Pränatale Diagnostik -  - E-Book

Pränatale Diagnostik E-Book

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Beschreibung

Der Band stellt dar, wie verschiedene Berufsgruppen im Kontext von Pränataldiagnostik Paare beraten, deren Kind pränataldiagnostisch Auffälligkeiten aufweist: Ärzteschaft, psychosoziale Beraterinnen und Mitarbeiter der Behinderten- und Selbsthilfe. Im Zentrum stehen die jeweiligen Beratungsverständnisse und -inhalte sowie die Möglichkeiten der Zusammenarbeit bis hin zu Erfahrungen beim Aufbau eines interprofessionellen PND-Netzwerkes.

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Marit Cremer, Christa Wewetzer (Hg.)

Pränatale Diagnostik

Beratungspraxis aus medizinischer, psychosozialerund ethischer Sicht

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Der Band stellt dar, wie verschiedene Berufsgruppen im Kontext von Pränataldiagnostik Paare beraten, deren Kind pränataldiagnostisch Auffälligkeiten aufweist: Ärzteschaft, psychosoziale Beraterinnen und Mitarbeiter der Behinderten- und Selbsthilfe. Im Zentrum stehen die jeweiligen Beratungsverständnisse und -inhalte sowie die Möglichkeiten der Zusammenarbeit bis hin zu Erfahrungen beim Aufbau eines interprofessionellen PND-Netzwerkes.

Vita

Marit Cremer, Dr. phil., war von 2011 bis 2014 Projektleiterin des Modellprojekts »Interprofessionelle Kooperation bei Pränataldiagnostik« im Fachverband Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL e.V.). Seit 2015 ist sie Geschäftsführerin von MEMORIAL Deutschland e.V., Berlin.

Christa Wewetzer, Dipl. Biol., Dr. P.H., war bis 2013 wissenschaftliche Referentin am Zentrum für Gesundheitsethik der Evangelischen Akademie Loccum, Hannover.

Inhalt

Vorwort

1.Marit Cremer: 1. Berufsübergreifende Kooperationen bei Pränataldiagnostik: (Unerwartete) Ergebnisse eines Modellprojekts

1.1Projektdesign

1.1.1Auftrag und Ziele

Ausgangslage

1.1.2Erwartungen

1.2Methodik

1.2.1Auswahl des Modellstandorts

1.2.2Information und Akquirierung

1.2.3Experteninterviews

1.2.4Regionales PND-Netzwerk

1.2.5Arbeitsgruppe Leitlinien und Beratungskonzeptionen

1.2.6Projektbeirat

1.2.7Projektdurchführung

1.3Forschungsergebnisse

1.3.1Kompetenzen und Rahmenbedingungen bei der Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik

1.3.2Pränataldiagnostiker/Gynäkologen

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.3Psychosoziale Beratungsstellen

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.4Behindertenhilfe, Frühförderung und Selbsthilfe

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.5Humangenetik

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.6Hebammen

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.7Klinikseelsorge

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.3.8Neonatologie/Pädiatrie

Motivation

Berufs- und Beratungsverständnis

Haltung zur Pränataldiagnostik

1.4Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik

1.4.1Allgemeine Grundsätze der professionellen Beratung

1.4.2Beratung von Ärzten

1.4.3Psychosoziale Beratung in Beratungsstellen

1.4.4Beratung von Frühförderung, Behindertenhilfe und Selbsthilfe

1.4.5Beratung durch Hebammen

1.4.6Beratung der Seelsorge

1.4.7Überschneidungen bei der Beratung

1.5Erwartungen an die anderen Akteure im Bereich Pränataldiagnostik

1.5.1Ärzteschaft

1.5.2Psychosoziale Beratung

1.5.3Behindertenhilfe

1.5.4Hebammen

1.5.5Seelsorge

1.6Kooperationen

Verständnis von Kooperationen

Ziel der Kooperation

Nutzen der Kooperation

Motivation zur Kooperation

1.6.1Kooperationen der Ärzteschaft

1.6.2Kooperationen der Beratungsstellen

1.6.3Kooperationen von Behindertenhilfe, Frühförderung und Selbsthilfe

1.6.4Kooperationen der Humangenetik

1.6.5Kooperationen der Hebammen

1.6.6Kooperationen der Seelsorge

1.6.7Kooperationen der Pädiatrie/Neonatologie

1.7Das interprofessionelle Netzwerk vorgeburtliche Diagnostik OWL

1.7.1Ergebnisse der Netzwerkarbeit

Wissensgenerierung

Professionalisierung

Kooperationen

Öffentlichkeitsarbeit

1.8Fazit

Ausblick

Literatur

2.Andreas Luttkus: 2. Anspruch an Pränataldiagnostik in einem klinischen Setting: Erfahrungen aus Ostwestfalen

2.1Arbeitsweise und Ziele der Pränataldiagnostik

2.1.1Erwartungen – »Hauptsache gesund«

2.1.2Die Mutterschaftsrichtlinien als Richtschnur der Pränataldiagnostik

2.1.3Zusätzlich angebotene Leistungen der Pränataldiagnostik

2.2Pränataldiagnostik im Perinatalzentrum Detmold: Erfahrungen aus den Jahren 2011 bis 2014

2.2.1Das Betreuungskonzept »Glücklose Schwangerschaft« im Perinatalzentrum Detmold

Diagnosesicherung

2.2.2Prästationäres Procedere bei »Glückloser Schwangerschaft«

2.2.3Die stationäre Betreuung bei »Glückloser Schwangerschaft«

2.3Fazit

Literatur

3.Susanne Friese: 3. Die nicht-invasiven Pränataltests unterwegs in der globalisierten Pränataldiagnostik: Ein herausforderndes Beispiel aus der Praxis

3.1Fallbeispiel

3.2Rahmenbedingungen medizinischer Aufklärung und Beratung: Rechtliche Pflichten, Patientinnen-Autonomie

3.3NIPT in der Praxis

3.4Herausforderungen für die ärztliche Beratung

3.4.1Vermittlung von »Risiko«

3.4.2Umgehung der Medizinischen Indikation

3.4.3Ausweitung des Angebots

3.4.4Direct-to-consumer-Angebote

3.5Fazit

Literatur

4.Rolf-Peter Möritz: 4. Beratung aus der Sicht des Kindes: Die Kinderchirurgie im interprofessionellen Netzwerk der Pränataldiagnostik

4.1Entwicklungen in der Neugeborenenmedizin

4.2Die Kinderchirurgie im Perinatalzentrum

Kooperation im Mutter-Kind-Zentrum

4.3Pränataldiagnostik und ihre Konsequenzen

4.4Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik

4.5Ein Netzwerk »in progress«: Netzwerk vorgeburtliche Diagnostik OWL

Aufbau eines PND-Netzwerkes

Literatur

5.Ingrid Moczarski: 5. Psychosoziale Beratung in der Beratungsstelle: Beispiele aus Ostwestfalen-Lippe

5.1Gesetzliche Grundlage

5.2Psychosoziale Beratung bei Pränataldiagnostik

5.2.1Organisation und Struktur

5.2.2Ergebnisoffenheit

5.2.3Psychosoziale Beratung vor Pränataldiagnostik

5.2.4Beratung während Pränataldiagnostik

Inhalte der Beratung

Psychosoziale Beratung während Pränataldiagnostik – Ein Fallbeispiel

5.2.5Psychosoziale Beratung nach Pränataldiagnostik

Psychosoziale Beratung bei infauster Prognose

5.2.6Psychosoziale Beratung während und nach Pränataldiagnostik bei infauster Prognose – Ein Fallbeispiel

5.3Kooperation: Von Vorteil für alle Beteiligten

5.3.1Voraussetzungen und Strukturen

5.3.2Grenzen der Kooperation

5.4Fazit

Literatur

6.Sabine Hufendiek: 6. Kompetenzprofil von Beraterinnen im Kontext der psychosozialen Beratung bei Pränataler Diagnostik

6.1Entwicklung von Beratungskriterien

6.2Strukturen der Ausbildung am EZI

6.3Berufliche Voraussetzungen der Beraterinnen

6.4Die Komplexität von Beratung: Ein Fallbeispiel

6.5Anforderungen an Beraterinnen

6.6Interprofessionelle Vernetzung als Herausforderung und Mehrwert

6.7Konsequenzen aus der Fortbildung für die Teilnehmenden

6.8Entwicklungen und Kritik

6.9Fazit

Literatur

7.Christa Wewetzer: 7. Medizinethische Probleme durch Pränataldiagnostik: Beratung als Ausweg aus dem ethischen Dilemma?

7.1Ambivalenz diagnostischer Möglichkeiten

7.2Intentionen der Pränataldiagnostik

7.3Methodenbedingte Probleme der nicht-invasiven Pränataldiagnostik

7.3.1Verfügbarkeit des Embryos

7.3.2Das Problem der Abgrenzung zwischen Basisuntersuchung und Pränataldiagnostik

7.3.3Einordnung von »Risiko«

7.3.4Risiko falsch positiver bzw. falsch negativer Ergebnisse

7.3.5Unterlaufen der medizinischen Indikation durch nicht-invasive genetische Diagnostik embryonaler DNA

7.4Moralischer Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Lebensschutz

7.4.1Selbstbestimmung der schwangeren Frau

Frühe umfassende Informationen vs. Sorge um »unnötige« Beunruhigung

7.4.2Umgang mit gesundheitsrelevanten Daten nicht einwilligungsfähiger Dritter

7.4.3Schutz des ungeborenen Kindes

Absoluter Lebensschutz oder Personalität

Abstufungen des Lebensschutzes

7.4.4Unterscheidung der Schwangerschaftskonflikte

7.5Herausforderungen für die Beratung

7.4.1Ärztliche Beratung

7.4.2Psychosoziale Beratung

7.4.3Beratung im klinischen Kontext

7.6Fazit

Literatur

8.Gerlinde Kriete-Samklu: 8. Wie die Seelsorge betroffene Eltern in der Klinik begleiten kann

8.1Angebot und Aufgabe der Seelsorge

8.1.1Vorbehalte gegenüber der Seelsorge

8.1.2Reflexion und Neuorientierung

8.2Begleitung »im finstern Tal«

8.2.1Eltern und Ärzte unter Entscheidungsdruck

8.2.2Aus dem Takt: Schock und Schuldgefühle

8.2.3Fallbeispiel 1: »Du sollst nicht töten!«

Seelsorgliche Gestaltung des Abschieds

8.2.4Fallbeispiel 2: Das Kind ist besonders

8.2.5Fallbeispiel 3: Verletzt und doch gesegnet

8.3Die Kraft zum Menschsein stärken

8.3.1Das Ja und das Nein und das Danach

8.3.2Das psychologische Nein zur Seelsorge

8.3.3Den Abschied gestalten und ins Leben gehen

8.4Kooperation im Netzwerk Pränataldiagnostik

8.4.1Vernetzung und regelhafte Einbeziehung

8.4.2Regelmäßiger interdisziplinärer Erfahrungsaustausch

Literatur

9.Susanne Friese: 9. Gestaltungsrahmen für Kooperationen in der niedergelassenen Praxis

9.1Netzwerkpartner

9.1.1Niedergelassene Frauenärzte

9.1.2Niedergelassene Kinderärzte

9.1.3Niedergelassener Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg

9.1.4Niedergelassene Humangenetikerin

9.1.5Humangenetisches Labor

9.1.6Perinatalzentrum

9.1.7Niedergelassene Pränataldiagnostikerin

9.1.8Pränataldiagnostik universitäres Zentrum

9.1.9Kommunale Klinik

9.1.10Psychosoziale Beratungsstellen

9.1.11Selbsthilfegruppen

9.1.12Wer fehlt in der Kooperation?

9.2Wie kam und kommt Kooperation zustande? Förderliche und hemmende Faktoren

9.2.1Kooperation erfordert Kontakt

9.2.2Kooperation erfordert Information

9.2.3Kooperation erfordert Vertrauen

9.2.4Kooperation erfordert Strukturen

Anhang

PND-relevante Gesetzestexte

Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)

§ 2a Aufklärung und Beratung in besonderen Fällen

Gendiagnostikgesetz (GenDG)

§ 3 Begriffsbestimmung

§ 8 Einwilligung

§ 9 Aufklärung

§ 10 Genetische Beratung

§ 15 Vorgeburtliche genetische Untersuchungen

Strafgesetzbuch

§ 218 Schwangerschaftsabbruch

§ 218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs

§ 219 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage

Leitlinien für die interprofessionelle Kooperation bei der Beratung und Begleitung schwangerer Frauen und werdender Eltern bei pränataler Diagnostik

Inhalt

Vorwort

TEIL I

1.Verbands- und fachpolitische Ziel- und Schwerpunktsetzungen

1.1Grundlagen und Leitgedanken

1.2Besondere Aufgaben und Probleme der Institutionen übergreifenden Zusammenarbeit bei der Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik

1.2.1Beratungsangebot vor Pränataldiagnostik

1.2.2Festlegung des Untersuchungsauftrags

1.2.3Ergebnisoffene Beratung bei einem Befund

1.2.4Psychosoziale Beratung außerhalb des medizinischen Kontextes

1.2.5Hinweis auf psychosoziale Beratung und Art der Vermittlung

1.2.6Vermittlung an Dienste und Einrichtungen der Behindertenhilfe

1.2.7Vertraulichkeit und Datenschutz

2Fallübergreifende Kooperation

2.1Bestandsaufnahme

2.2Anbahnung von interprofessioneller Kooperation

2.3Elemente einer geregelten Kooperation

2.4Aufbau einer dauerhaften Struktur

2.5Verantwortungsebenen

3.Beratung und fallbezogene Kooperation vor – während – nach PND

3.1Gesetzliche Vorgaben und die Ansatzpunkte der fallbezogenen Kooperation

3.2Vor oder im Rahmen der Schwangerenvorsorge

3.3Im Kontext von gezielten pränataldiagnostischen Untersuchungen

3.3.1In der Wartezeit auf das Untersuchungsergebnis

3.3.2Nach der Mitteilung eines auffälligen pränataldiagnostischen Befunds

3.3.3Vor einer medizinischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch

3.4Im Zusammenhang mit einem stationären Aufenthalt

3.4.1Bei der stationären Aufnahme

3.4.2Während des stationären Aufenthalts

3.4.3Nachsorge

TEIL II – Das Beratungsverständnis im Kontext von Pränataldiagnostik aus der Perspektive der kooperierenden Verbände

Das Beratungsverständnis des DEKV

1.Versorgung und Begleitung Schwangerer und Pränataldiagnostik in evangelischen Krankenhäusern

2.Ambivalenz und ethische Problematik der Geburtsmedizin

3.Inhalt und Ziel ärztlicher Beratung und Aufklärung im Zusammenhang mit

Pränataldiagnostik

4.Grenzen ärztlicher Beratung im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik – Psychosoziale Beratung als sinnvolle und notwendige Ergänzung

5.Ärztliche Beratung im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik in Krankenhäusern

6.Ärztliche Beratung im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik in evangelischen Krankenhäusern

Das Beratungsverständnis der EKFuL

Evangelisches Profil der psychosozialen Beratung bei PND

Psychosoziale Beratung bei PND als regulärer Bestandteil des Leistungsangebots evangelischer Schwangerschaftsberatungsstellen

Rechtsgrundlage

Leistungsumfang

Zielgruppe

Institutionelle psychosoziale Beratung bei PND – Selbstverständnis, Standards, Herausforderungen

Selbstverständnis psychosozialer Beratung bei PND

Merkmale psychosozialer Beratung

Entschleunigung und »neutraler Ort«:

Raum für ethische Fragen:

Anonyme Beratung:

Direkter Zugang:

Leistungsumfang:

Vielfältige Fachexpertise:

Standards:

Schweigepflicht und Datenschutz:

Ergebnisoffenheit:

Besondere Herausforderungen in der Beratung bei PND

Persönliche Haltung der Beratenden:

Unterstützung des Trägers:

Komm- und Gehstruktur:

Medizinisches Wissen:

Leben mit Behinderung:

Das Beratungsverständnis des BeB

Autorinnen und Autoren

Register

Vorwort

Der Beratung für Schwangere und ihre Partner widmen sich seit vielen Jahren im Auftrag des Gesetzgebers Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung pränataldiagnostischer Untersuchungen haben sich die Inhalte und Anforderungen für diese Beratungen insbesondere im Zusammenhang mit späten Schwangerschaftsabbrüchen verändert und erweitert. Darauf haben unterschiedliche Fachverbände und Träger mit entsprechenden Fortbildungen für ihre Mitarbeiterinnen1 reagiert. Inzwischen halten zahlreiche psychosoziale Beratungsstellen ein Angebot zur PND-Beratung (PND = Pränataldiagnosik) durch qualifizierte Mitarbeiterinnen vor.

Demgegenüber steht allerdings in den meisten Beratungsstellen eine äußerst geringe Nachfrage nach derartigen Beratungen. Erfahrungsgemäß steigen die Fallzahlen jedoch signifikant, sobald Beratungsstellen eine Zusammenarbeit mit Perinatalzentren oder pränataldiagnostischen Schwerpunktpraxen vereinbaren. Aus dieser Beobachtung heraus wurde die Vorstellung abgeleitet, dass der Aufbau von multiprofessionellen PND-Netzwerken die Vereinbarung von Kooperationen zwischen Beratungsstellen und Ärzteschaft fördern und somit mehr Paare, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden, Unterstützung durch PND-Beratungen bekommen könnten.

Derartige Netzwerke wurden an verschiedenen Standorten in Deutschland in unterschiedlicher Form aufgebaut, manche entstanden aus Modellprojekten und wurden evaluiert. Nicht zuletzt die positiven Erfahrungen aus diesen Studien führten 2010 zur Novellierung des Paragrafen 2a Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) und der Verabschiedung des Gendiagnostikgesetzes (GenDG). In Paragraf 2a heißt es in gekürzter Fassung:

»Sprechen nach den Ergebnissen von pränataldiagnostischen Maßnahmen dringende Gründe für die Annahme, dass die körperliche oder geistige Gesundheit des Kindes geschädigt ist, so hat die Ärztin […] über die medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus dem Befund ergeben, unter Hinzuziehung von […] Ärzten, die mit dieser Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, zu beraten. […] Die Ärztin […] hat über den Anspruch auf weitere und vertiefende psychosoziale Beratung […] zu informieren und im Einvernehmen mit der Schwangeren Kontakte zu Beratungsstellen […] und zu Selbsthilfegruppen oder Behindertenverbänden zu vermitteln.«

Der Fachverband Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL e.V.) entschloss sich nach Einführung des zitierten Gesetzes in Kooperation mit dem Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB e.V.) und dem Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV e.V.), finanziell unterstützt von der Aktion Mensch, zu einem gemeinsamen Modellprojekt, das zweierlei Ziele verfolgen sollte: den Aufbau und die Evaluation eines interprofessionellen Netzwerkes sowie – in Fortführung der bisherigen Bemühungen um eine Verbesserung der Beratung Schwangerer – die Entwicklung von Kriterien, die die gewünschte berufsübergreifende Kooperation bei PND in geregelte Bahnen bringen sollte.

Grund für die Entscheidung, derartige Kriterien zu entwickeln, war nicht zuletzt die Skepsis der Fachverbände gegenüber der Von-Selbst-Implementierung des Gesetzes in die Praxis, und hier speziell die Skepsis gegenüber der Bereitschaft von Ärzten, mit psychosozialen Beratungsstellen zu kooperieren und Schwangere zwecks vertiefender Beratung an sie zu vermitteln. Als Ursache für die vermutete mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit gab die EKFuL an, dass Aufgaben und Arbeitsweise der Schwangerenkonfliktberatung bei Ärzten weitgehend unbekannt seien und der Nutzen einer Überweisung der Frau und ihres Partners zur Beratungsstelle, umso mehr vor einer pränataldiagnostischen Untersuchung, nicht erkannt würde. In diesem Zusammenhang wurde außerdem angenommen, dass die Frauen und ihre Partner von der Ärzteschaft nur unzureichend über die möglichen Folgen und Problemlagen von Pränataldiagnostik aufgeklärt und dadurch nach einem positiven Befund unvorbereitet in existenzielle Krisensituationen geraten würden.

Ein Netzwerk, in dem Ärzteschaft, psychosoziale Beratung und Behindertenhilfe zusammenkämen, würde einen Austausch über die jeweiligen professionellen Selbstverständnisse, Kompetenzen und Beratungsinhalte ermöglichen, Vertrauen schaffen und eine Zusammenarbeit zum Wohl der Schwangeren und ihrer Partner begünstigen. Diese würde sich dann auch in einer steigenden Zahl von psychosozialen PND-Beratungen zeigen.

Der vorliegende Sammelband vereint die Erfahrungen von verschiedenen, an dem Projekt beteiligten Professionen. Ihre Beiträge fördern überraschende Ergebnisse zu Tage. So zeigen sie auf, wie berufsübergreifende Kooperation trotz mancher über Jahre gepflegter Vorbehalte gegenüber bestimmten Professionen gelingen kann. Sie erlauben einen intimen Einblick in die Praxis der Beratung bei Pränataldiagnostik und erweitern den Blickwinkel vom ursprünglichen Anliegen der Beratungsstellen nach einer höheren Zahl von Frauen, die sich beraten lassen hin zur offeneren Fragestellung, was Frauen und Paare nach einem auffälligen pränataldiagnostischen Befund vor allem brauchen und wie der Zugang dazu geschaffen werden kann. Nicht zuletzt zeigen die Autoren der vorliegenden Publikation auch die Grenzen auf, an die selbst noch so qualifizierte Beratung und eingespielte, vertrauensvolle Kooperation, bedingt durch den »Faktor Mensch«, gelangen können.

Bevor die Vertreter der einzelnen Professionen zu Wort kommen, stellt die Soziologin und Projektleiterin des Modellprojekts Marit Cremer im ersten Beitrag das Design der von 2011 bis 2014 durchgeführten Studie vor. Es umfasst eine sozialwissenschaftliche Evaluation von Motivation, Beratungsverständnis und Haltung zur Pränataldiagnostik der beteiligten Berufsgruppen. Darüber hinaus wurden im Hinblick auf die Implementierung einer dauerhaften Kooperation Erwartungen an die anderen Berufsgruppen bzw. an organisatorische Rahmenbedingungen herausgearbeitet. Die Ergebnisse der Studie zeigen eine hohe Bereitschaft zur Kooperation der unterschiedlichen Professionen und nicht zuletzt den Mehrwert für die Berufsgruppen, der aus dem Austausch in einem interprofessionellen Netzwerk entsteht.

Der Gynäkologe und Perinatalmediziner Andreas Luttkus informiert über pränataldiagnostische Möglichkeiten und setzt sich mit verbreiteten Missverständnissen auseinander. Er stellt die Funktionsweise eines Leitfadens vor, der in seiner Klinik für die Betreuung von schwangeren Frauen bzw. Eltern bei sogenannten »glücklosen Schwangerschaften« etabliert wurde und resümiert, dass diagnostische Verfahren von den eine Schwangerschaft betreuenden Ärzten neben dem Bewusstsein für die rechtlichen Rahmenbedingungen auch eine hohe Sensibilität für ethische Konflikte erfordern. Dies gilt insbesondere für die 2012 eingeführte nicht-invasive Untersuchung embryonaler Erbinformation (Nicht-Invasiver Pränataltest, NIPD).

Die auf Pränataldiagnostik spezialisierte Frauenärztin Susanne Friese beschreibt eindrücklich das Spannungsfeld, in dem sich Ärztin und Patientin nicht nur aufgrund divergierender persönlicher Vorstellungen und kultureller Faktoren, sondern auch wegen der in verschiedenen Ländern unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen zur Gendiagnostik wiederfinden können. Im Sprechzimmer werden damit auch die Folgen einer globalisierten Pränataldiagnostik verhandelt.

Wird im Rahmen einer PND eine Auffälligkeit beim ungeborenen Kind festgestellt, kann ein Kinderarzt mit seiner Beratung aus der Sicht des Kindes einen maßgeblichen Beitrag für die weitere Betreuung der Schwangerschaft leisten. Der an einem Perinatalzentrum tätige Pädiater Rolf-Peter Möritz weist in seinem Beitrag auf die wachsenden Behandlungsmöglichkeiten des ungeborenen Kindes und des Neugeborenen hin. Voraussetzung für die zumeist hochtechnisierten Eingriffe ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Hebammen und Pflegepersonal. Die Einbeziehung des Kinderarztes in ein Beratungsnetzwerk kann Eltern, die ein Kind mit körperlichen Auffälligkeiten erwarten, bei ihren schwierigen Entscheidungen über das weitere Vorgehen während und nach der Schwangerschaft unterstützen.

Im daran anschließenden Beitrag stellt die Sozialpädagogin und Beraterin Ingrid Moczarski die Grundsätze professioneller psychosozialer Beratung dar und beschreibt das Vorgehen anhand eines konkreten Falles. Dabei werden sowohl die organisatorischen Voraussetzungen als auch die inhaltlichen Unterschiede der institutionalisierten psychosozialen Beratung zu den medizinischen Handlungsfeldern deutlich. Aus ihrer Sicht trug das Projekt dazu bei, das gegenseitige Verständnis der Netzwerkmitglieder für die unterschiedlichen Voraussetzungen einer professionellen Begleitung schwangerer Frauen zu fördern. Als weiterhin problematisch wertet sie die fehlende Kooperationsbereitschaft niedergelassener Gynäkologen.

Persönliche Kontakte der unterschiedlichen Berufsgruppen können Einblicke in die jeweils andere berufliche Situation und die professionellen Grundlagen der Beratung vermitteln. Eine Plattform dafür bieten gemeinsame Fortbildungen. Die am Evangelischen Zentralinstitut lehrende Dozentin Sabine Hufendiek stellt das bereits vor der gesetzlich geforderten Stärkung der psychosozialen Beratung von ihr mitentwickelte Curriculum für die Fortbildung zur Beratung Schwangerer bei PND vor. Eine wichtige Aufgabe sieht sie vor allem darin, die beteiligten Schwangerschaftskonfliktberaterinnen zu motivieren, Kontakte zu den medizinischen Professionen aufzubauen. Den Teilnehmenden der gemeinsamen Fortbildungen gelingt es unter anderem besser, berufsübergreifende Netzwerke aufzubauen und darüber hinaus eine größere Sicherheit in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich zu gewinnen.

Eine besondere Rolle in einem die Schwangere betreuenden Team nehmen die Klinikseelsorgerinnen wahr. Sie sind in belastenden Situationen Ansprechpartnerinnen sowohl für die Schwangeren bzw. Eltern als auch für das beteiligte Personal. Gerlinde Kriete-Samklu berichtet von den tiefgreifenden emotionalen und ethischen Konflikten der Eltern, wenn über die Frage eines Schwangerschaftsabbruchs entschieden werden muss. Die Klinikseelsorgerin stellt am Beispiel eines betroffenen Paares Orientierungen einer umfassenden seelsorgerlichen Begleitung vor und weist auf ihre entlastende Funktion für das Klinikpersonal hin.

Die Pränataldiagnostik liefert zunehmend medizinische Informationen über das ungeborene Kind. Mit dem Wissen wachsen zugleich die Lasten der Entscheidung und Verantwortung insbesondere der Schwangeren, aber auch der anderen, an der PND beteiligten Professionen. Beratung hat dabei dem gesellschaftlichen und rechtsverbindlichen Auftrag zu folgen, das Leben des ungeborenen Kindes zu schützen und gleichzeitig die Autonomie der Schwangeren zu stärken. In ihrem Beitrag beschäftigt sich die Biologin Christa Wewetzer unter anderem mit den dadurch entstehenden ethischen Herausforderungen für institutionelle Leitbilder kirchlicher Einrichtungen, für das Selbstverständnis und individuelle Werthaltungen der beratenden Professionen.

Die fallbezogene Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen ist Voraussetzung für eine möglichst exakte Diagnose und Prognose bei Auffälligkeiten nach Pränataldiagnostik. Dies wird in dem abschließenden Beitrag von Susanne Friese hervorgehoben. Kooperationen mit nicht-medizinischen Berufsgruppen und Institutionen, die in die PND-Beratung einbezogen werden sollten, gestalten sich jedoch aus ihrer Sicht schwierig. Sie beschreibt die Bedeutung des Projekts für die Gründung des berufsgruppenübergreifenden Netzwerkes Pränataldiagnostik OWL (Ostwestfalen-Lippe) und stellt ihre Erkenntnisse über die Bedingungen für eine erfolgreiche Gründung und kontinuierliche Arbeit dar.

Am Ende dieses Bandes stellen wir den Lesern die während des Modellprojekts von den beteiligten evangelischen Verbänden EKFuL, BeB und DEKV entwickelten Leitlinien für die interprofessionelle Kooperation bei der Beratung und Begleitung schwangerer Frauen und werdender Eltern bei pränataler Diagnostik zur Diskussion, die als Grundlage für die Kooperation bei der Beratung und Begleitung schwangerer Frauen und ihrer Partner dienen sollen. Des Weiteren sind dort zentrale Gesetzestexte nachzulesen.

Wir danken den Autorinnen und Autoren, die ihre Erfahrungen aus dem Bereich der Pränataldiagnostik in diesem Band zusammengetragen haben. Ebenso danken wir für die Übernahme der Druckkosten durch eine unserem Projekt zugeneigte Frau, deren Wunsch nach Anonymität wir hiermit respektieren.

Marit Cremer und Christa WewetzerBerlin, im Juli 2017

1.Berufsübergreifende Kooperationen bei Pränataldiagnostik: (Unerwartete) Ergebnisse eines Modellprojekts

Marit Cremer

Von 2011 bis 2014 führte die Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL) gemeinsam mit dem Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) und dem Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV) das von Aktion Mensch geförderte Modellprojekt Interprofessionelle Kooperation bei Pränataldiagnostik durch. Der vorliegende Aufsatz fasst die wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen und legt dabei einen Schwerpunkt auf die Beratung schwangerer Frauen und ihrer Partner sowie auf Möglichkeiten und Vorteile berufsübergreifender Kooperationen im Kontext von Pränataldiagnostik (PND). Hierfür werden Erkenntnisse aus der Evaluation eines während der Projektlaufzeit gegründeten interprofessionellen Netzwerkes vorgestellt.

1.1Projektdesign

1.1.1Auftrag und Ziele

Ausgangslage

Ausgehend von den 2010 in Kraft getretenen Ergänzungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes2 und der Novellierung des Gendiagnostikgesetzes, nach denen Gynäkologinnen und Pränataldiagnostikerinnen bei auffälligem Befund nach PND die Schwangere über den Anspruch auf vertiefende psychosoziale Beratung informieren und im Einvernehmen mit ihr Kontakte zu entsprechenden Beratungsstellen, Behindertenverbänden und Selbsthilfegruppen herstellen sollen, haben es sich die drei Fachverbände Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL), Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) und Deutscher Evangelischer Krankenhausverband (DEKV) zur Aufgabe gemacht, die strukturellen Voraussetzungen dafür zu verbessern. Die Initiatoren des Projekts folgten der Annahme, dass über den Aufbau von berufsübergreifenden PND-Netzwerkstrukturen, die Vereinbarung verbindlicher Kooperationen zur Zusammenarbeit unter den in den Netzwerken organisierten Berufsgruppen sowie die verbandsübergreifende Entwicklung von Leitlinien für den Umgang mit gezielter Pränataldiagnostik und Spätabbrüchen nach PND dieses Ziel erreicht werden könne.

Dem Projektkonzept zugrunde lag eine von 1998 bis 2001 vom Bundesministerium für Familie, Soziales, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegebene und von der EKFuL durchgeführte Studie,3 in der für Mitarbeitende aus der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung Kriterien für die Beratung bei auffälligem Befund nach der Pränataldiagnostik erarbeitet wurden. Darüber hinaus entstand im Anschluss in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Zentralinstitut für Familienberatung Berlin (EZI) ein Curriculum für die Ausbildung zur PND-Beraterin.

Inzwischen verfügen viele psychosoziale Beratungsstellen über ausgebildete PND-Beraterinnen. Allerdings ist die Nachfrage nach einer solchen Beratung in den meisten Beratungsstellen äußerst gering. Erfahrungsgemäß steigen die Fallzahlen jedoch deutlich, sobald Beratungsstellen eine Zusammenarbeit mit Perinatalzentren oder pränataldiagnostischen Schwerpunktpraxen vereinbaren. Aus dieser Erkenntnis erwuchs die Vorstellung, dass der Aufbau von multiprofessionellen PND-Netzwerken die Vereinbarung von Kooperationen zwischen Beratungsstellen und Ärzteschaft fördern könne. Deshalb sollten im Rahmen des Modellprojekts Vertreterinnen der im Kontext von Pränataldiagnostik wirkenden Berufsgruppen an einem Standort in Deutschland für die Mitarbeit in einem neu zu schaffenden PND-Netzwerk geworben werden. Sie sollten sich regelmäßig zu einem moderierten Arbeitskreis treffen und gemeinsam Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten. Mit der Entwicklung von Leitlinien für den Umgang mit PND und Spätabbrüchen4 nach einem auffälligen Befund wurden Vertreter der am Projekt beteiligten Verbände und externe Expertinnen beauftragt. Ihre Aufgabe war es, ein Papier zu erstellen, das für die Praktiker im Bereich PND handlungsleitend und orientierungsgebend sein könnte.

1.1.2Erwartungen

Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Soziales, Frauen und Jugend lassen sich seit den oben angeführten veränderten gesetzlichen Bestimmungen Ansätze eines zunehmenden Engagements von Ärzteschaft und psychosozialen Beraterinnen für einen Aufbau multiprofessioneller Kooperationen beobachten.5 Dazu befragte Mitarbeiterinnen evangelischer Schwangerschaftsberatungsstellen berichteten jedoch auch noch nach Inkrafttreten des Paragrafen 2a SchKG und des Gendiagnostikgesetzes von großen Schwierigkeiten, Kooperationen mit Gynäkologinnen aufzubauen. Die Ursachen dafür wurden von ihnen zumeist darin gesehen, dass Aufgaben und Arbeitsweise der Schwangerenkonfliktberatung bei Ärzten noch immer weitgehend unbekannt seien und der Sinn einer Überweisung der Frau bzw. des Paares zur Beratungsstelle, gerade auch vor einer pränataldiagnostischen Untersuchung, von ihnen nicht erkannt würde.

Der Aufbau von Kooperationen zwischen Beratungsstellen und Gynäkologen, der als unabdingbar für den Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten für schwangere Frauen und ihre Partner erachtet wird, wurde demzufolge für das Modellprojekt von Seiten der psychosozialen Beratung als schwierig eingeschätzt. Auch die Bereitschaft zur ethischen Auseinandersetzung mit den Angeboten der PND bei den Anbietern der Leistung – Gynäkologen und Pränataldiagnostikern – wurde von Beraterinnen überwiegend bezweifelt. Die Ausweitung der PND und ihre zunehmende Anwendung in den letzten Jahren weckte die Vermutung, dass seitens der Ärzteschaft sowohl monetäre Interessen als auch der Wunsch nach rechtlicher Absicherung die wesentlichen Motivationen für die Bereitstellung von pränataldiagnostischen Untersuchungen darstellten. Zudem wurde angenommen, dass die Frauen bzw. Paare von der Ärzteschaft nur unzureichend über die möglichen Folgen und Problemlagen von PND aufgeklärt und dadurch nach einem positiven Befund unvorbereitet in existenzielle Krisensituationen geraten würden. Erwartungen anderer Berufsgruppen hinsichtlich der Ziele des Projekts wurden im Vorfeld der Studie nicht erhoben.

1.2Methodik

1.2.1Auswahl des Modellstandorts

Als Standort für den modellhaften Aufbau eines PND-Netzwerkes wurden die benachbarten Städte Bielefeld und Detmold in Nordrhein-Westfalen ausgewählt. Sie verfügen über ein breites Spektrum an spezialisierten Einrichtungen, die pränataldiagnostische Untersuchungen, Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik sowie Unterstützung für Menschen mit Behinderungen anbieten und verbinden sowohl städtische als auch ländliche Infrastruktur miteinander. Von ihren strukturellen Voraussetzungen sind sie vergleichbar mit vielen Regionen Deutschlands, die Ergebnisse des Projekts dürften daher auf andere Standorte übertragbar sein. Als Kooperationspartner vor Ort konnten das Evangelische Beratungszentrum der Lippischen Landeskirche in Detmold, das Evangelische Krankenhaus Bielefeld und der Stiftungsbereich Bethel.regional der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel gewonnen werden.

1.2.2Information und Akquirierung

Über den Beginn des Modellprojekts informierten die beteiligten Verbände bundesweit über ihre jeweiligen Verteiler. Am Modellstandort fanden mit den Vertretern der Kooperationspartner Gespräche statt, um über die vorangegangene Internetrecherche hinaus einen Einblick in die PND-Landschaft vor Ort zu bekommen und nach dem Schneeballprinzip weitere potenzielle Interessenten für die Mitarbeit in einem berufsübergreifenden PND-Netzwerk zu akquirieren. Daneben wurde das Projekt auf einem Fachtag, zu dem gezielt Akteure aus den Bereichen Frauenheilkunde, Pränataldiagnostik, Geburtshilfe, Humangenetik, psychosoziale Beratung, Seelsorge, Behindertenhilfe, Selbsthilfe und Frühförderung eingeladen wurden, in Bielefeld der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.

1.2.3Experteninterviews

Mit 14 auf die oben genannte Weise gewonnenen Teilnehmern des Projekts wurden leitfadengestützte, explorative Experteninterviews geführt, in denen die Befragten zu ihrer Tätigkeit im Kontext von PND, zu bestehenden Kooperationen mit anderen Disziplinen und Professionen, zu ihrer ethischen Haltung in Hinblick auf Pränataldiagnostik und ihren Erwartungen an das Projekt befragt wurden. Diese Gespräche dienten auch dazu, einen Einblick in die Arbeitsweise und das Berufsverständnis der Befragten zu bekommen. Gegen Ende der Projektlaufzeit wurden für die Evaluation des regionalen PND-Netzwerkes weitere 18 Experteninterviews geführt, die meisten davon mit den Teilnehmenden der ersten Erhebungsrunde. Bei der Auswertung nach Meuser/Nagel6 wurden die typischen Erfahrungen und Beobachtungen, Verfahrensregeln bei Entscheidungsfindungen sowie Werthaltungen und Handlungsmaximen im Rahmen der Funktionsausübung einer jeden Berufsgruppe herausgearbeitet und das Überindividuell-Gemeinsame in Hinblick auf Beratung und Kooperation dargestellt.

1.2.4Regionales PND-Netzwerk

Im Anschluss an den Fachtag in Bielefeld wurde von den an einer Mitarbeit in einem PND-Netzwerk interessierten Akteuren aus den Berufsgruppen Pränataldiagnostik und Geburtshilfe, psychosoziale Beratung, Frühförderung, Behindertenhilfe, Selbsthilfe, Humangenetik, Pädiatrie und Klinikseelsorge das »Netzwerk vorgeburtliche Diagnostik OWL«7 gegründet. Es wurde vereinbart, dreimal im Jahr zu einem moderierten Workshop zusammen zu kommen. Als Ziel wurde die Schaffung verbindlicher Kooperationsvereinbarungen zwischen den Akteuren formuliert, um Paare mit einem auffälligen Befund nach Pränataldiagnostik bestmöglich unterstützen zu können. Dafür sollten eine nachhaltige Organisationsstruktur des Arbeitskreises aufgebaut, das jeweilige professionelle Beratungsverständnis der vertretenen Berufsgruppen vorgestellt und Regelungen für die fallbezogene Zusammenarbeit geschaffen werden.

1.2.5Arbeitsgruppe Leitlinien und Beratungskonzeptionen

Parallel zum regionalen PND-Netzwerk wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der am Modellprojekt beteiligten evangelischen Verbände EKFuL, BeB, DEKV und Diakonisches Werk Deutschland sowie externen Expertinnen gegründet, die gemeinsam eine ethische Haltung zum Umgang mit auf Selektion gerichteter Pränataldiagnostik und mit Spätabbrüchen nach einem positiven Befund entwickelten. Zudem sollten für die Fachkräfte aus Beratung, Medizin und Behindertenhilfe Leitlinien als Handlungsorientierung für die Arbeit im Kontext von PND geschaffen werden. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, ob es unter den Fachkräften einen Bedarf an Fortbildung für den professionellen Umgang mit Pränataldiagnostik gibt und gegebenenfalls ein Konzept für die Qualifizierung der Fachkräfte und deren Implementierung in die Strukturen der Verbände erarbeitet werden.

1.2.6Projektbeirat

Für die Steuerung des Projekts und die Besprechung der Ergebnisse während des laufenden Prozesses wurde aus Vertretern der Verbände und der Wissenschaft ein Projektbeirat gebildet. Seine Mitglieder förderten die Vernetzung der Akteure auf Verbandsebene und diskutierten die jeweiligen Zwischenergebnisse im Hinblick auf mögliche Handlungsempfehlungen. Langfristige Aufgabe der Verbandsvertreter soll die Schaffung von Strukturen in den Verbänden sein, die die Implementierung der Empfehlungen unterstützen. Der Auftrag der einbezogenen Wissenschaftlerinnen bestand darin, mit ihrer sozialwissenschaftlichen Expertise das handlungsforschungsorientierte Vorgehen methodisch zu begleiten.

1.2.7Projektdurchführung

Mit der Leitung des Projektes wurde die Autorin (Diplom-Soziologin) von der Evangelischen Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL), beauftragt. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der EKFuL hat an dem Projekt Jutta Schulz (Diplom-Soziologin) mitgewirkt. Sie war verantwortlich für die Auftaktveranstaltung sowie für die Arbeitsgruppe Leitlinien und Beratungskonzeptionen.

1.3Forschungsergebnisse

1.3.1Kompetenzen und Rahmenbedingungen bei der Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Interviews, die mit den am Projekt beteiligten Berufsgruppen geführt wurden, zusammenfassend dargestellt. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Motivation zur Teilnahme am Projekt und das Berufs- und Beratungsverständnis gelegt. Ein erstes Ergebnis, das Einfluss auf den Standort des Modellprojektes nahm, sei hier schon einmal vorweggenommen. Aufgrund der geringen Zahl an pränataldiagnostischen Zentren in der Region reicht der Einzugsbereich von Patientinnen weit über Bielefeld und Detmold hinaus. Diese Tatsache wurde zum Anlass genommen, das Modellprojekt auf die Region Ostwestfalen-Lippe zu erweitern. Die praktizierenden Ärzte erhofften sich davon Kooperationen mit Einrichtungen im ländlichen Bereich, an die sie Paare, die weite Strecken zu den Untersuchungen zurücklegen müssen, zur Anschlussbetreuung wohnortnah vermitteln können.

Die Bestandsaufnahme diente dazu, einen Überblick über die Einrichtungen und Akteure, die im Bereich der vorgeburtlichen Diagnostik arbeiten, zu bekommen. Gleichzeitig boten die Interviews die Gelegenheit, für die Mitarbeit im geplanten Netzwerk zu werben.

1.3.2Pränataldiagnostiker/Gynäkologen

Die Auswertung der Experteninterviews mit den Pränataldiagnostikern widerlegte die unter 1.1.2 aufgeführten Hypothesen – mit einer Ausnahme. Die Vermutung, dass sich die Zusammenarbeit mit Ärzten schwierig gestalten würde, traf lediglich auf die Gruppe der niedergelassenen, nicht auf Pränataldiagnostik spezialisierten Gynäkologen zu. Bis zum Zeitpunkt der ersten Erhebungsrunde gelang es nicht, Kontakte zu ihnen herzustellen. Ganz anders verhielt es sich jedoch mit deren auf PND spezialisierten klinischen oder in Schwerpunktpraxen tätigen Kolleginnen. Entgegen den im Vorfeld des Projektes geäußerten Erwartungen zeigten sie ein großes Interesse und Engagement an einer Mitarbeit im Projekt.

Motivation

Diese Bereitschaft zur Mitarbeit erstaunte vor dem Hintergrund, dass alle befragten Interviewpartner bereits über diverse Kooperationen mit psychosozialen Beratungsstellen und fachärztlichen Kollegen verfügten. Im weiteren Forschungsverlauf sollte deshalb der Frage nachgegangen werden, ob Kooperationen allein nicht ausreichen, um Paare umfassend nach einem auffälligen pränataldiagnostischen Befund unterstützen zu können. Ein Grund zur Bereitschaft der Ärzteschaft, am Projekt teilzunehmen, könnte in der hohen emotionalen Belastung liegen, die mit der Begleitung der Paare einhergehen kann und auf die mehrere Aussagen in den Interviews hinwiesen. Diese Belastung schien vor allem dann als besonders problematisch wahrgenommen zu werden, wenn Paare trotz intensiver Vermittlungsbemühungen der behandelnden Ärzte eine vertiefende Beratung bei fachärztlichen Kollegen und in psychosozialen Beratungsstellen ablehnten.

Berufs- und Beratungsverständnis

Ihren beruflichen Auftrag sahen die befragten Pränataldiagnostiker darin, in der Schwangerschaft bestmögliche Voraussetzungen für die Gesundheit von Mutter und Kind zu schaffen. In den meisten Fällen könne Pränataldiagnostik diese Aufgabe auch erfüllen. In den Interviews mit den Ärzten wurde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der ethischen Problematik von Pränataldiagnostik einen festen Bestandteil des beruflichen Alltags darstellt und bei Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle spielt. Das Dilemma, das aus der PND resultiere, ergebe sich ihrer Meinung nach nicht zuletzt daraus, dass fehlende therapeutische Optionen für einen Teil der pränatal gestellten Diagnosen einerseits und gesetzliche Rahmenbedingungen andererseits auf eine Gesellschaft treffen, in der Behinderung überwiegend als nicht zu bewältigende Einschränkung des persönlichen Lebensglücks wahrgenommen werde.

Die medizinische Aufklärung über Inhalt und Folgen von Pränataldiagnostik wurde als umfassend und als zeitlich aufwändigster Teil der Pränataldiagnostik beschrieben. Häufig gehe es zunächst darum, die mitgebrachten Vorstellungen der Frauen bzw. Paare mit den tatsächlichen Möglichkeiten der PND abzugleichen. Angst vor einem Kind mit Defekten als Motivation für eine Untersuchung sei immer ungünstig, weil eine vorgeburtliche Diagnostik keine Garantie für ein so genanntes »gesundes« Kind geben könne. Zum Gespräch vor einer möglichen Untersuchung gehöre auch das Angebot des Nicht-Wissens, bei dem sich das Paar gegen die Untersuchung insgesamt oder gegen einen vorher zu bestimmenden Teil der sich aus der Untersuchung ergebenden Informationen entscheiden kann.

Die Reaktionen nach einem positiven Befund seien sehr unterschiedlich und reichten »von panisch bis reflektiert«.8 Eine Beratung sei dann schwierig, wenn die Frauen und ihre Partner mit der Situation überfordert und für Informationen in dem Moment nicht mehr aufnahmefähig seien. Dann sei es Aufgabe der Ärzte, mit der Vereinbarung weiterer Gesprächstermine in ihrer Praxis, bei fachärztlichen Kollegen, die Erfahrung mit dem diagnostizierten oder vermuteten Defekt haben, oder bei psychosozialen Beratungsstellen Hilfen bei der Entscheidungsfindung bereit zu stellen. Diese Angebote werden von den Paaren allerdings längst nicht immer in Anspruch genommen mit der Folge, dass die weitere Vorgehensweise wiederum zum Arzt zurück delegiert werde: »Das Gesetz schreibt eine Beratung vor, aber das heißt nicht, dass die Frau das annimmt. Damit ist das Ganze an den Arzt gebunden, der ein bisschen Druck machen kann. Das hängt unmittelbar von der Einschätzung des Arztes bezüglich der Patientin ab.«

Als Gründe für die Ablehnung von Beratungsangeboten vermuteten die befragten Ärztinnen eine Skepsis gegenüber psychosozialer Beratung. Offenbar bestehe bei manchen die Vorstellung, nur psychisch labilen oder bedürftigen Personen würde diese Beratung empfohlen. Andere Paare scheinen davon auszugehen, dass sie von den Beraterinnen zu einer bestimmten Entscheidung gedrängt würden: »Die Paare, die überzeugt sind, sie wollen das Kind nicht, die wollen diese Kontakte nicht, die erleben das als umstimmen.« Auch Angst vor einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Thema sei als Ablehnungsgrund denkbar.

Nicht wenige Paare hingegen vermittelten den Eindruck, sehr genau zu wissen, welchen Weg sie gehen wollen und dass sie sich bei Bedarf Unterstützung, zum Beispiel im Familien- und Freundeskreis, selbst organisieren können: »Die Paare, die sich für ein Kind mit Down-Syndrom entscheiden, die sind dann meistens schon so, dass sie sagen: ›Ach, das machen wir alles später, das machen wir, wenn es soweit ist.‹«

Erfahrungsgemäß sei die Einstellung der Frau und ihres Partners sowie ihres Umfeldes zum Leben mit Behinderungen ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind mit einem möglichen Defekt. Beratung werde zumeist dann angenommen, wenn eine gewisse Akzeptanz von Behinderung bereits vorhanden ist.

Haltung zur Pränataldiagnostik

Der von den Schwangeren nach einem positiven Befund häufig geäußerte Wunsch nach einem sofortigen Abbruch der Schwangerschaft kollidiert nach Auffassung der befragten Pränataldiagnostiker mit deren Verantwortung für den langfristigen physischen und psychischen Gesundheitszustand der Frau. Als besonderes Problem wurde der Zeitdruck genannt, unter dem der Prozess häufig stattfinde. Die schnelle Prozedur des Abbruchs stehe in keinem Verhältnis zu seiner Bedeutung in der Lebensgeschichte des Paares. Im folgenden Interviewausschnitt schildert ein Pränataldiagnostiker exemplarisch eine oft erlebte Situation:

»Ich sehe, dass die typische Schockreaktion des Paares mit unerwarteter Fehlbildung […] – auch unter Hinzuziehung von immer mehr Fachkompetenz – […] immer auf dasselbe hinausläuft, dass die Frauen ganz schnell sagen: ›Jetzt keine Diskussionen, jetzt weg, Ende der Schwangerschaft‹. Und diese Panik zu durchbrechen, diesen Teufelskreis zu kennen und Beistand zu bieten und zu sagen: ›Halte noch mal inne, geh noch mal in Dich, ist das für Dich so stimmig‹, das ist eine wichtige Geschichte.«

Wenn sich die Frau nach erfolgter oder von ihr abgelehnter Beratung durch hinzugezogene Fachärzte und Beratungsstellen für einen Abbruch entscheidet, seien die Ärzte bemüht, diese Entscheidung im Sinne der Frau unterstützend zu begleiten. Dies beinhalte beispielsweise die Suche nach einer geeigneten Klinik oder das Angebot eines Nachgesprächs nach erfolgtem Abbruch.

1.3.3Psychosoziale Beratungsstellen

Motivation

Eine Motivation der Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen zur Teilnahme am Modellprojekt war die Erfahrung, dass eine Vermittlung der Betroffenen an Einrichtungen oder Praxen, die in ihrem konkreten Fall unterstützend tätig werden könnten, oft sehr schwierig sei. Die Ursachen dafür wurden nicht nur in fehlenden Vermittlungsbemühungen der Ärzteschaft vermutet, wie folgende Aussage einer Beraterin zeigt: »Da habe ich sie gefragt: Sind Sie denn auf psychosoziale Beratung aufmerksam gemacht worden? Da hat sie gesagt: ›Zur Genüge‹. Aber sie hatte den Kopf nicht dafür. Daran scheitert eben auch ganz viel. Dass die in dem Moment sich vielleicht auch nichts drunter vorstellen können.«

Durch die Mitarbeit im Netzwerk vorgeburtliche Diagnostik OWL erhofften sich die Beraterinnen neue Kontakte und Kooperationen mit Fachkräften aus Medizin, Frühförderung, Selbsthilfe und Behindertenhilfe.

Berufs- und Beratungsverständnis

Ihren professionellen Auftrag verstanden Beraterinnen darin, Eltern in einem ergebnisoffenen Beratungsgespräch zu stärken und ihnen eine für sie tragbare Entscheidung im Schwangerschaftskonflikt zu ermöglichen. Psychosoziale Beratung könne ausschließlich von professionellen Beraterinnen geleistet werden. Der große Vorteil gegenüber dem medizinischen Versorgungssystem sei zudem, dass Beratungsstellen den Paaren ausreichend Zeit für die Beratung zur Verfügung stellen könnten.

Das Wissen um die Art und Schwere der Fehlbildung des Kindes spiele bei der Beratung eine wichtige Rolle. Beraterinnen sind deshalb bemüht, sich über medizinische Hintergründe der Diagnosen zu informieren. Hierbei sei eine vereinbarte Zusammenarbeit mit Ärzten hilfreich. Besonders schwierig sei die Entscheidung über den Fortgang oder Abbruch der Schwangerschaft bei einer schweren Beeinträchtigung des Kindes. Oft werde sie in Abhängigkeit von der erwartbaren Lebensqualität des Kindes und der subjektiv eingeschätzten Belastbarkeit der Eltern getroffen. Letztlich finden die meisten Beratungsgespräche vor einem von dem Paar bereits entschiedenen Schwangerschaftsabbruch statt. Die Entscheidung falle regelmäßig auf der Grundlage des elterlichen Befindens und wird nicht aus der Sicht des Ungeborenen betrachtet.

Haltung zur Pränataldiagnostik

Befragt zu ihrer ethischen Haltung zur Pränataldiagnostik ergaben die Antworten der Beraterinnen ein ambivalentes Bild. So sei das vorgeburtliche Wissen um Fehlbildungen von großem Wert für eine adäquate Geburtsvorbereitung und unverzügliche Behandlung des Kindes. Andererseits erwecke es aber auch den falschen Eindruck, dass alles machbar sei und sich Behinderungen und Leid vermeiden ließen. Die Bandbreite des Konflikts wird im nachfolgenden Zitat angedeutet:

»Man kann nicht alles mit Frühförderung und Behindertenverbänden und mit Einrichtungen und so weiter abfangen. Es gibt den Rest, wo einfach auch die Frau, das Paar für sich so entscheiden können muss. Und das geht ja auch, die Möglichkeit ist ja da, rechtlich gesehen. Und: Leben um jeden Preis kann auch nicht die Devise sein. Wir haben, bezogen auf die Schwangerschaftskonfliktberatung, Leitlinien, in denen es theologisch ausgedrückt heißt: Schuld kann in beiden Entscheidungen liegen. Ich bin nicht automatisch unschuldig, nur weil ich mich entschließe, die Schwangerschaft fortzusetzen.«9

1.3.4Behindertenhilfe, Frühförderung und Selbsthilfe

Motivation

Als Motivation zur Teilnahme am Projekt wurde das Interesse genannt, die Arbeit der Frühförderung, Selbsthilfe und Behindertenhilfe bei den psychosozialen Beratungsstellen und innerhalb der Ärzteschaft bekannter zu machen sowie der Öffentlichkeit ein realistisches Bild vom Leben mit Behinderungen zu vermitteln.

Berufs- und Beratungsverständnis

Die Mitarbeitenden der Behindertenhilfe werden regelmäßig erst nach Geburt eines Kindes mit Behinderung kontaktiert. Deshalb stand zunächst die Frage im Raum, worin die Befragten ihre Aufgabe im Projekt sehen. Eine gemeinsame Bestandsaufnahme der Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe (BeB) in Ostwestfalen-Lippe ergab, dass die örtlichen Einrichtungen bisher keine Angebote der PND-Beratung für schwangere Frauen und ihre Partner bereitstellen. Der Grund sei darin zu sehen, dass es diesbezüglich nie Anfragen von Ärzten oder Schwangeren gegeben habe und damit keine Notwendigkeit bestand, ein solches Angebot zu schaffen. Hypothetisch wurde angenommen, dass die Ärzte auf die Möglichkeit einer Beratung durch Mitarbeitende der Behindertenhilfe gar nicht hinwiesen, weil sie zu wenig über Behinderten-Einrichtungen wüssten. Außerdem stünden die Schwangeren unter Schock und erheblichem zeitlichen und psychischen Druck. Beides könne dazu führen, dass angebotene weitere Beratungsgespräche bei Einrichtungen der Frühförderung, Selbsthilfe und Behindertenhilfe eine zusätzliche Belastung darstellten, die Betroffenen überforderten und ihnen mithin kaum zumutbar seien.

Die Ergänzungen des Schwangerschaftkonfliktgesetzes, die die Vermittlung von Frauen und ihren Partnern auch an Einrichtungen der Behindertenhilfe vorsehen, könnten allerdings einen Beratungsbedarf generieren. Darauf wollen die Einrichtungen reagieren und jeweils eine Ansprechperson für PND-Beratung benennen, an die Ärztinnen, Beraterinnen etc. die Frauen und ihre Partner im Konfliktfall vermitteln können.

Inhaltlich sehen die Mitarbeitenden der Einrichtungen ihre Aufgabe bei einer PND-Beratung darin, werdende Eltern zu einem Kind mit Behinderung zu ermutigen und sie über Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. Sie könnten den Paaren Angehörige von Menschen mit Behinderungen vermitteln, die ihnen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und ihre Erfahrungen bei der Bewältigung des Lebensalltags mitteilen könnten. Schwierig sei allerdings die Vorstellung, dass sich Paare in Einrichtungen der Behindertenhilfe »ein Bild von der Behinderung ihres Kindes«10 machen könnten. Dafür seien Menschen viel zu heterogen.

Haltung zur Pränataldiagnostik