. Beide haben das Ziel, die Zuverlässigkeit des FIM (Functional Independence Measure) zu messen. Bitte schauen Sie sich beide Studien an und versuchen Sie folgende Fragen zu beantworten:

|33|Wie wird in den Studien der Stand der Wissenschaft wiedergegeben?

Inwieweit werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund des bisher bestehenden Wissens diskutiert?

Dieses Beispiel ist zwar alt, eignet sich aber noch als deutschsprachige Publikation sehr gut für pädagogische Zwecke. Wenn Sie neuere Beispiele suchen, empfehle ich Ihnen Meta-Analysen anzuschauen. Darin eingeschlossen sind verschiedene Studien zu gleichen Fragestellungen. Meta-Analysen liegen fast nur noch englischsprachig vor. Eine deutschsprachige Alternative ist folgendes Beispiel, dessen Quellen jedoch ebenfalls englischsprachig sind: Eberhardt, D., Berg, A., Fleischer, S. & Langer, G. (2013). Zeitpunkt der Entfernung des Wundverbands bei primär heilenden chirurgischen Wunden: Eine Meta-Analyse. Pflege, 26(4), 255–269.

2.1.2  Gegenstandsbereiche der Pflegeforschung

Die Pflegeforschung bearbeitet Fragestellungen zum Gegenstandsbereich der Pflege. Da dieser international sehr unterschiedlich bewertet wird, untersuchen angelsächsische, skandinavische oder amerikanische Kolleginnen und Kollegen oft auch Fragestellungen, die hierzulande als ärztliche Themen verstanden werden. Der relativ breite Gegenstandsbereich der Pflege führt zu unterschiedlichen Einteilungen von Forschungsfragen (Bartholomeyczik, 2014). Im Folgenden soll die Einteilung aus der Denkschrift der Robert-Bosch-Stiftung (1996) vorgestellt werden. Danach werden fünf Bereiche identifiziert. Lesen Sie zu den Gegenstandsbereichen der Pflegeforschung auch Kapitel 1.1 in Brandenburg und Dorschner (2021).

Pflegepraxis

Themen aus der Pflegepraxis, sogenannte klinische Forschung, behandeln konkrete Fragestellungen, welche die direkte Pflege fokussieren. Dazu gehören sowohl alle Aspekte des pflegerischen Problemlösungsprozesses, also beispielsweise Fragen zum standardisierten Assessment, zu Pflegeinterventionen und Pflegeergebnissen, als auch die Häufigkeit von Pflegephänomenen und das Erleben von Patientinnen und Patienten. Beispiele finden Sie in Kapitel 2.2.

Pflege als Organisation und Institution

Hier interessieren Fragen der Pflegeorganisation, beispielsweise zu Advanced Practice Nursing, Clinical Pathways oder Instrumenten zur Einschätzung des Pflegepersonalbedarfs. Maurer et al. (2021) erforschten z. B. die Problematik der Implementierung von Kinästhetik in der Langzeitpflege. Fischer et al. (2020) analysierten die psychosozialen Arbeitsbedingungen und Burnout-Symptome in der professionellen Pflege.

Bildungsforschung in der Pflege

Diese Fragestellungen beschäftigen sich mit der sinnvollen Gestaltung der Lehre und in einem weiteren Sinne auch mit Patientenedukation. Dazu gehören unter anderem Themen der Pflegedidaktik und der Ausbildungsgestaltung oder der Berufseinmündungen von ausgebildeten Fachpersonen. Koch et al. (2019) erforschten z. B. e-Learning in der akademischen Pflegeausbildung in Deutschland. Krüger et al. (2022) interessierten sich für Wirksamkeit von Kurzfortbildungen vor dem Spätdienst oder nach dem Frühdienst. Kropf-Staub et al. (2019) untersuchten in einer qualitativen Studie, ob ein spezielles Programm zur Förderung des Symptom-Selbstmanagements von Personen mit einer Krebstherapie als unterstützend erlebt wird. Die deutschsprachigen Journale „Padua“ (Hogrefe Verlag) und „Pädagogik der Gesundheitsberufe“ (Verlag hpsmedia) haben sich auf Publikationen für Pflegepädagogik etabliert.

Pflegegeschichte

Die historische Pflegeforschung beantwortet Fragen der Geschichte der Pflege. Klassiker der Pflegeforschung sind nach wie vor die folgenden Studien:

|34|warum die Pflege ein Frauenberuf wurde (Bischoff, 1997),

welche Rolle die Pflege im Nationalsozialismus einnahm (Steppe, 1996/2001) oder

die Entwicklung der psychiatrischen Pflege (Falkenstein, 2000).

Der Verlag hpsmedia publiziert mit der Zeitschrift „Geschichte der Pflege“ Manuskripte zur historischen Forschung der Gesundheitsberufe.

Pflegepolitik

Beim Thema „Pflegepolitik“ werden Fragestellungen zu rechtlichen Themen, z. B. Impfpflichten oder zur Finanzierung von Pflegeleistungen bearbeitet. Weitere Beispiele sind Studien zur Anerkennung ausländischer Pflegeabschlüsse in Deutschland (Slotala, 2016), Prioritäten der Pflegeforschung für das Thema Demenzpflege (Hirt et al., 2020) oder Forschungen zu den in der Schweiz eingeführten SwissDRG (Baumberger et al., 2014)

2.2  Der Forschungsprozess

Forschung dient der „methodischen“ Wissensvermehrung. Die Methodik liefern der Forschungsprozess und die ihm zugrunde liegenden Methodologien.

Der Forschungsprozess ist, ähnlich dem Pflegeprozess, ein Problemlösungsprozess. Er ist eine allgemein anerkannte Methodik zur wissenschaftlichen Beantwortung von Fragestellungen. Prinzipiell wird er in allen Wissenschaften angewendet und besteht aus vier Phasen:

theoretische Phase

Datenerhebungsphase

Datenauswertungsphase

Abschlussphase.

In der theoretischen Phase wird die Durchführung der Studie geplant, in der zweiten Phase, der Datenerhebungsphase, wird die Studie durchgeführt, das heißt die Daten werden erhoben. Die dritte Phase dient der Auswertung und Interpretation der Daten und die Abschlussphase der Zusammenfassung und Veröffentlichung der Ergebnisse.

Das Durchlaufen des Forschungsprozesses ist immer ein spannendes Erlebnis und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Forschende müssen mit Unsicherheiten umgehen, zahlreiche argumentativ untermauerte Entscheidungen treffen und mit nicht voraussehbaren Ereignissen rechnen und darauf reagieren können. Alemann (1984) hat Forschung mit einer Insel verglichen, auf der es gilt, ein „Abenteuer“ zu bestehen. Die Insel befindet sich zwischen dem Ozean der Erfahrung und dem Meer der Theorie. Forschende starten in der Stadt der Hoffnung, müssen unter anderem den Gipfel der Konfusionen erfolgreich umrunden, den Wald der Müdigkeit durchlaufen, den Fiebersumpf der Daten überleben und den Durchblick im Wo-bin-ich-Nebel erhalten. Doch die Mühen lohnen sich, denn das Delta der Verleger geht über in die Bucht der Literatur. Wissen wurde produziert und wurde sowohl in das Meer der Theorie als auch in den Ozean der Erfahrung gespült.

Lesetipp 2-1

Alemann, H. v. (1984). Der Forschungsprozess. Stuttgart: Teubner Studienskripten

Bartholomeyczik, S. & Müller, E. (1997). Pflegeforschung verstehen. München: Urban & Schwarzenberg.

Der Forschungsprozess wird in allen Lehrbüchern zur Forschung beschrieben. Ein Klassiker ist nach wie vor die erwähnte Beschreibung von Alemann, die jedoch vergriffen ist. Wer sie in einer Bibliothek aufspüren kann, dem sei sie ans Herz gelegt. Sabine Bartholomeyczik hat sie mit einer Visualisierung in das Buch „Pflegeforschung verstehen“ (Bartholomeyczik, 1997, S. 67) aufgenommen, das alle wichtigen Phasen des Pflegeprozesses aus der Sicht verschiedener Autorinnen und Autoren beleuchtet. Vielleicht steht dieses Buch noch in der einen oder anderen Bibliothek.

|35|2.2.1  Die theoretische Phase

In der theoretischen Phase wird die Durchführung der Studie geplant. Die schriftliche Planung der Studie ist wichtig, um deren Durchführbarkeit zu dokumentieren (wichtig für mögliche Geldgeber, die Ethikkommission, Forschende und andere Mitwirkende). Diese Phase ist oft die zeitintensivste und kann bis zu 50 % der gesamten Forschungsprojektzeit umfassen. In dieser Phase sind sehr viele Entscheidungen hinsichtlich des Vorgehens zu treffen. Alle Entscheidungen sollten auf dem Stand des Wissens erfolgen und begründbar sein.

Die theoretische Phase besteht aus Problembeschreibung, Fragestellung bzw. Ziel der Studie, Stand der Literatur und Planung des Vorgehens (Design, Stichprobe, Datenerhebungsverfahren, Ablauf der Studie, Datenanalyseverfahren, Ethik). Die Schritte bauen aufeinander auf und werden zunächst nacheinander abgearbeitet. Je nach Erkenntnissen, die man bei der Bearbeitung des jeweils nächsten Schrittes gewinnt, ist es unter Umständen jedoch notwendig, zu bereits bearbeiteten Phasen zurückzukehren und hier getroffene Entscheidungen zu überdenken und ggf. zu verändern. Die theoretische Phase ist daher keinesfalls ein linearer Prozess.

Problembeschreibung

Am Anfang einer Forschung steht immer das Forschungsproblem, das mithilfe der Studie gelöst werden soll. Zu einem Forschungsproblem gelangt man auf verschiedenen Wegen, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Praxis. Fragt man sich während seiner täglichen Pflegepraxis mehrfach kritisch nach dem Warum, gelangt man automatisch zu Forschungsproblemen:

Patientinnen und Patienten, die HIV-positiv sind oder an AIDS erkrankt sind, können auf Basis einer antiretroviralen Therapie ein normales Leben führen, oder gibt es dennoch spezifische Herausforderungen (Wosko et al., 2021)?

e-Health Technologien können Pflegefachpersonen in der ambulanten Pflege entlasten, werden sie aber von Fachpersonen akzeptiert (Dockweiler et al., 2019)?

Eltern von Kindern, die an Epidermolysis bullosa erkrankt sind, müssen regelmäßig Verbandwechsel durchführen. Wie können Pflegefachpersonen die Eltern dabei unterstützen? (Hartenstein-Pinter et al., 2020)

Literatur. Ergebnisse von Studien oder das Lesen von Fachliteratur geben Hinweise auf Problematiken, die ungelöst oder innerhalb einer Studie entdeckt wurden. Zweifel an Studienergebnissen können ebenso wie der Wunsch, gelungene Studien zu wiederholen („Replikation“ einer Studie), zu neuen Studien führen.

Interesse. Das persönliche Interesse für ein Themengebiet führt oft zur Identifizierung von Problematiken.

Auftrag. Ein Auftraggeber tritt mit einer Problemstellung an Forschende heran, mit der Bitte, diese für ihn zu bearbeiten.

Um die Notwendigkeit einer Forschung (und damit auch die sinnvolle Finanzierung eines Projekts) überzeugend zu betonen, ist die Beschreibung der Problematik und deren Relevanz der nächste Schritt. Sinnvoll ist die Thematisierung folgender Aspekte zur Beschreibung der Relevanz:

Häufigkeit: