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Dieses Lehrbuch vermittelt Studierenden der Sozial- und Gesundheitswissenschaften fundierte ethische Kompetenzen für ihre spätere Berufspraxis in den vielfältigen Handlungsfeldern. Der Autor macht deutlich, dass Soziale Arbeit und Gesundheitsberufe im Kern ethische Professionen sind und der Weg zur Profession nur über eine Berufsethik führt. Anhand konkreter Fallbeispiele und Dilemmata aus dem Berufsalltag (Angewandte Ethik) werden zentrale Fragen der Professionsethik praxisnah erörtert. Studierende erhalten zunächst einen Überblick über wichtige philosophische, anthropologische und ethische Ansätze und Prinzipien. Weitere Kapitel widmen sich aktuellen Herausforderungen wie Friedensethik, Klimaprotestaktionen, Künstlicher Intelligenz, Interkulturalität und Interreligiosität, Rollenkonflikten und Ökonomisierung. Mit Hilfe einer vom Autor entwickelten speziellen Diskursmatrix werden die ethischen Dimensionen der Themen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Diesen pädagogisch-didaktischen Ansatz hat der Autor auf der Grundlage seiner langjährigen Expertise als Lehrender mit Lernenden an Hochschulen (weiter-)entwickelt. Urteilsfähigkeit und begründete Entscheidungsfindung werden ebenfalls trainiert. Insgesamt vermittelt das Buch die professionsethischen und reflexiven Kompetenzen, die für verantwortliches, wertebasiertes Handeln in Sozialer Arbeit und in Gesundheitsberufen unerlässlich sind. Ein Muss für angehende Profis!
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Seitenzahl: 161
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Dr. Markus Seibt hat Philosophie, Theologie und Religionspädagogik an den Universitäten Passau, Tübingen und Eichstätt studiert und wurde an der renommierten Eberhard-Karls-Universität Tübingen promoviert. Er wurde mit dem Vospohl-Preis für innovative wissenschaftliche Arbeit und mit dem PNP-Stiftungspreis für ein interkulturelles Sozialprojekt ausgezeichnet. Seit 2008 hat er Lehraufträge an der Fakultät für Sozial- und Gesundheitswissenschaften der OTH Regensburg. Er lehrt »Ethik in der Sozialen Arbeit« und »Anthropologische und ethische Grundlagen« in Gesundheitsberufen.
Zu diesem Buch
Einleitung
1. Soziale Arbeit als ethische Profession
2. Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession
3. Menschenwürde als Fundament Sozialer Arbeit
4. Ethikkodizes der Berufsverbände
4.1 Ethikkodex des DBSH
4.2 Ethikkodex des IFSW
5. Kontext Berufsethik
6. Wie kann ethisch gute Soziale Arbeit gefördert werden?
7. Das Tripelmandat
8. Qualitätskriterien für Soziale Arbeit aus ethischer Perspektive
9. Menschenbilder in der Sozialen Arbeit
10. Ethische Dilemmata in der Sozialen Arbeit
11. KI im Kontext Sozialer Arbeit – Chancen und Grenzen
12. Distributive Gleichheit und die Frage nach der Gerechtigkeit
13. Gesundheitsberufe als ethische Profession
14. Qualitätskriterien für Gesundheitsberufe aus ethischer Perspektive
15. Menschenbilder in Gesundheitsberufen
16. Die ethischen Prinzipien der Physiotherapie
17. Die ethischen Prinzipien der Logopädie
18. Ethische Dilemmata in Gesundheitsberufen
19. Prozess der Entscheidungsfindung – Dilemmata
20. Die vier Prinzipien der Medizinethik nach Beauchamp und Childress
21. Fallbeispiele zu den vier medizinethischen Prinzipien
21.1 Interdisziplinäres Fallbeispiel: Frau Lorenz (Schlaganfallpatientin)
21.2 Fallbeispiel Stefan (Physiotherapeutinnen und –therapeuten)
21.3 Fallbeispiel Salome (Hebamme)
22. Bedeutung von Ethik im Hochschulstudium
23. Philosophische Grundlagen der Sozial- und Gesundheitswissenschaften
24. Was ist eigentlich Philosophie?
25. Was kann ich wissen?
26. Was soll ich tun?
26.1 Begrifflichkeiten – Moral – Recht – Ethik
26.2 Die Frage nach dem sinnerfüllten Leben
26.3 Die Frage nach dem gerechten Zusammenleben
26.4 Die Frage nach verantwortlichem Handeln
27. Überblick über zentrale ethische Ansätze
28. Was darf ich hoffen?
29. Die Sinnfrage
30. Spiritualität im Kontext Sozialer Arbeit bzw. des Gesundheitswesens
31. Anthropologie – Wer ist der Mensch?
32. Menschenbilder – Die Würde des Menschen
33. Sokrates
34. Platon
35. Aristoteles
36. René Descartes
37. Jeremy Bentham
38. Immanuel Kant
39. Hans Jonas
40. Hannah Arendt
41. Edith Stein
42. Dalai Lama
43. Peter Singer
44. Max Weber
45. Ernst Bloch
46. Friedrich Nietzsche
47. Erich Fromm
48. Ethische Diskurse mit Studierenden
48.1 Friedensethik im Kontext Sozialer Arbeit
48.2 Klimaschutz als ethische und gesellschaftliche Herausforderung
48.3 Ethische Grenzen in der Pflege
48.4 Frühkindliche Bildung als Schlüssel zu mehr Chancengerechtigkeit
48.5 Bildungsgerechtigkeit und soziale Herkunft
48.6 Soziale Stigmatisierung als ethische Herausforderung
48.7 Streetwork als ethische Herausforderung
48.8 Klimaprotestaktionen als ethische Herausforderung
48.9 Pflichten gegenüber der alternden Gesellschaft als ethische Herausforderung
48.10 Trauerrituale und Trauerbegleitung in verschieden Religionen
48.11 Sexualisierte Gewalt als ethische Herausforderung
48.12 Kindeswohlgefährdung vs. Elternrecht
48.13 Menschenbilder im Kontext der Sozialen Arbeit
48.14 Vorurteile und Diskriminierungen aus ethischer Perspektive
48.15 Der Anti-Bias-Ansatz als Konzept in der Sozialen Arbeit
48.16 Kirchliche Träger als potentielle Arbeitgeber – Leitbilder und Arbeitsverträge
48.17 Organspende als ethische Herausforderung
48.18 Chancen und ethische Grenzen moderner Reproduktionsmedizin
48.19 Recht auf sexuelle Selbstbestimmung – LGBTQIA+
48.20 Lebenssituation von Studierenden während und nach der Pandemie
48.21 Künstliche Intelligenz als ethische Herausforderung
48.22 Ethische Spannungsfelder in der Psychiatrie
48.23 Menschenwürde als Fundamentalwert Sozialer Arbeit
48.24 Sterbehilfe und assistierter Suizid als ethische Herausforderung
48.25 Spiritualität und Wahrung der Integrität in der Sozialen Arbeit
48.26 Schwangerschaftskonfliktberatung als ethische Herausforderung
48.27 Antisemitismus und Soziale Arbeit
48.28 Interreligiöse Ethik
48.29 Interkulturelle Ethik – Sea-Eye und das Sterben auf dem Mittelmeer
Literaturverzeichnis
Das vorliegende Lehrbuch bietet Studierenden der Sozial- und Gesundheitswissenschaften eine fundierte Einführung in die ethischen Grundlagen sowie praxisrelevanten Diskurse (Angewandte Ethik) ihres Fachgebiets. Anhand konkreter Fallbeispiele und ethischer Dilemmata aus dem Berufsalltag werden zentrale Fragen der Professionsethik behandelt.
Ethische Kompetenzen gehören neben fachlichen, digitalen, persönlichen, sozialen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen zu den Future Skills, die in den folgenden Jahren enorm an Bedeutung gewinnen werden. Die Studierenden benötigen diese Kompetenzen, um in einer immer komplexer werdenden und unsicher werdenden Lebens- und Berufswelt bestehen zu können.
Gleich zu Beginn wird verdeutlicht, dass Soziale Arbeit und Gesundheitsberufe im Kern ethische Professionen sind, die sich moralischen Verpflichtungen unterwerfen. Ihr Handeln betrifft stets Menschen in vulnerablen Situationen.
Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Vermittlung anthropologischer, philosophischer und ethischer Grundkompetenzen, da diese die Fundamente für professionelle Praxis in Sozialer Arbeit und Gesundheitsberufen bilden. Studierende der Sozial- und Gesundheitswissenschaften betonen im Rahmen der Lehrveranstaltungen »Ethik in der Sozialen Arbeit« und »Anthropologische und ethische Grundlagen«, dass der Weg zur Profession nur über eine Berufsethik führt. Dieses Bewusstsein wird im Kontext dieser Lehrveranstaltungen geschaffen, so die Studierenden im Rahmen der regelmäßigen Evaluationen, die von Hochschulseite regelmäßig durchgeführt werden. Die Gliederung und der gesamte Aufbau des Lehrbuchs orientieren sich an den Bedürfnissen der Studierenden, um möglichst unkompliziert durch das Buch navigieren zu können. Der Theorie-Praxis-Bezug ist ein weiteres zentrales Anliegen des Autors, damit sich Studierende auf Studienarbeiten, Klausuren und die spätere Berufspraxis umfassend vorbereiten können.
Die Studierenden erhalten einen Überblick über wichtige ethische Ansätze wie Utilitarismus, Pflichtenethik und Tugendethik sowie deren Bedeutung für Soziale Arbeit und Gesundheitsberufe. Vertieft werden ethisch-moralische Aspekte anhand der Themenfelder Menschenbilder, Menschenwürde, Codes of Ethics und Menschenrechte.
Weitere Kapitel widmen sich ethischen Herausforderungen in der praktischen Arbeit, etwa durch interkulturelle Kontexte, Rollenkonflikte oder ökonomische Zwänge.
Aktuelle ethische Themen wie Friedensethik, Klimaprotestaktionen, Digitale Ethik: KI, Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Interkulturelle und interreligiöse Ethik, werden mit Hilfe einer vom Autor entwickelten »Kompetenzorientierten Diskursmatrix« für professionsethische Diskurse mit Studierenden praxisbezogen aufbereitet. Diesen pädagogisch-didaktischen Ansatz hat der Autor auf der Grundlage seiner langjährigen Expertise als Lehrender mit Lernenden (weiter-)entwickelt. Dazu gehört auch der interdisziplinäre Dialog.
Anhand von berufsbezogenen Fallbeispielen üben die Studierenden, ethische Dilemmata zu analysieren und begründete Urteile unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven zu treffen.
Das Lehrbuch vermittelt ein solides Grundverständnis der Angewandten Ethik sowie die analytischen und reflexiven Kompetenzen, die für verantwortliches, wertebasiertes Handeln in Sozialer Arbeit und Gesundheitsberufen als ethische Professionen unerlässlich sind.
Oktober 2023
Dr. Markus Seibt
»Die tiefste Hilfe, die ein Fürsorger geben kann, liegt nicht so sehr in dem, was er tut, als in dem, was er ist.« Alice Salomon (1928)
Dieses Zitat von der Begründerin der Sozialen Arbeit in Deutschland, Alice Salomon, verweist auf die große Bedeutung der professionellen Haltung und des Seins von Sozialarbeiter*innen. Nach meinem Verständnis sagt es aus, dass die Qualität der Hilfe, die Sozialarbeiter*innen leisten, nicht nur von ihren Handlungen und Interventionen abhängt. Mindestens genauso wichtig ist die innere Einstellung der Fachkraft – ihre Werte, ihr Mitgefühl, ihre Empathie und ihr Bemühen um die Würde des Gegenübers.
Salomon betont, dass echte und nachhaltige Hilfe nur möglich ist, wenn Sozialarbeiter*innen selbst integer und mitfühlend sind. Techniken und Methoden allein genügen nicht. Vielmehr braucht es eine professionelle Haltung, die geprägt ist von Wertschätzung, Respekt und dem Willen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit. So verstanden erinnert das Zitat daran, dass die Personalität und das Sein von Sozialarbeiter*innen einen essenziellen Teil ihrer Professionalität und Hilfekompetenz ausmachen. Ethisch gute Soziale Arbeit ist dabei untrennbar mit der Persönlichkeit der Fachkraft verbunden. Eine exzellente Hochschulausbildung sollte nicht nur Fachwissen vermitteln. Vielmehr gehören u.a. Persönlichkeitsbildung und ethische Grundlagen zu den Schlüsselqualifikationen.
Das Zitat von Alice Salomon lässt sich auch auf die Gesundheitsberufe übertragen.
Auch in der Pflege, der Physio- und Logotherapie oder in anderen medizinischen Berufen kommt es entscheidend auf die innere Haltung der jeweiligen Fachkraft an. Medizinisches Wissen allein reicht nicht aus. Es braucht den aufrichtigen Willen, Patient*innen als Menschen gerecht zu werden, um sie ganzheitlich zu unterstützen. Die »tiefste Hilfe« liegt also auch im Gesundheitswesen in dem, »was die Helferin oder der Helfer ist«. Für die professionelle Identität in den Gesundheitsberufen bedeutet dies, dass neben fachlicher Qualifikation vor allem eine ethische Grundhaltung zentral ist. Werte wie Mitmenschlichkeit, Respekt, Achtsamkeit und Verantwortung sind gefragt. Nur wenn diese innere Einstellung stimmt, kann die geleistete Hilfe tatsächlich heilsam und unterstützend wirken.
Die Anthropologie, also die Lehre vom Wesen des Menschen, kann einen wichtigen Beitrag zur professionellen Selbstreflexion in der Sozialen Arbeit und in Gesundheitsberufen leisten.
Die Soziale Arbeit und die Gesundheitsberufe haben es in ihrem Kern mit dem Menschen und den vielfältigen menschlichen Lebenslagen zu tun. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, braucht es ein fundiertes Verständnis der conditio humana, also der grundlegenden Bedingungen menschlicher Existenz. Hier kann die Anthropologie wichtige Impulse liefern, indem sie die Sozial- und Gesundheitswissenschaften dabei unterstützt, differenzierte und nicht verkürzende Menschenbilder zu entwickeln. Sie sensibilisiert für die Vielschichtigkeit menschlicher Bedürfnisse und Verwundbarkeiten. Für die praktische Arbeit bedeutet dies: Sozialarbeiter*innen und Menschen in Gesundheitsberufen sollten sich kontinuierlich anthropologisches Wissen über den Menschen aneignen, um ein tieferes Verständnis für ihre Klient*innen zu entwickeln.
Die kritische Reflexion des eigenen Menschenbildes unter Rückgriff auf Einsichten der Anthropologie kann helfen, der Komplexität der Adressat*innen gerecht zu werden und wertschätzend statt bevormundend zu agieren.
Eine Studie von Iris Kohlfürst untersucht, warum Ethik in der Sozialen Arbeit für die Ausbildung von Studierenden so wichtig ist: In der Sozialen Arbeit besteht aufgrund des intensiven Eingriffs in die Lebenswelt von Menschen ein großes ethisches Spannungsfeld. Einerseits soll den Adressat*innen geholfen werden, andererseits greift die Profession oft tief in das Leben dieser ein, was auch schaden kann. Um diesen Spagat zwischen Hilfe und Kontrolle auszubalancieren, braucht es ethische Orientierung. Die Studie zeigt jedoch, dass es in der Praxis häufig zu Verstößen gegen zentrale Ethikrichtlinien kommt, z.B. Grenzüberschreitungen oder Vernachlässigung von Klient*innen. Solche Verstöße können für die Betroffenen schwerwiegende Folgen haben. Als Ursachen für ethisch fragwürdiges Verhalten identifiziert die Studie Wissensdefizite, problematische Einstellungen der Fachkräfte sowie unzureichende Arbeitsbedingungen. Hier setzt die Bedeutung von Ethik in Aus- und Weiterbildung an: Durch fundierte Vermittlung ethischer Grundlagen und durch Praxisreflexion lässt sich die Sensibilität und Urteilsfähigkeit stärken. Studierende müssen lernen, wie sie später ethisch verantwortlich handeln können.
Auch in der Berufspraxis selbst muss Raum für ethische Reflexion geschaffen werden, um die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu verringern. Nur wenn ethischen Fragen hohe Priorität eingeräumt wird, kann professionelles Handeln gelingen, das die Würde und Rechte der Adressat*innen wahrt. Die Studie macht somit deutlich: Ethik ist kein Orchideenfach, sondern Herzstück der Profession. Sie muss im Zentrum des Hochschulstudiums und in der Weiterbildung stehen, um die Adressat*innen wirksam und verantwortungsvoll zu unterstützen. Anthropologie, Philosophie und Ethik sind deshalb für die Fundierung dieser Berufsfelder extrem wichtig.
Abbildung 1: Professionsethische Grundlagen und Reflexionen (eigene Darstellung)
Die Soziale Arbeit ist in ihrem Kern eine ethische Profession. Ziel der Sozialen Arbeit ist es, das Wohl und die Autonomie von hilfebedürftigen Menschen zu fördern. Dabei orientiert sie sich an humanistischen Werten wie Menschenwürde, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität. Dies erfordert von Sozialarbeiter*innen ein hohes Maß an reflexiver Praxis.
Ein wichtiger ethischer Kodex ist die transparente und vertrauensvolle Interaktion mit Klienten. Vertraulichkeit und Datenschutz sind zu wahren, es sei denn, dies steht im Konflikt mit dem Schutzbedürfnis Dritter. In Entscheidungsprozessen sind die Perspektiven aller Beteiligten einzubeziehen. Machtgefälle zwischen Sozialarbeiter*innen und Klient*innen sollten reflektiert und kritisch hinterfragt werden.
Häufig entstehen ethische Dilemmata durch Zielkonflikte, etwa zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge. Oftmals stehen ökonomische Zwänge einer optimalen Unterstützung der Klienten entgegen. Hier gilt es, im Einzelfall abzuwägen und die bestmögliche Lösung im Sinne der Klienten zu finden. Ethisch integer zu handeln bedeutet also, professionelle Werte zu verinnerlichen und im Arbeitsalltag immer wieder aufs Neue danach zu streben.
Die Soziale Arbeit definiert sich als wertegeleitete Profession, deren Handeln auf einem normativen Fundament basiert. Das Ziel sozialarbeiterischen Tuns ist es, benachteiligte und hilfebedürftige Menschen bei der Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Teilhabe zu unterstützen. Dabei versteht sich die Profession als Partei der Schwächeren in der Gesellschaft. Die Beziehung zu den Klient*innen ist geprägt von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen. Wichtig sind eine verlässliche, transparente Kommunikation sowie die Wahrung der Privat- und Intimsphäre. Entscheidungen werden idealerweise partizipativ getroffen, wobei unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es einer kontinuierlichen kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis sowie der Weiterentwicklung ethischer Kompetenzen. Bereits in der Ausbildung müssen ethische Fragestellungen thematisiert werden. Fort- und Weiterbildungen sind ebenso wichtig wie ein offener Diskurs innerhalb der Profession sowie mit anderen Akteuren.
Die Professionsethik dient als Kompass, der Orientierung gibt, aber auch die Komplexität der Praxis widerspiegelt. Sie muss immer wieder an neue Bedingungen angepasst und mit Leben gefüllt werden. Auf diese Weise kann die Soziale Arbeit ihren Anspruch als ethische Profession stärken und ihr Handeln auf ein tragfähiges normatives Fundament stellen. Die Professionsethik ist damit integraler Bestandteil der Identität und des Kernauftrags Sozialer Arbeit.
Professionelles sozialarbeiterisches Handeln sollte folgendermaßen aussehen:
Rassismuskritisch und menschenrechtsorientiert: Sozialarbeiter*innen sollten wie die Menschenrechtsaktivistin und Professorin für Soziale Arbeit Prasad betont, Rassismus und Diskriminierung aktiv entgegentreten. Ihr Handeln sollte die universelle Gültigkeit der Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen.
Machtsensibel: Sozialarbeiter*innen müssen sich ihrer Machtposition gegenüber Klient*innen bewusst sein und diese reflektieren. Sie sollten ihre Macht zum Wohle der Klient*innen einsetzen und Machtasymmetrien vermeiden.
Intersektional: Verschiedene Diskriminierungsdimensionen wie Race, Class und Gender sollten in ihrer Wechselwirkung betrachtet werden, um intersektionale Benachteiligungen zu erkennen.
Diskriminierungsfrei: Weder direkte noch indirekte Diskriminierung oder ungerechtfertigte Bevorzugung sollten eine Rolle spielen.
Professionell: Sozialarbeiter*innen sollten über die nötige Fachkompetenz, Reflexivität und ein professionelles Selbstverständnis verfügen, um adäquat zu handeln.
Vorbildcharakter: Als Profession kommt Sozialer Arbeit eine gewisse Vorbildfunktion für antidiskriminierende und menschenrechtsorientierte Haltungen und Handlungen zu.
Die kontinuierliche kritische Reflexion des eigenen Tuns ist wichtig, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden und die Professionsethik weiterzuentwickeln. Als Sozialarbeiter*in gibt es verschiedene Möglichkeiten, um professionsethisch zu handeln:
Sozialpolitisches Engagement: Sich für gerechtere Rahmenbedingungen und Verbesserungen im Sozialbereich einsetzen, z.B. durch Demonstrationen, Petitionen oder die Mitarbeit in Verbänden.
Verletzungen der Professionsethik aufzeigen: Missstände und unethisches Verhalten benennen und öffentlich machen, ggf. auch mit Hilfe von Whistleblowing.
Kolleg*innen und Gesellschaft sensibilisieren: Über Ethik sprechen, für Werte wie Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit sensibilisieren.
Ziviler Ungehorsam: Bei unmoralischen Vorgaben und ungerechten Gesetzen über gewaltfreien zivilen Ungehorsam nachdenken.
Widersetzen gegen unethische Vorgaben: Illegitime und unmenschliche Anweisungen kritisch hinterfragen und ggf. verweigern.
Aneignung von Handlungswissen: Durch Studium und Fortbildungen ethische Grundlagen und Handlungskompetenzen erwerben.
Reflexion der eigenen Handlungen: Im kollegialen Austausch und durch Feedback ethische Urteilsbildung vollziehen.
Durch kritisches Hinterfragen, zivilcouragiertes Handeln und ethische Reflexion lässt sich Soziale Arbeit auf professionelle Werte zurückbesinnen.
Die Ziele und Aufgaben der Sozialen Arbeit leiten sich aus den grundlegenden Menschenrechten ab, wie sie etwa in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgeschrieben sind.
Soziale Arbeit hat den Auftrag, die Verwirklichung dieser Rechte für alle Menschen zu fördern – insbesondere für benachteiligte und ausgegrenzte Gruppen.
Sozialarbeiter*innen sind sich der menschenrechtlichen Dimension ihrer Arbeit bewusst und beziehen eine explizit menschenrechtliche Perspektive ein. Das umfasst das Empowerment von Klient*innen zur Wahrnehmung ihrer Rechte, die Identifikation von Menschenrechtsverletzungen sowie Lobbyarbeit.
Soziale Arbeit als Profession ist dabei unabhängig und tritt ein für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte. Menschenrechtliche Prinzipien wie Gleichheit, Partizipation, Inklusion und Nicht-Diskriminierung bilden den ethischen Kompass sozialarbeiterischen Handelns.
Wichtige ethische Leitlinien sozialarbeiterischen Handelns sind die Achtung der Selbstbestimmung und Würde jedes Einzelnen sowie die Förderung von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit. Versteht man Soziale Arbeit auf diese Weise, rücken Menschenrechte ins Zentrum der professionellen Identität.
Die Menschenwürde hat eine lange philosophische Tradition, wurde aber erst im 20. Jahrhundert zu einem zentralen Bezugspunkt der Menschenrechte und des Rechtsstaats.
Bereits der römische Philosoph Cicero definierte Würde als angemessenes Verhalten gemäß der eigenen Rolle und Stellung. Im christlichen Mittelalter wurde die Würde aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen abgeleitet und mit moralischen Pflichten verbunden.
Erst in der Moderne wurde die Menschenwürde eng mit den Menschenrechten verknüpft. Während die Menschenrechte lange metaphysisch oder naturrechtlich begründet wurden, erfolgte eine Rückbindung an die Menschenwürde erst im 20. Jahrhundert. So findet sich der Begriff erstmals 1919 in der Weimarer Reichsverfassung.
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1945 blieb der Bezug zur Menschenwürde noch unscharf. Für Kant gründet Menschenwürde in der Fähigkeit zum vernünftigen Handeln, die dem Menschen »unvergleichlichen Wert« verleiht.
In Deutschland wurde die Menschenwürde 1949 als unantastbar in Artikel 1 des Grundgesetzes verankert. Dies bildet die Grundlage eines auf Freiheit und Gleichheit basierenden Rechtsstaats.
Für die Soziale Arbeit ergibt sich daraus die ethische Verpflichtung, die Würde jedes Menschen zu achten und zu schützen. Die Orientierung an der Menschenwürde ist ein essentielles Merkmal professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit. Die Achtung vor dem Klienten als gleichwertigen Menschen auf Augenhöhe ist Grundlage der Beziehung. Die Menschenwürde hat heute Verfassungsrang und ist Kern der professionellen Haltung Sozialer Arbeit.
Der Berufsverband der Sozialen Arbeit, DBSH, hat einen Ethikkodex formuliert, der zentrale Werte und Prinzipien sozialarbeiterischen Handelns zusammenfasst:
Achtung der Würde und Autonomie von Klienten
Förderung von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität
Schutz der Privat- und Intimsphäre von Klienten
Gebot der Verschwiegenheit und des Datenschutzes
Verbot der Diskriminierung und parteiliche Parteinahme für Benachteiligte
Kontinuierliche fachliche Weiterentwicklung der eigenen Qualifikationen
Offenlegung und Reflexion dilemmatischer Entscheidungssituationen
Kritische Auseinandersetzung mit Strukturen und Verfahrensweisen der eigenen Institution
Der Internationale Verband der Sozialarbeit (IFSW) hat ebenfalls einen international anerkannten Ethikkodex entwickelt:
Soziale Arbeit basiert auf den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechte, gemeinsamer Verantwortung und Achtung von Diversität.
Sozialarbeiter*innen unterstützen und befähigen Menschen, ein erfülltes Leben zu führen, und setzen sich für die Verbesserung sozialer Bedingungen ein.
Sie respektieren die Würde und Selbstbestimmung der Menschen, mit denen sie arbeiten.
Sie fördern sozialen Wandel und Problemlösungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene.
Sie entwickeln ihre fachlichen Kompetenzen kontinuierlich weiter und übernehmen Aufgaben für die sie qualifiziert sind.
Sie sind transparent, integer und verantwortlich im Umgang mit ihrer Macht und ihrem Einfluss.
Sie treten Ungerechtigkeit und Diskriminierung entgegen und setzen sich für soziale Inklusion ein.
Dieser Ethikkodex gibt internationale Mindeststandards vor, an denen sich Sozialarbeiter*innen orientieren sollen. Er ist Ausdruck des ethischen Selbstverständnisses des Berufsstandes weltweit.
Im Kontext der Berufsethik sind Empathie, Mitgefühl, Nächstenliebe und Altruismus zentrale Aspekte. Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ihre Gedanken und Gefühle zu verstehen und nachzuempfinden. Sie ist eine wichtige Grundlage für soziale Berufe. Mitgefühl bedeutet, Anteil zu nehmen am Leid anderer und den Wunsch zu haben, dieses aktiv zu lindern. Es geht über bloßes Mitleiden hinaus.
Nächstenliebe meint die selbstlose Hinwendung und Hilfsbereitschaft gegenüber den Mitmenschen. In verschiedenen Religionen spielt sie eine zentrale Rolle.
Altruismus ist eine Weltanschauung, die das Wohl anderer über das eigene Wohl stellt und uneigennütziges Handeln propagiert.
Diese Konzepte bilden eine ethische Grundhaltung, die in helfenden Berufen unverzichtbar ist. Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit sollten Sozialarbeiter*innen auszeichnen. Sie stellen die Bedürfnisse der Klienten in den Mittelpunkt und handeln zum Wohl anderer. Deshalb führt der Weg zur Profession der Sozialen Arbeit nur über eine Berufsethik.
Die Soziale Arbeit ist eine Profession, die sich ethischen Grundsätzen verpflichtet hat. Ethische Überlegungen bilden die Basis für Werthaltungen, Prinzipien und Handlungsorientierungen in der Sozialen Arbeit. Zu den zentralen ethischen Prinzipien zählen:
Die Achtung der Menschenwürde und Selbstbestimmung der Klienten
Die Förderung von Gerechtigkeit und Solidarität