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Auch Powerfrauen werden älter – und sind für nichts zu alt! Ein unterhaltsame und informative Lektüre für Frauen ab fünfzig – und jüngere, die vielleicht sorgenvoll an diese magische Altersschwelle denken. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)
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Seitenzahl: 288
Regine Schneider
Wir haben noch viel vor
Frauen um die Fünfzig
FISCHER E-Books
Die Frau in der Gesellschaft Herausgegeben von Ingeborg Mues
Wie jeden Donnerstag saßen wir zur blauen Stunde in der Towerbar und schlürften unsere Cocktails. Gisela hatte ihre Pina Colada fast ausgetrunken. Susannes Strohhalm steckte in einer Bloody Mary. Ich saß vor einem Caipirinha. Gisela, die in zwei Monaten 50 wurde, seufzte: »Je älter ich werde, um so schneller rennt mir die Zeit davon. Wahnsinn. Ich wollte noch so viel machen.«
Ich überlegte: »Stimmt, ich auch.« Ich war gerade 48 geworden.
Wir kannten uns seit Schultagen und wohnten keine 30 Kilometer voneinander entfernt. Irgendwann hatten wir uns vorgenommen, unsere Verbindung bewußt zu pflegen, und als erstes unser wöchentliches Treffen in der Towerbar ins Leben gerufen. Aber wir wollten auch irgend etwas Aktives machen. Der in unserem Alter unweigerlich drohenden Arteriosklerose, Osteoporose, eventuell auch Altersdemenz, Krampfadern und nicht zuletzt einer fülligeren Figur davonlaufen.
Susanne, mit zarten 47 unser Nesthäkchen, war Single und kinderlos geblieben und betrieb sehr erfolgreich ein Grafik-Design-Studio. Sie schlug gerade vor: »Wir könnten ja einmal die Woche zusammen joggen gehen.« Susanne sah aus wie zur Schulzeit, nur etwas älter. Ihr langes blondes Haar hing wie früher offen auf ihre Schultern, und ihre Statur war noch zierlich wie eh und je.
»Joggen! Wie langweilig!« rief Gisela aus. »Das ist doch keine Herausforderung.« Sie war schon ziemlich in die Breite gegangen und hatte ein unbändiges Nachholbedürfnis. Gisela war 24 Jahre hinterm Kochtopf versauert. Sie hatte ihren Mann, den Hubert, vor zwei Jahren kurz vor der Silberhochzeit verlassen, nachdem ihre beiden Söhne aus dem Haus waren. Hubert hatte nämlich ein Verhältnis mit einer Studentin angefangen. Er hatte nicht damit gerechnet, daß Gisela ernst machen würde. Seit sie weg war, war er ein Häufchen Elend. Drei Monate war Gisela durch die Hölle gegangen. Dann hatte sie sich berappelt, eine Therapie angefangen und gesagt: »Das richtige Alter, die Ärmel aufzukrempeln und noch mal neu durchzustarten.« Heute führte sie einen kleinen Laden, in dem sie Lederwaren verkaufte. Hauptsächlich sehr ausgefallene, witzige Handtaschen. Sie hatte sich die Haare abschneiden und rot färben lassen, sah zehn Jahre jünger aus und strotzte nur so vor Energie. »Was Besseres hätte mir nicht passieren können«, sagte sie heute.
»Meine schlimmste Lebenskrise war meine größte Chance.«
»Wir könnten uns auch im Fitneßstudio anmelden«, schlug ich vor.
»Blöd«, maulte Gisela.
»Was haltet ihr denn von Trommeln?« fragte ich hoffnungsvoll. »Oder Bauchtanz? Wir könnten auch Flamenco lernen oder Lambada.«
»Käse!« rief Gisela. »Dann können wir ja gleich in die Toskana töpfern fahren. Das machen nur alte Frauen. Dafür ist es mit 70 auch noch früh genug.«
»Vielleicht könnten wir Yoga machen?« versuchte Susanne einen Vorschlag einzubringen. »Mit Yoga und Meditation zu unserer Mitte finden und dadurch mehr Ausstrahlung gewinnen. Darauf kommt es doch in unserem Alter an. Außerdem ist Yoga extrem sportlich.«
»Ätzend! Wenn ihr jetzt schon so schlaff seid, werdet ihr früh vergreisen«, posaunte Gisela.
»Und wenn ihr mal mit zum Malen kommt?« fragte ich.
Ich hatte mit 45 angefangen zu malen. Hätte ich nicht so konservative Eltern gehabt, wäre ich nämlich Künstlerin geworden. Aber früher bekam ich ständig zu hören: »Lern was Ordentliches.« So studierte ich Pädagogik und ging in die Erwachsenenbildung an die örtliche Volkshochschule, wo ich Verwaltungsarbeit machte und Kurse für Frauen gab.
Ich war die einzige von uns, die noch in einer Beziehung lebte. Mit dem Vater meiner zehnjährigen Tochter. Doch in immer kürzeren Abständen dachte ich ernsthaft darüber nach, ob ich mich nicht trennen sollte. Ein Mann im Haus war einfach eine Zumutung, die man sich als gestandene Frau nicht antun mußte. Genaugenommen nahm ich nur noch Rücksicht auf meine Tochter.
Vor drei Jahren hatte ich begonnen, Ölbilder zu malen und sogar schon mal ein Bild verkauft. Darauf war ich mächtig stolz.
»Das ist ja nichts Sportliches«, nölte Gisela.
Jetzt hatte ich langsam die Nase voll. »Dann schlag gefälligst selbst was vor«, sagte ich beleidigt und beschloß, ab sofort zu schweigen. Gisela konnte man wohl gar nichts recht machen.
Nun bekam Susanne verträumte Augen. »Soll ich euch mal sagen, was ich in diesem Leben so gerne noch tun möchte?«
Da waren wir aber gespannt.
»Und? Was ist es denn?«
Susanne sagte mit einem sehnsuchtsvollen Seufzer: »Ich habe schon als Kind davon geträumt, reiten zu lernen. Aber mein Vater fand das zu gefährlich. Außerdem war nie genug Geld dafür da. Dann habe ich es vor mir hergeschoben, und jetzt ist es wohl zu spät.«
»Pferde sind ziemlich groß und haben ihre Tücken«, gab ich zu bedenken.
»Soll ich euch auch mal etwas sagen?« fragte Gisela plötzlich wie ausgewechselt. »Kindheitsträume nimmt man nicht mit ins Grab. Ich finde, wir sollten tatsächlich noch reiten lernen. Mir geht es nämlich genauso wie Susanne. Reiten ist eine unerfüllte Sehnsucht, die ich mit mir herumschleppe. Und wir sind genau im richtigen Alter. Reif, besonnen und biologisch 20 Jahre jünger als unsere Mütter in diesem Alter. Außerdem haben wir alle Angst vorm Reiten.« Sie war richtig euphorisch geworden.
»Allerdings!« bestätigten wir leicht irritiert.
»Wo die Angst ist, geht es lang«, erklärte Gisela und sah triumphierend in die Runde.
»Hm.« Mehr fiel mir zu dieser Logik nicht ein.
»Überlegt doch mal. Wollen wir am Ende unseres Lebens Bilanz ziehen und sagen, es gab tausend Sachen, die wir gerne gemacht hätten? Haben wir aber nicht! Was meint ihr, wie unglaublich unzufrieden das macht. Nichts ist häßlicher als ein frustriertes altes Gesicht. Wollt ihr das?«
»Natürlich nicht.«
Susanne sagte jetzt begeistert: »Ich habe neulich im Heimatboten gelesen, daß die Reitanlage Hufeisen ›Hausfrauenreiten mit Moni‹ für Frauen in jedem Alter anbietet.«
»Es gibt doch keine Zufälle«, rief Gisela aus. »Hausfrauenreiten mit Moni! Wenn der Schüler bereit ist, kommt der Lehrer! Da kannst du mal sehen.«
Mir ging das ein bißchen zu schnell. Aber ehe ich mich’s versah, war ich überstimmt. Und widersprechen wollte ich jetzt auch nicht.
»Ich jedenfalls habe in meiner Therapie gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. Meine Intuition sagt mir, wo es langgeht«, schloß Gisela das Thema ab.
»Wir gucken uns das Hausfrauenreiten einmal an«, sagte Susanne. »Und dann sehen wir weiter.«
Irgendwie fühlte ich mich überrumpelt. Ich konnte mir nicht im allerentferntesten vorstellen, was es mir bringen könnte, mich mit viel zu großen und unberechenbaren Tieren zu konfrontieren. Da könnte ich ja gleich in den Serengeti-Nationalpark fahren und mich einem Rudel Löwen vor die Zähne schmeißen. Oder einen Nashornbullen reizen. Blöde Logik! Mußte man in der Menopause ausgerechnet reiten lernen? Gisela und Susanne ignorierten die Tatsache, daß es Dinge gab, für die man mit Ende 40 einfach schon zu alt war.
»Jeder Altersabschnitt hat seine eigenen Entwicklungsaufgaben. Ich weiß nicht, ob Klimakterium und Reiten …«, versuchte ich die zwei noch mal umzustimmen, aber sie fielen mir ins Wort:
»Du bist doch ’ne Powerfrau. Wer Lambada lernen kann, kann auch auf ein Pferd steigen. Powerfrauen kneifen nicht!«
Was sollte ich tun? Für Gisela und Susanne war das Hausfrauenreiten wohl längst beschlossene Sache.
»Was ziehen wir denn an?« überlegten sie.
»Erst mal Jeans und Gummistiefel würde ich sagen.«
Gisela breitete begeistert die Arme aus, als wir aus dem Auto stiegen.
»Ihr seid klasse! Super, daß ihr da seid«, rief sie. »Wenn das der Hubert sähe, der würde sich in die Hose machen.«
Ich hatte meinen gelben Friesennerz an und die Gummistiefel, die ich immer zum Wattwandern anzog. Susanne kam in Bergsteigerstiefeln und weitgeschnittenen Jeans. Nur die perfektionistische Gisela hatte ihren üppigen Po in eine schwarze Reithose gezwängt und schwarze Gummireitstiefel übergezogen.
»Bist ja schon professionell eingekleidet«, sagte ich und dachte: Typisch!
»Klar doch«, strahlte Gisela.
»So enge Stiefel sind nicht gut für die Beindurchblutung«, meinte Susanne pragmatisch.
»Denk an deine Krampfadern.«
»Ich habe Stützstrümpfe drunter«, wischte Gisela Susannes Bedenken vom Tisch.
Wir gingen in einen Raum, über dem »Reitercasino« stand. Dort saß eine junge Frau, die ich auf etwa 30 schätzte. Die war im richtigen Alter.
»Machen Sie auch beim Hausfrauenreiten mit?« fragte sie, und ich hatte das Gefühl, ich würde von Kopf bis Fuß skeptisch gemustert.
»Mal sehen«, erwiderte ich kurz angebunden. Mir schlotterten schon die Knie, und ich spürte einen Kloß im Hals.
»Auf jeden Fall«, antwortete Gisela für uns. Da wurde die Tür aufgerissen, und eine schlanke, drahtige Frau in Reitklamotten kam ins Casino.
»Einen wunderschönen guten Morgen«, sagte sie. »Ich bin die Moni!«
Gott, war die forsch. Mir war schon ganz schlecht.
»Sie wollen alle beim Hausfrauenreiten mitmachen? Wundervoll!« nahm sie unsere Antwort vorweg.
Ich brachte geistesgegenwärtig mit gepreßter Stimme hervor: »Wir können aber nicht reiten. Und sportlich sind wir auch nicht. Also, ich hab noch nie in meinem Leben auf einem Pferd gesessen.«
»Alles kein Problem«, behauptete Moni. »Unsere Schulpferde sind lammfromm und erfahren mit Anfängern. Heute lasse ich einmal für Sie satteln, beim nächsten Mal lernen wir das dann gemeinsam.« Sie riß wieder die Tür auf und rief zu den Stallungen hinüber: »Theo, bitte vier Pferde fertig machen. Den Garfield, den Franz-Josef, Shotgun-Sally und Old Shatterhand. Und alle ausbinden!«
Ich bemerkte, daß sich meine sämtlichen Muskeln vor Angst verkrampften. Ich atmete schon ganz flach. Entsetzlich. Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Mußte man sich so was mit 48 noch antun? »Neeiiin!« hätte ich am liebsten geschrien.
Als das erste Pferd in die Reithalle geführt wurde, übermannte mich eine fast unüberwindbare Fluchtbereitschaft.
»Wer nimmt den Garfield?« fragte Moni ungerührt, obwohl sie die Panik in meinen Augen flackern sah, und ging auf mich zu. Garfield war schwarz wie der Teufel, und er guckte auch so. Ich machte eine abwehrende Handbewegung und schüttelte heftig den Kopf, damit Moni jemand anderen drannahm.
Da rief die bestußte Gisela schon: »Was für ein schönes Tier. Ich nehme ihn.«
»Okay«, sagte Moni. »Dann kommen Sie mal auf diese Seite.« Sie schätzte Giselas Beinlänge und stellte die Steigbügel ein. »So, nun mit dem linken Fuß hier hineintreten und rauf mit Ihnen.« Sie hievte Gisela mit einem kräftigen Schubs nach oben. Gisela plumpste in den Sattel. Schon hagelte es Kritik: »Niemals dem Pferd in den Rücken fallen. Sie müssen sich in den Sattel gleiten lassen.«
Garfield guckte irgendwie giftig. Da kam schon Franz-Josef hereingetrottet. Ein Riese! Der war ja mindestens zwei Meter groß. »Der ist für Sie«, sagte Moni und sah mich an.
Ich piepste ängstlich: »Haben Sie nichts Kleineres?«, doch da stand das rotbraune Ungeheuer schon neben mir und prustete mir seinen Schnodder vor den Anorak. Ich machte einen Satz zur Seite.
»Nur keine Angst«, beruhigte mich Moni. »Franz-Josef ist die Gutmütigkeit selbst.«
Das Ungeheuer von Loch Ness wäre mir in diesem Moment willkommener gewesen. Ehe ich mich’s versah, hatte Moni mich auf das Viech hinaufgeschoben, und ich konnte Susanne jetzt auf den Scheitel blicken. Ich stellte mich erst mal tot und dachte, dann vergißt Franz-Josef vielleicht, daß jemand auf ihm sitzt. Ich wollte vermeiden, durch unbewußte Signale meinerseits womöglich eine explosive Reaktion bei dem Pferd auszulösen, die man dann nicht mehr unter Kontrolle hatte. Vollkommen verkrampft krallte ich mich mit beiden Händen am Sattel fest. Gott sei Dank stand Franz-Josef regungslos herum.
Bald waren Susanne auf Shotgun-Sally und die junge Frau auf Old Shatterhand untergebracht.
»Sie können sich den Pferden ganz anvertrauen«, behauptete Moni. »Die sind es gewöhnt, in der Abteilung zu gehen, und reagieren auf meine Kommandos. Garfield geht vorneweg, das heißt, er bildet die Tête.«
Garfield setzte sich tatsächlich in Bewegung. Gisela juchzte vor Freude: »Er geht!«
In diesem Moment hätte ich mein Sparbuch gegeben, wenn mich jemand von Franz-Josef gezogen hätte. Doch Franz-Josef zockelte hinter Garfield her. Zittrig machte ich autogenes Training und Atemübungen. Ich redete mir im Geiste gut zu und dachte mir positive Affirmationen aus. »Das Pferd ist liebevoll und mir wohlgesonnen!« Die Bachblütennotfalltropfen wären in meinem Zustand auch gut gewesen. Aber woher sollte ich die jetzt nehmen?
»Nun wollen wir mal sehen, daß wir alle Pferde auf den Hufschlag bekommen«, ordnete Moni an. Damit waren wir dann den Rest der Stunde beschäftigt. Der mir anvertraute Franz-Josef ging immer wenige Schritte, um schließlich stehenzubleiben und zu warten, bis Garfield weit genug fort war. Sobald Old Shatterhand hinter ihm zum Überholvorgang ansetzte, beeilte Franz-Josef sich, die Lücke zu Garfield zu schließen. Mir war gleich klar, daß er ein gemeingefährliches Spiel mit mir trieb.
»Nehmen Sie mal die Zügel auf«, rief Moni, »und treiben Sie ihn gleichmäßig.«
Was auch immer sie wollte, vorsichtshalber stellte ich mich dümmer, als ich war. Wußte man, was in diesem Pferd vor sich ging? Dabei hoffte ich inbrünstig, daß Moni jeden Moment sagen würde: »Also, Sie da auf Franz-Josef, Sie sollten wirklich nicht mehr reiten lernen. Sie sind entschieden zu alt.« Ich wäre bestimmt nicht beleidigt gewesen.
Statt dessen rief sie nach einer Stunde Tohuwabohu in der Reitbahn: »Das war doch wunderbar, meine Damen. Sie sehen, man kann in jedem Alter anfangen zu reiten. Ich hoffe, Sie sind nächste Woche wieder dabei.«
»Aber 100prozentig«, rief Gisela überdreht, und Susanne nickte selig. Ich dachte, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die zwei sind völlig durchgeknallt.
Ich sah ja ein, daß man in unserem Alter langsam sportlich aktiv werden sollte. Aber ein Fitneßstudio oder eine Tanzschule bargen doch wesentlich weniger Gefahren.
Es ist oft die Rede von den starken Frauen in der Lebensmitte. Man könnte den Eindruck bekommen, je älter Frauen werden, um so stärker werden sie. In gewisser Weise ist das richtig. Obwohl die körperlichen Kräfte nachlassen, wir physisch abbauen, was um 50 schon deutlich zu spüren ist, gewinnen wir Power.
Wir können zwar nicht mehr gegen unsere physische Konstitution arbeiten. Das heißt, wir tanzen nicht mehr ungestraft Nächte durch, trinken nicht ohne Folgen einen über den Durst oder riskieren einen Burn-out durch einen lückenlos vollen Terminkalender. Trotzdem fühlen sich viele Frauen kraftvoll wie nie.
Die Ursache ist, daß wir in der Lebensmitte Ballast abgeworfen haben. Wir haben uns von überflüssigen Belastungen befreit. In dieser Phase sind wir, sofern wir uns den Aufgaben der Lebensmitte stellen, in Kontakt mit unserer ganz persönlichen Lebensenergie. Wir kennen unsere Stärken und setzen sie bewußt ein. Wir haben unsere Schwächen akzeptiert und versuchen nicht, sie zu leugnen. Entsprechend ist unsere Ausstrahlung. Powerfrauen in der Lebensmitte wirken authentisch, zufrieden, natürlich, ausgeglichen, offen, neugierig, positiv und vital. Nicht angestrengt, angespannt, verkniffen, ängstlich oder hart. Wir versuchen nicht mehr, uns in ein Bild, eine Schablone zu pressen, von der wir glauben, das sollten wir sein.
In jungen Jahren wollen wir über eine hohe berufliche Position, durch Leistung, für die wir uns abstrampeln, Anerkennung erlangen. Doch wer als Karrierefrau dafür in Kauf nimmt, ständig angespannt und in Aktion zu sein, ohne die Gewißheit zu haben, ich mache mein Ding und fühle mich stimmig, zahlt den Preis, daß Körper und Seele leiden. Gerade das ist für 50jährige nicht angesagt. In diesem Alter treibt man keinen Raubbau mehr mit dem eigenen Körper. Wir erreichen unsere Ziele ohne einen solchen Kraftaufwand, weil wir uns mit dem, was wir tun, lebendig und authentisch fühlen, Freude daran empfinden. Fehlt die Freude, der natürliche innere Antrieb, können wir sicher sein, daß wir uns nicht um unsere Sache kümmern. Wir vergewaltigen uns.
Das Gegenteil von der stimmigen starken Frau wäre die Superfrau, die versucht, auf allen Hochzeiten zu tanzen, noch nicht entscheiden gelernt hat, paßt zu mir, was ich tue? Sie richtet sich noch stark und fremdbestimmt nach Erwartungen von außen. Sie bemüht sich darum, daß alle sie gut finden, keiner etwas zu kritisieren hat. Ein weiteres wichtiges Merkmal dafür, daß eine Frau mit sich im reinen ist, ist, daß sie sich abgrenzen kann. Daß sie nicht mehr ängstlich drauf sieht, mache ich es auch allen recht? Ecke ich auch nicht an? Tue ich etwas, weswegen andere mich vielleicht nicht mehr so gut finden? Frauen mit Persönlichkeit ist das egal. Wenn sie »nein« fühlen, sagen sie es auch. Und eine gereifte Frau benötigt auch kein angestrengtes Nein mehr, sondern ein freundlich-bestimmtes.
Jede Frau kann lernen, ihre Lebensenergie positiv zu nutzen und zu kanalisieren, sie für das einzusetzen, was ihr sinnvoll erscheint und sie befriedigt. Voraussetzung: Man muß sich Zeit für sich selbst lassen, um sich und seinen Körper zu fühlen und mit seinen Gedanken in Kontakt zu kommen.
Eine wahrhaft starke Frau weiß, es ist in Ordnung, Schwächen zu haben. Sie schafft sich bewußt regelmäßig Situationen, in denen sie weich sein kann. Eine Frau, die immer nur stark sein und wirken will, lebt einen wichtigen Teil von sich nicht. Sie erlebt bestimmte Dinge überhaupt nicht. Es ist nicht leicht, das zu erkennen. Unsere Leistungsgesellschaft fördert die Bilder von permanenter Stärke. Jung, fit, immer aktiv sein, alles im Griff haben und nie einknicken sind Eigenschaften, die überbewertet werden. Doch wer nach außen alles perfekt erledigt, wird wahrscheinlich ein katastrophales Innenleben haben. Wer immer gut funktioniert, muß ständig seine eigenen Bedürfnisse übergehen und verdrängen.
Spätestens in der Lebensmitte sollten wir erkannt haben, daß es nicht mehr darum geht, uns weitgehend von außen bestimmen zu lassen. Wir sollten nicht mehr um des lieben Friedens willen für uns faule Kompromisse eingehen. Wer sich oft unzufrieden und genervt fühlt, statt Freude über sein Leben zu empfinden, sollte einmal nach innen schauen. Wir sollten unsere kleinen und erst recht unsere großen Unzufriedenheiten ernst nehmen und uns von ihnen leiten lassen.
Unzufriedene Frauen werden oft an den Pranger gestellt. Doch Unzufriedenheit ist nur dann negativ, wenn wir ihr als Opfer begegnen. Wir können Unzufriedenheit aber auch als Motor für weitere Entwicklung sehen. Wir können fragen, was will meine ständige Unzufriedenheit, mein dauerndes Nörgelnwollen mir sagen? Was sollte ich ändern? Was sollte ich loslassen? Unzufriedenheit entsteht da, wo Freude und Begeisterung fehlen. Wenn wir nicht tun, was unseren inneren Bedürfnissen entspricht, wenn außen und innen nicht zueinander passen.
Der Draht zu unserer inneren Stimme ist wichtig. Wer Kontakt zu seiner Intuition hat, hat einen wichtigen Kompaß, einen guten Wegweiser in sich. Um mit seinen individuellen Bedürfnissen in Kontakt zu kommen, ist es nötig, unterscheiden zu lernen: Was will ich, was brauche ich? Diese Art der Fragestellung gibt Auskunft über meine echten Bedürfnisse. Wir können lernen, in unsere Entscheidungen »ich will« und »ich brauche« mit einzubeziehen. So können wir unserer inneren Stimme, die vielleicht noch sehr leise ist, mehr Bedeutung und Raum geben.
Wer das weiß, versteht, daß Frauen in der Lebensmitte für ihre Ausstrahlung bewundert werden. Nicht mehr so sehr dafür, was sie im Leben erreicht haben, sondern dafür, wie sie sind und wie sie sich geben. Eine authentische Person darf ruhig ein paar Falten haben. Sie wird einer Frau, die vielleicht durch Kosmetik und Schönheitschirurgie noch makellos schön erscheint, aber tief unzufrieden ist, immer überlegen sein.
Spätestens mit 50 sieht man Frauen an, daß sie älter werden. Kommen heutige Frauen damit besser zurecht als frühere Generationen?
Einerseits wird um 50 die körperliche Veränderung immer deutlicher, andererseits findet eine emotionale und intellektuelle Veränderung statt. Werte verändern sich, Freundschaften bekommen eine anderes Gewicht, und Ziele in der Lebensplanung und im Beruf werden anders definiert. Natürlich ist die Reaktion der Frauen auf diese Veränderungen nicht immer gleich und positiv. Manche Frauen gehen mit einer körperlichen Veränderung sehr souverän um, andere haben große Schwierigkeiten damit, sie zu akzeptieren. Gut gerüstet für diesen Lebensabschnitt sind diejenigen, die sich ein materiell unabhängiges und selbständiges Leben aufgebaut haben und in einen zuverlässigen Freundeskreis gebettet sind. Die, die mit sich und mit ihrer Zeit etwas anfangen können, die Interessen und Hobbys pflegen.
Welchen Stellenwert bekommt der Beruf?
Heute ist es sinnvoll, den Kontakt zum Beruf zu halten. Berufliche Aktivität wirkt sich in diesem Alter sehr positiv aus. Die Frauen, die beruflich engagiert sind, kommen mit der Lebensmitte besser zurecht. Einem Beruf nachzugehen bedeutet letztlich auch Gestaltung des eigenen Lebens. Frauen werden dadurch materiell unabhängig und haben eine bedeutendere Rolle als die vergangene Generation, die sich in diesem Alter als Hausfrau und Mutter überflüssig fühlte.
Immer weniger Frauen sind mit der Vollzeit-Mutterrolle zufrieden, und sie tun gut daran, wenn es auf die Lebensmitte zugeht.
Nur treusorgende Mutter zu sein reicht nicht mehr. Die jetzige Frauengeneration hat sich selbstbewußt verändert. Früher fielen viele Frauen in ein depressives Nichts, wenn die Kinder flügge waren und aus dem Haus gingen. Auch heute spüren die Frauen, die weder durch Freundschaften noch durch eigene Interessen oder den Beruf unabhängig geworden sind, eine unendliche Leere. Das berühmte Empty-Nest-Syndrom kann auftreten. Doch längst nicht in der Häufung wie früher. Es wird deutlich, daß fehlende Entwicklungspotentiale, die das Gebrauchtwerden ersetzen, über die Zeit verdrängt wurden. Es kann eine Kluft zu Gleichaltrigen entstehen. Doch Frauen werden ja nicht von heute auf morgen älter. Sie haben dann über etliche Jahre nicht richtig hingeschaut, ihre Bedürfnisse nicht gesehen, nicht vorgesorgt. Sie haben verdrängt und verleugnet, daß die Kinder 15, 16 oder 17 sind und in zwei, drei Jahren das Haus verlassen.
Die wenigsten bereiten sich auf diese vorhersehbare Krise vor.
Nicht unbedingt. Die Wachheit für diesen Prozeß hat in den letzten Jahren durchaus zugenommen. Aber daß Frauen sich auf diesen Moment vorbereiten könnten, heißt nicht, daß sie es auch tun. Dabei ist es wichtig, rechtzeitig auf die immer größer werdende Selbständigkeit der Kinder zu reagieren und sein Leben umzugestalten, sich unabhängig zu machen und neue Lebensinhalte zu finden, entstandene Freiräume für sich zu nutzen. Verschließen Frauen in dieser Phase die Augen, laufen sie Gefahr, in eine Lebenskrise mit ernsthaften depressiven Verstimmungen zu geraten.
Nicht alle wollen in ihren alten Beruf zurück. Selbst mit 50 haben sie noch genug Schwung für etwas Neues.
Es gibt in diesem Alter durchaus Frauen, die sagen, ich möchte gar nicht in den Beruf zurück, den ich einmal hatte. Ich fange noch mal ganz von vorne an. Die neuen 50jährigen sind häufig von großer persönlicher und auch beruflicher Souveränität. Sie haben etwas erreicht im Leben, haben in vielen Bereichen Erfahrungen gesammelt. Sie sind selbständig und können mit ihrer Selbständigkeit umgehen. Es gibt immer mehr Frauen um 50, die mit ihrer Erfahrung noch mal etwas Neues aufbauen. Die sagen, mit meinem Wissen und Können scheide ich aus dem beruflichen Apparat, in dem ich stecke, aus und mache mein eigenes Ding. Vielen Frauen in diesem Alter gelingt aufgrund ihrer Erfahrung der Sprung in die Selbständigkeit. Sie nutzen ihre Stärke, ihr Know-how und ihr Basiswissen.
Es gibt aber auch Frauen, die schalten einen Gang zurück.
Das können Frauen sein, die innerhalb ihrer Firma etabliert sind, dort ihre Position erreicht haben und auf der Karriereleiter nicht mehr viel höher steigen wollen, weil der Weg bis zur Rente nicht mehr so lang ist. Das Ende der Berufstätigkeit kommt langsam in Sicht. Du wirst nicht mehr so getrieben. Ruhe, Zufriedenheit und eine gewisse Gelassenheit helfen, den Arbeitsdruck zu reduzieren. Diese Frauen müssen sich nichts mehr beweisen. Ich finde das eine schöne Vorstellung für dieses Lebensalter.
Mit 50 können Frauen auch noch mal ein Risiko eingehen.
Ja, auch das geschieht. Viele Frauen tragen keine Verantwortung mehr für andere und genießen diesen Zustand, haben Lust zu experimentieren. Die Kinder verdienen Geld, Schulden sind abbezahlt. Die einzigen, für die sie ein Risiko tragen, sind sie selbst. Und wenn sie bereit sind, Konsumansprüche zurückzuschrauben auf ein Minimum – was viele Frauen in dem Alter als Selbsterfahrung begreifen und äußerst spannend finden, sie haben sich freigemacht vom übermäßigen Konsum –, können sie etwas Neues beginnen und auch die Risiken verkraften und die Konsequenzen tragen. Beispielsweise aus dem Management eines Unternehmens ausscheiden, um ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Langersehnte Wünsche können in Erfüllung gehen.
Freiheit ist ein wichtiges Wort für moderne 50jährige.
Richtig. Für Frauen, die finanziell unabhängig sind, bekommen Freiheit, Freizeit- und Lebensplanung einen anderen Stellenwert. Freizeit ist anders lebbar. Freier.
Tun, was man selbst für richtig hält, ist angesagt. Mit 50 sind wir oft wieder ungebunden. Unser Leben bekommt einen neuen Sinn, und wir können uns deshalb ganz anders arrangieren. Wir unterliegen in diesem Alter nicht mehr so vielen Sachzwängen.
Die erste Lebenshälfte besteht ja fast nur aus Sachzwängen.
Ja, jüngere Frauen unterliegen ganz anderen Sachzwängen als ältere. Sie gründen eine Familie und/oder müssen eine Ausbildung absolvieren. Wißbegierde, Studium, Weiterbildung, etwas schaffen und Aufbau sind Stichworte, die diese Zeit kennzeichnen. Ältere dagegen zeichnen sich durch Erfahrung und Wissen aus. Ältere Frauen haben genug erlebt in jungen Jahren, wissen sehr viel. Gesellschaftliche Zwänge, Karrieredenken werden durch Werte wie Lebensqualität, Genuß, Entdecken neuer Lebensziele ersetzt.
In der Mitte des Lebens kommen noch mal neue Erfahrungsbereiche hinzu. Wir werden mit Pflegebedürftigkeit, Krankheit und Tod konfrontiert.
Wir sind, was das angeht, nun die ältere Generation. Oft ist keine Generation mehr vor uns, oder die alten Eltern sind, wenn sie noch leben, schon hinfällig. Viele werden oder sind in diesem Alter Oma. Das alles prägt unser Denken, unser Handeln und die Auswahl dessen, was wir tun. Die Zeit rast. Wir lernen, Situationen bewußter anzugehen, wählen aus, weil wir ein Gefühl dafür bekommen haben, daß wir endlich sind.
Wir müssen auch sorgfältig planen.
Ja. In dieser Phase ist einfach deutlich, das Leben ist nicht unendlich. Irgendwann neigt sich auch unser Leben dem Ende zu. Nehmen wir die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen, die bei 80 Jahren liegt, so haben wir mit 50 die Mitte bereits überschritten. Wir haben die Gewißheit, daß es irgendwann vorbei ist. Darüber macht sich in jungen Jahren niemand Gedanken. Alle scheinen unendlich viel Zeit zu haben. Plötzlich kommen die Wechseljahre der Frauen, Männer werden glatzköpfig. Der Zeitfaktor nimmt eine andere Dimension an. Wir haben den größten Teil unseres Lebens hinter uns gebracht. Den meisten wird bewußt, daß sie sorgsam mit dem Rest ihres Lebens umgehen sollten. Sie planen deshalb viel differenzierter.
Was gehört dazu?
Dazu gehört beispielsweise, den Freundes- und Bekanntenkreis zu durchforsten. Kontakte, die einen immer schon belastet, genervt, einseitig gefordert haben, einschlafen zu lassen. Andere Werte werden wichtig. Verläßlichkeit beispielsweise. Gleichgeschlechtliche Freundschaften bekommen einen höheren Stellenwert. Die Ehe verändert sich oder wird/ist gelöst.
Was passiert mit Partnerschaften in der Lebensmitte?
Fassaden und Kulissen werden eingerissen. Man sieht über den schönen Schein hinaus. Gerade die 50jährigen haben den Mut, hinter die Fassaden zu schauen und zu entscheiden, ob es eine Beziehung ist, die sie noch wollen. Das bedeutet nicht unbedingt Trennung. Oft wird deutlich, daß noch etwas sehr Verbindendes existiert. Es lohnt sich, den Alltagsmüll einzupacken, umzustürzen und zu gucken, was können wir damit neu machen? Zu sehen, was daraus neu entstehen kann, eine neue Basis zu schaffen. Es geht darum, dem gemeinsamen Leben, der Beziehung eine neue Wertigkeit zu geben, das Leben noch mal neu zu ordnen. Das, was vielleicht schon so lange überfällig geworden ist, endlich anzupacken. Natürlich gibt es auch Paare, die auseinandergehen.
Es geht um das Echte und Beständige.
Genau. Blendwerk haben Frauen in diesem Alter genügend gesehen und erfahren. Wir fliegen weniger auf blendendes Aussehen als auf eine sympathische angenehme Ausstrahlung. Es geht von außen nach innen, weg von der eigenen Ichbezogenheit, hin zu Mitgefühl und Verständnis. Auch wenn es sich komisch anhört, wir werden langsam weise. Unsere Erfahrungen bringen eine Lebensweisheit mit sich, die man in jungen Jahren nicht haben kann. Fehlentscheidungen eingesehen zu haben, Lebenskrisen gemeistert zu haben, das stärkt und macht den Blick frei für beständige Eigenschaften wie Wärme, Liebe, Güte und Verständnis.
Das Wort »Kampf« zieht sich durch das Leben der jetzt 50jährigen. Sie haben die 68er Revolte mitgetragen, die Frauenbewegung ins Leben gerufen, haben immer alles kritisch hinterfragt.
Richtig. Im Gegensatz zu unseren Müttern, die still eingesteckt und gelitten haben, haben die heute 50jährigen für und gegen alle möglichen gesellschaftlichen Mißstände in vielen Lebensbereichen gekämpft. Doch auch das Wort »kämpfen« bekommt einen neuen Stellenwert. Eine 50jährige muß nicht mehr um alles kämpfen. Sie ist gelassener und erkennt schneller, ob es sich um sinnlose Kämpfe handelt. An die Stelle von Kampf tritt nun Verständnis, Einsicht, Akzeptanz, Toleranz, den anderen sehen und lassen, wie er ist. Dadurch kommt mehr Ruhe und Gelassenheit ins Leben. Langsam geht es darum, mit dem, was erreicht oder auch nicht erreicht wurde, Frieden zu schließen. Zufrieden sagen zu können, es ist in Ordnung so, wie es ist.
Wir haben außerdem die Sicherheit gewonnen, daß wir kämpfen können, wenn es sein muß.
Aber wir müssen es nicht mehr so vehement tun wie in jüngeren Jahren, weil wir eine Erfahrungspalette der Kampfarten haben. Wir haben gelernt, etwas sachlich und emotional weniger aufgeladen mitzuteilen, ruhiger. Die Durchsetzungsmöglichkeiten haben sich verändert. Man muß sich nicht mehr so heftig melden. Um gehört zu werden, ist nicht immer ein heftiges Auftreten notwendig. Lebenserfahrung lehrt, daß Ziele mit sachlichem Verständnis, Logik, Humor und natürlicher Autorität erreicht werden können. Da erübrigt sich oft der Kampf.
Was ist Lebenserfahrung?
Etwas, das der jüngere Mensch noch nicht haben kann. Er wird noch geprägt durch wachsende Kenntnisse, seine Erlebnisse, seinen Umgang und seine Erfahrungen gerade auch mit negativen Situationen. Er muß den Kampf noch ausprobieren, um schließlich zu der Einsicht zu kommen, daß vieles nicht so erkämpfenswert ist, wie es scheint. Er lernt im Laufe der Jahre, Menschen, Beziehungen und Situationen besser einzuschätzen. Was hat die Person, um die es geht, oder die Sache für einen Stellenwert? Lohnt sich der Kampf oder lohnt er sich nicht? Der ältere Mensch geht rationaler mit seiner Kraft, seiner Energie um. Er hält besser haus mit seinen Kräften. Erstens weil sie nicht mehr so ausreichend vorhanden sind wie in früheren Jahren. Und zweitens lehrt die Erfahrung, daß nicht alles mit Anstrengung durchzusetzen ist. Weniger ist oft mehr. Nicht nur schonender, sondern auch effektiver.
Was heißt das in bezug auf Männer?
Viele Frauen suchen in diesem Alter nicht mehr den »Mann fürs Leben«, sondern den Freund. Die Blickweise richtet sich mehr nach den Bedürfnissen. Vielleicht ist es nun die Partnerschaft, in der sich beide am Wochenende treffen, in der man etwas miteinander unternimmt und seine Sexualität auslebt. In diesem Alter muß eine neue Partnerschaft auch nicht bedeuten, daß man unbedingt zusammenzieht. Bei einer bestehenden Partnerschaft können sich ebenfalls die Inhalte ändern. Beide Partner lernen das Leben (ohne Kinder) neu zu genießen, nähern sich erneut an.
Werden Frauen von Männern unabhängiger?
Das wird von den Frauen in diesem Alter sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige haben Angst vor dem Alleinsein. Andere sind sehr auf den (langjährigen) Partner fixiert. Wieder andere lösen eine alte Partnerschaft auf oder riskieren einen Neuanfang. Frauen, die einen Neubeginn wagen, sollten dabei auf ihre Bedürfnisse achten, die sich mit dem Älterwerden auch verändern. Dabei helfen Fragen wie: Wünsche ich mir einen extrovertierten Mann oder brauche ich einen ruhigen Gesprächspartner? Will ich reisen oder Häuslichkeit genießen? Suche ich den charmanten Plauderer und Partylöwen? Weil ich mich bis jetzt immer zurückgehalten habe und nun laufend Leute um mich haben und feiern will? Oder ist es eher der ruhigere Mann, mit dem ich ab und zu ausgehen will? Brauche ich einen Bücherwurm, der sich mit mir über Literatur unterhält? Diese Fragen kann sich jede Frau nur selbst beantworten, und sie sollte sich die Zeit dafür nehmen.
Viele Frauen fliegen auf einen Mann, den sie früher übersehen hätten.
Es stehen die Fragen an, was möchte ich jetzt? Was tut mir gut? Welche Bedürfnisse kann ich allein befriedigen, und was möchte ich mit einem Mann teilen? Einerseits bin ich unabhängig, aber dafür schätze ich bestimmte andere Eigenschaften wie Verantwortung übernehmen, einen ehrlichen Charakter haben, kommunikativ sein. Vielleicht brauche ich jetzt einen Mann, der sich Konflikten stellt, der nicht gleich wegläuft, wenn etwas ansteht. Vor diesem Hintergrund werden oft ganz neue Männertypen interessant. Frauen lernen durch eigene Entwicklung und Erfahrung oft Werte schätzen, die sie früher verworfen hätten.
Gerade in diesem Alter sagen Frauen aber häufig: »Männer sind Schrott.«
Solche Abwertung entsteht durch zahlreiche Frustrationen und Enttäuschungen. Frauen haben durch Erlebtes das Vertrauen in Männer verloren. Bei solchen Aussagen empfiehlt es sich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diesen Frauen sage ich, sie müssen dringend an sich selbst arbeiten und sehen, was bei ihnen los ist. Die Frauen, die sich ständig mit Wenn und Aber quälen, die haben noch nicht richtig herausbekommen, welche Bedürfnisse sie wirklich haben. Ungelöste Probleme mit Männern verhindern auch Glücklichsein und lassen oft Verbitterung zurück. Wenn man ehrlich ist und sich selbst so kritisch anschaut wie die Männer, kann man sagen: Auch ich habe viele Schwachpunkte in meiner Persönlichkeit. Mit Ehrlichkeit sich selbst gegenüber kann man auch Männer realistisch sehen. Wer meint, ich bin eine tolle emanzipierte Frau, mir kann keiner das Wasser reichen, hat einfach kein realistisches Selbstbild. Es empfiehlt sich also, auch einmal selbstkritisch in den Spiegel zu schauen.
Machen Frauen um 50 noch Therapie?