Pooh's Corner 1997 - 2009 - Harry Rowohlt - E-Book

Pooh's Corner 1997 - 2009 E-Book

Harry Rowohlt

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Beschreibung

Treue und Neuentdecker können jubeln: Harry Rowohlts Zeit-Kolumne Pooh’s Corner gibt’s jetzt schön handlich verpackt in zwei Bände. Wie schon der erste Band beinhaltet auch der zweite Texte zu allen relevanten Themen der letzten zehn Jahre.

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Seitenzahl: 205

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INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Buch lesen

» Inhaltsverzeichnis

» Editorische Notiz, Register, Fußnote, Impressum

» Weitere eBooks von Harry Rowohlt

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

Harry Rowohlt wurde am 27. März 1945 in Hamburg 13 geboren. Er lebt heute als Autor, Übersetzer (u.a. Flann O’Brien, Frank McCourt) und begnadeter Vortragskünstler in Hamburg Eppendorf. Bei Kein & Aber liegt zahlreiches von ihm Geschriebene, Übersetzte und Vorgetragene vor.

ÜBER DAS BUCH

Wie schon der erste Band beinhaltet der zweite Teil von Pooh’s Corner Kolumnen, Gespräche, Aufsätze und Berichte. Diesmal beschäftigen sich die Texte mit allen relevanten Themen aus den Jahren 1997-2009, wie etwa folgenden: Der Problembär ist los, der Papst bereist Polen, und Harry Rowohlt denkt über die Theodizee nach. Das beginnt mit einem Vorfall in seiner Stammkneipe und endet mit einer erfolglosen Bewerbung eines Harburgers bei Airbus. Auch Axel aus St. Pauli, der in der Pooh-losen Phase an Herrn Rowohlt schrieb: »Schreiben Sie verdammtnochmal endlich mal wieder einen Corner. Was soll denn die Scheiße? Sehr freundliche Grüße, Axel«, kann wieder ganz beruhigt sein.

»Der Leser kichert in sich hinein, aus Freude an der vertrackten Schönheit von Rowohlts Sprache und der einen oder anderen entzückenden Gemeinheit.«

FAZ

INHALTSVERZEICHNIS

POOH’S CORNER

1997

Eine Frage, die mich nicht loslässt

Opern Sie mir nicht in die Schuhe, Herr!

Fünf müßige Betrachtungen

Nieder mit Neuschreib!

Eine kleine Buchmesse

1998

Die Zweithymne

Ein virtueller Schundroman

Mit Vonnegut auf Tingeltour

1999

Ham-, Frei- und wieder Hamburg

2000

Rätselhaftes Dramolett

2005

Leitbache (rauschig)

2006

Krankheiten

Harburger Theodizee

Ach, Jochen

Ach, Robert

Auf die Schnauze

2007

»Gesicht zeigen!«

Freiheit für Mumia Abu-Jamal!

Was macht ein belletristischer Übersetzer?

Sauerkraut aus Rotkohl

Hadschi Halef Omar

Buchmesse (geschwänzt)

Wenn der Verleger zweimal klingelt

Antinichtraucherkampagne

2008

Fritz Senn

Ein Staatsempfang auf Schloss Bellevue

Clärchens Ballhaus, die Zweite

Wenn der Focus recherchiert

Dor’mund

Wenn ich nicht so ekelhaft bescheiden wäre

Fernsehfilm-Festival

Fortsetzung Filmfestival

Fortsetzung Filmfestival

2009

Winterhuder Gestaltungswille

Bielefelder Lieblingserlebnis

Ach, Francis

LOST IN TRANSLATION

Wie ich mich einmal von einer Diplomarbeit und einer Magisterarbeit umstellt sah

Wie ich mich einmal jeden Tag auf Roger Boylan freute

Über den Kampf gegen Wikinger und Layout, und weshalb manche Romane in der Übersetzung besser sind als im Original

GESPRÄCHE

»Als wäre Milne über ihn gekommen«

Zwei Stimmen für Marx und Engels

Die Scham ist weg

AUFSÄTZE UND BERICHTE

Reichlich Bratz

Wie Lüngi mich einmal zu sich auf den Olymp hob

Man sieht sich ja so selten

Mehr kann man aus seinem Typ nicht machen

Der Hund meines Lebens

Almuts Katze

Begegnung

Kulturgeschichten

Editorische Notiz

Register

Pooh’s Corner

EINE FRAGE, DIE MICH NICHT LOSLÄSST

Nachdem ich neulich Christian Quadflieg erwähnt habe, lässt mich eine Frage nicht los: Warum heißt der Mann Christian?

Der Sohn von Heinrich George heißt Götz.

Der Sohn von Erwin Geschonnek heißt Matti.

Der Sohn von Eddie Constantine heißt Lemmy.

Warum heißt der Sohn von Will Quadflieg nicht Heinrich?

Sehen Sie, so eine feinsinnige frühwinterliche Überlegung hätten Sie gar nicht von mir erwartet. Hätten Sie aber erwarten müssen. Warum? Die Antwort steht wie immer im Großen Brockhaus, unter Z.

Zeit, Die Z., in Hamburg erscheinende, unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur; gegr. Februar 1946. Auflage 1956: 63000 Stück. Die Z. ist bekannt durch ein gutes Feuilleton.

Ich bringe meinen einen Anzug in die Reinigung, leere vorher alle Taschen aus, und es stellt sich heraus, dass ich gar nicht so selten ins Theater gehe, wie ich immer behaupte: sechs Billetts fürs Hansa Theater und nur eins für die Hafenrundfahrt. (Wann habe ich denn im Anzug eine Hafenrundfahrt unternommen? Rätselhaft.) Das Hansa Theater ist natürlich gar kein Theater, sondern ein Varieté, und vor Jahren war ich mit einem kalifornischen Verleger dort, und der wurde immer nervöser. Ein älteres polnisches Ehepaar spielte Akkordeon, und er wurde immer nervöser: »Wann fängt es denn endlich an?« Dann kam eine dressierte Pudelnummer aus der damaligen DDR, und er wurde immer nervöser: »Wann fängt es denn endlich an?« Dann kam eine blutjunge Hochreckartistin aus Bulgarien, von der man nicht viel sah, weil das Reck zu hoch angebracht war, er fasste neuen Mut und fragte: »Fängt es jetzt endlich an?«, und mir wurde plötzlich klar, dass er sich im Salambo wähnte, einem Hamburger Theater, welches auch kein Theater ist, sondern wo, wie man in Kalifornien offenbar bereits wusste, unter Beteiligung des Publikums auf der Bühne kopuliert wird oder wurde. Ich habe ihm dann anschließend in der Herbertstraße die Bekanntschaft eines Brooke-Shields-Lookalike vermittelt, was gar nicht so einfach war, weil in Hamburg gerade ein internationaler Bäckerkongress tagte, und die beiden schreiben sich heute noch.

Hinten auf die Billetts habe ich müßig brillante Formulierungen notiert, und bevor ich sie wegschmeiße, rücke ich sie noch rasch in die Spalten des guten Zeit-Feuilletons ein.

Das 3. Gebot des Koran: Du sollst Fatwa und Mutter ehren.

Tanz der Lustprinzipien: »Daffke, du führst schon wieder.«

Paul Lincke: Zille sein Milhaud.

OPERN SIE MIR NICHT IN DIE SCHUHE, HERR!

Ich treffe mich mit Susanne Fischer und Fanny Müller auf dem Flughafen, denn endlich geht es wieder nach Wien!, Wien!!, Wien!!!, wo wir im Rahmen der Wiener Wochen des schlechten Geschmack’s etwas vorlesen sollen, und zwar LAUT und mit Betonung.

Beim Einchecken wimmelt es von Vertretern des Geldproletariats, von »wandelnden Portemonnaies an der Leine von unappetitlichen Anlagebetrügern«, wie die unbestechliche Susanne Fischer später notieren wird. Wollen die auch alle dahin? Nein, die wollen auf den Opernball. (Von h.c. artmann gibt es ein Buch mit nützlichen Redewendungen, und unter dem Stichwort »Oper« steht dort: »Opern Sie mir nicht in die Schuhe, Herr!«) Im Flugzeug friert Fanny Müller, und zwar »an«, wie sie sagt, »den Beinen«. Sie kriegt eine Decke und dann noch eine Decke, und dann kann es losgehen.

In Wien werden wir von Jochen Herdieckerhoff, einem der beiden Veranstalter, abgeholt und müssen noch auf den geheimen Star und Überraschungsgast warten. Jochen Herdieckerhoff wird in Wien wegen seines Namens mit Recht heftig angefeindet. Als Leopold Vrchota oder Adolfine Karasek hätte er es hier leichter. Der Star und Überraschungsgast schwebt ein, es ist Pamela »Baywatch« Anderson nebst Bodyguard. »Det war ja wohl der hinterletzte Bonzenbomber«, schimpft Pamela Anderson in bemerkenswert akzentfreiem Berlinisch. »Wollen die ooch alle uff’n Opernball?« Ooch? Mir schwant etwas.

Heute Abend ist erst mal der Ball des schlechten Geschmack’s, Fanny und Sanny unterstehen mir als Jurorinnen, Schriftführerin ist die Wiener Society-Speerspitze Jeannine Schiller (in derselben Saison Wiens best- und schlechtestgekleidete Dame), und Präsident der Jury für die verhauenste Abendgarderobe bin ich. Stermann & Grissemann, die beiden Moderatoren des Abends, sagen: »Wer je Harry Rowohlt im schwarzen Anzug gesehen hat, versteht, warum wir weiße Anzüge tragen.« Fanny Müller findet, dass es an den Beinen zieht, und ich schleime mich an Jeannine Schiller mit dem Hinweis an, ich sei dreimal hintereinander in der Bunten »Leute von gestern« gewesen, was rein numerisch leicht übertrieben, in der Sache aber korrekt ist.

In meiner Laudatio sage ich: »Wir haben uns bemüht, keine Kostümierungen oder Verkleidungen zu bewerten, sondern eine innere Einstellung oder, wie ich vorhin, Rilke zitierend, einem Herrn vom ORF sagte, einen großen Glanz von innen. ›Wie bitte‹, fragte der Herr vom ORF, ›von hinten?‹ – ›Sie haben recht‹, sagte ich.« Der 1. Preis – ein 24-teiliges Hundertwasser-Puzzle und zwei Karten für den echten Opernball – geht an ein junges Paar, dessen männliche Hälfte aussieht wie Helmut Markwort in groß und jung und schlank. (Wer sich das vorzustellen versucht, bekommt ein geistiges Stielauge, aber das ist ja gerade der Reiz.)

Überraschend und insgeheim erscheint Pamela Anderson, der geheime Überraschungs-Stargast, und verrät, dass sie morgen mit ihrem neuen Freund auf den Opernball gehen werde; ihr neuer Freund sei »very handsome, very intelligent, and very, very rich«. Wieder schwant mir etwas, und ich frage den dicken Hermes, der, seitdem ich ihn in den Spalten der Zeit zum letzten Mal erwähnte, gesamtösterreichisches Kultwesen geworden ist, ob er für morgen Abend schon etwas vorhabe …

Am nächsten Tag wird Hermes für 2000 Mark in einen Frack eingenäht – zu waschen braucht er sich nicht; das geschah bereits vor mehreren Tagen – und hält die Veranstalter telefonisch aus dem Frack heraus auf dem Laufenden: »Ich befinde mich hier zur Hälfte in einem Frack; die Stimmung ist gut.«

Doch nun zu meinen vier schönsten Erlebnissen.

Erstes schönstes Erlebnis: »Wien entdecken mit Martin Puntigam. Die Stadtrundfahrt des Grauens.« Dies ist eine ganz normale Stadtrundfahrt in einem ganz normalen »V.I.P.-Bus der Gran-Turismo-Klasse«, und der Fremdenführer sagt ziemlich normale Sachen, allerdings konsequent am falschen Ort und zur falschen Zeit, und das ist von großem Reiz. Schluss- und Höhepunkt der Stadtrundfahrt ist Schönbrunn mit Streichelzoo. Dazu geht es auf den Gipfel der Städtischen Müllkippe, vorbei an der orangefarbenen Müllwagenflotte (»Rechter Hand sehen Sie die Orangerie«), und aussteigen und durch den Morast waten und die elf Ziegen streicheln, die dort oben wohnen (»Einfach grüß Gott sagen und zum Streicheln anfangen«). Weil wir aber wie eine ordentliche Reisegruppe Papierfähnchen mit der Aufschrift »Neue Freunde durch Briefmarkensammeln« in der Hand halten und weil auf dem Gipfel des Unratberges eine steife Brise weht, knattern unsere Fähnchen wie am Anfang des Filmklassikers Der Sommer des Samurai von Howard C. Blumenberg, und die elf Ziegen nehmen wie ein Mann Reißaus. Spätestens jetzt würde es Fanny Müller an den Beinen ziehen, aber Fanny ist nicht dabei, sondern sie bereitet sich innerlich auf mein zweites schönstes Erlebnis vor, unsere Lesung selbdritt im Orpheum (U 1 bis Donauzentrum, Bus 94 A bis Mergenthalerplatz).

Ich (zu Fanny): »Du hast vergessen, unseren Sponsor, die ›Wiener Städtische Versicherung‹, kurz ›Wiener Städtische‹ genannt, zu erwähnen.«

Fanny (zu mir): »Und du hast mir immer noch nicht meine Nagelschere zurückgegeben.«

Mein drittes schönstes Erlebnis war, wie ich auf Ö 3 in der Kultsendung Trost & Rat mit Dr. Kurt Ostbahn live Stadt Hamburg an der Elbe Auen gesungen habe, und jeder Hamburger wird ohne große Worte verstehen, was da in mir vorging bzw. schmolz.

FNF MSSIGE BETRACHTUNGEN

Entweder es passiert nichts, und dann hat man nichts zu berichten, oder es passiert stndig was, und man ist mittendrin und hat keine Hand frei, aber zunchst drei blitzartige Erkenntnisse (stori), bevor die auch noch den Wadi runter sind, und zwar la manire de Johannes Gross, pampampm, dabei wre man viel lieber eine deutsche Lyrikerin, die sich reimlos vom thessalischen Regen durchschuckeln und einen zierlichen Sechseinhalbzeiler hinter sich lsst, tschamdibaff. Ich bersetze aber gerade 155 Gedichte (54 sind bereits gelutscht), und weil sie sich im Original reimen, mssen sie sich bei mir natrlich auch reimen / Heimen / keimen / schleimen / abfeimen gnurksgnurksgnurks.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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