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So heiß flirtet nur ein Playboy Liegt es am Champagner? Zwischen Imogen und dem aufregenden Unbekannten, dem sie in einer exklusiven Galerie in die Arme läuft, prickelt es verführerisch. Hemmungslos genießt sie den sinnlichen Flirt mit ihm. Bis er ihr seinen Namen verrät. Jack Taylor? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Er gilt als Prototyp des reichen, gewissenlosen Playboys. Genau die Sorte Mann also, auf die Imogen niemals wieder hereinfallen wollte! Sofort reißt sie sich von Jack los und stürmt davon. Doch damit scheint sie seinen Jagdinstinkt erst recht herauszufordern … Auf der Jacht mit dem Playboy Warum nur hat Gail sich überreden lassen, bei Sexy & Single mitzumachen? Sie sucht einen Mann zum Heiraten, aber in der Dating-Show wird ihr ausgerechnet Russell Holloway als Kandidat präsentiert: ein steinreicher Hotelier - und berüchtigter Playboy! Gail ist auf der Hut, dennoch schmilzt die schöne Geschäftsfrau bei seinen Komplimenten dahin. Und als sie auf einer Jacht alle Hüllen für ihn fallen lässt, fühlt sie sich begehrenswert wie nie zuvor. Nicht lange, und sie glaubt, dass Russel es ernst mit ihr meint. Da lüftet seine Exgeliebte ein skandalöses Geheimnis … Sambanächte mit dem Playboy Woher eine gute Story nehmen? fragt die junge Reporterin Holly sich ratlos. Der Zufall kommt ihr zu Hilfe: Sie teilt sich ein Appartment mit dem argentinischen Polospieler und Millionär Ruiz Acosta. Und schon ist ihre Kolumne "WG mit einem Playboy" geboren! Ein toller Erfolg: Ganz London will lesen, wie es ist, mit einem schwerreichen Verführer zu wohnen, der den Pferdesport gleich nach Sex für das Beste im Leben hält! Doch Holly fühlt sich immer hilfloser. Denn nach einer Nacht, in der Ruiz ihr mehr als sinnlichen Samba beibringt, ist es restlos um sie geschehen … Ein Playboy zum Verlieben! Ausgerechnet Cal! Mit vierzehn war Ava in ihn verknallt, mit sechzehn hat sie frech mit ihm geflirtet und mit neunzehn war er ihr erster Lover! Zwar dauerte ihre Mini-Affäre nur eine heiße Nacht lang, weil Ava Angst vor einer festen Bindung hatte. Aber jetzt sieht sie ihn auf der Hochzeit ihres Bruders wieder. Lässig, sexy damals wie heute ein Playboy zum Verlieben! Und Cal geht aufs Ganze: Er entführt Ava in seinem Sportwagen und küsst sie kurz darauf heiß und prickelnd! Will er ihr etwa zeigen, dass er genau weiß, wie sehr sie ihn will und braucht?
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Seitenzahl: 808
Lucy King, Katherine Garbera, Susan Stephens, Ally Blake
Playboys für immer?
So heiß flirtet nur ein Playboy
Auf der Jacht mit dem Playboy
Sambanächte mit dem Playboy
Ein Playboy zum Verlieben!
LUCY KING
So heiß flirtet nur ein Playboy
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Lucy King Originaltitel: „The Couple Behind the Headlines“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 152013 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Tina Beckmann
Fotos: Edvard March / Corbis
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-95446-520-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Zweihundertfünfzigtausend Pfund????
Imogen konnte es nicht glauben. Das musste ein Irrtum sein. Ein Tippfehler oder eine Verwechslung. Niemand, der noch bei klarem Verstand war, würde eine viertel Million für dieses … Machwerk auf den Tisch legen.
Der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ war so grottenhässlich, dass es Imogen echte Überwindung kostete, den Kopf vom Ausstellungskatalog zu heben und sich ein weiteres Mal seiner verheerenden Wirkung auszusetzen. Riesige, aggressiv hingeklatschte schwarze Farbkleckse, durchzogen von schwefelgelben und giftgrünen Schlieren, verbanden sich auf der gut zwei mal drei Meter großen Leinwand zu einem Gesamteindruck, der selbst das sonnigste Gemüt in tiefe Depressionen gestürzt hätte.
Leider waren an diesem Abend sämtliche Wände der Galerie mit ähnlichen, ebenso absurd teuren Scheußlichkeiten behängt, sodass Imogen sich den kostenlos servierten Champagner sauer hatte verdienen müssen.
Eine Weile beobachtete sie die anderen Besucher des exklusiven Verkaufsevents. Mit konzentriert geneigten Köpfen und nachdenklich an die Lippe gelegten Zeigefingern schritten sie in ihren trendy Outfits von Gemälde zu Gemälde und gaben dabei so tiefgründige Kommentare über Allegorien und Metaphysik von sich, dass Imogen für einen Moment ins Grübeln kam.
Vielleicht bin ich ja nicht offen genug, überlegte sie. Möglicherweise hat der Maler ja tatsächlich versucht, etwas auszudrücken, das sich einem nicht auf den ersten Blick erschließt. Sie schloss kurz die Augen und bemühte sich aufrichtig um eine vorurteilsfreie Haltung. Dann öffnete sie die Augen wieder, doch auch auf den dritten Blick sah sie nichts weiter als gequirlten Schwachsinn.
Was konnte man nicht alles mit einer viertel Million Pfund anfangen! Erst gestern hatte ihre Abteilung exakt diesen Betrag an eins der Projekte der Christie-Stiftung überwiesen. Das Geld würde Hunderten von Not leidenden Menschen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen, während andere dieselbe Summe für solchen Schrott aus dem Fenster warfen.
Aber was verstand sie schon davon?
Seit Max sie vor zwei Monaten wegen ihrer besten Freundin Connie sitzen gelassen hatte, traute Imogen ihrem Urteilsvermögen ohnehin nicht mehr. Der anfängliche Schock war zwar inzwischen in einen Zustand stumpfer Teilnahmslosigkeit übergegangen, aber manchmal – so wie jetzt – kam plötzlich alles wieder hoch und drohte ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Bei der letzten Ausstellung war sie mit Connie hier gewesen. Sie hatten wie aufgekratzte Teenager herumgealbert, sich lautstark über die elitäre Gästeschar lustig gemacht und dabei die Platten mit Kanapees geplündert, bevor sie bestens gelaunt zu einem neu eröffneten Club in der Nähe weiterzogen waren.
Jetzt war sie wieder hier, aber diesmal mutterseelenallein.
Belogen, betrogen und schmählich verlassen, während die falsche Schlange Connie vermutlich gerade mit Max auf ihrem pinkfarbenen Samtsofa kuschelte und Hochzeitspläne schmiedete.
Als Imogen die Tränen aufsteigen spürte, blinzelte sie mehrmals kräftig und straffte die Schultern. Was gingen sie Connies Pläne an? Was machte es schon, dass eine Freundschaft, die im Kindergarten begonnen und fünfundzwanzig Jahre lang gehalten hatte, sich in den zehn Sekunden auflöste, die sie gebraucht hatte, um Max’ lapidare Nachricht zu lesen?
An jenem Abend hatte Imogen das Gefühl gehabt, mit einem Schlag die zwei wertvollsten Menschen in ihrem Leben zu verlieren. Inzwischen war sie jedoch zu der Einsicht gelangt, dass die beiden ihr im Grunde einen Gefallen getan hatten.
Wer brauchte schließlich Freunde, die einem so etwas antaten?
Okay, mit seinem Charme, dem dunklen lockigen Haar und den großen schokoladenbraunen Augen besaß Max echte LatinLover-Qualitäten. Aber je länger man ihn kannte, umso deutlicher zeigte sich, dass er im Grunde nur ein verwöhnter, egozentrischer Schaumschläger war. So gesehen war das eigentlich Schockierende an ihrer Beziehung nicht ihr unrühmliches Ende, sondern die Tatsache, dass sie sich überhaupt so lange dahingeschleppt hatte.
Dass die Presse von ihr eine ganz ähnliche Meinung hatte, wusste Imogen nur zu gut, aber wenn alles klappte, würde sie sehr bald ihren Kritikern – und auch sich selbst – beweisen, dass sie durchaus imstande war, etwas Sinnvolles zu leisten.
Sollte Max doch den Rest seines Lebens damit verbringen, Daddys Geld auszugeben und sein Ego zu pflegen. Sie wünschte ihm viel Spaß dabei, und wenn Connie Lust hatte, ihm dabei zu helfen – nur zu!
Mit finsterem Blick fixierte Imogen den „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“. Sie hatte ein für alle Mal genug von gelangweilten, reichen Playboys, verlogenen besten Freundinnen und dreist anmaßender Pseudokunst!
Wenigstens hatte sie bekommen, weshalb sie hierhergekommen war. Zwei Gläser eiskalter, supertrockener Champagner hatten ihr vorzüglich dabei geholfen, den Schock über die Nachricht von Max’ und Connies Verlobung zu dämpfen. Ihr Körper fühlte sich angenehm beschwingt an, und in ihrem Kopf herrschte gnädige Benommenheit.
Hey, so schlecht ging es ihr doch gar nicht, oder? Genau betrachtet, war sie sogar weit besser dran als der Großteil der Menschheit. Sie besaß vieles, von dem andere nur träumen konnten. Sie war jung, gesund, hatte vor, etwas Lohnendes mit ihrem Leben anzufangen, und genau darauf würde sie sich von jetzt an konzentrieren.
Mit diesem Vorsatz drehte Imogen sich schwungvoll um – und prallte gegen eine massive Wand.
Sekundenlang stand sie völlig verdattert da, fest gegen dieses Etwas gedrückt, das ihr alle Luft aus den Lungen gepresst hatte und sie jetzt auch noch wie eine riesige Krake zu umschlingen schien. Als der erste Schreck nachließ, stellte sie fest, dass dieses Etwas atmete und ausgesprochen gut roch. Und dass es in Wirklichkeit gar keine Wand war, sondern ein großer Mann mit breiten Schultern und harten Muskeln, der sie fest in seinen starken Armen hielt!
Entsetzt spürte Imogen, wie ihr ganzer Körper auf ihn reagierte. Ihr Magen flatterte wie verrückt, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und zwischen ihren Schenkeln breitete sich eine verräterische Hitze aus. Sie wollte sich noch enger an ihn pressen, wollte den Kopf an seine breite Brust schmiegen und seinen verführerisch männlichen Duft einatmen, während seine Arme sie weiter festhielten und ihr Schutz und Geborgenheit gaben.
Der Impuls war so unwiderstehlich, dass Imogen ihm um ein Haar nachgegeben hätte, doch zum Glück schaltete sich gerade noch rechtzeitig ihr Verstand wieder ein.
War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Ganz abgesehen davon, dass sie weder Schutz noch Geborgenheit brauchte, war sie erst vor wenigen Wochen eiskalt von ihrem Freund abserviert worden. Und nun brannte sie buchstäblich darauf, sich dem nächstbesten Kerl in die Arme zu werfen!
Mit einem undeutlich gemurmelten „Tut mir leid“ riss Imogen sich los und trat einen Schritt zurück, um festzustellen, wer diese idiotische Reaktion in ihr ausgelöst hatte.
Alle Gedanken an Connie und Max und Selbstschutz verschwanden, als sie in die schönsten Augen blickte, die sie je gesehen hatte. Sie waren so blau wie der Himmel an einem strahlenden Sommertag und von dichten schwarzen Wimpern umgeben, für die Imogen sofort ihre gesamte Designergarderobe geopfert hätte. Aus den feinen Linien, die sich fächerförmig zu den Schläfen hin ausbreiteten, schloss sie, dass sie einem Mann gegenüberstand, der gern lachte. Allerdings sah sie auch dieses gewisse Glitzern tief in seinen Augen. Es ließ an Gefahr und Aufregung und ungezogene Dinge denken und versprach jede nur denkbare Art von Vergnügen.
Jedenfalls für eine Frau in der entsprechenden Verfassung. Sie selbst war für so etwas emotional zu geschunden.
Auch der Rest seines Gesichts wurde Imogens Erwartungen – falls sie welche gehabt hätte – mehr als gerecht. Vor allem der breite, sinnliche Mund schien himmlische Küsse schenken zu können.
Aber wie gesagt, sie war nicht interessiert.
Wirklich nicht.
„Mein Fehler“, sagte er mit einem Lächeln, bei dem Imogens Magen erneut einen Salto schlug.
„Und nicht ein Tropfen verschüttet.“ Sie deutete auf die beiden Champagnerflöten in seiner Hand. „Wirklich beeindruckend.“
„Ich habe viel Übung.“
War es einer seiner Anmachtricks, fremde Frauen in sich hineinlaufen zu lassen, um sie anschließend mit seinem Lächeln zu betören? Imogen fiel es nicht schwer, sich das vorzustellen.
„Bitte sehr …“ Er reichte ihr eins der Gläser, wobei sich sein Lächeln noch etwas vertiefte. „Sie sahen aus, als könnten sie es gebrauchen.“
Hatte er sie beobachtet? Gegen ihren Willen schmeichelte Imogen der Gedanke. „Ich wollte gerade gehen“, verkündete sie mit einer Stimme, die weit atemloser klang, als ihr lieb war.
Sein Blick ging kurz zu dem Gemälde hinter ihr. „Nicht wegen des Skorpions, hoffe ich?“
„Das soll es also darstellen? Also, darauf wäre ich nie im Leben gekommen!“
„Das Bild erschließt sich nicht auf den ersten Blick.“
„In der Tat“, bestätigte Imogen.
„Es drückt den Kampf des Menschen gegen die Ungerechtigkeit des Kapitalismus aus.“
„Aha.“ Sie kräuselte abfällig die Lippen. „Finden Sie es nicht etwas widersprüchlich, eine viertel Million Pfund für ein Stück Leinwand und ein paar Pinselstriche zu verlangen, die die Ungerechtigkeit des Kapitalismus anprangern sollen?“
Der schöne Fremde zuckte die breiten Schultern. „Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Sie scheinen allerdings nicht viel von dem Bild zu halten.“
Imogen, die sich flüchtig fragte, was eigentlich aus ihren Aufbruchsplänen geworden war, trank einen Schluck Champagner. „Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?“
„Ich bin immer sehr für Ehrlichkeit.“
Sie glaubte ihm kein Wort. Schließlich war er ein Mann, genau wie Max, diese verlogene, hinterhältige Ratte.
„Na schön“, sagte sie bissiger als beabsichtigt. „Für mich sieht es aus, als hätte mein fünfjähriger Neffe sich ein paar Farbeimer geschnappt und einen seiner berüchtigten Wutanfälle ausgelebt.“
Sein Lachen kam tief aus der Kehle und ließ Imogen wohlig erschauern. „Und ich habe mir tatsächlich eingebildet, es besäße echte Originalität, eine großartige Lichtstimmung und eine fast schmerzhafte Tiefe.“
Ein furchtbarer Gedanke kam Imogen. „Sie sind doch nicht etwa der … Künstler?“
Er neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Sehe ich Ihrer Meinung nach so aus?“
Er sah dunkel, gefährlich und verboten sexy aus. Genau die Sorte Mann, die eine Frau dazu bringen konnte, den Kopf zu verlieren, wenn sie nicht gut aufpasste.
„Eigentlich nicht“, antwortete Imogen gespielt lässig, was er mit einem erleichterten Seufzer quittierte.
Das Glitzern in seinen Augen war eine deutliche Warnung und sein Lächeln geradezu tödlich, aber an einer harmlosen Unterhaltung war noch niemand gestorben, oder?
„Wie kommt es, dass Sie so viel über dieses Bild wissen?“, erkundigte Imogen sich nach einem weiteren Schluck Champagner.
„Es gehört mir.“
„Oh …“ Wie enttäuschend! Dieser Mann mochte zum Niederknien aussehen, aber sein Geschmack ließ gelinde gesagt einiges zu wünschen übrig.
„Ich habe es bei einem Charity-Event ersteigert“, fügte er in leicht amüsiertem Tonfall hinzu.
„Heißt das, dass außer Ihnen noch jemand dafür geboten hat?“ Imogen fiel es schwer zu glauben, dass mindestens zwei Menschen dieses Monstrum gewollt hatten.
„Der andere Bieter war ein Freund von mir.“
„Kein sehr enger, nehme ich an?“
„Genau gesagt, ist er mein bester Freund. Wir haben hart darum gekämpft.“
„Aber er hat am Ende nachgegeben?“
„Ja, das hat er.“
„Er muss ein vernünftiger Mann sein.“
„Er hatte keine große Wahl. Ich mag es, zu gewinnen.“
Imogen hatte bereits festgestellt, dass er ein sehr entschlossenes Kinn hatte. Hinzu kam das draufgängerische Funkeln, das bei seinen letzten Worten in seine Augen getreten war. Oh ja, er mochte es, zu gewinnen! Und zwar um jeden Preis, wie sie vermutete.
„Tja, wie es aussieht, haben Sie in diesem Fall verloren“, spöttelte sie, worauf er ihr so lange und so intensiv in die Augen sah, dass ihr Mund trocken wurde und ihre Beine sich in Pudding verwandelten.
„Sieht ganz so aus.“
Imogen kämpfte gegen das schmelzende Gefühl in ihren Gliedern an, indem sie sich vor Augen hielt, dass dieser Typ ein Idiot mit mehr Geld als Verstand war, aber dummerweise funktionierte es nicht. „Dann sind Sie im Grunde also eher zufällig in den Besitz dieses Bildes gekommen?“
Er hob kurz die Schultern und grinste. „Ein recht glücklicher Zufall, wenn man bedenkt, dass sein Wert seitdem um das Zehnfache gestiegen ist.“
Imogen presste die Lippen zusammen. „Und das ist Ihnen natürlich wichtig.“
„Profit ist immer wichtig.“
„Während etwas so Bedeutungsloses wie die Liebe zur Schönheit vermutlich keine Rolle für Sie spielt.“
Er musterte sie ungeniert vom Scheitel bis zur Sohle. „Ach, ich weiß nicht …“
Brennende Hitze stieg Imogen ins Gesicht und ließ Stellen an ihrem Körper kribbeln, von denen sie geglaubt hatte, dass sie nie wieder kribbeln würden. „Wie auch immer …“ Sie straffte den Rücken und lachte ein wenig zu laut auf. „Als Besitzer dieses grässlichen Schinkens haben Sie in jedem Fall mein Mitgefühl.“
„Aber ein Kaufangebot machen Sie mir trotzdem nicht, oder?“
Wenn er sie noch zehn Sekunden so anlächelte, würde sie Wachs in seinen Händen sein und alles tun, was er von ihr verlangte. Dann würde der Stachel im Fleisch der Gesellschaft an ihrer Wohnzimmerwand hängen und sie langsam, aber sicher in den Wahnsinn treiben.
Fest entschlossen, unter keinen Umständen zu Wachs zu werden, gab Imogen ein weiteres gezwungenes Lachen von sich. „Das soll wohl ein Scherz sein! Ich bin doch keine Masochistin.“
„Zu schade“, meinte er und rieb sich mit seiner feingliedrigen, gebräunten Hand das Kinn. „Allmählich befürchte ich, dass es heute Abend nicht mehr verkauft wird.“
„Überrascht Sie das etwa?“
„Nicht wirklich. Aber in dem Fall wird Luc – das ist der Freund, den ich damals überboten habe – es mich nie vergessen lassen. Dabei habe ich zu diesem Thema schon genug Sticheleien von ihm ertragen müssen.“
Er sah plötzlich aus wie ein mürrischer kleiner Junge, was Imogen ein unfreiwilliges Lächeln entlockte. „Können Sie ihm das ernsthaft übel nehmen?“
„Eigentlich nicht“, gab er nach kurzem Zögern zu. „Im umgekehrten Fall hätte ich wahrscheinlich dasselbe getan.“ Er leerte sein Glas und stellte es auf dem Tablett eines vorbeikommenden Kellners ab. „So, nun wissen Sie, warum ich hier bin. Verraten Sie mir im Gegenzug, was eine so scharfe Kritikerin moderner Kunst an diesen Ort verschlagen hat?“
Oje, was sollte sie ihm bloß darauf antworten? Dass sie erst vor einer halben Stunde von Connies und Max’ Verlobung erfahren hatte – und das auch noch über Facebook? Dass sie dringend einen Drink gebraucht hatte, um die Kränkung herunterzuspülen, und deswegen zur Galerie herübergelaufen war, die nur wenige Schritte von ihrem Büro entfernt lag?
Wohl kaum!
Da er jedoch offensichtlich auf eine Antwort wartete, und sein prüfender Blick sie zunehmend aus der Fassung brachte, fühlte Imogen sich genötigt, irgendetwas zu sagen. „Ich habe vor Kurzem festgestellt, dass ich meinen Horizont erweitern muss“, behauptete sie unverbindlich, was zumindest nicht ganz gelogen war.
Er schenkte ihr ein sexy Lächeln. „Brauchen Sie dabei eventuell noch Hilfe?“
Imogen schaffte es, diesmal nicht rot zu werden, obwohl die Art, wie er sie ansah, unschwer erkennen ließ, welche Art von Hilfe ihm vorschwebte.
„Danke für das Angebot, aber ich glaube nicht.“
„Sind Sie sicher? Horizonterweiterung ist eine meiner Spezialitäten.“
„Davon bin ich überzeugt.“
Sein bezwingender Blick nagte an den Fundamenten ihrer inneren Schutzmauern. Obwohl er sich keinen Zentimeter bewegt hatte, kam es Imogen vor, als stünde er plötzlich viel dichter bei ihr.
„Lassen Sie sich von mir zum Dinner einladen“, bat er sie mit samtweicher Stimme, „und ich beweise Ihnen, wie gut ich darin bin.“
„Dinner?“, wiederholte Imogen, als hätte sie das Wort zum ersten Mal gehört. Sie hätte nicht sagen können, warum seine Einladung sie so aus der Fassung brachte. Schließlich war er nicht der erste Mann, der sie um eine Verabredung bat.
Er nickte. „Genau, Dinner. Das nimmt man nach dem Mittagessen und vor dem Frühstück zu sich. Ungefähr um diese Uhrzeit.“
Imogen ging auf seinen spielerischen Tonfall ein und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Ach, das meinen Sie!“
„Genau“, lobte er sie. „Und wie sieht es aus?“
Imogen war sich fast sicher, dass die Antwort Nein lauten musste. Mehr als nur fast sicher, denn hatte sie nicht gerade festgestellt, dass die Männer ihr für die nächste Zukunft gestohlen bleiben konnten? Sie sollte ihren armen, rücksichtslos niedergetrampelten Gefühlen eine Erholungspause gönnen, anstatt sich in den Bann eines so gefährlich attraktiven Mannes ziehen zu lassen.
Andererseits konnte ihre angeschlagene Psyche nach zwei Monaten freudloser Selbsterforschung gut eine kleine Vitaminspritze gebrauchen. Und für ihren Magen wäre nach drei Gläsern Champagner eine ordentliche Mahlzeit auch nicht verkehrt.
Also überhörte Imogen geflissentlich die Stimme in ihrem Innern, die ihr verzweifelt zurief, dass sie im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen. Ja, sie hatte sich gerade empfindlich die Finger verbrannt, aber so schlimm war sie auch wieder nicht dran. Und ein Dinner verpflichtete zu nichts. Was konnte es schon schaden, ein paar Stunden in der Gesellschaft eines interessanten Mannes zu verbringen?
„Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen“, stellte sie fest.
„Jack Taylor.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.
„Imogen Christie.“
Die elektrische Reaktion bei der Berührung war so stark, dass der Name zuerst nicht zu Imogen durchdrang. Ihr ganzer Körper vibrierte, war von null auf hundert zu neuem Leben erwacht und freute sich auf das Dinner mit …
Das Lächeln auf ihren Lippen gefror.
Jack Taylor? Das durfte doch wohl nicht wahr sein!
Bruchstückhafte Informationen wirbelten in ihrem Kopf herum, als sie ihre Hand ruckartig aus seiner zog. Fakten, die sie über die Jahre hinweg über ihn gelesen und gehört hatte, fügten sich zu einem Gesamtbild zusammen, dass ebenso schillernd wie abschreckend war.
Die Wirtschaftspresse feierte ihn als Superstar im Investmentbereich. Durch riskante Spekulationen, die manche für Wahnsinn, andere für Genie hielten, machte er manchmal an einem einzigen Tag Millionen. Inzwischen war er reich wie Midas und ein feststehender Begriff in der internationalen Finanzwelt.
Aber auch den Medien, die mehr an Klatsch als an Finanzen interessiert waren, hatte Jack Taylor einiges zu bieten. Er galt als der Prototyp des Herzensbrechers – unverschämt attraktiv, charmant, charismatisch und zugleich eiskalt und schwer zu fassen.
Plötzlich erinnerte sich Imogen auch wieder an die Geschichte von Amanda Hobbs, die die Freundin einer Freundin einer Freundin war. Nachdem sie einige Monate mit Jack Taylor ausgegangen war, hatte er die Beziehung ohne Vorwarnung auf eine so verletzende Art und Weise beendet, dass die Ärmste völlig traumatisiert bis nach Italien geflüchtet war, um dort ihre Wunden zu lecken.
Und dann gab es noch diese berüchtigte Internetauktion, die vor einigen Jahren für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte. Es war auf eine Frau geboten worden, und Jack Taylor, der anscheinend ein Fan von Versteigerungen war, hatte kräftig mitgemischt und dabei den Usernamen „greatsexguaranteed“ benutzt.
Garantiert fantastischer Sex – das sagte ja wohl alles!
Imogen spürte, wie sie sich mit jeder Sekunde mehr von diesem Mann distanzierte. Im Gegensatz zu dem Nichtsnutz Max schien er zwar hart zu arbeiten, aber privat waren beide aus demselben Holz geschnitzt. Einer wie der andere triebgesteuerte, gewissenlose Egomanen, um die jede Frau mit Verstand einen großen Bogen machen sollte.
Mit fast wissenschaftlichem Interesse beobachtete sie, wie er seinen erprobten Charme zum Einsatz brachte und die provozierenden Funken in seinen Augen tanzen ließ. Wieso hatte sie ihn nicht sofort durchschaut? Diese lässige Direktheit, kombiniert mit der unübersehbaren Aura von Reichtum. Die angeborene Arroganz. Das blendende Lächeln eines Mannes, dem bewusst war, dass ihm die Frauen wie reife Früchte ins Bett fielen … All das wies ihn als erfolgsverwöhnten Siegertypen aus, der vermutlich nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, um zu bekommen, was er wollte.
Aber dieses Mal wirst du eine herbe Enttäuschung erleben! dachte Imogen grimmig. Zwar fühlte sich ein winziger Teil von ihr geschmeichelt, dass der berüchtigte Jack Taylor sie angebaggert hatte. Dieser Teil hätte auch gern gewusst, ob er tatsächlich fantastischen Sex garantieren konnte, doch zum Glück war ihr gesunder Menschenverstand stärker. Und wenn es noch so erwartungsvoll in seinen Augen funkelte – ein Abendessen mit ihm kam überhaupt nicht infrage!
„Ich kenne ein erstklassiges kleines Restaurant genau um die Ecke.“
Klar, wahrscheinlich kennst du in jeder Ecke von London eins.
„Tut mir leid“, lehnte Imogen rundheraus ab. „Aber ich halte das für keine gute Idee.“
Ein überraschter Ausdruck huschte über sein Gesicht, seine Wangenmuskeln spannten sich unmerklich an. „Nein …?“
„Nein“, wiederholte sie, wobei sie das Kinn leicht anhob und eine stählerne Note in ihre Stimme legte. Es war ungemein befriedigend, seinem aufgeblasenen Ego einen Dämpfer zu verpassen. Die Erfahrung würde ihm sicher guttun.
„Und wieso nicht?“, wollte er wissen, während er fortfuhr, sie mit diesem irritierend eindringlichen Blick zu betrachten.
„Ich habe zu tun.“
„Wie wäre es dann mit einem anderen Abend?“
„Ich bin in der nächsten Zeit sehr beschäftigt.“
„Rund um die Uhr?“
Himmel noch mal, wie hartnäckig kann man eigentlich sein?
„Hat noch nie jemand Nein zu Ihnen gesagt, Jack?“, erkundigte Imogen sich spitz.
„Nicht in letzter Zeit“, meinte er mit einem breiten Grinsen.
Sie verzog keine Miene. „Tja, für alles gibt es ein erstes Mal.“
Deutlicher konnte sie ihm wirklich nicht mehr signalisieren, dass sie kein Interesse hatte. Doch anstatt sich schulterzuckend von ihr abzuwenden und sich nach einer leichteren Beute umzusehen, wurde sein Lächeln noch verführerischer.
Dann legte er ihr ohne Vorwarnung eine Hand in den Nacken und brachte sein Gesicht dicht an ihres. „Angesichts Ihrer Zeitknappheit könnten wir ja Vorspeise und Hauptgang auslassen und gleich zum Dessert übergehen“, raunte er ihr ins Ohr.
Endlos lange Sekunden verstrichen, in denen Imogen vollauf damit beschäftigt war, die Schauer zu ignorieren, die Jacks warmer Atem an ihrer Wange auslöste. Als endlich die Bedeutung seiner Worte zu ihr durchdrang, war sie sicher, sich verhört zu haben … bis sie seinem frechen Blick begegnete, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn durchaus richtig verstanden hatte.
Hastig trat sie einen Schritt zurück und funkelte ihn verächtlich an. „Das ist ja wohl der unverschämteste Vorschlag, der mir je gemacht wurde!“
„Tatsächlich?“, fragte Jack sie leise.
Kaum imstande zu atmen, registrierte Imogen sein wissendes Lächeln und den unterschwelligen Triumph in seinen Augen.
Da hatte sie plötzlich genug.
Von allem!
„Haben Sie immer noch nicht kapiert, dass Sie bei mir nicht landen können?“, zischte sie ihn wütend an. „Wenn Sie solchen Hunger haben, sollten Sie sich ein anderes Opfer suchen, über das Sie sich hermachen können!“
Nach diesen unmissverständlichen Worten drehte Imogen sich auf dem Absatz um und ließ den verdutzten Jack mitsamt seinem „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ stehen.
Jack Taylor hasste pseudoelitäre Veranstaltungen wie diese, und für moderne Kunst hatte er noch nie etwas übriggehabt. Der einzige Grund für seine Anwesenheit hier war die Hoffnung gewesen, seinen eigenen, ausgesucht hässlichen Beitrag zu dieser Ausstellung an den Mann zu bringen.
Doch während die meisten anderen Exponate wie warme Semmeln weggegangen waren, schien der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ von einem unsichtbaren Bannkreis umgeben zu sein. Er wurde so offenkundig ignoriert, dass Jack sich schließlich mit dem unerfreulichen Gedanken abfand, das verdammte Ding wieder mit nach Hause nehmen zu müssen.
Er hatte gerade beschlossen, den Abend als komplettes Desaster abzuhaken, noch einen letzten Drink zu nehmen und dann aufzubrechen, als er Imogen entdeckte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und betrachtete völlig versunken sein von allen anderen verschmähtes Bild.
Aus alter Gewohnheit hatte Jack sie näher in Augenschein genommen. Er hatte langes goldblondes Haar registriert, das in weichen Wellen unter einer schwarzen Baskenmütze hervorquoll. Sehr weibliche Kurven unter einem knielangen, ebenfalls schwarzen Mantel. Und sensationelle, seidenbestrumpfte Beine in hochhackigen schwarzen Pumps.
Ihr Anblick hatte spontanes Begehren in ihm ausgelöst, und als sie sich nach einer Weile halb umdrehte, um den Ausstellungskatalog ans Licht zu halten, wäre ihm fast die Luft weggeblieben. Sie war einfach umwerfend! Hohe Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase, samtiger Teint und dazu ein Mund, der zum Küssen wie geschaffen war.
In seinem unverwüstlichen Optimismus hatte Jack gedacht, dass sich der Abend vielleicht doch noch ganz nett entwickeln könnte. Also hatte er sich kurz entschlossen zwei Gläser Champagner geschnappt und war zu ihr hinübergegangen.
Was eine ziemlich blöde Idee gewesen war, überlegte er nun, während er Imogens davoneilender Gestalt nachblickte und zu begreifen versuchte, was gerade geschehen war.
Er solle sich lieber ein anderes Opfer suchen, über das er sich hermachen könne!
Was zum Teufel hatte sie damit gemeint?
Er hatte ihr ein harmloses Abendessen vorgeschlagen, aber nach ihrer Reaktion zu schließen, hätte man meinen können, er habe sie sich über die Schulter geworfen und versucht, sie an einen dunklen Ort zu schleppen, um dort seine kranken Triebe an ihr auszuleben.
Ratlos fuhr Jack sich mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar, während er die Begegnung mit Imogen Christie noch einmal rekapitulierte. Bis zu dem Moment, als sie plötzlich ausgeflippt war, hatte die Sache sich eigentlich ganz vielversprechend angelassen.
Als ihr Körper auf seinen geprallt und ihr Duft ihm in die Nase gestiegen war, hatte sein Denkvermögen vorübergehend ausgesetzt, doch er hatte das Aufflackern von Interesse in ihren Augen gesehen und ihren hämmernden Herzschlag an seiner Brust gespürt. Angesichts solch eindeutiger Anzeichen hatte er getan, was ihm so selbstverständlich war wie das Atmen: Er hatte mit ihr geflirtet.
Und sie hatte zurückgeflirtet! Ihm mit ihren Blicken, ihrem Lächeln und ihren atemlosen kleinen Seufzern zu verstehen gegeben, dass die Anziehung gegenseitig war. Also hatte er sie als nächsten logischen Schritt zum Dinner eingeladen, um herauszufinden, wie sich die Chemie zwischen ihnen entwickelte.
Stirnrunzelnd rieb Jack sich das Kinn, als er sich an den Moment erinnerte, in dem ihre Stimmung umgeschlagen war. Er hatte ihre Hand gehalten, die elektrische Reaktion in seinem ganzen Arm gespürt und sich gefragt, wieso auf einmal die Worte „Das ist sie!“ in leuchtender Neonschrift vor seinem geistigen Auge auftauchten. In diesem Moment hatte er gespürt, wie sie sich verspannte. Eine Sekunde später hatte sie sich von ihm losgerissen, als wäre er von einer ansteckenden Krankheit befallen, und er hatte begriffen, dass sich gerade etwas dramatisch verändert hatte.
Bloß was?
Bei der Erinnerung an ihren verächtlichen Gesichtsausdruck, als sie ihm seine Einladung vor die Füße geworfen hatte, presste Jack die wohlgeformten Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Zugegebenermaßen war die Bemerkung mit dem Dessert etwas daneben gewesen, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, ihn dermaßen zu beleidigen.
Mit brütendem Blick starrte er vor sich hin, während Ärger und Frustration durch sein Blut rauschten. Wie konnte sie es wagen, ihn wie einen schleimigen, aufdringlichen Lüstling zu behandeln? Ihm das Gefühl zu geben, er wäre ihr unangenehm dicht auf die Pelle gerückt?
Bisher waren ihm noch keine derartigen Beschwerden zu Ohren gekommen, ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich hatte sie irgendein Problem, das mit ihm nichts zu tun hatte, aber er würde ganz sicher nicht versuchen, es zu ergründen. Keine Frau war diesen Aufwand wert, besonders keine so oberflächliche wie Imogen Christie.
Oh ja, er wusste, wer sie war. Nach der Anzahl ihrer Auftritte in der Presse war das schließlich auch kein Wunder. Imogen Christie war nichts weiter als ein hohles Partygirl. Eine dieser ziellosen Frauen, die auf jedem Promievent vertreten waren und deren einziger Ehrgeiz darin bestand, es möglichst oft mit Namen und Foto in die Klatschspalten zu schaffen. Eine wie seine Mutter.
Sie hatte ihn während ihrer kurzen Unterhaltung zum Lachen gebracht, was soll’s? Und was bedeutete es schon, dass sein Körper so intensiv auf sie reagiert hatte? Jack verachtete Frauen wie sie, und sollte er je noch einmal an diesen Abend zurückdenken, würde er dankbar sein, dass ihm eine nähere Bekanntschaft mit ihr erspart geblieben war.
Nachdem Jack das für sich geklärt hatte, verspürte er keinerlei Drang mehr, sie zu verführen. Er wollte lediglich wissen, was ihr ihrer Meinung nach das Recht gab, so rüde zu ihm zu sein, und was genau ihr an ihm nicht passte.
Denn es ging einfach nicht an, dass eine Imogen Christie in dieser Angelegenheit das letzte Wort behielt. Er brauchte ein paar Antworten, und die würde er auch bekommen. Ob es ihr nun gefiel oder nicht.
Was für ein Idiot! sagte Imogen sich zum ungefähr zwanzigsten Mal, während sie fröstelnd in der kalten Februarluft stand.
Natürlich war es richtig gewesen, Jack Taylor abblitzen zu lassen, aber die Bemerkung mit dem Opferverschlingen hätte sie sich besser verkneifen sollen. Warum hatte sie nicht einfach behauptet, sie habe einen Freund, und der Fall wäre erledigt gewesen? Anscheinend hatte die Geschichte mit Max und Connie sie doch mehr aus der Bahn geworfen, als sie wahrhaben wollte.
Auf der Suche nach einem Taxi spähte sie die regennasse Straße hinunter und trat dabei von einem Fuß auf den anderen, um nicht ganz kalt zu werden. Jack Taylor repräsentierte alles, was sie an Männern verachtete – vielleicht abgesehen von seiner äußeren Erscheinung – aber das war keine Rechtfertigung für ihr rüdes Verhalten ihm gegenüber.
Natürlich könnte sie in die Galerie zurückgehen und sich bei ihm entschuldigen, doch was würde das bringen? Sie müsste dann eine Erklärung für ihr seltsames Verhalten abgeben, und das wiederum würde sie zwingen, sich mit den Gründen dafür auseinanderzusetzen.
Nein, unter diesen Bedingungen zog sie es vor, dass Jack Taylor sie für eine durchgeknallte Hysterikerin hielt und den ganzen schrecklichen Nachmittag aus seinem Gedächtnis strich.
Wären ihr Bruder und seine Familie in London gewesen, hätte Imogen sich jetzt zum Abendessen bei ihnen eingeladen. Sie hätte sich mit Wein und Zuneigung verwöhnen lassen, mit ihrer Nichte und ihrem Neffen herumgetollt und sich für eine Weile nicht ganz so einsam und unglücklich gefühlt. Aber leider waren sie beim Skifahren in den Alpen.
Es gab zwar einige Partys, zu denen sie eingeladen war, doch die Aussicht, den unvermeidlichen Fragen nach dem frisch verlobten Paar ausweichen zu müssen, war alles andere als verlockend. Und nach Connies Treuebruch hatte sie nun auch keine beste Freundin mehr, bei der sie ihre Sorgen und Nöte loswerden konnte.
Energisch riss Imogen sich zusammen, um nicht völlig im Selbstmitleid zu versinken. Immerhin hatte sie noch ihr gemütliches Haus in Chelsea, das stets ein sicherer Hafen für sie gewesen war.
Sobald sie zu Hause wäre, würde sie ein langes, entspannendes Bad nehmen und dann bei Kerzenschein und einem Glas guten Wein von dem pressefreien und sinnvollen Leben träumen, das sie in New York führen würde. Vorausgesetzt natürlich, dass ihre Bewerbung um einen Studienplatz dort angenommen wurde.
Endlich kam ein Taxi.
Imogen hob den Arm, und der Wagen hielt am Straßenrand. Ja, genau das werde ich machen, beschloss sie, als sie sich zum Fahrer vorbeugte und ihre Adresse nannte. Sie würde alles, was heute geschehen war, vergessen und …
„Einen Moment, bitte!“
Als sie die tiefe Stimme direkt an ihrem Nacken hörte und sich eine große, kräftige Hand auf ihre Schulter legte, erstarrte Imogen. Panik schnürte ihr die Kehle zu und schien sie vollständig zu lähmen, doch dieser Zustand währte nicht lange. Schon eine Sekunde später schoss ihr Ellbogen mit aller Kraft nach hinten, worauf ein lang gezogenes, schmerzerfülltes Aufstöhnen ertönte.
Wütend wirbelte sie herum, um sich den aufdringlichen Kerl anzusehen, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte … und glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht und mühsam nach Luft ringend stützte Jack Taylor sich mit einer Hand am Taxi ab, während er die andere auf seinen Magen presste.
„Wofür, zum Teufel, war das?“, wollte er wissen, sobald er seiner Stimme wieder mächtig war.
„Es war ein Reflex“, erklärte Imogen. „Sie haben mich erschreckt, tut mir leid.“
„Erinnern Sie mich daran, dass ich das nie wieder tue“, murmelte er, während er sich nur langsam wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete.
Hilflos registrierte Imogen, wie seine körperliche Nähe sie erneut erschauern ließ. „Wollten Sie etwas Bestimmtes von mir?“, fragte sie ihn und versuchte, dabei eine möglichst unschuldige Miene aufzusetzen.
„Sie sind mitten in unserem Gespräch einfach abgehauen“, erinnerte Jack sie mit finsterer Miene, während er sich die schmerzenden Rippen massierte. „Das war nicht gerade höflich.“
Imogen untersagte sich jedes Schuldgefühl und erwiderte herausfordernd seinen Blick. „Was mich betrifft, war das Gespräch zu Ende“, informierte sie ihn.
„Ich bezweifle nicht, dass Sie das so sehen.“
Er selbst war offensichtlich anderer Meinung, doch im Grunde war es gar nicht so schlecht, dass er ihr gefolgt war. So konnte sie ihre Entschuldigung anbringen und einen sauberen Schlussstrich unter diese ebenso kurze wie stürmische Bekanntschaft ziehen. Danach würde sie mit dem Taxi in die Dunkelheit entschwinden und einen Tag beschließen, der sich hoffentlich nie wiederholen würde.
Sie zwang sich, ihm weiter in die Augen zu sehen, und tastete dabei unauffällig nach der Wagentür. „Meine Bemerkung mit dem Opfer tut mir leid“, sagte sie steif. „Sie war unangemessen, und ich entschuldige mich dafür.“
Jack runzelte Stirn. „Und was hat sie ausgelöst?“
„Das müssen Sie noch fragen?“
„Offenbar, sonst würde ich es ja nicht tun.“
„Ich mag keine Desserts.“
„Nie?“
„Zurzeit jedenfalls nicht.“
Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Liegt es daran, dass Sie selbst so süß sind?“
Imogen verdrehte die Augen. „Oh bitte …“
Er betrachtete sie einen Moment, und sein Lächeln verschwand. „Wie auch immer, Sie haben jedenfalls ziemlich überreagiert.“
„Wofür ich mich hiermit erneut entschuldige.“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Leider habe ich einen Termin. Wenn das also alles war, würde ich mich jetzt gern verabschieden.“
„Wenn das alles war?“, wiederholte er ungläubig. „Aber wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen!“
Imogen blickte zu ihm auf und spürte erneut diese fatale Schwäche in den Knien. „Vielleicht laufen wir uns ja irgendwann mal wieder über den Weg.“ Zum Glück war das nicht sehr wahrscheinlich. „Aber für heute sage ich Gute Nacht.“
Sie öffnete den hinteren Wagenschlag und stieg eilig ein, doch als sie die Tür wieder zuziehen wollte, stellte sie fest, dass Jack die Hand auf den oberen Rand gelegt hatte und keinerlei Anstalten machte, zurückzutreten.
„Was soll das?“, brachte sie unsicher hervor. Der entschlossene Ausdruck in seinen Augen ließ ihren Puls vor Nervosität flattern.
„Wäre es okay für Sie, mich ein Stück mitzunehmen?“
Imogen zuckte innerlich zusammen. Er wollte sich zu ihr in dieses enge Taxi setzen und womöglich durch die halbe Stadt mit ihr fahren? Völlig ausgeschlossen!
„Ich glaube nicht, dass wir in dieselbe Richtung müssen.“
„Ich schon“, entgegnete Jack gelassen, und es klang nicht so, als würde er das im geografischen Sinne meinen.
„Sicher kommt gleich ein anderes Taxi.“
„Es fängt an zu regnen, und ich habe keinen Schirm.“
Sein mitleiderregender Gesichtsausdruck ließ Imogens Widerstand bröckeln. Sie glaubte zwar nicht, dass Jack sich groß vom Wetter beeindrucken ließ, aber trotzdem wäre es ihr gemein vorgekommen, ihn einfach im Regen stehen zu lassen. Sie mochte viele Fehler haben, doch Gemeinheit gehörte nicht dazu. Außerdem würde es aussehen, als hätte sie ein Problem mit ihm, wenn sie noch länger zögerte. Dass sie tatsächlich ein Problem mit ihm hatte, brauchte er schließlich nicht zu wissen.
„Ich muss nach Westen“, teilte sie ihm widerwillig mit.
„Großartig. Da muss ich auch hin.“
Als Jack neben ihr Platz nahm und schwungvoll die Tür schloss, befahl Imogen sich streng, nicht zurückzuweichen. Schließlich war es nur eine Taxifahrt. Außerdem war genug Platz zwischen ihnen, die zu überbrücken es nicht den geringsten Grund gab. Alles würde gut gehen.
Und so war es auch, bis der Fahrer Gas gab und mit einem scharfen Schwenk nach links auf die andere Straßenseite wechselte. Imogen, die darauf nicht vorbereitet war, gab einen erschrockenen Schrei von sich, als sie Jack quasi in die Arme geschleudert wurde. Ihr Kopf knallte gegen seine Schulter, und ihre linke Hand landete auf seinem Oberschenkel, gefährlich nah an seiner Leiste.
Sie spürte, wie ein Ruck durch ihn ging.
Hörte ihn scharf einatmen.
Mit hochrotem Kopf machte Imogen sich von ihm los, murmelte eine Entschuldigung und zog sich bis ans äußerste Ende der Rückbank zurück.
„Das war schon das zweite Mal an einem Abend.“ Mit einem selbstverliebten Grinsen brachte Jack sich in eine bequeme Position und fing an, in aller Ruhe seinen Mantel aufzuknöpfen. „Wäre Ihr dramatischer Abgang vorhin nicht gewesen, könnte man fast meinen, dass Sie sich unwiderstehlich zu mir hingezogen fühlen.“
Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?
„Sie waren doch derjenige, der mich verfolgt hat und unbedingt das Taxi mit mir teilen wollte“, erinnerte Imogen ihn. Und weil sie innerlich so aufgewühlt war, fügte sie ohne nachzudenken hinzu: „So etwas könnte man fast schon als Stalking bezeichnen.“
Nun war es Jack, der sich verspannte. Die Hände an seinen Mantelknöpfen verharrten einen Moment lang reglos, sein Blick gefror zu Eis. Etwas beklommen und mit leicht beschleunigtem Herzschlag beobachtete Imogen den winzigen Muskel, der an seiner Wange zuckte.
„Stalking … sich über Opfer hermachen …“, sinnierte er gefährlich leise. „Sie sollten mit solchen Anklagen nicht so sorglos um sich werfen, Imogen.“ Nachdem er seinen Mantel aufgeknöpft hatte, entledigte Jack sich seiner Krawatte, schob sie in die Manteltasche und löste den obersten Hemdknopf.
Natürlich hatte er recht, aber dennoch machte sein Kommentar Imogen wütend. „Ich kann den Begriff Stalker durchaus realistisch einordnen“, informierte sie ihn in scharfem Tonfall. „Vor einiger Zeit bin ich von einem Mann verfolgt worden, was ihm eine saftige Gefängnisstrafe eingebracht hat.“
Wie immer, wenn sie an den Mann dachte, der ihr sechs Monate lang das Leben zur Hölle gemacht hatte, spürte Imogen einen beklemmenden Druck auf der Brust. Jack warf ihr einen raschen Seitenblick zu, und der sonderbare Ausdruck in seinen Augen beschleunigte ihren Puls.
„Sie sind von einem Stalker verfolgt worden?“
Sie nickte knapp.
„Hm … Das erklärt natürlich den Schlag in den Magen, den Sie mir verpasst haben.“
„Tut es das?“, fragte Imogen honigsüß. Sie war fest entschlossen, jede Anwandlung von Mitleid schon im Keim zu ersticken. „Vielleicht kann ich Sie ja einfach nicht leiden.“
Jack Taylor lächelte sein unwiderstehliches Lächeln. „Doch, das tun Sie. Vielleicht gefällt es Ihnen nicht, aber Sie mögen mich.“ Dann wurde er plötzlich ernst. „Hören Sie, es tut mir ehrlich leid, wenn ich Ihnen Angst gemacht habe.“
Imogen überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass eine Diskussion darüber, ob sie ihn nun mochte oder nicht, zu nichts führen würde. „Sie haben mir keine Angst gemacht“, stellte sie lediglich klar. „Sie haben mich erschreckt, was ein erheblicher Unterschied ist.“
„Wenn Sie es sagen. Nur interessehalber … wo fahren Sie eigentlich hin?“
„Das geht Sie gar nichts an.“
Jack schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Warum denn so unfreundlich, liebste Imogen?“
„Weil ich mich nicht sehr freundlich fühle, nachdem Sie praktisch mein Taxi geentert haben.“
Hätte man Imogen in diesem Moment gefragt, wie sie sich denn stattdessen fühlte, wäre sie in Verlegenheit geraten. Nervös war sie, das konnte sie auf jeden Fall festhalten. Außerdem schien sie plötzlich mit hypersensiblen Antennen ausgestattet zu sein, da sie mit fast schmerzhafter Deutlichkeit selbst die kleinste Bewegung des Mannes neben ihr wahrnahm.
Liebste Imogen … Wie es wohl war, ihn diese Worte sagen zu hören, wenn er sie wirklich so meinte? Imogen fielen dazu gleich mehrere Szenarien ein, und in allen war sie nackt und befand sich in seinen Armen.
Wie schaffte er das bloß? Jack Taylor sah ohne Frage extrem gut aus und hatte einen Körper zum Niederknien, aber im Laufe ihres Lebens war Imogen vielen attraktiven, gut gebauten Männern begegnet. Und keiner von ihnen hatte auch nur annähernd so animalische Gelüste in ihr geweckt.
Sie wollte sich rittlings auf seinen Schoß setzen, wollte beide Hände unter sein Hemd schieben und genüsslich seine Muskeln erkunden, während sie ihn küsste, bis ihnen beiden die Sinne vergingen. Und das wäre erst der Anfang …
Es war das Verrückteste, was Imogen je erlebt hatte. Etwas, das sich mit dem Verstand nicht fassen ließ und daher umso beunruhigender war. Zumal sie genau wusste, wer Jack Taylor war und was sie von ihm zu halten hatte!
Aber vielleicht war genau das gemeint, wenn von sexueller Chemie die Rede war.
Sie musterte Jack von der Seite und beobachtete dabei ganz sachlich ihre körperliche Reaktion. Tatsächlich, es war beinahe wie ein Reflex. Eine brennende Anziehung, die nichts mit Logik, Vernunft oder realen Gegebenheiten zu tun hatte. Ja, sie begehrte diesen Mann, es wäre albern, es abzustreiten. Aber sie konnte ihm widerstehen! Es war alles nur eine Frage der Willenskraft.
„Warum schauen Sie mich eigentlich so an, wenn Sie mich nicht mögen?“
Imogen wurde rot wie ein Schulmädchen, das man bei etwas Verbotenem ertappt hatte. Eilig blickte sie beiseite und kurbelte das Fenster ein Stück herunter. „Aus keinem besonderen Grund“, behauptete sie gespielt gleichmütig. „Ich versuche nur, den Feind einzuschätzen.“
Um Jacks Mundwinkel zuckte es leicht. „Heißt das, dass wir uns im Kriegszustand befinden?“
„Natürlich nicht, es ist nur …“, Imogen verstummte und kämpfte einen Moment mit sich. Dann wandte sie ihm wieder das Gesicht zu und fragte ohne Umschweife: „Was wollen Sie von mir, Jack?“
„Was glauben Sie denn, was ich von Ihnen will?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“
„Ich will immer noch eine Erklärung, Imogen. Warum sind Sie so auf mich losgegangen, obwohl ich Sie nur zum Abendessen eingeladen habe?“
Nur zum Abendessen? Das kannst du vielleicht deiner Großmutter weismachen, aber nicht mir!
„Mir kam es so vor, als hätten Sie mir weit mehr als nur ein Abendessen angeboten“, bemerkte sie spitz.
„Das lag vielleicht daran, dass mir weit mehr als nur das im Angebot zu sein schien.“
„Wie bitte!?“ Vor Empörung schnappte Imogen förmlich nach Luft. „Also, Sie sind wirklich … unglaublich!“
Jack lächelte selbstgefällig. „Ich weiß. Aber wieso hört sich das aus Ihrem Mund nicht wie ein Kompliment an?“
„Weil es keins war, verdammt!“
Verärgert über ihre Unbeherrschtheit presste Imogen die Lippen zusammen und befahl sich, tief ein- und wieder auszuatmen. Wieso regte sie sich eigentlich so auf? Dieser Mann litt an krankhafter Selbstüberschätzung, und gegen dieses Leiden war bekanntermaßen kein Kraut gewachsen.
Jack beobachtete sie mit nachsichtiger Miene und schüttelte langsam den Kopf. „Imogen, Imogen …“, murmelte er. „Was ist nur Ihr Problem?“
Sie wünschte, er würde ihren Namen nicht so aussprechen. Bisher hatte sie ihn immer etwas langweilig gefunden, aber Jack Taylor schaffte es, ihn sexy, ja geradezu verrucht klingen zu lassen.
„Ich habe kein Problem“, stellte sie klar, obwohl sie es schon ein bisschen problematisch fand, dass sie diese absurde Unterhaltung regelrecht genoss. „Ist es wirklich so schwer zu glauben, dass ich mit Ihnen weder essen noch sonst etwas tun will?“
Darauf begann Jack, sie von Kopf bis Fuß zu mustern. Langsam und eingehend, als wollte er sich jede Einzelheit ihres Körpers auf die Netzhaut brennen. Als er seine Inspektion beendet hatte und sein Blick zu ihrem Gesicht zurückkehrte, kam es Imogen vor, als hätte sie kein einziges Kleidungsstück mehr am Leib. Ihr ganzer Körper schien zu glühen, und das heftige Kribbeln in ihrem Schoß sprach nicht gerade von einem eisernen Willen. Sie konnte nur beten, dass er nicht merkte, wie es in ihr aussah, doch Jacks wissendes Lächeln ließ da nicht viel Hoffnung.
„Vielleicht wollen Sie nicht mit mir essen“, räumte er großzügig ein. „Aber mich wollen Sie definitiv.“
Imogen blinzelte ungläubig, und das sinnliche Netz, das er um sie gewebt hatte, zerriss. Da war sie wieder, diese machohafte Überzeugung, über alles Bescheid zu wissen. Inklusive ihrer Person! In diesem Augenblick hasste und begehrte Imogen ihn gleichzeitig. Sie wollte immer noch auf seinen Schoß springen und alles mit ihm tun, was Mann und Frau nur miteinander tun konnten, aber erst, nachdem sie ihn mit ein paar kräftigen Ohrfeigen von seinem hohen Ross heruntergeholt hatte.
„Ich würde Sie nicht einmal wollen, wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären!“, erklärte sie verächtlich und hob das Kinn, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Leider erreichte sie damit nur, dass sich Jacks Aufmerksamkeit jetzt ganz auf ihre Lippen konzentrierte.
„Sie wissen selbst, dass ich Ihnen jederzeit das Gegenteil beweisen könnte“, stellte er sanft fest.
„Versuchen Sie es doch“, forderte Imogen ihn heraus. „Ich würde mir allerdings keine großen Erfolgschancen ausrechnen.“
„Ach, ich bin da ganz zuversichtlich.“
Sein siegessicheres Grinsen gab Imogen den Rest. Es ging ihr nicht mehr darum, wer von ihnen beiden recht hatte. Es ging ihr nur noch um Jack Taylor und alle anderen Kerle, die genauso waren wie er. All die verletzten Gefühle, die hilflose Wut und die nagenden Selbstzweifel, die sie bisher so erfolgreich verdrängt hatte, überschwemmten sie wie eine übermächtige Woge. Sie wollte mit den Fäusten auf seine Brust einschlagen, wollte ihm schonungslos ins Gesicht schleudern, was sie von ihm und seinesgleichen hielt, doch bevor sie ihren Impuls in die Tat umsetzen konnte, setzte ihr Verstand wieder ein.
Was hätte sie davon, wenn sie jetzt ihren aufgepeitschten Emotionen freien Lauf ließ? In den letzten sechs Stunden hatte sie bereits mehr psychische Labilität an den Tag gelegt als in ihrem ganzen bisherigen Leben. Wenn sie jetzt die Nerven verlor, würde sie vor ihm – und auch vor sich selbst – endgültig als seelisches Wrack dastehen.
Und das war sie nicht.
Jedenfalls nicht völlig.
Also schloss Imogen die Augen, atmete tief durch und begab sich innerlich an einen Ort, an dem warme Sonne ihre Haut streichelte und der Martini in Strömen floss.
So schwierig konnte es doch nicht sein, sich zusammenzureißen.
Was, zum Teufel, ist denn jetzt mit ihr los?
Stirnrunzelnd beobachtete Jack, wie Imogen mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen dasaß, sich in die Nase kniff und etwas Unverständliches vor sich hin murmelte.
Eine eigenartige Frau. Irgendwie bezaubernd, aber trotzdem eigenartig. In einem Moment war sie noch ein heißes, sinnliches Versprechen, im nächsten eine aufgebrachte Furie, und dann verhielt sie sich plötzlich wie ein störrischer Esel. Und jetzt … ja, was machte sie eigentlich gerade? Meditierte sie? Dachte sie sich eine neue Überraschung für ihn aus?
Nach einer Weile öffnete sie wieder die Augen und blickte gelassen zu ihm auf. „Wollen Sie wirklich wissen, was mein Problem ist?“, fragte sie ihn mit honigsüßer Stimme.
„Ja“, erwiderte Jack, ohne zu zögern, obwohl sein Instinkt ihm sagte, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.
Sie lächelte so betörend, dass er sie am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. „Tja, ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Vielleicht mit ihrem Größenwahn?“
Jacks dunkle Brauen schossen hoch. Von allen möglichen Vorwürfen war dies der abwegigste. „Wie kommen Sie zu der Annahme, ich sei größenwahnsinnig?“
„Meinen Sie abgesehen von dem, was sich aus unserem Gespräch ergeben hat?“
Eilig durchforstete Jack sein Gehirn. Waren sie sich früher schon einmal begegnet? Nein, unmöglich. Daran würde er sich mit Sicherheit erinnern.
„Also, ich weiß wirklich nicht, worauf Sie …“
„Greatsexguaranteed“, half sie ihm auf die Sprünge und sah ihm dabei bedeutungsvoll in die Augen.
Jacks Puls beschleunigte sich rapide. Er hatte doch gleich gewusst, dass ihre Kratzbürstigkeit nur Fassade war. „Ist das ein Angebot?“, erkundigte er sich hoffnungsvoll.
„Selbstverständlich nicht“, stellte Imogen umgehend klar. „Es war nur eine kleine Erinnerung an Ihre Ebay-Episode.“
Also das fuchste sie so … Vor vier Jahren hatte er Luc überredet, mit ihm an dieser Dating-Auktion teilzunehmen, um ihn von der Trauer über den Tod seiner Frau abzulenken. Die Dame, um die es dabei ging, war inzwischen Lucs zweite Ehefrau, und den Benutzernamen „greatsexguaranteed“ hatte Jack sich aus reinem Jux für diesen Zweck zugelegt.
Sehr interessant, dass sie sich ausgerechnet auf dieses Detail eingeschossen hatte!
„Ja, ich erinnere mich“, bestätigte er.
Imogen rümpfte die zierliche Nase. „So etwas von sich selbst zu behaupten, zeugt ja wohl von ziemlicher Selbstüberschätzung.“
Jack grinste. „Was macht Sie da so sicher?“
Ihm waren bezüglich seiner Leistungen im Bett noch keine Beschwerden zu Ohren gekommen, und es war so herrlich leicht, sie auf die Palme zu bringen.
Auch dieses Mal enttäuschte sie ihn nicht. In ihrer Empörung erinnerte sie ihn an einen wutschnaubenden kleinen Drachen. Es fehlte nur noch, dass sie Feuer spuckte und zischende Dampfwolken ausstieß.
Als sie sich mit der Zungenspitze über die volle Unterlippe fuhr, übermannte Jack ein heftiger Anflug von Begehren. Die Spannung zwischen ihnen ließ die Luft im Wageninnern förmlich knistern und beschwor Bilder von ihm und Imogen herauf, die definitiv nicht jugendfrei waren. Sein Puls beschleunigte sich rasant, es juckte ihn in allen Fingern, sie an sich zu reißen und seine Fantasien auf der Stelle umzusetzen …
Nun mal langsam, Taylor! Was ist denn mit dir los? Du bist doch sonst nicht so leicht zu überwältigen.
„Und das untermauert nur meinen nächsten Punkt …“
Es dauerte eine Weile, bis Imogens kühle Stimme zu Jacks Hirn vordrang. Ihr nächster Punkt? Was für ein Punkt? Er wollte sie so sehr, dass es schon an Schmerz grenzte. Noch nie hatte er einen so primitiven Drang verspürt, etwas – oder jemanden – zu besitzen. Es war direkt beängstigend!
„Und der wäre?“, erkundigte er sich heiser und verschränkte die Arme vor der Brust, um wenigstens den Anschein von Gelassenheit vorzutäuschen.
„Ihre Arroganz und Rücksichtslosigkeit.“
Jack gab dazu keinen Kommentar ab. Imogen wartete zwar ganz offensichtlich auf eine Reaktion, doch er zog es vor, sich erst einmal anzuhören, was sie noch alles auf Lager hatte.
„Fahren Sie nur fort“, forderte er sie trocken auf. „Sie brauchen sich meinetwegen nicht zurückzuhalten.“
„Das hatte ich auch nicht vor.“ Ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht. „Mir ist außerdem zu Ohren gekommen, dass Sie unsensibel und gefühlskalt sind.“
Noch immer gab Jack keine Reaktion zu erkennen, obwohl es hinter der neutralen Fassade inzwischen ziemlich brodelte. Als arrogant und rücksichtslos bezeichnet zu werden, war gerade noch erträglich. Es mochte sogar eine Spur von Wahrheit darin liegen, obwohl er selbstbewusst und zielstrebig passender gefunden hätte. Aber unsensibel und gefühlskalt? Das war nun wirklich voll daneben. Was war falsch daran, sein Innenleben für sich zu behalten? Es trug nun mal nicht jeder sein Herz auf der Zunge.
„Mir war nicht klar, dass ein gemeinsames Abendessen besondere emotionale Tiefe erfordert.“
„Ich bezweifle, dass irgendetwas, was Sie tun, emotionale Tiefe verlangt.“
Ihr Tonfall war sanft, ja sogar eine Spur amüsiert, aber das änderte nichts daran, dass sie gerade eine weitere Beleidigung losgelassen hatte. Und überhaupt – woher hatte sie diesen Unsinn eigentlich?
„Sie kennen mich doch gar nicht.“
„Ich kenne Männer wie Sie.“
„Männer wie mich …?“, wiederholte Jack langsam. Die Vorstellung, mit irgendwelchen anderen Kerlen in eine Schublade gesteckt zu werden, ging ihm entschieden gegen den Strich.
„Oder besser gesagt, Männer mit Ihrem Ruf.“
Er dachte einen Moment lang darüber nach. „Mit anderen Worten“, stellte er schließlich mit milder Verachtung fest, „basieren ihre Vorwürfe einzig und allein auf Klatsch und Tratsch.“
Sie zuckte die Schultern. „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“
Nein, so war es eben nicht!
Jack war nicht annähernd so schlimm, wie sein Ruf es vermuten ließ, auch wenn er nie viel unternommen hatte, um das negative Bild von sich zu korrigieren. Es hatte durchaus Vorteile, wenn sich die Leute vor einem in Acht nahmen, besonders wenn es um Frauen ging. Auf diese Weise wurden übertriebene Erwartungen schon im Keim erstickt.
Jetzt wäre es ihm allerdings lieber gewesen, wenn alle ihn für einen sympathischen Gutmenschen gehalten hätten.
„Ich glaube, dass Sie mich vorschnell beurteilt haben“, gab er zu bedenken.
„Schon möglich“, räumte Imogen ein. „Andererseits hatte ich dafür Gründe.“
„Und die wären?“
„Amanda Hobbs, zum Beispiel.“
Amanda Hobbs? Jack kramte in seiner Erinnerungskiste und wurde schließlich fündig. „Ja und? Was ist mit ihr?“
„Sie haben ihr das Herz gebrochen.“
„Habe ich das?“ Jack wusste genau, dass er nichts dergleichen getan hatte, da er mit Amanda nie das Stadium erreicht hatte, in dem das Thema „Herzen“ überhaupt eine Rolle spielte.
Imogen starrte ihn ungläubig an. „Sie wollen doch nicht behaupten, Sie wüssten nichts davon?“
„Genau das will ich.“
Imogen drohte erneut, von Empörung überwältigt zu werden. „Also, ich kann einfach nicht glauben, dass Sie wirklich so abgestumpft sind! Haben Sie denn tatsächlich nicht bemerkt, was Sie da angerichtet haben?“
Jack wusste nicht, was er hätte bemerken sollen, aber das Feuer, das aus Imogens goldbraunen Augen sprühte, war hinreißend.
„Dann klären Sie mich doch auf“, schlug er ihr vor.
„Amanda Hobbs“, wiederholte sie grimmig. „Hatten Sie so viele Frauen, dass Sie kein Gesicht mehr mit dem Namen verbinden können?“
So viele waren es bei Weitem nicht gewesen, aber Jack fand nicht, dass sie das wissen musste. Jedenfalls nicht sofort. Daher machte er nur eine unbestimmte Handbewegung und schenkte ihr ein unschuldiges Lächeln, was sie noch mehr in Rage brachte.
„Sie sind drei Monate lang mit ihr ausgegangen! Klingelt es jetzt vielleicht?“
Drei Monate …? Jack zog leicht die Brauen hoch und erwiderte nichts.
„Sie wollten mit ihr zusammenziehen, und dann haben Sie ihr per SMS den Laufpass gegeben. Das dürfte wohl die mieseste Art sein, eine Beziehung zu beenden, die mir je untergekommen ist!“
„Noch etwas?“, erkundigte Jack sich ruhig.
„Reicht das etwa nicht?“
„Ich bin sicher, Sie haben noch mehr auf Lager.“
„Haben Sie seitdem überhaupt einen einzigen Gedanken an sie verschwendet?“ Mit hocherhobenem Kinn blitzte Imogen ihn an, ihr ganzer Körper bebte vor Zorn. „Oder daran, dass das arme Mädchen so fertig war, dass es bis Italien flüchten musste, um sich von dem Schlag zu erholen?“
Ehrlich gesagt, hatte Jack tatsächlich nicht mehr an sie gedacht. Und warum auch? Und wieso regte Imogen sich so darüber auf? War sie eine Freundin von Amanda? Zumindest hatten beide denselben Hang zum Melodramatischen.
„Sind Sie ein Racheengel mit der Mission, alle Verbrechen zu ahnden, die ich angeblich begangen habe?“, erkundigte er sich interessiert. „Falls dem so ist, kann ich Ihnen versichern, dass es in diesem Fall nichts zu ahnden gibt.“
Ihr Blick verriet eindeutig, dass sie ihm kein Wort glaubte.
„Na schön, dann liefere ich Ihnen jetzt die Fakten. Ich habe von ihren Räuberpistolen nämlich langsam genug.“
Als Imogen etwas einwerfen wollte, legte Jack ihr kurz entschlossen die Hand über den Mund. „Nein“, erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Jetzt rede ich!“
Ihre Augen wurden weit vor Schreck, aber Jack ignorierte es ebenso wie das erregende Gefühl ihrer warmen Lippen unter seiner Handfläche. „Amanda und ich sind drei-, höchstens viermal miteinander ausgegangen“, erklärte er mit Nachdruck. „Als ich merkte, dass sie mehr von mir wollte als ich von ihr, habe ich die Sache beendet, und das war’s. Wir hatten nie eine Beziehung und ganz sicher nicht vor zusammenzuziehen.“
Er konnte förmlich zusehen, wie es in Imogen arbeitete, während sie die neuen Informationen verdaute. „Das ist die reine Wahrheit“, beteuerte er mit samtweicher Stimme, wobei er unmerklich ein wenig näher rückte. „Was immer Amanda in Italien treibt, hat mit mir nichts zu tun, okay?“
Sie betrachtete ihn über den Rand seiner Finger hinweg mit einem langen, prüfenden Blick. Dann nickte sie.
„Und wo wir schon dabei sind …“ Warum sollte er nicht die Gelegenheit nutzen und noch ein paar andere Dinge klären? „… ist es eher mein Ruf, der aufgebläht ist, und nicht mein Ego.“
Das war eindeutig eine Tatsache zu viel zu verdauen. Jack las es deutlich in ihren Augen.
„Sie glauben mir nicht?“
Sie schüttelte entschieden den Kopf.
„Ich verstehe …“, murmelte er und nickte dabei nachdenklich. „Dann nehme ich an, dass es ebenfalls wahr ist, was ich über Sie gehört habe.“ Zufrieden nahm Jack zur Kenntnis, wie sie sich bei seinen letzten Worten verspannte. „Laut meinen Quellen sind Sie nämlich ein oberflächliches, geistloses Luxuspüppchen, das planlos in den Tag hineinlebt.“
Als er sah, wie der Feuer speiende Drache wieder in ihr erwachte, fügte er treuherzig hinzu: „Oder stimmt das etwa nicht?“
Erneutes grimmiges Kopfschütteln.
„Okay. Und warum sollte es in meinem Fall anders sein?“
Er gab Imogen einen Moment Zeit, um in sich zu gehen. Dann beugte er sich ein wenig nach vorn und murmelte: „Vielleicht bin ich ja doch nicht so verrucht, wie Sie mich gern hätten?“
Jack spürte, wie sie erschauerte, sah, wie ihre Augen eine Nuance dunkler wurden. Erneut packte ihn heißes Verlangen. Was wäre nur alles möglich, wenn sie es beide zuließen, einmal so richtig verrucht zu sein! Er wollte ihren Kopf zu sich ziehen, sie küssen, bis sie die Welt um sich her vergaß, und dann …
Nein, das wäre ein riesengroßer Fehler!
Was genau ihn zurückhielt, hätte Jack nicht erklären können. Eigentlich sprach nichts dagegen, seine Einladung zum Dinner zu wiederholen und Imogen dazu zu bringen, ihrer gegenseitigen Anziehung nachzugeben. Das einzige Hindernis war die Alarmglocke, die ununterbrochen in seinem Hinterkopf schrillte, seit er ihr in der Galerie die Hand gegeben hatte und ihm die Worte „Das ist sie!“ durch den Kopf geschossen waren.
Mit irgendwelchen Gefühlen hatte das natürlich nichts zu tun. Wahrscheinlich hatte ihm ein spontanes Aufflammen sexueller Besitzgier diesen Gedanken eingegeben. Trotzdem riet ihm sein Instinkt, diese Episode jetzt zum Abschluss zu bringen. Er hatte herausgefunden, worin Imogens Problem bestand, und die Dinge richtiggestellt. Und das Taxi hielt praktischerweise gerade an einer roten Ampel.
„Okay“, sagte er mit einer Entschiedenheit, die mehr ihn selbst als Imogen überzeugen sollte. „War es das?“
Sie nickte.
„Keine weiteren Anklagen mehr?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Dann sage ich jetzt Gute Nacht.“
Bevor Jack seine Meinung noch einmal ändern konnte, gab er ihren Mund frei, öffnete die Tür und sprang aus dem Wagen.
Einige Stunden später rückte Imogen zum x-ten Mal ihr Kissen zurecht. Noch immer spürte sie Jacks große, warme Hand auf ihren Lippen, und auch das sehnsüchtige Verlangen, das seine körperliche Nähe ausgelöst hatte, war noch da.
Gut, dass er so plötzlich das Weite gesucht hat, sagte sie sich. Denn wenn er es nicht getan hätte, wäre höchstwahrscheinlich das geschehen, woran sie schon den ganzen Abend nicht zu denken versuchte.
Leider ohne den geringsten Erfolg.
Als sie zu Hause angekommen war, hatte sie genau das getan, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte ein langes, heißes Bad genommen und es sich anschließend mit einem Glas Wein auf ihrem Lieblingssessel bequem gemacht, doch die erhoffte Wirkung war ausgeblieben. Der Wein war ihr eine Spur sauer vorgekommen, und das Bad hatte ihre innere Hitze nur noch verstärkt.
Nicht einmal das wohlige Träumen von ihrem neuen Leben in den Staaten hatte funktioniert, da ihr ständig irgendwelche wilden Fantasien von ihr und Jack in die Quere kamen. Als letztes Mittel hatte sie sich noch einmal eingehend den „Greatsexguaranteed“-Teil ihrer Unterhaltung ins Gedächtnis gerufen, was aber nur zu Selbstvorwürfen geführt hatte. Wieso war ihr bloß kein anderes Beispiel eingefallen, um seinen schlechten Charakter bloßzulegen?
Imogen seufzte in die Dunkelheit hinein. Natürlich hatte sie nur noch daran denken können, nachdem sie es einmal erwähnt hatte.
Fantastischer Sex.
Mit Jack.
Garantiert.
Selbst als sie ihn als arrogant, rücksichtslos und gefühlskalt beschimpft hatte, war sie so begierig nach ihm gewesen, dass sie ihm am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Und dann war da plötzlich seine Hand auf ihrem Mund, während seine weiche, einschmeichelnde Stimme wie süßes Gift in jede Zelle ihres Körpers drang …
Tatsächlich hatte nur die Gegenwart des Taxifahrers sie davon abgehalten, alle Skrupel in den Wind zu schlagen und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.
Den Blick starr an die Decke gerichtet, gab Imogen einen weiteren Seufzer von sich. Sie hatte Jack von der ersten Sekunde ihrer Begegnung an gewollt, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Denn während sie zusehends dahingeschmolzen war und sich gefragt hatte, ob es wirklich so schlimm wäre, ihren Gefühlen nachzugeben, hatte er bereits seinen Abgang geplant. Was im Rückblick völlig verständlich war. Sie hatte sich ihm gegenüber unmöglich benommen und hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe getan.
Mit dieser Erkenntnis zog Imogen sich die Bettdecke über den Kopf, als könnte sie so die Erinnerung an diesen von vorne bis hinten verkorksten Abend ausblenden.
Nur gut, dass sie Jack Taylor nie wiedersehen würde.
„Jetzt rück schon endlich raus damit! Was ist passiert?“
Jack blickte von seiner Speisekarte auf, die er seit einer vollen Minute anstarrte, ohne etwas von deren Inhalt wahrzunehmen.