Powerfrauen - Regine Schneider - E-Book

Powerfrauen E-Book

Regine Schneider

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Beschreibung

In der Generation der heute 35- bis 45jährigen Frauen zeichnet sich eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Älterwerden ab. Sie entdecken die Mitte des Lebens als eine Phase voller Herausforderungen, die zweifellos vorhandenen Krisen, Umbrüche, Neuanfänge müssen endlich nicht mehr schöngeredet werden. ›Powerfrauen‹ ziehen selbstbewußt Bilanz. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Regine Schneider

Powerfrauen

Die neuen Vierzigjährigen

FISCHER E-Books

Inhalt

Nicht nur meine persönliche GeschichteSoll es immer so weitergehen wie bisher?Die biologische UhrIn der Krise liegt die ChanceWas bringt eine Therapie?Männer verlieren ihre MachtVom Werden der PersönlichkeitDie innere InstanzNeue VorbilderSchönheitsoperationenKörperliches TrainingDie WechseljahreDank

Nicht nur meine persönliche Geschichte

Meinen 40. Geburtstag verbringe ich allein. Nicht, weil ich es so will. Mein Lebensgefährte ist auf einer Dienstreise und – obwohl er es mir versprochen hat – nicht pünktlich zurückgekehrt. Noch warte ich. Und hoffe, daß er vielleicht doch …? Mit Verspätung? Nein, er kommt nicht.

Dabei hatte ich ihn sehr gebeten, diesmal pünktlich zurück zu sein. Immerhin ist der 40. Geburtstag nicht irgendein Geburtstag. Ich hatte mir ausgemalt, wir gehen abends gemütlich essen und reden mal wieder in Ruhe. Hatten wir ewig nicht gemacht. Dreimal hatte ich noch nachgefragt, als ob er davon zuverlässiger würde: »Wirst du auch bestimmt kommen?« Bekam dreimal zu hören: »Natürlich bin ich zu deinem Geburtstag zurück.« Aber wie schon so oft stellte er mich in letzter Minute vor die Tatsache, daß er erst einen Tag später wiederkommen kann.

Ich fühle mich sehr verletzt. Und bin sauer.

Stinksauer. Hadere mit mir, meiner Beziehung, mit der ganzen Welt. Großer innerer Aufruhr: »Unzuverlässiger Kerl, sogar an meinem Geburtstag, hättest du nicht dieses eine Mal …« Ich schäume. Und zum zigstenmal vollziehe ich in meiner Phantasie unsere Trennung. Male mir aus, wie ich ihm bei seiner Rückkehr die Koffer vor die Tür setze. Ärgere mich gleichzeitig über mich, weil ich wieder den Kampf gegen Windmühlenflügel gesucht und verloren habe. Obwohl ich es im Grunde besser weiß. Aber es geht mir schlecht, ich kann an nichts anderes denken. Ich hatte mir diesen Geburtstag so schön ausgemalt, und nun das.

Meine ganzen Erwartungen – mal wieder eine Seifenblase. Gleichzeitig beginne ich zu denken, und je mehr ich denke, desto klarer wird mir, es ist ein immer wiederkehrendes Muster, eine immer wiederkehrende Situation. Ich habe Wünsche, Forderungen, Erwartungen. Aber sie werden von meinem Partner nicht erfüllt. Die Folge: Ich habe das Gefühl, er tritt meine berechtigten Bedürfnisse mit Füßen. Und ich frage mich zum tausendstenmal, warum gerate ich immer wieder an Männer, die so mit mir umgehen? Was mache ich falsch? Warum falle ich immer wieder darauf rein? Warum immer wieder die gleichen Situationen – in Variationen, mit verschiedenen Partnern?

Ich denke lange nach über unzuverlässige Partner, die mich warten lassen, die meine Gefühle und meine Wünsche nicht achten, die nicht zuhören, wenn ich etwas sage. Und mir wird deutlich, daß ich das Gefühl von Kindheit an kenne. Dieses Hinterherrennen nach Liebe, Achtung, Aufmerksamkeit. Immer wieder ein neuer Anlauf, immer wieder abgeschmettert.

Gleichzeitig immer der Eindruck, ich bin »verkehrt«, wenn ich mehr fordere, als ich bekomme. Was wurde immer gesagt, wenn ich protestierte? Ich sei kleinlich, bausche »Nichtigkeiten« auf, sehe alles übertrieben. Setze den anderen »unter Druck« mit meinen hohen Erwartungen. Bin ich wirklich so verkehrt, wenn ich mir wünsche, an meinem 40. Geburtstag nicht allein zu sein? Oder habe ich mir den falschen Partner dafür gesucht? Und wenn ja, warum?

Oder hätte ich selbst etwas anders machen sollen? Es kommen viele Situationen hoch, wo meine Gefühle, meine Bedürfnisse übergangen wurden. Alltagssituationen. Mir fällt ein, wie oft in der Vergangenheit andere Dinge viel wichtiger waren, als das, was ich zu sagen hatte. Oder die dauernde Unzuverlässigkeit. Verabredungen, die nicht pünktlich eingehalten werden. Wie viele Stunden meines Lebens habe ich allein, mit Warten auf einen Mann verbracht, der nicht zum verabredeten Zeitpunkt kam. Und damit, dafür zu kämpfen, daß meine Wünsche geachtet, respektiert werden. Mit Wutanfällen und Krächen. Mit Stänkern und Meckern.

Liegt es an meinen falschen Erwartungen? Mir wird klar, daß ich mehr Energie in den Versuch investiere, meine Partner zu verändern, zu formen wie ich sie lieber hätte, als etwas für mich zu tun.

Und endlich fällt der Groschen. Warum gehe ich so mit mir um? Das ist der Punkt. Zu solchen Situationen gehören zwei. Ich bin ja nicht nur Opfer! Warum suche ich immer solche Situationen? Warum konstruiere ich immer wieder solche Situationen?

Wie ich das kenne. Dieses alte Muster: Ich kämpfe um Anerkennung, Liebe, Achtung, Beachtung. Ich möchte, daß meine Gefühle gehört und respektiert werden. Aber wähle ich die richtigen Mittel? Will ich vielleicht etwas erzwingen, was so gar nicht geht?

An meinem 40. Geburtstag entscheide ich, ich will es nicht mehr. Ich will mich nicht mehr davon abhängig machen, ob mein Partner kommt oder nicht kommt, gut oder schlecht für mich sorgt. Ab sofort werde ich selbst für mich sorgen.

Ich hätte zum Beispiel Freunde zum Geburtstagskaffee einladen können, anstatt das ganze Fest von einem einzigen Menschen abhängig zu machen, der weit weg auf einer Dienstreise ist. Ich hätte ja ohne ihn feiern können. Unabhängig von ihm. Wenn er gekommen wäre, schön. Und wenn nicht, feiere ich auch. Und bin auch ohne seine Anwesenheit glücklich. Mir wird klar, wie sehr ich die Erfüllung meiner Wünsche von meinem Partner abhängig mache. So machen es Kinder. Als Kind ist man abhängig. Darauf angewiesen, daß Erwachsene für uns sorgen. Und wenn zu viele Wünsche nach Liebe, Aufmerksamkeit und Achtung unerfüllt bleiben, bekommt man ein Defizit. Aber ich bin ein erwachsener Mensch. Ich kann inzwischen selbst für mich sorgen, könnte mir das Leben selbst angenehmer gestalten. Ich muß nicht auf andere warten. Und ich muß auch nicht mehr hinter unerfüllten Kinderbedürfnissen herlaufen. Heute könnte ich andere Verhaltensweisen wählen. Aber ich warte und hoffe immer noch, wie als Kind. Plötzlich ist mir dieses alte vertraute Muster klar. Und auch, daß ich es in der Hand habe, es zu ändern.

Ein amerikanisches Sprichwort sagt: »Love it, change it or leave it.« Aber diesmal verlasse ich nicht meinen Partner, wie früher, wo ich Männer immer nach drei, vier Jahren ausgewechselt habe. Ent-täuscht vom Gegenwärtigen und in der Hoffnung, dann den Richtigen zu finden. Beim nächsten wird alles anders. Der nächste Mann wird meine Wünsche erfüllen. Ich bin entschlossen, mein altes Muster zu verlassen. Es wird nämlich auch klar: Es bringt nichts, ständig den Partner zu wechseln. Wenn ich mich nicht verändere, werde ich mit kleinen Variationen immer wieder bei dem gleichen Typ landen. Franz Lautenschläger, der Begründer der Wellness-Bewegung, schreibt: »Man bekommt immer nur das, was man selbst einbringen kann. Es kommt nur der Partner, der ein Spiegelbild zu einem selbst darstellt.«[1] Ich fange jetzt bei mir an. Ich verändere mein Verhalten.

Nach meinem Geburtstagserlebnis werde ich immer aufmerksamer. Lerne immer besser, Entscheidungen für mich zu fällen. Unabhängig von meinem Partner Dinge zu tun, die mir guttun. Ich fange an, selbst dafür zu sorgen, daß meine Wünsche erfüllt werden. Ich lerne, mich ernst zu nehmen. Und daß es mich nicht weiterbringt, darauf zu hoffen, daß einer kommt, der meine Wünsche erfüllt. Es gibt keinen Märchenprinzen, der mir meine Wünsche von den Augen abliest. So werde ich mit der Zeit von Entscheidungen und Beurteilungen anderer immer unabhängiger. Inzwischen habe ich eine große innere Freiheit erlangt, und mir ist klar geworden: Männer haben sich mir gegenüber so lange entsprechend verhalten, bis ich hinter meine Muster gekommen bin. Ich habe ihnen unbewußt angeboten, meine Forderungen nicht ernst zu nehmen. Ich habe herausgefordert, daß oft weggehört wurde – weil ich mich selbst nicht ernst nahm.

Inzwischen kann ich für mich sorgen, für mich entscheiden. Ich habe gelernt, unabhängig zu sein und mir mehr zu trauen als den Urteilen anderer. Habe gelernt, mich in mir erfüllt und sicher zu fühlen. Und noch etwas habe ich gelernt. Etwas sehr Wichtiges für eine Partnerschaft: ohne Angst allein zu sein. Keine innere Leere mehr zu spüren, die ein Partner füllen muß. Meine wichtigste Erfahrung dabei: Seit ich solche Unabhängigkeit ausstrahle, solche Selbstverständlichkeit, reagiert mein Partner anders. Der, der immer so unzuverlässig war.

Es war ein langer Lernprozeß, der nicht nur meine Partnerschaft, sondern auch andere Bereiche meines Lebens betrifft. Noch vor fünf Jahren war ich ein Mensch, der weit von dem entfernt war, was er wirklich wollte. Dieses Gefühl zog sich durch mein ganzes Leben. Ich war nicht nur ständig darauf aus, meine Zeit zu verplanen, damit ich nicht mit mir allein sein mußte. Ich habe auch oft nur funktioniert, mich Normen angepaßt, getan, was man von mir forderte. Auf meine eigenen Gedanken, Ideen und Gefühle zu hören, hatte ich nicht gelernt. Ich wußte gar nicht, wie das geht. Und es gab Gefühle, die durften gar nicht hochkommen. Die habe ich verdrängt. Wut, Trauer, Tränen. Das alles hatte nicht stattzufinden. Das hatte geschluckt zu werden. Ich war ein braves Mächen, das alles tat, um geliebt zu werden. Das geglaubt hat, wer brav ist und artig tut, was von ihm verlangt wird, wird gemocht und geliebt. Wer wütend ist und das zeigt, wird abgelehnt. Und ich war ein starkes Mädchen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Es tat sehr weh, als das brav-starke Mädchen festgestellt hat, daß es keineswegs geachtet wird, obwohl es sich immer sehr bemühte, sich anzupassen.

Bis ich 36 Jahre alt war, war ich überzeugt davon, »verkehrt« zu sein. Habe meinen Eltern, meinen Partnern, meiner Umgebung geglaubt, die immer, wenn ich gegen ihre Normen verstieß, urteilten: »Sie stellt sich mal wieder quer. Sie tanzt mal wieder aus der Reihe. Das ist nicht richtig. Sie ist ein schwarzes Schaf.« Der Ausbruch aus meinem beengenden Rahmen begann sich abzuzeichnen, als ich – ich war 36 – meine Tochter bekam. Sie zwang mich, alte Lebensmuster und Rituale zu verändern, was einen Prozeß auslöste, der an meinem 40. Geburtstag fast abgeschlossen war – einen Selbstfindungsprozeß. Schon in der Schwangerschaft hatte ich aufgehört, abends nach der Arbeit zu meinem gewohnten Glas Wein zu greifen, aus dem dann leicht eine ganze Flasche wurde. Und weil ich abends den Kopf klar hatte, wurde mir auch bewußt, welche Funktion der Wein, den ich jahrelang Abend für Abend in mich hineinschüttete, gehabt hatte: Betäubung. Er hinderte mich daran, den Tag zu reflektieren. Den Tagesfrust zu überdenken. Und bei einem Menschen, der so brav funktionierte wie ich, hatte sich jeden Abend ein Haufen Frust und Zorn angesammelt. Der wurde mit Wein heruntergespült, weggedrückt, der Tag wurde schöngetrunken. Damit ich am nächsten Tag wieder artig funktionieren konnte.

Die erste Zeit ohne Wein war hart, weil ungewohnte Gefühle hochkamen. Unangenehme. Oft taten sie schrecklich weh. Ohne meine Tochter in mir hätte ich sie bestimmt wieder mit Alkohol weggedrückt. Ich konnte sie manchmal kaum aushalten. Zu der Zeit ging es noch nicht um Partnerschaft. Das Berufsleben stand im Vordergrund. Mir fiel plötzlich auf, wie ich mir wieder einen Artikel in Grund und Boden hatte reden lassen. Wie ich mich ohne Widerspruch in die Beurteilung meiner Arbeit durch die anderen gefügt habe. Überzeugt, daß alle anderen besser sind als ich. Wie ich mich habe herumkommandieren lassen. Unkorrektheiten, Gemeinheiten geschluckt habe. Mich kleingemacht habe. Alles aus Angst, meinen Job zu verlieren. Ich hatte mich sehr über meine Arbeit definiert. Und über das Produkt, für das ich gearbeitet habe. Wie stolz war ich, wenn ich sagen konnte: Ich schreibe für diese eine Zeitung, bei der ich fest angestellt war. Daraus zog ich mein Selbstbewußtsein. Mein Selbstwertgefühl. Aber mir wurde immer klarer, welch hohen Preis ich dafür bezahlte. Den Preis der Mißachtung. Denn ich und meine Arbeit wurden nicht respektiert. Was nicht zuletzt an mir lag, denn durch mein unsicheres, angepaßtes Verhalten habe ich auch hier eine Menge zu dieser Nichtachtung beigetragen. Es war die gleiche Wechselwirkung wie in der Partnerschaft: Ich schätzte mich und meine Arbeit gering, also wurde auch ich nicht geschätzt.

Im Beruf wie in meiner Partnerschaft: Ich wurde in meiner Art nicht geachtet, strampelte mich aber ab für Lob und Anerkennung. Die Tatsache, für ein bestimmtes Produkt zu arbeiten, war mir wichtiger als mein Wohlbefinden. Äußerlichkeiten hatten einen hohen Stellenwert. Das ist heute vorbei. Durch meine Schwangerschaft war ich gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die ich ohne meine Tochter wahrscheinlich nicht so schnell getroffen hätte. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Ich hätte mein Leben wahrscheinlich weiter so dahindümpeln lassen. Bis ich vor lauter Frust wer weiß was getan hätte oder einfach krank geworden wäre. Mit der Zeit wurde ich immer lustloser. Sah immer weniger ein, mich gängeln zu lassen, und bekam gleichzeitig ein immer stärker werdendes Gefühl dafür, daß vielleicht gar nicht meine Artikel schlecht waren, sondern einfach zu dem damaligen Zeitpunkt nur nicht richtig für dieses eine von mir so ausschließlich gesehene Produkt. Und daß mich auch die Art und Weise, wie ich mich in den Berufsalltag hatte einbinden lassen, völlig blockierte. Ich hatte weder Mut zu Experimenten, noch konnte ich mich entfalten. Ich beschloß – auch weil ich meine Tochter nicht den ganzen Tag in fremde Hände geben wollte –, als freie Journalistin zu arbeiten. Ein Schritt, der erst einmal sehr viel Mut erforderte. Schlaflose Nächte mit Angstattacken, Selbstzweifeln, aber auch mit der langsam wachsenden Gewißheit: Du mußt dich endlich stellen. Und es zeigte sich schneller, als ich dachte, daß nicht ich schlecht schreibe, sondern daß ich mich an das falsche Produkt geklammert hatte. Nur weil ich ein bestimmtes Bild abgeben wollte: das der erfolgreichen Journalistin, die es so weit gebracht hat, bei dieser Zeitung zu schreiben.

Die berufliche Loslösung war der erste Schritt, um mich aus alten Mustern zu befreien. Immer mehr dahin zu sehen, wer ich bin, was ich bin, was ich fühle, womit es mir gutgeht.

Heute sehe ich meine Schwangerschaft als Beginn meiner Lebensmittekrise an. Einer Krise, die sich über mehr als vier Jahre hinzog und darin gipfelte, daß ich mir nach meiner beruflichen Freiheit auch meine private Unabhängigkeit holte. Das waren vier Jahre mit Höhen und Tiefen, mit Auseinandersetzungen und Depressionen, in denen ich gelernt habe, daß ich die einzige bin, die dafür verantwortlich ist, wie mein Leben verläuft. Daß die Entscheidung, ob es mir gut- oder schlechtgeht, bei mir liegt. Ich habe gelernt, mich nicht mehr von äußeren Rahmen, von fremden Forderungen, die gar nicht zu mir passen, bestimmen zu lassen. Übrigens habe ich seitdem keine Depression mehr.

Kurz nach diesem Prozeß entdeckte ich – es war auch um den 40. Geburtstag herum – die ersten Falten um die Augen. Obwohl es mich berührt hat – von dem allgemeinen Schönheits- und Jugendwahn kann ich mich genausowenig freisprechen wie die meisten Frauen –, konnte ich gut damit umgehen. Ich war in dem Moment froh, daß ich durch meine Krise schon so weit hindurchgegangen war und daß innerlich schon so viel gewachsen war, daß mich diese sichtbar werdende Veränderung des Äußeren nicht mehr dauerhaft in Panik versetzt hat. Es wurde mir einfach überdeutlich, daß das Älterwerden eingesetzt hat. Etwas, was mir bis dahin überhaupt nicht in den Sinn gekommen war. In Gedanken war ich bis dahin ewig jung. Älterwerden, Altern, Alter, alt – Ende. Das war etwas, was mich überhaupt nicht betraf. Mein ganzes Leben war ich einem Noch-mehr, Noch-besser, Noch-höher, Nochweiter hinterhergelaufen. Und nun plötzlich dieses Innehalten, das erste Zeichen für ein Zurück. Das erste Mal wurde mir bewußt: Es gibt keine Steigerung mehr. Es gibt Grenzen.

Ich entdeckte schließlich, daß der Lebensabschnitt vor den Wechseljahren eine ganz eigene Bedeutung hat, und fand das in Gesprächen mit vielen Frauen, die ich danach befragte und die hier auch zu Wort kommen, bestätigt. Gemeinsam ist allen: Es findet, ab ungefähr 35, verstärkt ein Selbstfindungsprozeß statt, aus dem Frauen heute gestärkt hervorgehen. Noch vor 15 Jahren war das anders. Da gehörten 40jährige Frauen, wie Simone de Beauvoir es beschrieben hat, plötzlich zu einem »unsichtbaren« Geschlecht.

Ich fing an, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Und stieß auf ein zweites Phänomen: 40 wird schöngeredet. Die »tollen Frauen um 40« werden in den Medien und auch in Büchern (Susanna Kubelka, »Endlich über 40«) euphorisch so dargestellt, als gebe es kein schöneres Alter als 40. Das finde ich verlogen, denn die Tatsache, daß sich in der Lebensmitte viel ändert, was oft ziemlich schmerzhaft ist, wird verschwiegen. Abschied ist angesagt, beispielsweise von dem Bild, das man bisher von sich und anderen hatte. Man verliert viel, und Abschied ist mit Schmerz verbunden. Auf der anderen Seite schafft der, der sich von Altem verabschiedet, Platz für Neues: für die Möglichkeit, etwas anderes zu gewinnen, etwas, das ihm angemessener ist.

Auch wird so getan, als gehöre die Krise in der Lebensmitte der Vergangenheit an. Es werden veränderte Erscheinungsformen beschrieben, die Ursachen dafür aber verschwiegen. Die Frau um 40 wird in Illustrierten nur durch die Oberfläche beschrieben:

Sie läßt verkrustete Beziehungen hinter sich, entscheidet sich für einen neuen, oft sehr viel jüngeren Mann, startet durch zu einer Karriere, macht sich selbständig, wirtschaftlich unabhängig, bekommt ein Baby, steigt ein, steigt aus, wie es ihr gerade gefällt, und hat die Courage, so zu leben, wie sie sich fühlt.

Zwei Drittel der Frauen um 40 reichen selbst die Scheidung ein. Sie verlassen. Früher wurden sie verlassen.

Der Sex wird schöner, intensiver, ehrlicher. Weil die Frau weiß, was sie will, und es dem Partner sagt. Die 40jährige von heute ist, laut Faith Popcorn, biologisch zehn Jahre jünger als noch vor 15 Jahren, weil sie sich bewußt ernährt, Sport treibt, dafür sorgt, daß es ihr psychisch gutgeht.

Andererseits haben diese Frauen oft so viel Persönlichkeit, daß sie mit ihren Falten selbstbewußt umgehen, statt sie zu vertuschen. Das wiederum gibt ihnen eine Ausstrahlung, die sie alterslos macht. Heute erleben viele Frauen um 40 einen regelrechten Lebenshöhepunkt. Sie grenzen sich ab, bekommen Konturen, Biß, Gesichter. Viele Frauen sagen: Erst jetzt fange ich richtig an zu leben.

Die Generation der heutigen Frauen um 40 ist eine Siegergeneration.

In diesen Bildern finde ich mich durchaus wieder. Was mich stört: Diese Beschreibungen erwecken den Eindruck, als müsse keine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Leben stattfinden, als wären die Übergänge selbstverständlich und fließend. Man könnte meinen, heute gebe es nichts Erstrebenswerteres, als »endlich 40« zu werden, weil dann wie von selbst alles besser wird. Weder wird gefragt, woher es kommt, daß Frauen heute anders sind, noch wird gesagt, daß diese Darstellung keineswegs für alle Frauen um 40 zutrifft.

Rein statistisch gesehen sind diese Jahre immer noch gefährliche Jahre, denn für viele kippt das Leben in die andere Richtung. Depressionen und Selbstmordversuche nehmen zu. 70 Prozent aller Suizide werden von lebensmüden Frauen über 40 begangen. In keinem Alter ist die Medikamentenabhängigkeit so hoch. Bei Frauen sehr viel stärker als bei Männern.

Die Krise in der Lebensmitte gehört nicht, wie man vermuten könnte, der Vergangenheit an. Es gibt heute nur andere Formen, mit ihr umzugehen. Psychotherapeuten, Frauengruppen und Selbsthilfegruppen wie »Raupe und Schmetterling« haben regen Zulauf. Mit 40 kommen langsam auch Ahnungen von Einsamkeit, Endlichkeit und die Angst, als unattraktiv empfunden und abgeschoben zu werden, auf. Es ist das Alter, in dem viele Frauen sich mit Kinderlosigkeit abfinden müssen. Die Wechseljahre stehen vor der Tür.

Die Journalistin Marion Schreiber schrieb im Spiegel: »Es ist die letzte Phase des Erwachsenwerdens. Konflikte, die in der Pubertät nicht gelöst und jahrelang überdeckt wurden durch Ausbildung, erste Berufserfahrung, Ehe, Kinderkriegen, Kindererziehung, brechen jetzt aus. Die versäumte Ablösung von den Eltern, die mangelnde Selbstbehauptung, aktuelle Verlustängste. Seelische Konflikte äußern sich als Herzbeschwerden, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit, Kreislaufstörungen, Depressionen.«

Das Alter zu akzeptieren fällt um so schwerer, je mehr sich eine Frau über ihre äußerlichen Vorzüge identifiziert hat. Dann nämlich sieht sie sich mit 40 als »welkende Schönheit«. Plötzlich stürzt sie sich panisch in Sport, Bodybuilding, Schönheitsfarmen oder sogar unter das Messer eines Schönheitschirurgen. Die französische Psychoanalytikerin Christiane Olivier schreibt in »F wie Frau«: »Nie zuvor hat eine Frau so viel Eifer in die Erhaltung ihres Körpers investiert; es ist ein verbissener Kampf, um die Zeichen des Alters so lange als möglich hinauszuzögern.«[2]

In diese Lebensphase fällt auch das »Petra-Pan-Syndrom«. James Matthew Barrie schrieb 1900 das Märchen von Peter Pan, dem Jungen, der nicht groß werden wollte. Davon abgeleitet ist das Petra-Pan-Syndrom. Es bezeichnet Frauen, die ihr Alter nicht akzeptieren können. Gemeint sind die Frauen, die sich mit Gewalt dagegen wehren, ihrem Alter entsprechend auszusehen, und das demonstrieren, indem die Röcke immer kürzer werden, die Ausschnitte immer gewagter, die Frisur immer jugendlicher und die Schminke immer greller. Die Frauen, die sich krampfhaft jugendlicher geben als die eigenen Töchter. Nur orientiert an dem Mädchen, das sie mal waren, und erschreckt von der Frau, die sie äußerlich längst sind.

Die »Midlife-Crisis« trifft die Frauen am härtesten, die auch die zweite Hälfte des Lebens mit den Mustern, Rollen, Schwerpunkten der ersten Lebenshälfte leben wollen. Die für sich selbst keine neue Orientierung gefunden haben.

Die Forschung auf dem Gebiet der verschiedenen Lebensalter ist relativ neu. In unserer Gesellschaft zählen vor allem Jugend und Schönheit. Unsere Zivilisation hat das Wissen, daß alles einem ständigen Veränderungsprozeß unterworfen ist, aus dem Bewußtsein verdrängt: das Wissen um den natürlichen Rhythmus des Werdens, Seins und Vergehens.

Beachtung fanden bisher der Wechsel vom Säugling zum Kleinkind, von der Kindheit zur Jugend und vom Teen zum Twen. Danach war man dann gleich erwachsen. Alles wurde seltsam gleichförmig. »Älter« war man dann von 40 bis zum Tod.

Inzwischen wird ernsthaft untersucht, ob sich das Erwachsenenalter nicht in viel mehr Abschnitte untergliedert. Man weiß inzwischen, daß auch die Jahre von circa 35 bis zum Tode sehr differenziert zu betrachten sind, sich noch mal in mehrere unterschiedliche Lebensabschnittsphasen unterteilen. Und daß sich die größten Veränderungen heute um die Lebensmitte herum einstellen. Gail Sheehy schreibt in »Mitte des Lebens«: »Die gegenwärtige Forschung ist sich darüber einig, daß der Übergang zur Lebensmitte eine ebenso kritische Phase ist wie das Jugendalter und in mancher Hinsicht noch qualvoller verläuft.«

Bisher wurden der Altersabschnitt, der den Wechseljahren unmittelbar vorausgeht, und die Phase der Wechseljahre in einen Topf geworfen. Meiner Beobachtung nach werden viele Erscheinungen den Wechseljahren zugerechnet, die schon in der Phase vor den Wechseljahren stattfinden.

Das Alter zwischen 35 und 45 hat seine ganz eigenen Gesetze. Frauen erwerben in dieser Phase – schon vor den biologischen Veränderungen, die sich im Körper vollziehen – mehr inneres Gleichgewicht und bilden ihre Persönlichkeit heraus. Viele Frauen in diesem Alter sind in einem inneren Aufruhr, rebellieren, prüfen sich selbst und ihre Lebenssituation. Sie lernen auf die überlebten Ideale der Jugend zu verzichten, ohne zu resignieren. Viele stellen um 40 herum fest, daß die Träume der Jugend nicht zu erreichen sind und angestrebte Ziele nicht verwirklicht werden können. Andere haben alles erreicht und fragen sich, was kommt nun? Es ist eine Zeit der radikalen Überprüfung alter Muster und Werte. Frauen lösen sich von überholten Vorstellungen, üben neues, angemessenes Verhalten ein, durchschauen und hinterfragen persönliche Grundverträge, lassen alte Selbstbilder los. So können sich die bis dahin zurückgedrängten Aspekte der Persönlichkeit entfalten. Es geht darum, sich von Illusionen frei zu machen. Falsche Vorstellungen von den Dingen, vom Leben abzulegen. Und mit 40 sind Frauen heute allemal jung genug, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Viele tun es.

Der Psychoanalytiker C.G. Jung lieferte als erster eine gültige Definition für die Zeit in der Lebensmitte und nannte die Zeit um 40 den »Mittag des Lebens«. Bis dahin habe man nach Karriere, Anerkennung durch andere, Eltern, Lehrer, Vorgesetzte gestrebt. Das Leben verlief einseitig. Der Mensch empfindet jetzt seine schöpferische Tätigkeit als Arbeit an sich selbst. In steigendem Maße auch befreit ihn seine Tätigkeit von krankhafter Abhängigkeit, und er gewinnt damit eine innere Festigkeit und ein neues Vertrauen zu sich selbst. Der Sinn des Lebens wird hinterfragt. Es wird uns bewußt, wie kurz das Leben ist. Der Tod rückt plötzlich ganz nah.

Viele Frauen haben in der ersten Lebenshälfte manches verdrängt, was sie auch hätten tun oder sein können. Während Männer sich fit machen im Konkurrenzkampf und dabei ihr Bedürfnis nach Geborgenheit und Mitgefühl verdrängen, haben Frauen oft als Mütter und Hausfrauen Zärtlichkeit und Aufopferungsbereitschaft ausgelebt. Sind die Kinder groß, entdecken sie, daß noch ungenutzte Tatkraft und schöpferische Energie in ihnen stecken. Psychologen betrachten diesen Lebensabschnitt als denjenigen, in dem Frauen ihr Selbstbewußtsein am stärksten entwickeln.

Die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich in den letzten zehn Jahren für Frauen stark verbessert. Ein Wertewandel hat stattgefunden. Berufsrückkehrerinnen sind gefragt wie nie. 320000 sind es, die jedes Jahr nach einer Familienpause wieder an einen Arbeitsplatz zurückkehren. Auch das Frauenbild und der Altersbegriff haben sich gewandelt. Frauen ab 35 – nachhaltig geprägt von einer Beziehung, die eine gute Ehefrau und Mutter zum Ziel hatte – sehen im Loslassen ihrer bisherigen Lebenseinstellungen und Lebensmuster die einzige Möglichkeit, die zweite Lebenshälfte sinnvoll auszufüllen.

Ich habe Frauen darüber interviewt, wie sie ihre Lebensmitte erleben oder erlebt haben. Manche beginnen schon mit 35 stark, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen, andere bemerken erst mit 45, daß sich etwas ändert. Bei jeder Frau ist der Auslöser ein anderer. Entweder gehen die Kinder aus dem Haus, der Partner nimmt sich eine andere, oft jüngere Frau, andere werden durch eine ausbrechende Krankheit in ihren bisherigen Lebensmustern verunsichert, wieder andere bekommen sehr spät ein Baby, das ihr bisheriges Leben über den Haufen wirft. Und es gibt Frauen, die sich einfach mit ihrem bisherigen Trott nicht mehr zufriedengeben wollen.

Gemeinsam ist allen Frauen, daß sie etwa in der Lebensmitte entdecken, wer sie selbst sind, was sie wollen und welche Art von Leben ihnen am ehesten gerecht wird. Das kann sie dazu bringen, ihr ganzes bisheriges Leben über Bord zu werfen und sich von Beruf, Mann, Familien zu trennen. Es gibt aber auch Frauen, die sich innerhalb ihrer Familie, ihres Berufes, ihres bisherigen Lebens neu einrichten. Sie behalten den Rahmen, aber ändern die Bedingungen. Sie lernen, Grenzen zu setzen. Nein zu sagen, sich mehr Raum und Zeit zu nehmen. Neuorientierungen in der Lebensmitte haben nicht zwangsläufig große Revolutionen zur Folge, oder, wie eine der interviewten Frauen es ausdrückte, man muß keine Bombe hochgehen lassen. Oft bewirken kleine Veränderungen Wunder.

Eines steht auf jeden Fall fest, alle Frauen, die sich den Veränderungen in der Mitte ihres Lebens stellen, statt sie zu verdrängen, gehen als gestärkte Persönlichkeiten daraus hervor. Jede Frau verliert zwar die glatte äußere Hülle der Jugend, aber diese Frauen gewinnen auch viel.

Soll es immer so weitergehen wie bisher?

Keine Frau, mit der ich gesprochen habe, ob alleinlebend, alleinerziehend, kinderlose Karrierefrau oder Hausfrau, hatte einen nahtlosen Übergang in ihre 40er Jahre. Das um 35 irgendwann einsetzende Bewußtsein vom Älterwerden führt bei fast jeder Frau dazu, daß sie innehält und sich fragt: Soll es so wie bisher weitergehen? Bin ich zufrieden damit? Was habe ich noch nicht erreicht in meinem Leben? Was habe ich verpaßt? Defizite werden deutlich. Entweder wird das Abstrampeln für die Karriere fade und sinnentleert, oder die Frau, die einem Mann im Alltag den Rücken für seine Karriere freigehalten hat, fragt sich, will ich immer nur sein Anhängsel bleiben? Wieder andere überlegen, warum sie immer auf den gleichen Typ Mann fliegen, mit dem sie im Grunde nie glücklich geworden sind, oder sie machen sich Gedanken, warum sie nie geheiratet haben. Fragen sich, liegt es an mir? Oder Frauen entdecken, daß sie unerwartet doch Karriere machen. Plötzlich wird es Zeit für ein Kind, wenn die Frau bis jetzt gewartet hat, oder eine angefangene Ausbildung soll endlich beendet werden. Viele Frauen stellen fest, daß das, was aus ihnen geworden ist, und das, was sie ursprünglich in ihrem tiefsten Innern sind, in der Realität auseinanderklafft. Psychologen sagen, das »Ideal-Ich« ist nicht verwirklicht worden.

Es kommt der Punkt, an dem man seine Vorstellungen der Realität anpassen muß, um nicht unzufrieden durchs weitere Leben zu gehen.

Der »klassische« Lebensweg von Frauen ist immer noch am weitesten verbreitet: Die Frau macht eine möglichst kurze Berufsausbildung, heiratet und gibt ihren Beruf auf. Sie bekommt Kinder und ist, zumindest einige Jahre, Hausfrau und Mutter.

Die Frauen, die jetzt um 40 sind, sind zwar noch den alten Rollenmustern entsprechend erzogen worden, haben aber auch die Einflüsse der Frauenbewegung mehr oder weniger intensiv erlebt. Sie haben gelernt, daß es möglich ist, herkömmliche Muster zu hinterfragen. Dennoch sind Frauen auch heute noch das »hilfreiche« Geschlecht, wie eine Studie der Uni Bielefeld feststellte. Sie kümmern sich um die sozialen Kontakte, regeln die praktischen Dinge des Lebens und sorgen für den ausgeglichenen Gefühlshaushalt in Partnerschaft, Familie und Büro.