Professor Zamorra 1325 - Oliver Buslau - E-Book

Professor Zamorra 1325 E-Book

Oliver Buslau

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Beschreibung

Sie war einst eine mächtige Königin, der man alles nahm - und nun findet sie einen Weg der Rache. Ein hämisches Lächeln umspielte Loreleys Lippen, als sie tief unter sich ein weißes Segel erspähte. Ein letztes Schiff wagte an diesem Abend noch die Durchfahrt durch die gefährliche Enge. Sie hatte sich schon oft einen Spaß daraus gemacht, die Schiffsführer mit ihrer Erscheinung zu verwirren. Und nicht nur mit ihrem weiblichen Äußeren. Sie besaß eine weitere Waffe, mit der sie ihre Gegner betören konnte. Ihren Gesang ...


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Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Personenliste

Das Lied der Loreley

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind

Professor Zamorra deMontagne: der Meister des Übersinnlichen; furchtloser Kämpfer gegen die Ausgeburten der Hölle und Wissenschaftler für parapsychologische Phänomene

Nicole Duval: seine Lebens- und Kampfgefährtin

Taran: Amulettwesen; ängstlich, tritt zuweilen in Gestalt eines jungen Mannes auf. Entstanden als künstliches Bewusstsein, das sich in Merlins Stern bildete, diesen später verließ, um einen eigenen Körper zu entwickeln, aber dann wieder ins Amulett zurückkehrte

Timo Bauer: Marketingmanager, der sich in Melusine verliebt

Melusine Traik: Reinkarnation einer mystischen Hexe, der Tochter des Drachenfürsten vom Drachenfels

Loreley: Eine Königin, der man alles nahm und die darauf hofft, nicht nur ihre alte Macht wiederzuerlangen, sondern auch den sagenhaften Nibelungenschatz

Das Lied der Loreley

von Oliver Buslau

Sie war einst eine mächtige Königin, der man alles nahm – und nun findet sie einen Weg der Rache.

Ein hämisches Lächeln umspielte Loreleys Lippen, als sie tief unter sich ein weißes Segel erspähte. Ein letztes Schiff wagte an diesem Abend noch die Durchfahrt durch die gefährliche Enge.

Sie hatte sich schon oft einen Spaß daraus gemacht, die Schiffsführer mit ihrer Erscheinung zu verwirren. Und nicht nur mit ihrem weiblichen Äußeren.

Sie besaß eine weitere Waffe, mit der sie ihre Gegner betören konnte.

Ihren Gesang ...

»Mensch, Timo, was ist los mit dir? Hallo? Jemand zu Hause?«

Maik grinste über sein Bierglas hinweg und trank einen Schluck. Timo wurde erst nach und nach wieder klar, wo er sich befand. In einer Kneipe in der Koblenzer Altstadt.

Maik stellte das Glas ab. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Gehts dir gut? Du hast doch noch kaum was getrunken ... Was ist denn?«

Timo blinzelte. Hinter Maik befand sich das große Fenster des Lokals, das auf die enge Straße hinausging. Eine Fußgängerzone, in der sich die Menschen vorbeischoben.

Er spürte so etwas wie einen leichten elektrischen Schlag, als ihm klar wurde, dass mitten in dem Strom aus Flaneuren eine dunkle Figur reglos dastand. Und ihn direkt anblickte.

»Was ist denn da«, fragte Maik und drehte sich um. Im selben Augenblick verblasste die Gestalt und verschwand.

Timo seufzte und trank einen Schluck. »Ich weiß auch nicht«, sagte er. »Es kam mir vor, als hätte ich jemanden gesehen.«

Maik lachte auf. »Jemanden gesehen«, äffte er seinen Kollegen nach. »Natürlich sieht man hier jemanden, wenn man aus dem Fenster schaut.«

Timo hatte keine Lust, ihm zu erklären, was er meinte. Maik würde glauben, er hätte Halluzinationen oder so etwas. Und die hatte er ja wohl auch.

Schon mehrmals am Abend, seit sie in dieser Kneipe waren, hatte er die Gestalt bemerkt.

Eine junge Frau. Dunkle Augen. Dunkles Haar. Intensiver Blick. So intensiv, dass Timo gewusst hatte: Er war gemeint. Sie trug ein Sommerkleid, das ebenfalls in einem dunklen Farbton gehalten war, dazu eine Kette um den Hals. Und das Merkwürdige war, dass sie sich nicht im Strom der Menschen in der Altstadt bewegt hatte. Nein, sie war einfach dagewesen. Wie ein Bild, das jemand auf die Straßenszene projiziert hatte.

Maik plapperte weiter. Er und Timo arbeiteten in der Marketingabteilung eines Unternehmens, das Maschinenbauteile herstellte. Es war kein aufregender Job, aber Timo verdiente ordentlich Geld, konnte sich nicht ganz billige Urlaube leisten, und dazu ab und zu eine Sause durch eine schöne Altstadt am Wochenende. Was wollte man mehr?

Den Spruch brachte Timo immer, wenn er mal in der Situation war, über seine Arbeit und sein Leben zu sprechen. Dabei wusste er, dass es da eine Menge gab, was er mehr wollte. Genug Geld war nicht alles. Das wusste er tief in seinem Inneren.

»Mir dir ist ja heute gar nichts anzufangen«, sagte Maik nach einer Weile, nachdem er über alle möglichen Leute aus der Firma abgelästert hatte. »Hast wohl einen schlechten Tag, was?«

»Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist«, sagte Timo und trank das Bier aus. Dabei schaute er immer wieder durch die große Scheibe hinter seinem Kollegen.

Tauchte die seltsame Frauengestalt noch einmal auf? Er sehnte sich danach, dass sie sich zeigte. Timo wusste genau, was er dann machen würde. Er würde aufstehen, nach draußen laufen und die Frau ansprechen. Offenbar wollte sie ja angesprochen werden. Es konnte kein Zufall sein, das sie ihn so anstarrte.

»Hoffentlich wirst du nicht krank«, sagte Maik. »Das können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Du weißt, was für morgen im Kalender steht.«

Ja, das wusste Timo. Das vierteljährliche Meeting mit der Geschäftsführung, auf dem die neuen Marketingkampagnen präsentiert werden mussten. Zum Glück übernahm die eigentliche Präsentation ihr gemeinsamer Chef, der sich damit gerne profilierte. Trotzdem waren Timo und Maik dabei, denn sie waren für einzelne der Projekte verantwortlich.

Er stellte sich die morgige Situation vor: der Konferenzraum mit den grauen Möbeln, der ebenfalls graue Teppichboden. Flipcharts, Computerbildschirme, Laptops ... Ihm wurde flau im Magen, wenn er daran dachte.

»Ich schlage vor, wir brechen hier mal ab und zahlen« sagte Maik. »Du musst morgen fit sein.«

Es erleichterte Timo, dass er nicht mehr länger in Maiks Gesellschaft bleiben musste. Es wunderte ihn selbst, und er verstand es nicht. Sonst hatte er doch die Abende mit seinem Kollegen immer genossen. Was war nur mit ihm los?

Maik winkte dem Kellner, und während sie bezahlten, ließ Timo immer noch nicht die große Scheibe aus den Augen. Aber nichts Besonderes war dahinter zu sehen.

Sie gingen nach draußen. »Wo lang musst du?«, fragte Maik. »Ich stehe hinten am Schloss.«

Ein Glück, dass er das gesagt hatte. Timo deutete in die andere Richtung und fühlte sich immer mehr erleichtert, dass er alleine sein würde.

»Also, bis morgen«, sagte Maik. »In alter Frische hoffentlich.«

Endlich konnte sich Timo von seinem Kollegen lösen. Endlich konnte er selbst in den abendlichen Menschenstrom eintauchen. Endlich war er ... Ja, was war er?

Frei, dachte er. Ich bin frei. Aber warum? Frei wofür? Und warum denke ich das?

Nein, er war nicht frei. Er war nur losgelöst von allem. Aber etwas schien seine Schritte zu lenken. Er folgte der engen Straße bis hinunter ans Moselufer. Und als hätten seine Füße einen unhörbaren Befehl erhalten, wandte er sich nach links in Richtung Moselmündung.

Die Kette der Straßenlampen spiegelte sich in dem dunklen Wasser. Das Glitzern bewegte sich mit den Wellen. In der Ferne, am gegenüberliegenden steilen Hang über dem Rhein, in den die Mosel in ein paar hundert Metern floss, war die erleuchtete Festung Ehrenbreitstein zu sehen. Mächtig und trutzig thronte sie über dem Tal und schien auf die Stadt und ihr hektisches Treiben an diesem Abend herabzublicken.

Komm. Ich warte auf dich ...

Wo kam die Stimme her? Timo drehte sich um. Aber hier am Ufer hatten sich die Passanten etwas verteilt. Niemand war so nah, als dass er ihn hätte ansprechen können.

Du gehst in die richtige Richtung. Wie schön ...

Die Stimme war in ihm. Und es war eine Frauenstimme. Volltönend. Und erotisch, fand Timo.

Aber wie konnte eine Frau in seinem Kopf sprechen? Das war absurd. Egal. Er setzte einen Fuß vor den anderen und gelangte an die Stelle, wo sich die Mosel in den Rhein ergoss. An das große Dreieck, das man »Deutsches Eck« nannte und das seit fernen Zeiten das Denkmal eines deutschen Kaisers zierte.

Der dreieckige Platz, dessen Spitze in Richtung der Mündung zeigte, war so gut wie leer.

Nur an einem der steinernen Pfähle, die mit Stahlverstrebungen verbunden waren, lehnte eine Gestalt.

Timo schritt auf die junge Frau zu. Und je näher er kam, desto mehr breitete sich in seinem Inneren ein warmes, angenehmes Gefühl aus. Ein Gefühl, das man hat, wenn man nach langer Zeit in ein geliebtes Zuhause zurückkommt. Ein Gefühl von Geborgenheit.

Ein Gefühl von ... Liebe?

Ja, dachte Timo, über sich selbst verwundert.

Liebe.

Für einen Moment gelang es Timo in einem letzten Rest von Realitätsbewusstsein, sich darüber zu wundern. Er hatte sich in eine Frau verliebt, die er nur ein paar Mal von Ferne gesehen hatte und von der er geglaubt hatte, sie sei nur eine Einbildung gewesen.

Eigentlich war er nicht der Typ dafür. Für ihn gab es keine spontanen Flirts. Schon gar keine One-Night-Stands. Er hatte bis vor zwei Jahren für längere Zeit eine Freundin gehabt.

»Wie schön, dass du gekommen bist«, sagte die dunkelhaarige Frau. »Ich habe lange auf dich gewartet.« Es war ihre Stimme gewesen, die Timo in seinem Kopf gehört hatte.

Hinter ihr erhob sich der Felsen mit der Festung, darunter schien die gewaltige Wasserfläche der beiden Flüsse, die sich vereinigten, in ständiger Bewegung zu sein. Der Anblick hatte etwas Nervöses, Fiebriges, und mittendrin stand die unbekannte Frau ruhig da und sah Timo nur an.

»Kennen wir uns?«, fragte er, weil ihm nichts Besseres einfiel.

Die Frau lächelte. Sie war jünger als Timo, der gerade die dreißig überschritten hatte. Drei, vier Jahre jünger vielleicht.

»Ja, wir kennen uns. Aber wir haben uns noch nie gesehen oder getroffen.«

»Das klingt nicht besonders logisch«, sagte er.

»Ist dir Logik so wichtig? Ich denke, dir ist klar, dass ich dich kenne. Und mehr als das. Ich habe mit dir Kontakt aufgenommen.«

Ja, das hatte sie. Aber wie hatte sie das gemacht? Hatte sie ihn hypnotisiert oder so was?

»Es gibt doch viel mehr als Logik.« Sie kam auf ihn zu. Dann nahm sie ihn wie selbstverständlich an der Hand, »Das hier ist zwar ein Platz, mit dem mich viel verbindet. Aber das heißt nicht, dass wir hier bleiben müssen. Ich weiß was Besseres.«

Was geht hier vor sich?, dachte Timo. Der Reflex, sich zu wehren oder zumindest noch ein paar Fragen zu stellen, fiel in sich zusammen, kaum dass er aufgetaucht war. Die Berührung schien in ihm einen Kontakt zu schließen.

Und es war kein unangenehmes Gefühl.

»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Timo, in dem sich die logischen Gedanken für einen Moment aufbäumten. Es kam ihm seltsam vor, mit einer Frau Hand in Hand durch die Straßen zu gehen, deren Namen er nicht einmal kannte.

»Später«, sagte sie nur.

»Wie siehst du denn aus?«, fragte Maik am nächsten Morgen, als Timo auf den letzten Drücker das gemeinsame Büro betrat. »Bist du doch krank?«

Timo schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil«, sagte er nur.

Maik kniff die Augen zusammen. »Was soll das heißen?« Im nächsten Moment hellte sich seine Miene auf. Er hatte dafür, was mit Timo passiert war, wohl ein Gespür. »Bist du nach unserem Treffen nicht gleich nach Hause gefahren?«

»Nein, bin ich nicht.« Timo grinste.

»Steckt eine Frau dahinter?«, fragte Maik.

»Egal, worum es geht, es steckt immer eine Frau dahinter«, kam es von Antje, die das Büro betreten hatte. Sie war die Assistentin des Chefs, der Georg hieß. Hier nannten sich alle beim Vornamen und duzten sich. »Könnt ihr eure Wochenendabenteuer wann anders besprechen? Das Meeting fängt in fünf Minuten an, und ihr wisst, was passiert, wenn ihr zu spät kommt.«

»Alles klar«, sagte Maik. Und an Timo gewandt flüsterte er: »Darüber sprechen wir noch. Du wirst mir deine Erlebnisse doch wohl nicht vorenthalten wollen?«

Timo musste sich zusammenreißen, um die Präsentation zu überstehen. Wie immer zog sich das Ganze über mehrere Stunden hin und dauerte bis zur Mittagspause. Und immer wieder schweifte Timo mit seinen Gedanken ab. Zum Glück gab es keine größeren Pannen.

Endlich war die Pause da. »Dir ist hoffentlich klar, dass ich dir gerade den Hintern gerettet habe«, sagte Timos Kollege, als sie auf dem Weg in ein kleines Bistro waren, in dem sie oft ihre Mittagspausen verbrachten. »Und nun will ich, dass du mir jetzt alles erzählst. Was war gestern noch los?«

Timo räusperte sich. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Es war ihm ja selbst rätselhaft. Das ganze Geschehen, angefangen von der Begegnung am Deutschen Eck bis hin zu dem, was danach passiert war, hatte in ihm eine Folge unzusammenhängender Bilder hinterlassen. Als wäre das Ganze gar nicht wirklich passiert. Als hätte er es sich nur eingebildet. Nein, nicht eingebildet ... Eher ... geträumt.

»Antje hat jedenfalls recht«, sagte er.

»Wusste ich's doch«, rief Maik so triumphierend laut, dass sich andere Gäste in dem Bistro umdrehten. »Wie heißt sie? Hast du ein Foto?« Er senkte die Stimme. »Und was habt ihr gemacht?«

Timo runzelte die Stirn. Ja, was hatten sie gemacht? Sie waren durch die nächtlichen Anlagen am Rhein gestreift, hatten Halt gemacht, auf einer Parkbank. Er erinnerte sich an Küsse, die sie gewechselt hatten. Dann daran, dass die Frau plötzlich aufgesprungen war, ihn wieder an der Hand genommen hatte ... Sie waren weitergelaufen, den Rhein entlang.

»Es war eigentlich nur ein Flirt«, sagte er. »Na ja, schon ein bisschen mehr, aber sonst war nichts ...«

Die Frau hatte mit ihm gesprochen, hatte ihm Fragen gestellt. Timos Sinne waren so benebelt gewesen, dass er nur am Rande mitbekommen hatte, worum es gegangen war. Jetzt wusste er es wieder.

Rheinlegenden. Alte Sagen. Wie zum Beispiel die von der Loreley. Die Geschichte von der Frau, deren Anblick und Gesang die Schiffsführer in der Rheinenge zu Füßen des Loreley-Felsens ins Verderben stürzte.

Ihm war so, als würde er die Stimme der Frau wieder in seinem Kopf hören.

Interessieren dich diese alten Geschichten?

Glaubst du, sie haben einen wahren Kern?

Oder glaubst du, sie sind nur erfunden?

»Oh Mann, dich hats total erwischt«, sagte Maik mit unüberhörbarem Bedauern in der Stimme. »Ich seh's dir an. Herzliches Beileid. Andererseits ... Herzlichen Glückwunsch. Ich habe mir schon die ganze Zeit gedacht, dass du mal wieder eine Freundin finden solltest. Wann seht ihr euch wieder? Und ... Wie heißt deine Angebetete eigentlich?«

In Timo brannte ein scharfer Schmerz auf. Ja, wann sahen sie sich wieder?

Irgendwann, nach ein, zwei Stunden des nächtlichen Streifzugs am Fluss entlang, hatte sie sich verabschiedet.

Bis bald.

»Ich weiß nicht. Mal sehen. Und ein Foto habe ich auch nicht.«

»Na, ich hoffe, dann hast du wenigstens ihre Telefonnummer.« Maik sah Timo fassungslos an. »Die hast du nicht? Oh, Mann ...« Er schüttelte den Kopf. »Aber du weißt, wie sie heißt? Bitte, Timo, sag mir, dass du weißt, wie sie heißt!«

Timo musste nachdenken. Ja, sie hatte ihren Namen gesagt. Aber nur ihren Vornamen. Was würde ihm das nützen?

»Sie heißt Melusine«, sagte er dann, und seine Stimme klang kläglich. Ja, den Namen hatte sie ihm genannt. Irgendwann an dem Abend.

Du kannst mich Melusine nennen.

Es geschah, was Timo befürchtet hatte.

Maik, den Timo eigentlich mochte und dem er auch vertraute, hatte einige Details der nächtlichen Begegnung in der Firma fallengelassen. Und zwei Tage später war die ganze Geschichte über den Flurfunk gegangen. Alle wussten Bescheid. Timo Bauer hatte sich bei einem nächtlichen Flirt am Deutschen Eck Hals über Kopf verliebt und war zu blöd gewesen, die Auserwählte nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Und das, obwohl sie ja klar ein Auge auf Timo geworfen hatte.

Timo versuchte, sich in seine Tabellen zu versenken, aber es wollte ihm nicht gelingen.

Melusine – was war das eigentlich für ein altertümlicher Name?

Wie von selbst nahm Timos Hand die Computermaus. Er schloss das Fenster mit der Tabelle, öffnete ein Suchprogramm und gab den Namen Melusine ein.

Er erfuhr, dass der Name in Sagen vorkam, in denen es um seltsame weibliche Wasserwesen ging. Eine Melusine war eine Art Wasserfee, die auch dämonische Züge annehmen konnte und Männer ins Verderben stürzte.

Na prima, dachte Timo. Das passte ja alles zusammen.

Aber egal. Ein Name war ein Name. Und waren Namen nicht Schall und Rauch?

Er beschloss, sich bald wieder dort am Deutschen Eck in Koblenz herumzutreiben. Am Wochenende. Spätestens.

Er musste sie wiederfinden. Er musste einfach. Alles in ihm schrie danach.

Alles.

Plötzlich brummte sein Handy. Es war leise gestellt und lag neben der Computertastatur. Der Monitor war hell geworden. Eine Messengernachricht war eingegangen.

Bevor Timo sie öffnete, wusste er schon, von dem sie gekommen war.

Seine Hände zitterten. Und da stand die Nachricht.

Sehen wir uns wieder? M.

Timo konnte es kaum fassen. Sein Herz machte einen Satz.

Sofort tippte er los.

Ja, unbedingt. Schlag was vor. Ich freue mich.

Er drückte auf »Abschicken« und starrte den Monitor ungläubig an.

Sie hatten keine Nummern ausgetauscht. Wie hatte sie ihn denn dann über den Messengerdienst erreicht?

Er schickte etwas hinterher.

Wie hast du mich gefunden? Ich bin so froh.

Timo saß stocksteif da und wartete. Ihm wurde nur am Rande klar, dass er seine Arbeit vernachlässigte. Egal.

Ich habe dir gut zugehört, als du über deine Arbeit gesprochen hast.

Hatte er das? Er konnte sich nicht erinnern.

Ich habe ein bisschen recherchiert und dich dann gefunden. Soll ich das jetzt alles hier erklären? Das bringt doch nichts. Lass uns lieber was ausmachen. Wenn wir uns wiedertreffen, muss ich dir unbedingt was zeigen.

Timo zögerte keine Sekunde.

Heute Abend?

Ok, es war noch kein Wochenende, und er musste früh raus, aber das war ihm egal. Und wenn er die ganze Nacht durchmachen würde. Dann meldete er sich einfach morgen krank. Die Arbeit spielte keine Rolle.

Er.

Musste.

Sie.

Wiedersehen.

Wieder dauerte es, bis eine Antwort kam. Fast zwanzig Minuten. Was machte sie nur so lange? Musste sie ihre Termine checken? Hatte sie noch andere Dates?

Um sieben. Wieder am Deutschen Eck?

Am liebsten hätte er vor Freude aufgeschrien. Aber er beherrschte sich, schaltete sogar das Handy aus und riss sich in einem großen Kraftakt zusammen, um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er war total im Rückstand, das war ihm klar, und er musste jetzt doppelt ranklotzen, um pünktlich aus dem Laden rauszukommen. Er brauchte im Berufsverkehr über eine Stunde bis Koblenz. Und Überstunden waren leider an der Tagesordnung.

Irgendwann erwachte er aus dem hochkonzentrierten Flow seiner Arbeit. Er sah auf die Uhr. Es war zwanzig vor sechs.

Und leider kam er nicht pünktlich raus. Georg berief noch ein Meeting ein. Timo saß wie auf heißen Kohlen im Besprechungsraum und sah immer wieder unauffällig auf die Uhr.