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Auch wenn der politische Islam nur ein Aspekt des Islam darstellt, ist er häufig DAS Thema in unseren Medien: Wie steht er zu Zwangsehen? Erlaubt er die Anwendung von Gewalt? Wodurch werden Jugendliche radikalisiert? Sind Islam und Menschenrechte miteinander vereinbar? Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher erläutert fundiert die geschichtlichen, religiösen und politischen Hintergründe der Thematik und zeigt den gesellschaftlichen Anspruch des politischen Islam auf.
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Seitenzahl: 403
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Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7295-0 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5655-4 (Lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
© der deutschen Ausgabe 2015 SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen Internet: www.scmedien.de · E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Islam in Deutschland
Islamismus in Deutschland
Entstehung und Kennzeichen des Islamismus
Islamistische Meinungsführer und ihr Einfluss auf Europa
Konfliktfeld Religionsfreiheit
Konfliktfeld Frauenrechte
Zielgruppen der Studie
Ergebnisse
Fazit
Islam in Europa – eine Bedrohung?
Muslime in Deutschland – Fremde geblieben?
Toleriert Europa Religiöse?
Konversionen zum Islam als Bewältigung der Moderne?
Wege in die Radikalität
Fazit
Unverzichtbare Bestandteile einer Demokratie
Der Kampf um die »ideale« islamische Ordnung
Islam und Demokratie damals und heute
Demokratie und Schariarecht
Positionen islamischer Intellektueller zur Demokratie heute
Fazit
Bedeutung des Begriffs der »Scharia«
Die Scharia als »Weg zur Tränke«
Grundlagen der Scharia
Die Auslegung des Schariarechts
Scharia – auch in Deutschland?
Die Quellenlage
Kulturelle Aspekte: Hat die Braut die Möglichkeit zur Ablehnung der Eheschließung?
Eheschließungen in islamisch geprägten Gesellschaften in der Geschichte – Schlaglichter
Freiwillige Eheschließung oder Zwangsehe? Ein Blick auf die heutige Praxis
Das Menschenrecht auf eine freiwillige Eheschließung
Schariarichter und Schariagerichtshöfe – worum dreht sich die Diskussion?
Kommen Scharianormen in deutschen Gerichtssälen zur Anwendung?
Schariagerichtshöfe auch in Deutschland?
Streitschlichter und Friedensrichter in Deutschland
Fazit
»Ehre« und »Schande« im nahöstlichen Kontext
Die Verletzung der Ehre und ihre Folgen
Opfer und Täter – in derselben Familie
Männer als Mit-Gefangene des Systems
Wurzeln des Ehrenmordes
Strafverfolgung und Strafmilderung
Ehrenmorde im westlichen Kontext
Der Karikaturenstreit
Die Muhammadkarikaturen und ihre Folgen
Kennt »der Islam« überhaupt ein Bilderverbot?
Die Anwendung des Bilderverbots in der Moderne: Schlaglichter der Diskussion
Fazit
Die Frage der Gewalt: Interview anlässlich der Attentate auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, Paris, Januar 2015
Die Bedeutung der Menschenrechtsdiskussion
Islamische Menschenrechtserklärungen
Islamisch definierte Menschenrechte in der apologetischen Debatte
Muslimische Stimmen abseits der offiziellen islamischen Menschenrechtserklärungen
Bemühungen um die Verbesserung der Menschenrechtssituation in islamischen Ländern
Menschenrechtsarbeit – wohin?
Der Einfluss der Schariathematik auf die Menschenrechtsdiskussion
Folgen des Abfalls vom Islam
Die Blasphemiegesetze in Pakistan und ihre Opfer
Gründe für die Ablehnung voller Religionsfreiheit im Islam
Koran, Überlieferung und islamische Theologen über die Apostasie
Wer ist ein Apostat?
Apostasie im 20. Jahrhundert: Bekenntnis gilt als Umsturzversuch
Religionsfreiheit nach Definition des Iran
Das Thema Religionsfreiheit gehört auf die Tagesordnung internationaler Politik und Diplomatie
Anmerkungen
Was macht den Kern des Islam aus: Ist er vor allen Dingen Religion – oder sogar ausschließlich Religion –, umfasst er auch Gesellschaft und Politik oder muss er in jedem Fall in Gesellschaft und Politik, Recht und Gesetz umgesetzt werden, um vom einzelnen Gläubigen überhaupt praktiziert werden zu können?
Diese Frage nach dem »eigentlichen« Kern des Islam stellte sich in den vergangenen Jahrhunderten in den nahöstlichen Gesellschaften mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, die ohnehin keinen »Staat« (geschweige denn einen Rechtsstaat) im modernen Sinne kannten, weitaus weniger. Sie erhält aber in den europäischen Gesellschaften mit muslimischen Minderheiten ganz neue Bedeutung.
Hinzu kommt, dass der Islam seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von politischen Bewegungen hervorbrachte, die eine Reduzierung des Islam auf Ethik und Glaube dezidiert als Unglaube und Abfall vom Islam verurteilten und eine Durchdringung der Gesellschaft mit dem Islam und politische Umsetzung des Islam einfordern.
Diese Aufsatzsammlung behandelt die sich aus diesem politischen Islam ergebenden Konfliktpunkte mit der demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft. Die einzelnen Artikel sind in den vergangenen Jahren an verschiedenen Orten publiziert worden – die genaueren Angaben finden sich am Ende jedes Artikels – und werden hier leicht bearbeitet zusammengefasst.
Der politische Islam ist nicht »der Islam«, sondern ein Ausschnitt aus einem sehr diversen Spektrum an Auffassungen innerhalb der islamischen Theologie und unter Muslimen. Mit der Behandlung von Themen wie Zwangsehe, Demokratieverträglichkeit oder Karikaturenstreit soll nicht der Eindruck vermittelt werden, dass alle Muslime diese hier erläuterten Auffassungen teilen – im Gegenteil. Auch ist nicht alles »islamisch« oder wird von Koran und Sunna vorgeschrieben, was gesellschaftlich vielleicht so wahrgenommen wird, wie etwa das Phänomen der Zwangsehe. Gerade, um eine Sachdebatte führen zu können, ist jedoch eine faktenorientierte Auseinandersetzung mit politischen, geschichtlichen, kulturellen, traditionellen und religiösen Wurzeln und Ursachen für die hier erläuterten Konfliktpunkte zwischen einem Islam, der einen dezidiert politischen Anspruch vertritt und einer demokratischen Gesellschaft unabdingbar.
Bonn, im Juli 2015 Christine Schirrmacher
Der Islam ist mittlerweile die zweitgrößte Religion in Deutschland. Dieser Umstand rückte erst spät, vor allem nach dem 11.9.2001, vollends ins gesellschaftliche Bewusstsein. Das zeigte nicht zuletzt die hitzig geführte Debatte über die Äußerung des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit aus dem Jahr 2010: »Der Islam gehört zu Deutschland.« Während seine Aussage als die eines hochrangigen Repräsentanten des deutschen Staates für die einen ein wohltuendes öffentliches Bekenntnis zur Zugehörigkeit von Muslimen zur deutschen Gesellschaft darstellte, war sie für die anderen ein historisch nicht belegbarer und für die Gegenwart in seiner Allgemeingültigkeit zumindest disputabler Anspruch auf Mitbestimmungsrechte und religionsrechtliche Parität.1
Wer hätte nach Kriegsende, in der Geburtsstunde der deutschen Demokratie, den Gründervätern der Bundesrepublik die heutige Entwicklung vorhersagen können? Mit Sicherheit niemand. Nur wenige Jahrzehnte später ist der Islam mit einer Vielfalt unterschiedlicher Gruppierungen mit bis zu 4,4 Millionen Menschen muslimischen Glaubens2 unumkehrbar Teil der deutschen Gesellschaft geworden.
Die Geschichte des Islam in Deutschland beginnt bereits mit dem Jahr 1961, als die Bundesrepublik Deutschland die ersten Anwerbeverträge mit Arbeitnehmern aus der Türkei, vor allem aus Anatolien, schloss. Wichtiger als eine qualifizierte Schul- und Berufsausbildung war vor der Einreise der Gesundheitstest – einschließlich einer Überprüfung der Zahngesundheit. Viele Menschen kamen als ungelernte Arbeitskräfte – ja, manche sogar als Analphabeten –, um im Bergbau, in der Stahl- und Baubranche oder in den Fertigungshallen der Automobilindustrie das ungeheure Wirtschaftswachstum in Nachkriegsdeutschland voranzutreiben, für das bei Vollbeschäftigung keine weiteren Arbeitsmarktreserven innerhalb der europäischen Grenzen mobilisiert werden konnten. Viele Männer kamen ohne Familie, als »Gastarbeiter«, mit der erklärten Absicht, nach einigen Jahren in die Heimat zurückzukehren.3 Das entsprach auch der Zielvorgabe aufseiten der deutschen Politik.
Weder die Zuwanderer noch die Aufnahmeländer Europas rechneten ursprünglich mit einem dauerhaften Zusammenleben. Beide Seiten gingen zunächst von wenigen Jahren aus. Jahre später erschien die wirtschaftliche und teilweise auch die politische Lage in der Türkei wenig vielversprechend, und als 1973 die Bundesrepublik einen Anwerbestopp erließ – es lebten damals 910500 Türken in der Bundesrepublik4 –, den Familiennachzug aber weiter ermöglichte, kam es nicht zur erwarteten Rückkehrbewegung: Ehefrauen und Kinder zogen nach, die zweite Generation muslimischer Migranten in Deutschland wuchs nun in Deutschland auf. Durch eine im Vergleich zur deutschen Bevölkerung höhere Geburtenrate, durch Flüchtlinge und Zuwanderer aus verschiedenen islamisch geprägten Ländern (neben der Türkei vor allem Bosnien-Herzegowina, dem Iran, Afghanistan, Pakistan und einigen arabischen Ländern wie dem Irak, Libanon, Syrien, Tunesien oder Marokko), durch Asylsuchende und Wirtschaftsflüchtlinge, durch Studenten und später auch durch die gezielte Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte und eine wachsende Zahl von deutschen Konvertiten zum Islam wuchs die Zahl der Muslime in Deutschland auf heute – allein aus der Herkunft hochgerechnete und daher weiterhin lediglich geschätzte – 4,2 bis 4,4 Millionen Menschen an. Die meisten Muslime in Deutschland sind Sunniten (über 70%), kleinere Gruppen stellen in Deutschland Schiiten, Aleviten (die sich zu Teilen als eigene Religionsgemeinschaft, zu Teilen als liberale Muslime verstehen) oder Ahmadiya-Anhänger dar (die sich selbst als die einzigen rechtgläubigen Muslime verstehen, von Sunniten und Schiiten jedoch gar nicht als Muslime anerkannt werden).5
Die Geschichte des Islam in Deutschland umfasst also bereits einen Zeitraum von über 50 Jahren, wurde aber zunächst nur unter der Überschrift einer »vorübergehenden Präsenz« betrachtet: Bis mindestens 1980 gingen im Großen und Ganzen politische Entscheidungsträger, aber auch die Bevölkerung von der Annahme aus, dass die muslimischen »Gastarbeiter« baldigst in die Türkei zurückkehren würden. Auch wenn das über die Jahrzehnte für viele Familien zutraf, kam es doch nie zu den erwarteten großen Rückkehrbewegungen – leider setzte sich diese Erkenntnis nur sehr mühsam durch und es ergaben sich daher nur wenige Konsequenzen für konkretes politisches Handeln zur Bewältigung der Integration derjenigen, die dauerhaft in Deutschland leben würden.
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