Psychomotorische Förderung in der Heilpädagogik - Josef Möllers - E-Book

Psychomotorische Förderung in der Heilpädagogik E-Book

Josef Möllers

2,1

  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Die Psychomotorik hat in der Heilpädagogik in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert erreicht. Sie kommt als Methode der Entwicklungsbegleitung und der Bewegungsförderung, insbesondere bei Kindern mit Bewegungsbeeinträchtigungen, Wahrnehmungsstörungen und Verhaltensbesonderheiten, häufig zur Anwendung. Das Buch liefert im ersten Teil die theoretischen Grundlagen, wobei nicht nur die wichtigsten Ansätze der Psychomotorik präsentiert werden, sondern ihr Einsatz über die Lebens- und Entwicklungsspanne entfaltet wird. Über mögliche motorische Störungen wird ebenso informiert wie über deren Diagnostik und die Qualitätssicherung bei der Förderung. Der zweite Teil des Buches widmet sich der praktischen Umsetzung der psychomotorischen Förderung entlang der wichtigsten methodisch-didaktischen Grundprinzipien. Praktische Übungs- und Spielbeispiele stellen dabei den direkten Handlungsbezug her.

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Praxis Heilpädagogik – Konzepte und Methoden Herausgegeben von Heinrich Greving

Josef Möllers

Psychomotorische Förderung in der Heilpädagogik

Hilfe durch Bewegung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025223-3

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025224-0

epub:    ISBN 978-3-17-025225-7

mobi:    ISBN 978-3-17-025226-4

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

 

 

 

Einleitung

1 Didaktik/Methodik der Heilpädagogik

1.1 Begriffsbestimmungen

1.2 Zielgruppe und Einsatzfelder

1.3 Humanistisches Menschenbild

1.4 Konstruktivistische Perspektive

1.5 Personenzentriertheit

1.6 Grundaspekte professionellen Handelns

1.6.1 Beziehung und Prozessualität

1.6.2 Fachwissen und Verstehen

1.6.3 Kommunikation und stellvertretendes Agieren

1.6.4 Paradoxien und Grenzen

1.7 Aussagen zur Bewegung

2 Psychomotorik und Anwendungsbereiche der Motologie

2.1 Grundbegriffe der Motorik

2.2 Geschichtliches zur Psychomotorik in Deutschland

2.3 Versuch einer Einordnung: Psychomotorik, Motologie, Motopädagogik, Mototherapie, Psychomotorische Entwicklungsförderung

2.3.1 Psychomotorik

2.3.2 Motologie

2.3.3 Motopädagogik

2.3.4 Mototherapie

2.3.5 Psychomotorische Entwicklungsförderung

2.4 Erfahrungsfelder und Kompetenzen der Psychomotorik

2.4.1 Körpererfahrungen

2.4.2 Materialerfahrungen

2.4.3 Sozialerfahrungen

2.5 Förderwirkung und Qualitätssicherung

3 Ansätze der Psychomotorik

3.1 Übersicht

3.2 Funktionale Perspektive

3.3 Handlungs- bzw. kompetenzorientierte Sichtweise

3.4 Kindzentrierter Ansatz

3.5 Verstehender Ansatz

3.6 Systemisch-konstruktivistische Sichtweise

4 Motodiagnostik

4.1 Motorische Entwicklung und mögliche Störungen

4.1.1 Phasen und Gesetzmäßigkeiten

4.1.2 Abweichungen in der motorischen Entwicklung

4.1.3 Früherkennung

4.1.4 Robben und Krabbeln

4.1.5 Stehen und Gehen

4.2 Ausgewählte motorische Fähigkeiten und mögliche Störungen

4.2.1 Koordination

4.2.2 Gleichgewicht

4.3 Bedeutung der Motodiagnostik

4.4 Ausgewählte Verfahren der Motoskopie und Motometrie

4.4.1 Motoskopische Verfahren

4.4.2 Motometrische Verfahren

5 Psychomotorik in heilpädagogischen Tätigkeitsfeldern

5.1 Frühförderung

5.2 (Integrative) Kindertagesstätten

5.3 Beispiel: Kinder mit Körperbehinderungen

5.4 (Förder-)Schule und Inklusion

5.4.1 Beispiel: Bewegtes Lernen

5.4.2 Inklusion

5.5 Psychomotorik-, Elternvereine

5.6 Heimerziehung/Jugendhilfe

5.7 Erwachsene

5.7.1 Klinische Anwendungsfelder

5.7.2 Menschen mit geistiger Behinderung

5.8 Ältere Menschen (Motogeragogik)

5.9 Anforderungen an die Fachkraft und Planungshinweise

6 Ausgewählte methodische Prinzipien

6.1 Prinzip der Ganzheitlichkeit

6.1.1 Bewegung und Persönlichkeitsentwicklung

6.1.2 Wechselwirkung von Bewegung und Sprache

6.1.3 Übungs- und Spielanregungen: Sandsäckchen, Schwungtuch

6.2 Offenheit der Stundengestaltung

6.2.1 Psychomotorik als dialogisches Geschehen

6.2.2 Bewegungsräume als offene Bewegungsangebote

6.2.3 Übungs- und Spielanregungen: Spielthemen, Bewegungsbaustelle

6.3 Prinzip der Variation im spielerischen Handeln

6.3.1 Stellenwert des Spiels

6.3.2 Beispiele für Variationen

6.3.3 Übungs- und Spielanregungen: Heulrohr, Rollbrett

6.4 Ressourcenorientierung und Ermöglichung von Selbstwirksamkeitserfahrungen

6.4.1 Resilienz und Gesundheitsressourcen (Salutogenese)

6.4.2 Entwicklung und Bedeutung des Selbstkonzepts

6.4.3 Übungs- und Spielanregungen: Schaumstoff-Bausteine

6.5 Hoher Stellenwert der (Körper-)Wahrnehmung

6.5.1 Körpernahsinne (sensorische Integration) und mögliche Störungen

6.5.2 Möglichkeiten zur Förderung der Körperwahrnehmung

6.5.3 Übungs- und Spielanregungen: Trampolin

6.6 Vielseitiger, aber behutsamer Einsatz von geeigneten Materialien

6.6.1 Psychomotorik-Materialien

6.6.2 Alltagsmaterialien

6.6.3 Übungs- und Spielanregungen: Pappteller, Bierdeckel

6.7 Wechsel von Spannung und Entspannung

6.7.1 Verlauf einer Übungseinheit

6.7.2 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

6.7.3 Übungs- und Spielanregungen: Entspannungsübungen

6.8 Beachtung kooperativer und sozialer Prozesse im Gruppengeschehen

6.8.1 Soziale Lernprozesse

6.8.2 Abbau von Bewegungsängsten

6.8.3 Übungs- und Spielanregungen: Dreier-Übungen

6.9 Zusammenfassung der Prinzipien

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

Einleitung

 

 

 

•  Julia ist übervorsichtig und traut sich nicht, selbst auf kleinste Hindernisse zu klettern; die Eltern sind besorgt.

•  Markus läuft und springt wie ein Tollpatsch, sodass andere Kinder sich häufig über ihn lustig machen.

•  Sven ist ständig in Bewegung und raubt seinen Lehrern den letzten Nerv.

•  Michael meidet die zahlreichen Schaukel- und Klettergeräte, die im Garten der Kita neu aufgebaut wurden; die Erzieher verstehen das nicht.

Diese kurzen beispielhaften Aussagen belegen anschaulich die vielschichtige Bedeutung von Bewegungserfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und deuten mögliche Auswirkungen von Beeinträchtigungen an. Die Beispiele begründen damit die Notwendigkeit einer psychomotorischen Förderung im Rahmen der Heilpädagogik und geben erste Hinweise auf das breite Spektrum möglicher Begründungszusammenhänge.

Der zunehmende Stellenwert der Psychomotorik in der Heilpädagogik liegt einerseits an der enormen Bedeutung, die der Bewegung und der (Körper-)Wahrnehmung für die Entwicklung des Menschen zugesprochen wird. Andererseits zeigen viele Personen, für die eine heilpädagogische Maßnahme angezeigt ist, häufig auch Auffälligkeiten in der Bewegungsausführung oder der Wahrnehmungsverarbeitung, und somit kann die Psychomotorik einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Entwicklungsförderung leisten.

Zudem ist sicherlich ein weiterer Vorteil darin zu sehen, dass Bewegungs- und/oder Wahrnehmungserfahrungen geeignete Chancen bieten, Kontakte zu den zu Betreuenden herzustellen und eine Beziehung aufzubauen. Und durch spielerische Bewegungsgelegenheiten lassen sich Teilnehmer gut motivieren, sie können aktiv und eigenständig tätig werden. Das gilt für alle Altersgruppen, vom Kleinkind in der Kita bis zum alten Menschen im Wohnheim.

Deshalb ist es sinnvoll, im Rahmen der Reihe zur Methodik der Heilpädagogik auch die Psychomotorik in ihren Grundlagen und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten vorzustellen.

Das Buch ist im Groben in einen vorrangig theoretischen und einen vorrangig praxisorientierten Teil gegliedert, in den ersten fünf Kapiteln finden die Leser mehr theoretische Erläuterungen, in dem sechsten Kapitel steht dann mehr die praktische Umsetzung im Vordergrund. Da die Wechselwirkungen zwischen Theorie und Praxis so eng sind, ist auch hier die Trennung nicht so stringent durchzuhalten. Praktische Übungsbeispiele und Hinweise zur Eigenerfahrung verdeutlichen theoretische Zusammenhänge, und die praktischen Arbeitsprinzipien werden durch fachtheoretische Erläuterungen begründet und näher beleuchtet.

In den ersten beiden Kapiteln werden Grundlagen zur Didaktik und Methodik der Heilpädagogik und der Psychomotorik dargelegt. Begriffe werden geklärt, und das Konzept der Psychomotorik wird in Verbindung gebracht mit theoretischen Annahmen und Zielsetzungen heilpädagogischen Handelns. Arbeitsfelder und Zielgruppen der Heilpädagogik und die professionelle Haltung der heilpädagogisch Tätigen werden in diesem Zusammenhang erörtert, und darauf aufbauend werden Begründungen für die Psychomotorik als heilpädagogische Methode gegeben, und zahlreiche Zusammenhänge und Verbindungen werden verdeutlicht.

Die Geschichte der Psychomotorik belegt, dass es nicht mehr die Psychomotorik gibt, sondern unterschiedliche Ansätze entstanden sind, die im dritten Kapitel besprochen werden. Grundlage heilpädagogischer Arbeit ist die genaue und gezielte Beobachtung, vor allem der motorischen Entwicklung, und die Kenntnis diagnostischer Verfahren. Im vierten Kapitel werden deshalb exemplarisch einige diagnostische Verfahren vorgestellt, die recht bekannt sind und auch für heilpädagogisches Arbeiten Relevanz besitzen.

Im fünften Kapitel werden verschiedenartige Arbeitsbereiche und Aufgaben der Psychomotorik in heilpädagogischen Tätigkeitsfeldern vorgestellt. Zum Abschluss des theoretischen Teils werden für die konkretere Planung von psychomotorischen Übungsstunden Hinweise gegeben und damit der Übergang zum praktischen Teil eingeleitet.

In der praktischen Umsetzung des psychomotorischen Konzepts sind methodisch-didaktische Einstellungen und Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die in diesem zweiten Teil (Kap. 6) an acht ausgewählten Prinzipien vorgestellt und begründet werden. Für jeden Aspekt wird der gleiche Aufbau gewählt: Das Prinzip wird benannt, es folgen dazu passende Erläuterungen und Begründungen als Hintergrundwissen. Praktische Übungs- und Spielanregungen machen abschließend deutlich, wie in der Praxis die Umsetzung aussehen kann.

Das Buch wendet sich an diejenigen, die im Rahmen der heilpädagogischen Arbeit auch bzw. besonders die Bewegung in den Vordergrund rücken oder dies beabsichtigen. Und es werden mit dieser Schrift Bewegungsfachkräfte wie Motopäden1 angesprochen, die vor allem in heilpädagogischen Arbeitsfeldern ihren beruflichen Schwerpunkt haben oder eine solche Tätigkeit anstreben.

1    Zur sprachlichen Vereinfachung und damit zur Verbesserung der Lesbarkeit wird im Text stets lediglich eine Geschlechtsform verwendet. Das jeweils andere Geschlecht ist ausdrücklich mitgemeint.

1         Didaktik/Methodik der Heilpädagogik

Um die Relevanz der Psychomotorik als heilpädagogische Methode zu erklären, sollen zunächst einige Merkmale der heilpädagogischen Professionalität und ausgewählte didaktisch-methodische Aspekte der Heilpädagogik erörtert werden. An den Erläuterungen sollen die vielschichtigen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Psychomotorik und Heilpädagogik deutlich werden. Und sie sollen helfen, die Grundgedanken der Psychomotorik bezogen auf eine heilpädagogische Tätigkeit klarer einordnen zu können. Im weiteren Verlauf dieser Schrift werden an anderen Stellen diese Wechselwirkungen und Begründungen zusätzlich mit den Herausforderungen in der Praxis in Verbindung gebracht.

Sie erhalten in diesem Kapitel allerdings keine umfassende Theorie zur Heilpädagogik, dazu kann auf verschiedene Grundlagenbände dieser Reihe (vgl. Greving/Ondracek, 2009, Greving/Schäper, 2013) verwiesen werden.

1.1        Begriffsbestimmungen

Heilpädagogisches Handeln stellt nach Greving/Ondracek (2014, S. 309) eine vordergründig pädagogische Arbeit dar – fallbedingt kann sich die Möglichkeit bzw. die Erforderlichkeit des therapeutisches Wirkens ergeben. Angesprochen werden Kinder, Jugendliche, Erwachsene, die – bedingt durch ihre körperliche, geistige und seelische Beschaffenheit und durch die Reaktionen der sozialen Umwelt auf diese Beschaffenheit – in der subjektiv sinnvollen Gestaltung des Alltags beeinträchtigt sind und nur eingeschränkt am Geschehen in der Gesellschaft teilhaben können.

In eine heilpädagogisch relevante Lebenslage können Menschen deshalb geraten, weil sie weder der gesellschaftlich erwarteten Leistung noch der Anpassungsanforderung gewachsen sind. Dadurch bedingt, sind sie gefährdet, von anderen Personen oder Institutionen dauerhaft abhängig zu sein.

Die Entstehung von beeinträchtigten Lebenslagen kann durch verschiedenartige Belastungen ausgelöst bzw. begünstigt werden. Es können Körperschädigungen oder Schädigungen des zentralen Nervensystems vorliegen, es können Sinnesschädigungen oder Sprachstörungen vorhanden sein, Verhaltensstörungen können infolge seelischer Traumatisierung oder psychischer Erkrankung auftreten. Oft kommen mehrfach kombinierte Belastungen zusammen.

In den didaktischen Überlegungen der Heilpädagogik wird der Lehr- und Lernprozess vor allem hinsichtlich folgender Elemente hinterfragt (vgl. Greving/Ondracek, 2009, S. 14):

•  beteiligte Personen (wer lehrt wen bzw. wer lernt von wem),

•  Gründe und Ursachen (wieso und warum wird gelehrt bzw. gelernt),

•  Inhalte (was wird gelehrt bzw. gelernt),

•  Motive, Anliegen und Ziele (wozu wird gelehrt bzw. gelernt, welches Anliegen bzw. Ziel verfolgen die beteiligten Personen).

Demnach besteht der Stellenwert der Didaktik für heilpädagogisch Tätige darin, dass sie zu einem Klärungsprozess hinsichtlich Personen, Prozessen, Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen im Kontext des heilpädagogischen Handeln beiträgt. Eine solche Orientierung ist deshalb wichtig, weil sie »unentbehrlich für ein begründetes, zielgerichtetes und positiv wirksames (also professionelles) Handeln ist« (Greving/Ondracek, 2009, S. 19). Durch didaktische Erkenntnisse wird die für das professionelle Handeln wichtige Reflexion und Evaluation des Geschehenen erleichtert.

Die Methodik der Heilpädagogik hat das Anliegen, der heilpädagogischen Praxis geeignete methodische Ansätze, konkrete Methoden und Verfahren zur Verfügung zu stellen. Für die heilpädagogische Praxis ist die Aufgabe unverzichtbar. Die erarbeiteten methodischen Vorgehensweisen werden zumeist aus anderen Fachgebieten übernommen und für die Bedürfnisse der heilpädagogischen Praxis nutzbar gemacht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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