Professor Zamorra 1161 - Christian Schwarz - E-Book

Professor Zamorra 1161 E-Book

Christian Schwarz

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Beschreibung

Sabine König ging durch die Hölle. Den ganzen Tag hatte sie am Bett ihres schwer verunglückten Mannes Marco gewacht. Angespannt fixierte sie das EEG-Gerät. Die grün leuchtende Spannungskurve war normal. Schlagartig riss sie nach oben aus. Sabine fuhr herum. Marco lag noch immer da. Aber sie blickte nicht mehr in sein Gesicht. Es hatte sich verändert. Eine Frau mit unglaublich bösartigem Blick starrte sie an! Sabine König presste die Fäuste vor den Mund und schrie ihr Grauen hinaus ...

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Dunkle Geliebte

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Kiselev Andrey Valerevich / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7346-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Dunkle Geliebte

von Christian Schwarz

Ravensburg, Oberschwabenklinik, Intensivstation

Sabine König ging durch die Hölle. Den ganzen Tag hatte sie am Bett ihres schwer verunglückten Mannes Marco gewacht. Angespannt fixierte sie das EEG-Gerät. Die grün leuchtende Spannungskurve war normal. Schlagartig riss sie nach oben aus. Sabine fuhr herum. Marco lag noch immer da. Aber sie blickte nicht mehr in sein Gesicht. Es hatte sich verändert. Eine Frau mit unglaublich bösartigem Blick starrte sie an! Sabine König presste die Fäuste vor den Mund und schrie ihr Grauen hinaus.

Prag, Tschechische Republik

Maureen Reddy schlenderte mit drei Dutzend anderen Touristen durch das Goldene Gässchen in der Prager Burg. Die Vierzigjährige aus Glasgow war glücklich über ihren ersten richtigen Urlaub seit vielen Jahren. Eric, ihr Mann, war mit seiner Arbeit verheiratet und bisher nicht dazu bereit gewesen, mal mit ihr zu verreisen. Bis sie ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und mit Scheidung gedroht hatte. Erst da war er aufgewacht.

Die Schottin blieb stehen und schaute sich um. Eric war nicht zu sehen. Er hing in dem kleinen Turm am Ende der Gasse fest, in dem neben einer Alchimistenstube eine große Sammlung von Ritterrüstungen untergebracht war. Viel mehr noch faszinierten ihn aber die handgroßen Ritterfiguren aus Plastik, die man kaufen konnte, das war ihr völlig klar. Eric sammelte diesen Krimskrams fast fanatisch und widmete ihm neben der Arbeit am meisten Zeit.

Maureen beschloss, nicht auf ihn zu warten. Irgendwann würde er schon wieder aufschließen. Sie ging über die schmale, kopfsteingepflasterte Gasse und betrachtete die elf kleinen bunten Häuschen, die förmlich an der Innenseite der Wehrmauer klebten, Wand an Wand, ohne Zwischenraum, in verschiedenen Stockhöhen und mit Steinkaminen ausgestattet. Ein wenig wirkte das Goldene Gässchen wie ein Ausflug ins Spielzeugland auf sie.

Sie betrat einen Souvenirladen, stöberte ein wenig und ging wieder hinaus auf die Gasse. Eric drückte sich gerade an einem älteren Ehepaar vorbei und schaute sich suchend um. Maureen winkte. Er winkte zurück und kam grinsend näher. Sportlich sah er aus in Jeans, Kragenshirt und Windjacke. Und vor allem sehr gut, ein wenig wie der Schauspieler Pierce Brosnan, was man ihm auch schon öfters bestätigt hatte. Maureen war stolz, dass eine Gruppe junger Mädchen hinter ihm herschaute, tuschelte und kicherte.

»Ah, Darling, da bist du ja«, sagte er und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ab jetzt bin ich wieder ganz für dich da. Hast du auch was Schönes gefunden?«

Sie schmiegte sich an ihn, als er seinen Arm um ihre Hüfte legte. »Nein, bisher nicht. Und du? Welchen Ritter hast du gekauft?«

»Nun, ich muss gestehen, dass ich mich nicht entscheiden konnte …«

»Da hast du beide genommen.«

»Äh, nun ja, drei sogar. Die waren auch ziemlich billig.«

»Na, da bin ich aber froh.« Sie steckte ihre linke Hand in seine Gesäßtasche. »Dann zeig doch mal, was du da erstanden hast.«

Er sah sie verblüfft an. »Seit wann interessierst du dich für meine Sammelobjekte?«

»Seit du dich entschlossen hast, einen gemeinsamen Urlaub mit mir zu machen. Und mit Prag hast du den Nagel auch gleich noch auf den Kopf getroffen. Es ist wirklich sagenhaft hier.«

Sie gingen ins Café Franz Kafka auf der gegenüberliegenden »Straßenseite«. Bei einem Cappuccino präsentierte Eric ihr seine Schätze, die er sorgfältig aus dem Papier wickelte. Er stellte die beiden Ritter zu Pferd gegeneinander und die Königsfigur daneben. Dann legte er seinen Zeigefinger auf den linken.

»Schau mal, der hier ist böhmisch und stammt aus dem siebzehnten Jahrhundert, als sich die böhmischen Stände gegen den Kaiser des Römischen Reichs erhoben. Wenn mich nicht alles täuscht, war das Matthias. Und was begann damit?«

»Du meinst sicher den Dreißigjährigen Krieg, oder?«

Eric nickte. »Genau …« Er erzählte ihr einige Zusammenhänge, die sie aber wenig interessierten. Sie hörte trotzdem zu. Anschließend betraten sie das blau gestrichene Haus mit der Nummer 22, in dem der böhmische Schriftsteller Franz Kafka zwischen 1916 und 1917 an seinen Werken gearbeitet hatte. Maureen hatte das im Reiseführer gelesen, der Name sagte ihr nichts. Heute beherbergte das Haus einen Postkarten- und Souvenirshop, und auch Maureen wollte sich noch mit einigen Andenken eindecken.

In dem engen, muffig riechenden Laden standen zwei junge Japanerinnen vor dem Postkartenständer und diskutierten aufgeregt. Die Reddys drückten sich an ihnen vorbei und gingen zur Souvenirvitrine, die vor Magneten, Krügen und allerlei anderen Gegenständen mit Prager Sehenswürdigkeiten fast platzte. Der Verkäufer stand hinter der seitlichen Vitrine und lächelte sie auffordernd an. Eric ignorierte ihn vollkommen.

Hinter der Vitrine gab es eine offenstehende Tür, die in ein Hinterzimmer führte. Maureen blickte zufällig hinein. Plötzlich stand die Frau in der Tür. Maureen erschrak. Sie hatte sie zuvor nicht gesehen und hätte schwören können, dass sie aus dem Nichts erschienen war.

Die Fremde wirkte unheimlich. In ihren Augen glänzte etwas abgrundtief Böses, als sie Maureen fixierte. Die Schottin bekam Angst. In diesem Moment trat Eric neben sie.

»Was ist denn das für eine«, entfuhr es ihm. Er grinste und nickte kurz in ihre Richtung. Nun fixierte sie ihn, ohne seinen Gruß zu erwidern. »Wahrscheinlich so eine Schauspielerin, die sie in mittelalterliche Kostüme stecken, um ein bisschen Folklore für die Touristen zu machen …«

Tatsächlich hatte die Fremde ein schwarzes Brokatkleid an, wie es typisch für das 17. Jahrhundert gewesen war. Es reichte bis zu den Knöcheln und den Gelenken. Darunter trug sie ein Korsett, das ihre Taille fast wespenhaft schmal erscheinen ließ, zumal sie ohnehin ein hagerer Typ zu sein schien. Aus dem mächtigen weißen Mühlsteinkragen, der von einem Drahtgestell gehalten wurde, schaute ein schmaler, lang gezogener Kopf, der Maureen ein wenig an ein Pferd erinnerte und durchaus auch das Gesicht eines jungen Mannes hätte sein können, so androgyn wirkte es. Ihr fielen zudem die langen, schwarz lackierten Fingernägel auf.

Die Frau trat aus der Tür und stand nun hinter der Vitrine, Eric direkt gegenüber. Maureen hörte den Verkäufer etwas sagen, das sie nicht verstand. Er redete Tschechisch. Anscheinend sprach er zu der Frau, die aber nicht auf ihn reagierte. Als Maureen kurz den Kopf wandte, sah sie, wie er sich in Bewegung setzte und mit zornigem Blick auf die mittelalterlich Gekleidete zuging. Gleichzeitig wurde Maureen die Eiseskälte im Shop bewusst, die schlagartig eingesetzt hatte. Aber an der Kälte war etwas, das sich nicht richtig anfühlte, ohne dass Maureen hätte sagen können, was es war.

Die Fremde sprach Eric plötzlich an. Es klang dumpf und kehlig, fast wie aus einem Grab. Und extrem aggressiv. Auch sie schien Tschechisch zu sprechen.

»Bitte, was?«, fragte Eric in seiner Muttersprache. »Sprechen Sie vielleicht Englisch?«

Sie wiederholte ihre Worte, die nach einer Frage klangen. Jetzt war der Verkäufer heran. Er sprach die Fremde erneut an. Wieder reagierte sie nicht auf ihn. Da fasste er sie am Oberarm. Die Fremde fuhr herum. Blitzschnell legte sie ihm die rechte Handfläche auf die Brust. Und stieß ihn von sich!

Maureen erstarrte. Nicht nur wegen des Angriffs an sich. Auch wegen der Kraft, die die Fremde entwickelte. Der Verkäufer taumelte nicht nur nach hinten, er wurde förmlich wegkatapultiert! Wie ein Geschoss krachte er gegen die Wand. Es knirschte hässlich, als irgendwelche Knochen brachen. Mit einem Stöhnen rutschte der Mann langsam an der Wand herunter. Blut lief ihm aus dem Mund.

Hohe schrille Schreie ertönten. Nun ging alles so schnell, dass Maureen dem Geschehen kaum folgen konnte. Die Hand der Düsteren schoss über die Vitrine und bekam Eric am Hemdkragen zu fassen. Als wäre er nur eine Spielzeugpuppe, zog sie ihn über die Vitrine und warf ihn durch die Tür in den Nebenraum. Stöhnend blieb er auf dem Bauch liegen.

Die schrillen Schreie hielten an. Maureen begriff nicht, dass auch sie es war, die ihr Entsetzen hinausschrie, unfähig, sich zu rühren.

Die Düstere drehte sich und folgte Eric in den Nebenraum. Maureen sah wie durch einen Schleier, dass sie ihn mit nur einer Hand vom Boden hochzog und mit ihm im toten Winkel des Zimmers verschwand.

Zwei junge Männer drängten sich in den Souvenirshop. Gleichzeitig ertönte Erics schriller Schrei. Das brachte Maureen zu sich. Egal, wer die Düstere auch immer war, sie musste ihrem Mann helfen! Die Schottin zwängte sich in einen schmalen Durchgang zwischen den Vitrinen. Ihr Herzschlag raste, als sie das Nebenzimmer betrat. Eric lag verkrümmt auf dem Boden. Der Kopf war seltsam verdreht. Die blicklosen Augen starrten direkt in ihre Richtung.

Die Düstere stand neben Eric. Aber Maureen konnte sie kaum noch wahrnehmen. Sie wirkte wie eine Nebelgestalt, die in diesem Moment vollends verblasste und verschwand!

Maureen hatte einen Geist gesehen!

Einen mordenden Geist!

Als Schottin glaubte sie ohnehin an die Existenz von Geistern, aber das hier war zu viel. Lautlos sank sie zusammen. Eine gnädige Bewusstlosigkeit nahm sie auf.

***

Prag, 20. Mai 1618

Maria von Bentheim-Tecklenburg drückte sich hinter die Tür, um zu lauschen. Wäre sie tatsächlich die Magd gewesen, die sie vorgab zu sein, wäre ihr Verhalten höchst ungebührlich gewesen. Aber Maria von Bentheim-Tecklenburg war keine Magd. Sie war eine Jägerin. Und ihrer Beute jetzt ganz nahe.

Agnes Gräfin von Thurn hatte sie in ihre Dienste genommen, im guten Glauben, dass sie tatsächlich eine Bedienstete sei. Obwohl von edlem Stand, konnte Maria die Tätigkeiten eines Dienstmädchens dennoch geschickt durchführen, was ihr beim Erschleichen der Position entscheidend geholfen hatte. Zudem besaß Maria noch andere Vorzüge, die niemand hinter einer Frau vermuten würde.

Im geräumigen Wohnzimmer des Prager Stadthauses der Familie von Thurn waren vier Personen versammelt, die erregt miteinander sprachen. Das heißt, es sprachen nur drei, die Männer, während die Gräfin von Thurn abseits in einer Ecke bei ihren Zierkissen saß und im Licht einer Laterne ein neues nähte.

»Es gibt keine Alternative, wenn die böhmischen Stände ihre Religionsfreiheit behalten wollen«, sagte Hans von Hohenberg gerade eindringlich. »Die Stände, so sie dem protestantischen Glauben zugehörig sind, müssen sich geschlossen gegen König Ferdinand von Böhmen erheben.«

Einen Moment herrschte atemlose Stille.

»Aber wenn wir das tun, erheben wir uns gegen das gesamte Heilige Römische Reich«, erwiderte Wenzel Wilhelm von Roupov, ein böhmischer Adliger. »Denn Kaiser Matthias steht wie ein Wall hinter dem verwerflichen Tun von König Ferdinand.«

»Ja«, bestätigte Heinrich Graf von Thurn-Valsassina, der Besitzer des Hauses und ebenfalls dem böhmischen Adel zugehörig. »Matthias und Ferdinand sind erzkatholische Fanatiker, sie hassen den Majestätsbrief geradezu, in dem Kaiser Rudolf im Jahre 1609 den Böhmischen Brüdern Religionsfreiheit gewährte. Trotzdem hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die beiden katholischen Hunde die protestantische Kirche in Klostergrab dem Erdboden gleichmachen lassen und die Kirche des heiligen Wenzels in Braunau schließen …«

Maria hörte ihn schwer atmen.

»Und das ist erst der Anfang«, fuhr Graf von Thurn mit erhobener Stimme fort. »Die Katholische Liga wird den Böhmischen Brüdern all das wieder nehmen, was wir uns erkämpft haben, und alle die, die den katholischen Glauben nicht annehmen wollen, als Ketzer verfolgen. Dem müssen wir zuvorkommen, lieber Wenzel. Lasst uns jetzt, da die Empörung allgemein groß ist und das Römische Reich nicht mit einem Aufstand unsererseits rechnet, den Fehdehandschuh werfen.«

»Die Habsburger sind stark. Wir könnten unterliegen.«

»Wir können alles verlieren, aber auch alles gewinnen, wenn wir nur mutig und entschlossen sind«, mischte sich nun Hans von Hohenberg wieder ein. »Und ich bin sicher, dass wir gewinnen werden.«

»Das Gesinde redet schon seit Wochen von nichts anderem mehr als davon, dass es einen Krieg geben könnte«, vernahm Maria nun überraschenderweise die Stimme der Gräfin von Thurn. »Das einfache Volk ist gegen einen Aufstand. Das betrifft auch die Leute, die sich dem protestantischen Glauben zugehörig fühlen, denn das böhmische Volk in seiner Gesamtheit fürchtet den Krieg und das Elend, das er mit sich bringt. Das ist es, was ich höre. Auch das solltet Ihr bei Eurer Entscheidungsfindung bedenken, mein lieber Mann.«

»Papperlapapp«, erwiderte von Hohenberg anstelle des Grafen von Thurn scharf. »Was verstehen Weibsbilder schon von Politik? Nicht das Geringste, selbst wenn sie von hohem Stand sind. Schuster bleib bei deinen Leisten … Und was geht uns das gemeine Volk an? Einfache Leute sind im Allgemeinen dumm wie Bohnenstroh. Man darf nichts auf ihre Meinung geben.«

»Ihr solltet Euch mit solchen Dingen tatsächlich nicht belasten, meine liebe Frau«, unterstützte ihn von Thurn in ähnlich scharfem Ton. »Davon versteht Ihr tatsächlich nichts.«

»Kaiser und König glauben nicht, dass wir aufstehen werden, denn in ganz Böhmen ist kein Soldat unter Waffen«, schob von Hohenberg hinterher. »Aber das lässt sich rasch ändern, wenn wir erst einmal damit anfangen, Regimenter auszuheben. Bis die in Wien reagieren, die ohnehin als wenig entschlussfreudig und träge verschrien sind, haben wir längst das Heer, das wir brauchen.«

»Ich weiß nicht …«, murmelte von Roupov.

»Wollt Ihr als Zauderer in die Geschichte eingehen, Wenzel?«, fragte Graf von Thurn und es klang fast empört. »Bis vor wenigen Tagen dachte ich wie Ihr, aber nun hat mein teurer Freund Hans mich überzeugt, dass ein Aufstand die einzige Alternative ist. Gebt Eurem Herzen einen Ruck, Wenzel, stellt Euch hinter uns.«

»Immerhin hat der Kaiser unser Protestschreiben wegen des Abrisses der Kirche in Klostergrab rasch beantwortet und darin weitere Standesversammlungen verboten«, erwiderte von Roupov. »Das klang schnell und entschlossen.«

»Wir pfeifen darauf«, erwiderte von Hohenberg eindringlich. »Ein Schreiben ist schnell verfasst. Wenn der Kaiser ein Heer auf die Beine stellen muss, sieht die Sache anders aus. Matthias steckt das dafür nötige Geld doch lieber in seinen Hof. Morgen Abend treffen wir uns in der Universität. Dort wird Heinrich eine flammende Rede halten, mit der wir die Stände hinter unsere Idee zu bringen hoffen. Unterstützt uns, Freiherr von Roupov, denn Ihr seid einer der einflussreichsten Männer überhaupt, und Euer Wort hat großes Gewicht. Und …«, von Hohenberg verharrte einen Moment. »Und wenn wir dann die katholischen Hunde aus dem Land gejagt haben, werdet Ihr die neue Regierung führen.«

Maria hörte Geräusche, die sich näherten. Schnell zog sie sich in die kleine Nähkammer zurück und wartete dort mit klopfendem Herzen. Die Gräfin von Thurn ging vorbei.

Wenige Minuten später ließ sie Maria zu sich rufen. Noch vollkommen angekleidet saß sie in ihrem Schlafzimmer.

Maria machte einen Knicks. »Ihr habt nach mir gerufen, Frau Gräfin?«

Gräfin von Thurn, eine Frau in den Vierzigern mit nichtssagendem Gesicht, aber gütigen Augen, lächelte. »Du hast gerade gelauscht, Maria, nicht wahr?«

Maria blieb ruhig. »Aber Frau Gräfin, wie könnt Ihr so etwas behaupten?«

»Leugne es nicht, ich habe dich bemerkt.«

Maria schlug schuldbewusst die Augen nieder. »Ich möchte mich dafür ent …«

Die Gräfin schnitt ihr mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. »Es ist gut, Maria, du hast keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Wie mir scheint, bist du ebenfalls politisch interessiert. Was hältst du von dem, was du erlauscht hast? Deine Meinung interessiert mich.«

»Krieg ist etwas Furchtbares«, erwiderte Maria von Bentheim-Tecklenburg. »Und Hans von Hohenberg ist ein Pestgeschwür, das alles tun wird, um Euren Mann und die böhmischen Stände in den Krieg gegen das Heilige Römische Reich zu treiben.«

Die Gräfin nickte nachdenklich. »Du hast es also auch gemerkt, dass Hans von Hohenberg ein böser Mensch ist. Aber woher kennst du ihn, Maria? Ich meine, du bist ihm heute hier im Haus zum ersten Mal begegnet. Aufgrund des Gesprächs kannst du unmöglich erkannt haben, wer die wahre treibende Kraft hinter den geschmiedeten Plänen ist. Zumindest langt es nicht, um ihn als Pestgeschwür zu bezeichnen.«

Maria überlegte einige Augenblicke. Sie hatte das Gefühl, eine Verbündete gefunden zu haben und beschloss, sich der Gräfin zu offenbaren. Selbst auf die Gefahr hin, dass das ihren Rauswurf bedeuten konnte, wenn sie sich irrte.

»Nun, Frau Gräfin, Ihr seid eine sehr scharfsinnige Person. Es stimmt tatsächlich, dass ich Hans von Hohenberg schon länger kenne. Seit sechs Jahren, um genau zu sein. So lange jage ich ihn schon quer durch Europa, ohne seiner jemals habhaft geworden zu sein. Doch nun habe ich ihn hier gefunden und gedenke, die Sache zu einem Ende zu bringen. Verzeiht mir bitte, dass ich mich aus diesem Grund in Euren Haushalt geschlichen habe, in der Hoffnung, ihm so nahe zu kommen.«

»Was hat er dir getan, Maria?«

»Hans von Hohenberg ist ein Dämon, ein Diener des Satans. Er treibt die Böhmen in einen Krieg, damit der Sensenmann reiche Ernte halten kann.«

Gräfin von Thurn stieß einen erstickten Schrei aus und bekreuzigte sich dreimal. Dann riss sie die Augen weit auf. »Du musst dich irren, Maria. Er kann kein Dämon sein. Er trägt das Kreuz, das heilige Zeichen unseres Erlösers Jesu Christi um den Hals.«

»Ich irre mich nicht, Frau Gräfin. Ganz bestimmt nicht.«

***

Kneipe »Zum Teufel«, Zamorras Dorf

»Schenk mir noch einen ein, Mostache«, verlangte Gerard Fronton, den alle nur Malteser-Joe riefen.

»Du weißt schon, dass Alkohol dumm und gleichgültig macht?«, fragte der Wirt.

Malteser-Joe grinste. »Kapier ich nicht. Ist mir aber auch egal.«

Der ganze Tisch brüllte vor Lachen. André Goadec, Zamorras größter Weinbergpächter, schlug vor Begeisterung so stark mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser zu wackeln begannen.

»Na dann …« Mostache zuckte mit den Schultern und schenkte ein. »Ich hätte nicht geglaubt, dass sich Malteser-Joe bereits in einem derart bedenklichen Stadium befindet. Fast Endstadium, würde ich sagen. Was sagst du dazu, Zamorra?«

Der Meister des Übersinnlichen lehnte sich zurück und legte die Arme breit auf den Tisch. Er schaute über die große Käseplatte à la Chef hinweg, die mitten auf dem Tisch stand und nur noch drei kleine Stückchen Brie aufwies. »Ach was, lass ihn trinken, Mostache. Bedenklich wird’s erst, wenn er den Duschkopf in den Arm nimmt und sagt, er soll aufhören zu weinen.«

Erneut erbebte die Kneipe vor Lachen. Dorfschmied Charles japste wie ein junger Hund und bekam kaum noch Luft. »Mensch … Zamorra, der war wirklich … gut«, stieß er dann hervor.