Pooh's Corner 1989 - 1996 - Harry Rowohlt - E-Book

Pooh's Corner 1989 - 1996 E-Book

Harry Rowohlt

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Beschreibung

Harry Rowohlts legendärer Pooh’s Corner jetzt in zwei Bänden im Klassikerformat. Zum einen eine Neuausgabe mit Texten von 1989 – 1997 und zum anderen eine Erstausgabe mit neuen Meisterstücken ab 1997 bis heute. Treue und Neuentdecker können jubeln: Harry Rowohlts Zeit-Kolumne Pooh’sCorner gibt’s jetzt schön handlich verpackt in zwei Bände.Wie schon der erste Band beinhaltet auch der zweite Texte zu allen relevanten Themen der letzten zehn Jahre, wie etwa folgenden: Der Problembär ist los, der Papst bereist Polen, und Harry Rowohlt denkt über die Theodizee nach. Das beginnt mit einem Vorfall in seiner Stammkneipe und endet mit einer erfolglosen Bewerbung eines Harburgers bei Airbus. Auch Axel aus St. Pauli, der in der Pooh-losen Phase an Herrn Rowohlt schrieb: "Schreiben Sie verdammtnochmal endlich mal wieder einen Corner. Was soll denn die Scheiße? Sehr freundliche Grüße, Axel", kann wieder ganz beruhigt sein.

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Seitenzahl: 435

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INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Buch lesen

» Inhaltsverzeichnis

» Editorische Notiz, Register, Fußnoten, Impressum

» Weitere eBooks von Harry Rowohlt

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

Harry Rowohlt wurde am 27. März 1945 in Hamburg 13 geboren. Er lebt heute als Autor, Übersetzer (u.a. Flann O’Brien, Frank McCourt) und begnadeter Vortragskünstler in Hamburg Eppendorf. Bei Kein & Aber liegt zahlreiches von ihm Geschriebene, Übersetzte und Vorgetragene vor.

ÜBER DAS BUCH

Treue und Neuentdecker können jubeln: Harry Rowohlts Zeit-Kolumne Pooh’sCorner aus den Jahren 1989–1996 in kompletter Sammlung. »Die Meinungen eines Bären von sehr geringen Verstand« kreisen um alle relevanten Themen der Zeit.

»Kaum sage ich was, in diesen Zeiten, zu diesen Zeiten, schon kriege ich zwei Wörter zu hören: ‚blauäugig’ und ‚Stammtischpolitiker’. Die Leute, die das sagen, sagen das in der Hoffnung, ich würde nun die Klappe halten. Da kennen sie mich aber schlecht.«

Harry Rowohlt

»Der Leser kichert in sich hinein, aus Freude an der vertrackten Schönheit von Rowohlts Sprache und der einen oder anderen entzückenden Gemeinheit.«

FAZ

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Who is Pooh? Auf Bärenfang in Sussex

POOH’S CORNER

1989

Vier Soldaten

Warum die Zehn Gebote auf zwei Gesetzestafeln stehen

Möchte ich mich wiedervereinigen?

Ein unsouveränes Volk

1990

Leserbriefe

Zwei eigene Großmütter

Die Indianereinstellung

Frühstück ohne Blaulicht

Das tägliche Brot des Franz von Assisi

Meine Herren. Ich beantrage die Einstellung

Der Gerstner, der Gredinger und der Kutter

Cry Baby!

Breaking in

Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was ich meine

Am Tag des Kruges

Ich und Schmidt-Bargfeld

1991

Aha, ein Sátori

Blauäugig. Na und?

Mein Lieblingskommunist und wie er seinen Zeigefinger verlor

Weinerlich: Mein anderer Lieblingskommunist

Das Auge Lenins

Ich bin das Ohr eines Mannes aus Connaught

Hippie Lehmann, die Sofa-Schnute

Übersetzen ist Kunst

1992

Alles wächst irgendwie zu und nach

Sarastro, opak-luzid

I biondi sono out

Atropin und weiße Rosen

Übersetzen ist Kunst II

Gebet des Nashorns

… ist ein Porter dein einziger Freund

1993

Rein in den Wald und wieder raus aus dem Wald

Sonntags, wenn der Chef verreist

Dis cums right from da heart, paesano

Ein Wort, das ich normalerweise nie verwende

So ein kleines Wort

Fanpost aus Paris

Wieder daheim

1994

Im Kino

Schöne Verleser

Gegendarstellung

4. Auflage

Top Seven

1995

Nachbarn

Herr Lehmann

Dieser Anfang muss weg

Unser Schiff für Mururoa

Carte blanche

1996

Bestseller

Der Übersetzer-Preis

Voodoo

Im Speisewagen mit Jutta Ditfurth

Konjunktivitis heißt Bindehautentzündung

Der Laden brummt

Pu im Hundertsechzig-Morgen-Wald

Rückschau

Nachwort von Elke Heidenreich

AUFSÄTZE UND BERICHTE

Ru(h)m für Bären & Poeten

Irland, mit den Augen von Flann O’Brien gesehen

Und keiner hat was bestellt. Auf dem 1. Internationalen Flann-O’Brien-Symposium in Dublin

What a mess! Die Frankfurter Buchmesse oder: Vom Wertewandel in unserer Zeit

Indianer spielen

Morgen ist auch ein Tag, aber zuerst etwas Musik. Impressionen von einem Filmfestival in Kuba

Pu bei den Parlamentariern

Unser Mann in der Lindenstraße

Verbieter’s Block

Das Lied der Deutschen

Mein allererster und allerzweiter Film

Um die Mitte des Tages

Aus einem Fortsetzungsroman

Grußwort

BUCHKRITIKEN

Georges Perec: Das Leben. Mit einem Puzzle.

Alfred Polgar: Kleine Schriften I

Kurt Vonnegut: Palm Sunday

Adolf Glaßbrenner: Unterrichtung der Nation

Fünftausendvierundvierzig

Mathias Nolte: Großkotz

Rolf »Pfeife« Winter: Briefe an die stern-Leser

Kurt Tucholsky: Unser ungelebtes Leben. Briefe an Mary

Klaus Wagenbach u.a.: Fintentisch

Eugen Horti: Herrenhausen/Schönheit und Gleichnis

Jean Lessenich: Nun bin ich die niemals müde junge Hirschfrau oder Der Ajilie-Mann

Nat Hentoff & Nat Shapiro: Jazz erzählt

top Schlagertextheft (mit Starbild-Postkarte)

Peter Frankenfeld: Meine schönsten Anekdoten und Witze

Longos: Daphnis und Chloe

Heinrich Scheffler: Wörter auf Wanderschaft

Seneca: Epistulae morales ad Lucilium; Liber I

Frank Göhre: Der Schrei des Schmetterlings

Kurt Vonnegut: Zielwasser

Kurt Vonnegut: Galapagos

Kenneth Anger: Hollywood Babylon II

Géza von Cziffra: Es war eine rauschende Ballnacht

Leslie Halliwell: The Filmgoer’s Companion

Lexikon des internationalen Films

Rotbuch-Krimis

Pieke Biermann: Potsdamer Ableben

Jean Vautrin: Billy-ze-Kick

Peter Dunant: Racheengel

Tony Fennelly: Mord auf der Klappe

William Marshall: Hongkong Roadshow

Didier Daeninckx: Karteileichen

FILMKRITIKEN

Abstieg zur Hölle von Francis Girod …

Action Jackson von Craig R. Baxley

Asterix bei den Briten von Pino van Lamsweerde

Die Aufklärungsrolle: Als die Liebe laufen lernte von Michael Strauven

Als die Liebe laufen lernte – 2. Teil von Anthony Waller

Der Bär von Jean-Jacques Annaud

Batmans Rückkehr von Tim Burto …

Black Rain von Ridley Scott

Die Braut des Prinzen von Rob Reiner

Checking Out von David Leland

Der Club der toten Dichter von Peter Weir

Drachenfutter von Jan Schütte

Engel aus Staub von Edouard Niermans

Erst die Arbeit und dann? von Detlev Buck

Die Falken von Robert Ellis Miller

Die Flüchtigen von Francis Véber

Das Geheimnis meines Erfolges von Herbert Ross

Greystoke. Die Legende von Tarzan von Hugh Hudson

Hairspray von John Waters

Hollywood Shuffle von Robert Townsend

Der Indianer von Rolf Schübel

Jumpin’ Jack Flash von Penny Marshall

K9 – Mein Partner mit der kalten Schnauze von Rod Daniel

Liebes-Traum von Charles Finch

Light of Day von Paul Schrader

Die nackte Kanone von David Zucker

Police von Maurice Pialat

Pow Wow Highway von Jonathan Wacks

Schlappe Bullen beißen nicht von Tom Mankiewicz

Schönheit der Sünde von Živko Nikolič

Slam Dance von Wayne Wang

Sodbrennen von Mike Nichols

Subway von Luc Besson

Werner – beinhart von Gerhard Hahn, Michael Schaack, Niki List u. v. a.

Winckelmanns Reisen von Jan Schütte

Zurück in die Zukunft III von Robert Zemeckis

Auf Wiedersehen Amerika von Jan Schütte

Indien von Paul Harather, Alfred Dorfer und Josef Hader

Wildes Feld von Nguyen Hong Sen

GESPRÄCHE

Typisch, ’ne Fünf in Mathe

Ich bin der Hauptpenner!

Erst drängeln und dann trödeln: Der FAZ-Magazin-Fragebogen

Was du nicht willst, das man dir tu, das mach erst mal …: Der Die Woche-Fragebogen

Shel Silverstein: NeverOriginal …… und Zeile für Zeile illustrierte Übersetzung

Shel Silverstein: Memorizin’ Mo… und: Mo Auswendig

Editorische Notiz

Register

VORWORT

inepsias scripsi ergo svm

Inzwischen häufen sich die Ehrungen, aber der Anfang war hart, verdammt hart.

Inzwischen fordert Uwe Kopf in Tempo, ich solle Zeit-Herausgeber werden, weil ich die nötige Intelligenz und den nötigen Durst aufbrächte; inzwischen fordert Rolf Suhl in SZENE Hamburg, ich solle als Senator für Inneres in Hamburg für Ruhe und Ordnung sorgen (was – nach einigen Irrungen – aufs selbe hinausläuft. Da werde ich lieber gleich Zeit-Herausgeber und brauche nicht jahrelang auf eine Sturmflut zu warten.1); Wolfgang »Klischee« Röhl gar schreibt mir einen bitterbösen Brief, ich solle nie wieder Zeitungsartikel schreiben, und zwar u.a., weil er das selbst viel besser kann: »Verfilzte Haare und Bierbauch machen noch keinen Bären.« Und wenn man so was von einer solchen Musterschüler-Fresse mit einer solchen Sonderschüler-Lache gesagt kriegt, hält man natürlich durch. Inzwischen wurde ich für den Helmut-M.-Braem- und den Deutschen Jugendbuch-Übersetzer-Preis nominiert; inzwischen hat mir Franziska »Am schönsten fand ich die Fresken« Greiner ihren Rucksack ausgeleert; inzwischen gebe ich schwer leserliche Autogramme, dass selbst Diakonissen schier aus dem Häubchen sind; inzwischen werde ich auf Vernissagen und zu Talkshows eingeladen; inzwischen fragen mich die Menschen, ob sie ins Kino gehen dürfen und, wenn ja, in welches; inzwischen fragen nur noch die hinterletzten Dumpfbeutel, ob ich was mit dem Rohwollt-Verlach zu tun habe; inzwischen sind der Helmut-M.-Braem- und der Deutsche Jugendbuch-Übersetzer-Preis zusammengelegt und in Harry-P.-Rowohlt-Preis umbenannt worden, und irgendwie läuft alles sowieso irgendwie besser.

Aber vorher?

Oha.

Gar nicht dran denken.

Vorher habe ich stumpf ein Buch nach dem anderen übersetzt, teils mit mehr – Flann O’Brien –, teils mit weniger – wie hieß er noch?  – Vergnügen. A gentleman’s hobby. Und dann kam Ute »Schnute« Blaich, die damals, als sie noch wusste, was gut für sie war, Zeit-Redaktrice für Kinderkram war, und sagte, sie will, dass ich in ihrer Promi-Reihe »Kinderbücher, die mich prägten« zwischen Axel Eggebrecht und Wolfdietrich Schnurre hinschreibe, welche Kinderbücher mich geprägt haben. »Zwischen Axel Eggebrecht und Wolfdietrich Schnurre? Da bin ich aber doch weißgott nicht promi genug«, sagte ich, aber Axel Eggebrecht sagte: »Schreib erstmal was hin; danach bist du dann, wenn du’s schön gemacht hast, promi genug«, und was Wolfdietrich Schnurre gesagt hätte, weiß ich nicht, weil ich ihn nicht gefragt habe. (Das vorletzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, verschwand er mit seinem komischen Hund halb im Wald, drehte sich nochmal um, reckte die Faust und schrie: »Seh ich nicht aus wie der junge Brecht?« Axel Eggebrecht, nicht Wolfdietrich Schnurre.)

Dann hatte Siegfried »Schnulze« Schober keine Lust, nach Kuba zu fahren, und Gerhard (»Woaßt wos –: Da Harry, da is mei Bruder«) Roth, den man über den Flop seines ersten Theaterstücks hinwegtrösten wollte, hatte, weil untröstlich, ebenfalls keine Lust, und als ich meinen fertigen Kuba-Artikel vorwies, sagte Ulrich Greiner: »Das ist ja ungewöhnlich sauber getippt.« Der Rest ist, um es mit Arnold Schwarzenegger zu sagen, »history«.

Und um nicht – »… and first of all my mom and dad without who all this wouldn’t have been possible …« – ganz vielen Leuten für nix und wieder nix danken zu müssen, danke ich meiner ollen Tabak-Lesbe, die gar nicht lesbisch war und mir jahrelang Zeitungen und Zigaretten verkauft hat, bis sie still verstarb, und, weil sie, wie so viele, den Unterschied zwischen Autor, Verleger, Übersetzer und Illustrator nicht kapierte, zu mir sagte: »Können Sie aber schön zeichnen.« Gemeint war E. H. Shepard, der, wenn man ihn nur richtig betrachtet, aussieht wie der junge Brecht.

Und wer hat »inepsias scripsi ergo svm« über wen gesagt? Der erste Einsender kriegt 5 Mark. Versprochen.

P.S.: Für den blöden Untertitel »Meinungen und Deinungen« kann ich nichts; ich habe ihn geträumt. Außerdem kommt dieser Kalauer bereits in dem Gedicht »Dorlamm meint« von Robert Gernhardt vor. Na und? meint er dazu. Hoffentlich sind Sie auch dieser Seinung.

Vorwort zur 2. Auflage

Das Nashorn-Gedicht (S. 171) ist inzwischen von Hans Werner Henze vertont worden. Ennio Morricone wäre mir lieber gewesen. Aber mach was.

Vorwort zur 4. Auflage

Schnulzenfuzzi, atonaler.

WHO IS POOH?

AUF BÄRENFANG IN SUSSEX

Wenn es so richtig schön wird, muss ich ja leider immer weinen. Nicht nur im Kino. Auch beim Lesen. Sogar beim Korrekturlesen. Aber das – man kann mich, wenn man will, für die Nummer buchen – klappt nur bei Pu.

Pu der Bär war mein erstes Buch; seitdem mag ich Bücher und Bären, und mein erster eigener Teddy hieß, na? Wie? Genau. Fritz.

Wegen Pu heißt meine Kolumne im Feuilleton der Zeit Pooh’s Corner, und die Menschen sagen »Pu« zu mir oder »Bär« oder »Pu-Bär«. Und was sagen sie in Pooh’s Country zu mir, in East Sussex? Genau. Fritz.

»Ich bin Hunne; Sie können Fritz zu mir sagen.«

*

A. A. – oder Alan Alexander – Milne wurde (jetzt kommt der informative Teil; er hört aber gleich wieder auf) am 18. Januar 1882 in London als Sohn eines Schulmeisters und seiner Frau geboren, und nach einer gewissen Zeit starb er dann. Ab hier hätte ich gern von den Literaturlexika abgeschrieben, aber da steht er hinter dem Langweiler Henry Miller und der Langweilerin Sarah Gertrude Millin nicht drin. Dafür hat der Brockhaus gleich drei Milnes: unseren und zwei andere, einen Astrophysiker und einen Erdbebenheini. Die beiden anderen, der Astro und der Heini, werden als »bahnbrechend« bezeichnet. A. A. nicht. Als hätte er nicht die absoluten Bahnen gebrochen, als er die Sterne zum Beben und die Erde zum Bewohnbarmachenwollen gebracht hat.

Und die Sterne überschaubar. Wir alle haben uns doch schon immer über die Horoskope geärgert und über die Leute, die ihnen anhängen. Widder mit dem Schützen im Aszendenten. Wenn ich das schon höre. Pu mit I-Ah-Einsprengseln: So wird ein Horoskop draus.

Sylvia am Nebentisch sagt: »Früher war ich Fische. Dann habe ich Pu gelesen und wurde Ferkel. Und seitdem ich Kinder habe, bin ich Känga.«

Der Nebentisch steht in »The Anchor Inn«, einer Kneipe mit zwei Köchen, zwei Fremdenzimmern und zwei Sorten Stout vom Fass. In Hartfield hatten die Milnes ihr Sommerhaus, und wenn Hartfield nicht in Südengland läge, sondern in Nordamerika, wäre hier längst ein Disneyland entstanden, mit Pu-Tourismus und freundlichen Animateuren, die auf der Pustöckchen-Brücke das Pustöckchen-Spiel nach den neuen international verschärften Regeln veranstalten.

Freundlich und animiert sind die Hartfielder, aber das liegt nicht an Pu, sondern an den zwei Sorten Stout. Und als Konzession an den Pu-Tourismus gibt es einen Laden, in dem vor langer Zeit Christopher Robin sein Taschengeld für Süßigkeiten ausgegeben hat. Bonbons gibt es hier noch immer. Außerdem noch den echten Pu-Honig und Teetassen mit Pu drauf und sonstige, wie Mike Ridley, der Erfinder des Ladens, stolz sagt, »Poohphernalia«. Ich lobe ihn für seine Wortschöpfung, und er sagt, er schäme sich. »Ich schäme mich«, sagt er, »weil ich mit Pu Geld verdiene. Aber nächstes Jahr läuft meine Disney-Lizenz aus, und dann werde ich mich etwas weniger schämen. Denn die Disney-Verfilmung war ja ein …«

»… Verbrechen«, sagen wir im Chor.

»In zwei Jahren«, fährt er fort, »werde ich vielleicht ein Mensch. Bisher hat mir für so was die Zeit gefehlt.«

Ich sage ihm, mir komme er jetzt schon ziemlich menschenähnlich vor, schenke ihm die beiden von mir übersetzten Pu-Bände, und eine Dame fragt: »Wie haben Sie ›Heffalump‹ ins Deutsche übersetzt?« »Ich hab’s gelassen, wie es ist. Heffalump.«

»HEF-FA-LUMP«, sagt sie akzentfrei Deutsch. »Why, that’s even better.«

Sag ich doch die ganze Zeit.

*

Nun hat ja A. A. Milne nicht nur zwei Bücher über die Stofftiere seines Sohnes geschrieben und ebenso wunder- wie unübersetzbare Kindergedichte, sondern er war auch Punch-Redakteur und Verfasser von zeitkritischen Salonkomödien, die heute kein Theater mehr aufführen mag. Als Dramatiker hat er wohl Oscar Wilde im Sinn gehabt und nie erreicht, als Kinderbuchautor hatte er den Klassiker Der Wind in den Weiden von Kenneth Grahame im Auge, und den hat er spielend abgehängt. Selbstverkenntnis, von der wir alle profitieren, wir, die wir als Kinder Pu gelesen haben und dank Pu Kinder geblieben sind, und wir, die wir, falls wir als Kinder nicht Pu gelesen haben, dies schleunigst nachholen werden.

* Versprochen? *

Ich latsche mit Jackie Morris durch den Wald. Gar nicht wahr. Jackie Morris latscht mit mir durch den Wald. Jackie Morris hat ihren Doktor über den Ashdown Forest geschrieben; mit ihr ist man also im Wald bestens aufgehoben. Jackie Morris macht auf Wunsch Pu-Touren. Durch den 160-Morgen-Wald, der in Wirklichkeit ein 800-Morgen-Wald ist.

Wir finden auf Anhieb Oiles Wohnbaum, und ich sage: »Die Tatsache, dass wir ihn gefunden haben, beweist, dass wir ihn nicht gefunden haben. Denn er ist, erinnern wir uns, umgefallen.« Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.

Dafür finden wir I-Ahs traurige Stelle, und Jackie meint: »Mit so einer traurigen Stelle kann I-Ah echt nicht mehr meckern.«

»Wenn I-Ah nicht mehr meckern kann, entziehen wir ihm die Existenzgrundlage.«

Wir finden eine neue, noch traurigere Stelle.

Später zeigt man mir die hochoffizielle traurige Stelle, und hier krampft sich mir wirklich das Herz zusammen, so traurig ist sie. Ein Eiseshauch weht mich an, mitten im heißen südenglischen Sommer. Das, I-Ah, habe ich nicht gewollt.

Keine zwanzig Meter davon entfernt ist Pus warme, sonnige Stelle. Hier steht, wie sich das gehört, eine hässliche Sonnenuhr mit der Inschrift This warm and sunny spot belongs to Pooh, and now it’s time to wonder what to do.

Freiheit ist nämlich, wenn man sich morgens fragt, was man wohl tun wird.

Zwang ist, wenn man es weiß.

Was tut man, wenn man die Freiheit hat, nichts zu tun? Oile wird an ihrem Bleistift kauen und eine zischelnde Rissssolutzzjohn in die Welt schicken. Kaninchen wird Bekannte-und-Verwandte nerven. I-Ah wird sich beklagen. Känga wird sich Sorgen um Klein Ruh machen. Klein Ruh wird seiner Mutter Anlass zur Sorge geben. Pu zählt seine Vorräte, und Ferkel macht alles mit. Unter Vorbehalt. Tieger ist ungestüm, Christopher Robin hat alles im Griff, und der Wald sieht aus wie von E. H. Shepard gezeichnet.

Der Wald sieht wirklich aus wie von E. H. Shepard gezeichnet. Ich kann diesen Wald nur empfehlen. Er sieht nämlich aus wie von E. H. Shepard gezeichnet. Es gibt ja Wälder, die stehen nur dumpf und grün herum und sehen bestenfalls aus wie gemalt. Aber dieser Wald? Wie von E. H. Shepard gezeichnet. Hirsche gibt es auch, bräsigbrünftige Mehrender. Zuchthirsche, denen man ansieht, dass sie die Wappentiere von Hartfield sind. Die äsen und dösen vor sich hin, und wenn sie brav etwas gezeugt haben, wird das in den Schwarzwald ex- und deportiert, zum Abknallen, raunen die Hartfielder.

Sorgen haben manche Leute.

Die Hirsche sehen nicht aus wie von E. H. Shepard gezeichnet.

*

Gill’s Lap ist ein Hügel, fast ein Berg, und von hier aus hat man die ganze Welt unter sich, oder zumindest doch The Weald, den Wald, der ganz Südengland grün und schön macht. Ein meditativer Ort, von winzigen Soldaten durchwuselt, zwölf bis vierzehn Jahre alt, die streng aus ihrer olivgrünen Wäsche blicken, anstatt die Aussicht zu genießen.

Manchmal kaufen sie sich heimlich ein Eis, und die Ausbilder sehen es nicht.

Das ist das Schöne, wenn man keine Wehrpflicht hat. Man macht den Dienst an der Waffe attraktiv, ohne Waffe, aber mit Uniformen in Kindergrößen. Infanterie.

»Dieser Ort«, steht auf einer Metalltafel, »wurde durch A. A. Milne und E. H. Shepard berühmt gemacht«.

Da glauben die kleinen Soldaten, sie wären aus dem Kinderbuchalter heraus, und nun robben sie auf dem Bauch durch ihr Lieblingsbuch.

Früher oder später erwischt euch doch die IRA, und dann sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

*

»Es ist ein ganz dummer Wald. Es ist eine ganz dumme Brücke. Es ist ziemlich enttäuschend«, hat mich Bob, der Barkeeper vom »Anchor«, schonend vorbereitet.

Es ist kein dummer Wald. Es ist keine dumme Brücke.

Aber trotzdem.

»Es ist ein ganz dummer Wald. Es ist eine ganz dumme Brücke«, bereite ich Marco de Valdivia, den Starfotografen, schonend vor.

»So ein schöner Wald! So eine schöne Brücke!«, kräht er.

Er hat nämlich seinen Pu gelesen (und auch sonst so ziemlich alles), und er freut sich, weil er am Originalschauplatz ist. Dann fällt er in den Bach.

Wir steigen auf die gar nicht mal so dumme Brücke und spielen Pustöckchen, bis er wieder trocken ist.

Trockene Starfotografen sind fast noch besser als nasse.

(Und während ich dies schreibe, spielt im Radio die Kapelle Poohsticks aus Wales das Lied Tonight. Haben wir eine Rockgruppe namens Emil und die Detektive? Haben wir nicht? Dann wird es Zeit.)

*

Man hat A. A. Milne vorgeworfen, dass er, der flammende Pazifist, im Ersten Weltkrieg nichts Flammendes gegen den Krieg geschrieben hat. Das Flammendste war wohl, dass er  – als Signaloffizier an der Front – kaum noch etwas schreiben konnte, aus Ekel, Scham und Wut.

»Wenn ich dies überlebe«, schrieb er seinem Bruder, »werde ich die Liebe neu erfinden. Wer meine Frau und mich besuchen kommt, muss mir die linke Hand drücken, denn mit der rechten halte ich Händchen.«

Für mich ist das flammend genug.

Im Zweiten Weltkrieg feierte er Großbritanniens Eintritt in den gerechten Krieg damit, dass er zusammen mit seinem Sohn alle Landkarten im Garten vergrub, damit sie nicht den Deutschen in die Hände fallen. Liebend gern hätte ich sie wieder ausgebuddelt, damit sie doch noch einem Deutschen in die Hände fallen. Aber das wäre wohl zu weit gegangen. Die Familie, die jetzt dort wohnt, bringt, auch ohne dass ich im Garten wühle, genug Fassung auf. Vor ihr wohnte hier Brian Jones, der Rolling Stone, und anstatt sich des Lebens, des Hauses und des Gartens zu freuen, ertrank er im Schwimmbecken.

An seinem Todestag kommen die Pilger, fragen, ob es stört, wenn sie ein wenig trauern, und ziehen sich am Pool die Kassetten rein.

»Seltsamerweise – aber warum sage ich eigentlich ›seltsamerweise‹? So seltsam ist es vielleicht gar nicht – seltsamerweise«, sagt Mr. Johns, der jetzt hier wohnt, »sind die Stones-Freaks viel höflicher und rücksichtsvoller als die Pu-Freaks.«

Ich rufe Christopher Robin an, den es tatsächlich gibt, um ihm zum 70. Geburtstag zu gratulieren, und so satt er es hat, als ewiges Kleinkind zu leben, so sehr freut ihn der Spruch mit den rücksichtslosen Pu-Freaks.

Er hat sich weit zurückgezogen von dort, wo man ihn aufspüren könnte, denn so einfach ist es nicht, der zweitpopulärste Mensch von England zu sein. Er hat drei Bücher geschrieben, die Stühle, auf denen er sitzt, sind selbstgetischlert, und der Apfelwein, mit dem er seinen 70. Geburtstag feiert, ist selbstgekeltert.

Schon als Kind musste er sich selbst spielen: als Kind. Da wurde zum Beispiel ein historisches Dramolett inszeniert, die Geschichte des Ashdown Forest, mit Normannen, Hexenverbrennung und Steuereintreibern.

Am Schluss trat Christopher Robin als Christopher Robin mit seinem Bären auf. Nach dem Historienspiel sagte seine Nanny besorgt, er sei heiser gewesen und er habe sich doch wohl nicht verkühlt?

»Bei historischen Dramoletten«, fertigte er sie ab, »bin ich immer heiser.«

*

Die Milnes und das Theater.

A. A. Milne hat einen »Vorhangöffner« nach dem anderen geschrieben, einen tollen ersten Satz, und für das übrige Stück fehlte ihm dann der Mut. Als er doch mal einen Einakter fertig hatte, sagte ein Freund, er solle nun auch etwas Abendfüllendes liefern, drei Akte, aber mindestens. Daraufhin kaufte sich Frau Daphne Milne, um ihn zu erpressen, ein Abendkleid für die Premiere, und Milnes Karriere als Gesellschaftsdramatiker hatte begonnen.

*

Es ist alles so verzaubert. Und die Menschen zerstören den Zauber nicht, sondern sie bevölkern ihn. Sechs japanische Teenager spielen hingegeben Pustöckchen: Auf der einen Seite der Brücke wirft man Stöckchen ins Wasser, dann rennt man auf die andere Seite und wartet ab, wessen Stöckchen als erstes angetrieben kommt. Und der Bach ist träge und voller Strudel, und man kann nicht schummeln, und die Japanerinnen vergessen zu knipsen.

Obwohl es etwas zu knipsen gäbe. Auf einer Wiese steht ein kreisrundes Gatter für die Pferdedressur. Wenn man in diesem Gatter lange genug Pferde dressiert und dann das Gatter wieder weggeräumt hat, entsteht ein kreisrundes Zeichen, ein kreisrundes Zeichen, wie es die Marsmenschen gern in Südengland hinterlassen, wenn es ihnen auf dem Mars zu fad ist.

*

Nachdem ich Christopher Robin erwähnt habe, der nicht erwähnt werden wollte, und nachdem ich die Marsmenschen erwähnt habe, die erwähnt werden wollen, weil sie sonst ihre dämlichen kreisrunden Trampeldinger nicht hinterlassen hätten, muss nun die Belegschaft des »Anchor« erwähnt werden, denn die hat ausdrücklich darum gebeten. Ach, wie ungern ich das tue. Aber versprochen ist versprochen.

Juan: Flambiert am Tisch, ohne sich den Schlips anzusengen. Kennt Pu und liebt das Meer.

Karen: Hat den gesamten Hoteltrakt unter sich (alle beiden Zimmer) und das Frühstück und auch sonst so ziemlich alles und weiß notfalls auf Befragen, wo Brian Jones beerdigt ist.

Bob: Hatten wir schon.

Die bösen Hunde: Beißen einen, machen sich aber sonst nicht weiter mausig.

Percy: Gast. Fahrensmann. Liebt das Meer und kennt Pu.

Michael, der Zweitkoch: Hat sich in mich verknallt. Was soll ich machen. Immerhin. Ein Koch. Lieber wäre es mir, wenn sich Sylvia vom Nebentisch in mich verknallt hätte. Aber man kann, wie gesagt, nicht alles haben.

Alles wäre ja auch ein bisschen viel.

*

»Die Gegend hier ist so voller Wunder«, sagt Mike Ridley von Pooh Corner, »dass es mich nicht wundern würde, wenn ich irgendwo verschollene Pu-Kapitel entdeckte. Man muss es ja nicht so blöd anstellen wie bei den Hitler-Tagebüchern im stern.«

»Und ich lasse dich dann zehn Jahre lang klotzig reich damit werden, dann decke ich den Schwindel auf und lebe meinerseits wieder zehn Jahre davon.«

»Wir dürfen nur«, sagen Mike und ich, wieder im Chor, »nichts davon an die Öffentlichkeit dringen lassen.«

Pooh’s Corner1989

VIER SOLDATEN

Was mir an dem Prozess wg. Soldaten sind potenzielle Mörder auffiel, war, dass the big brass, die Burschen mit den vielen Orden, sich nur beim ersten Mal im Gerichtssaal aufhielten. Bei der Berufung, als sich abzeichnete, dass sie verlieren, war nur noch der »Jugendoffizier« Herr Sowieso da. Und Herr Sowieso musste ja sowieso da sein, weil er doch geklagt hatte, der arme Schatz.

Daher meine erste These: Berufssoldaten sind Feiglinge.

Ich will das an vier Soldaten erläutern, die mir nahestehen; notfalls ziehe ich noch meinen Schwager Klaus hinzu, aber der ist eher Flieger und erst in zweiter Linie Soldat, und außerdem steht er mir näher als die anderen vier Soldaten.

Soldat A erkennt früh, dass er zu blöd für was anderes ist, und wird Karriereoffizier, obwohl er Klavier spielen kann und auch sonst das Zeug zu einem Kellner hat. Ohne ein einziges Mal Pulverdampf gerochen zu haben, wird er Sprecher eines Verteidigungsministers und späteren Bundeskanzlers, macht auf meine (i.e.: Hans F. Steuerzahlers) Kosten mehrere Segelscheine, lässt sich, weil ihm seine bisherige Mausi zu feldgrau erscheint, scheiden, muss, weil wichtig, ständig umziehen, zeigt in Den Haag, Madrid, Sandhurst und Washington, dass er keine Fremdsprachen kann. Muss sich im Pentagon immer wieder zeigen lassen, dass es fünf Ecken hat. Rang: Oberstleutnant.

Soldat B erkennt früh, dass er zu blöd ist fürs Abitur, und will Verleger werden. Das gelingt nicht recht, und der I. Weltkrieg enthebt ihn all dessen: Er wird Flieger und wirft Bomben ins Wasser. Im II. Weltkrieg wird er, zu früh aus der Emigration heimgekehrt, wieder Flieger und wirft wieder Bomben ins Wasser, bis er »wg. politischer Unzuverlässigkeit unehrenhaft aus Heeresdiensten entlassen« wird. Kurz vor dem Endsieg beauftragt man ihn mit der Bildung des Volkssturms Berlin-Grünheide, welchen er geschlossen in sowjetische Kriegsgefangenschaft überführt, aus welcher er, der Volkssturm, einen Tag später geschlossen zurückkehrt. Rang: Hauptmann.

Soldat C erkennt früh, was andere zu spät oder nie erkannt haben, und geht nach Spanien, ein bisschen im Bürgerkrieg kämpfen. Als er dort verloren hat, kämpft er in der Résistance ein bisschen weiter. Als er dort gewonnen hat, lässt er sich das nicht anmerken. Rang: comandante (sage ich mal so; chawér ist der richtige Rang, und das heißt Freund, Bruder und: Genosse).

Soldat D erkennt früh, dass es auch angenehmere Arten gibt, wenn man sich unbedingt Schweißfüße holen will, und außerdem ist er von Soldat B und C zu sehr geprägt, als dass er in die alte Nazi-Armee von Speidel und Heusinger eintreten wollte. Deshalb zieht er sich in der U-Bahn zur Musterung zwei Roth-Händle rein (nicht geraucht: gefressen), lutscht zwei Nescafé-Alus (wie der ausgebuffteste Trucker; mein Gott, war ich damals schon vorne … Yiiiiiihuuuu!), atmet vor den zwanzig Liegestütz tief aus und hält die Luft an (dafür brauchst du Gottvertrauen und Kondition, mein Alter), und bist dann tatsächlich KURZSICHTIG!!! Schade. Wenn sie mich nämlich doch genommen hätten (und in meinem Jahrgang haben sie jeden genommen; hatten ja nichts Besseres; wen hätten sie sonst nehmen sollen), hätte ich verweigert, aus Gewissensgründen, und dazu musste man damals Christ sein oder ähnlich Abartiges, dann, ja, dann hätte ich großzügig ein Jahr draufgelegt und gesagt: »Ich geh zur Marine.« (Und natürlich alles an Mischa Wolf verraten: »Links heißt backbord« und ähnliche Feinheiten.) Rang: Ersatzreserve II.

Vier Soldaten. Vier Schicksale.

Soldaten sind potenzielle Mörder? Möglich. Das sind wir alle.

Soldaten sind zum Sterben da. Sórum wird ein Schuh draus. Nun zeigt mal, was ihr könnt. Nun sterbt mal schön. Rekruten natürlich nicht; dass wir uns da nicht missverstehen. In Hamburg zum Beispiel, im alten HSV-Stadion, um die Ecke von dort, wo ihr mich einst gemustert habt: Sterbt, sterbt, sterbt. Da zahl ich dann auch Eintritt. Zum allerletzten Mal.

WARUM DIE ZEHN GEBOTE AUF ZWEI GESETZESTAFELN STEHEN

Jubel und Jammer: Dazwischen spielt sich wenig ab.

Jubel ist angesagt, wenn einem in den Medien jemand begegnet, den man persönlich kennt. Das gibt noch mehr Promi-Punkte, als wenn man Ulrike von Möllendorff beim Einkaufen sieht. Denn Ulrike von Möllendorff kennt man ja schon aus den Medien, und erst dann sieht man sie beim Einkaufen, während man sich gleich anders fühlt, wenn man jemandem begegnet, mit dem man von Hamburg bis Osnabrück Speisewagen gefahren ist und ihm erst dann in den Medien begegnet, so dass man sagen kann: »Ich hab’ schon immer gewusst, was in ihm steckt.«

Im Spiegel 47/89 las ich: »… wetterte der Akademische Rat Roman Viorel aus Bremen gegen die ›Dracula-Legende‹ des westlichen Rumänienbildes und lobte Ceauşescus KZ-Staat als ›Insel der Stabilität inmitten der Unruhen im ganzen kommunistischen Lager‹.«

Das ist Grund zum Jubel, denn mit dem Rumänen Roman Viorel bin ich mal von Hamburg bis Osnabrück Speisewagen gefahren (um mir eine von Joel Schnees zaubrischen Choreographien anzusehen, aber Joel Schnee bringt womöglich noch mehr Promi-Punkte und kommt erst später). Ein Wort gab das andere, und ich erzählte Roman Viorel den Witz, in welchem erklärt wird, warum die Zehn Gebote auf zwei Gesetzestafeln stehen.

Warum die Zehn Gebote auf zwei Gesetzestafeln stehen

Denn man hätte ja auch eine große nehmen können, auf der alle zehn genügend Platz haben. Aber nein, es sind zwei Tafeln: einmal fünf Gebote, dann noch mal fünf Gebote. Es war nämlich folgendermaßen. Als Gott Sich Seine Zehn Gebote ausgedacht hatte, fragte Er alle Völker dieser Welt, ob sie vielleicht Verwendung für zehn Gebote haben. Fragt Er die Deutschen: »Braucht ihr vielleicht zehn Gebote?« Fragen die Deutschen: »Was steht drin?« Als die Deutschen hören Du sollst nicht töten, sagen sie: »Nein, vielen Dank.« Fragt Gott die Franzosen: »Braucht ihr vielleicht zehn Gebote?« Fragen die Franzosen: »Was steht drin?« Als die Franzosen hören Du sollst nicht ehebrechen, sagen sie: »Nein, vielen Dank.« Fragt Gott die Rumänen: »Braucht ihr vielleicht zehn Gebote?« Fragen die Rumänen: »Was steht drin?« Als die Rumänen hören Du sollst nicht stehlen, sagen sie: »Nein, vielen Dank.« Fragt Gott die Juden: »Braucht ihr vielleicht zehn Gebote?« Fragen die Juden: »Was sollen sie kosten?« Als die Juden hören: »Wieso … Gar nichts«, sagen sie: »Zwei Stück.«

Als wir in Osnabrück aussteigen, fallen mir klirrend und klappernd die Bundesbahn-Bestecke aus der Zeit. Es war nämlich Donnerstag, und ich hatte mir die Zeit gekauft, und in meine zusammengerollte Zeit hinein hatte der diebische Rumäne MesserGabelLöffel gepackt, um den Verdacht von sich abzulenken.

Denn das ist nun der Jammer: Vorurteile stimmen. Ich, der mörderische Deutsche nämlich, ich hätte ihn umbringen können. Und Joel Schnee, der Jude, der, wenn es etwas umsonst gibt, es doppelt haben will, der hing oben im Schnürboden seines Theaterchens und weinte salzige Tropfen auf seine Tänzerinnen herab, weil sie so gut waren, war wie eine Spinne festgekrallt zwischen Hoffnung und frühem, frühem Tod, anstatt in der zweiten Reihe links zu sitzen und sich nach geglückter Premiere zu verbeugen und es damit gut sein zu lassen.

Und wo bleibt bei all diesem der ehebrecherische Franzose? Der ehebrecherische Franzose, der kann sehen, wo er bleibt. Um den brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Der bleibt erst mal bei seines Nächsten Weib und zeigt ihr, wie’s gemacht wird, das Entrecôte double an Blattspinat.

MCHTE ICH MICH WIEDERVEREINIGEN?

Mchte ich mich wiedervereinigen? Unser Kostenbeteiligungsminister Nobbt Plhm hat, nachdem er gesagt hatte Max ist tot, Jesus lebt! (Wer ist, beziehungsweise war eigentlich Max? Wollen wir hoffen, dass Max, wer immer er war, nicht lang hat leiden mssen), gesagt: Isch, und das so richtig rotzig- trotzig, isch mschte misch widdervereinigen.

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