Rainald von Dassel - Es könnte doch sein! - Fritz Manfred Geppert - E-Book

Rainald von Dassel - Es könnte doch sein! E-Book

Fritz Manfred Geppert

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Beschreibung

Die Handlung des historischen Romans erzählt die distanzierte Vater-Sohn-Beziehung eines psychopatischen und gefährlichen illegitimen direkten Nachkommens des Rainalds von Dassel im Dunstkreis des Hofs von König und Kaiser Friedrich I. "Barbarossa". Bei der Einbettung fiktiver Teile im Roman sind Fakten, Daten, Personen und Örtlichkeiten in den überwiegenden Fällen belegt oder Stand der Historienforschung. Aber wer garantiert bei einem Mangel an Überlieferung von Informationen aus dem frühen Mittelalter, ob Fiktion nicht auch die Wahrheit sein könnte. Fiktion und Wahrheit sind auch austauschbar, wenn die Realität aus frühen Zeiten nicht mehr zu ergründen ist. Eine Tatsache, die die Fantasie eines Autors anregt und ihr keine Grenzen setzt.

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Die Handlung des Romans erzählt die distanzierte Vater-Sohn Beziehung eines psychopatischen und gefährlichen illegitimen direkten Nachkommens von Rainald von Dassel im Dunstkreis des Hofes von König und Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“.

Bei der Einbettung fiktiver Teile im Roman sind Fakten, Daten, Personen und Örtlichkeiten in überwiegenden Fällen belegt oder Stand der Historienforschung.

Aber wer garantiert bei einem Mangel an Überlieferung von Informationen aus dem frühen Mittelalter, ob Fiktion nicht auch Wahrheit sein könnte. Fiktion und Wahrheit sind auch austauschbar, wenn die Realität aus früheren Zeiten nicht mehr zu ergründen ist. Eine Tatsache, die die Fantasie eines jeden Autors anregt und weniger Grenzen setzt.

Über den Autor:

Fritz Manfred Geppert ist in Wünsdorf, 40 km südlich Berlin in der Mark Brandenburg 1937 geboren. Das Schreiben in jeder Form und Variante hat ihm seit Schülerzeiten Freude bereitet, sei es als biografische Replik, als einen historisch fantasievollen Exkurs oder die Aufarbeitung eines Themas aus dem Bereich des Sports.

Seit 1955 lebt er mit seiner Familie, Kindern und Enkeln in der Wetterau zwischen den sanften Höhenzügen von Taunus und dem Vogelsberg.

Personenregister

Kunrad von Hachen,

fiktiv

Illegitimer Sohn Rainalds von Dassel

Wibald von Stablo

Abt des Benediktinerklosters Corvey

Heinrich von Boyneburg

Vorgänger von Abt Wibald von Stablo

Hunold von Rötgen,

fiktiv

Klosterbruder von Bursfelde und Corvey

Graf Reinald von Dassel

Kanzler und Erzbischof von Köln

Graf Reinold I. von Dassel

Vater des Kanzlers und Erzbischofs

Mathilde von Schauenburg

(?)

Mutter des Kanzlers und Erzbischofs

Staufer Friedrich I. Barbarossa

Römisch-deutscher Kaiser 1155 -1190

Graf Albert von Sponheim

Notar in der kaiserlichen Kanzlei

Kuno von Münzenberg

Ritter aus der Wetterau und Taunus

Vollrad von Rheinstein,

fiktiv

Kaiserlicher Offizier, Hauptmann

Beatrix von Burgund

2. Gemahlin Kaiser Friedrichs I.

Adela von Vohburg

1. Gemahlin des Königs Friedrich

Dietho von Ravensburg

Ministerialer, Gatte Adelas von Vohburg

Ludolf von Kreiensen,

fiktiv

Leiter der Kanzlei in der Kaiserpfalz

Papst Hadrian IV.

Papst, Engländer 1154 – 1159

Ritter Gotfried von Lutra

Verwalter der Kaiserpfalz ab 1162

Diethelm von Baruth,

fiktiv

Stellvertretener Leiter der Kanzlei

Burkhard von Kästenburg

Ministerialer des Reiches

Werner II. von Bolanden

Ministerialer des Reiches

Pfalzgraf Otto v. Wittelsbach

Diplomat, Berater Friedrich I.

Pfalzgraf Konrad v. Staufen bei Rhein

Halbbruder, Anhänger Friedrich I.

Herzog Berthold IV. v. Zähringen

Gefolgsmann, Diplomat Friedrich I.

Markward II. von Grumbach

Ministerialer, Berater Friedrich I.

Graf Rudolf von Pfullendorf

Ministerialer, Berater Friedrich I.

Hermann von Behr

Bischof von Verden, Berater Friedrichs I.

Anselm von Havelberg

Erzbischof von Ravenna 1155 – 1158

Katharina

, fiktiv

Magd auf Gut Hachen, Mutter Kunrads

Papst Eugen III.

Papst, Italiener 1145 – 1153

Marie von Gunthard,

fiktiv

Zofe bei Kaiserin Beatrix

Hermann III. v. Bacharach

Pfalzgraf bei Rhein, Vorgänger Konrads

Herzog Heinrich der Löwe

Lange Jahre Widersacher Friedrich I.

Eckehard v. Breitebner,

fiktiv

Fähnrich, Geliebter Marie von Gunthard

Graf Guido III. di Biandrate

Mailänder, Anhänger Friedrichs I.

Hubert von Pirovano

Erzbischof von Mailand

Guiseppe Valdano,

fiktiv

Sekretär des Hubert von Pirovano

Herzog Boleslaw v. Polen

Herzog von Polen, Bruder von Wladislaw

Herzog Wladislaw II. v. Schlesien

Vertriebener Piastenherzog aus Polen

Kunz von Edelsheim,

fiktiv

Oberst des Wachkommandos Lutra

Agathe von Oberlothringen

Mutter der Kaiserin Beatrix

Herzog Rainald III. v. Burgund

Vater der Kaiserin Beatrix

Herzog Matthäus I. v. Lothringen

Onkel der Kaiserin Beatrix

Herzog Simon I. v. Lothringen

Vater der Mutter von Kaiserin Beatrix

Herzog Friedrich. v. Schwaben

Friedrich der Einäugige, Staufer

Agnes v. Schreckenstein,

fiktiv

Hofdame der Kaiserin Beatrix

Roland Bandinelli v. San Marco

Kardinal von San Marco, später Papst

Bernhard von San Clemente

Kardinalpriester von San Clemente Rom

Omnebono Veronensi

Bischof von Verona

Estridsson Waldemar I.

König von Dänemark, Herzog Schleswigs

Eduardo Della Torre,

fiktiv

alias Handelskaufmann aus Oberitalien

Hildegard von Bingen

Äbtissin von Rupertsberg, Heilkundlerin

Hildebrecht von Bermersheim

Vater Hildegards von Bingen

Mechthild von Merxheim

Mutter Hildegards von Bingen

Bernhard von Oesede

Bischof von Paderborn

Friedrich II. von Berg

Erzbischof von Köln 1156 – 1158

Salier Konrad II.

Römisch-deutscher Kaiser 1027 – 1039

Salier Heinrich III.

Römisch-deutscher Kaiser 1039 – 1056

Enzio Della Torre,

fiktiv

Sohn von Eduardo Della Torre

Gabriella Della Torre

, fiktiv

Tochter von Eduardo Della Torre

Gräfin Leonore von Ornavasso,

fiktiv

Gemahlin von Eduardo Della Torro

Fulco II. Della Este,

fiktiv

Kommandant der Burg von Rivoli

Premyslide Vladislav II.

König von Böhmen

Herzog Konrad von Dalmatien

Graf Konrad II. von Scheyern-Dachau

Graf Eckbert von Butene

auch Eckbert III. von Pitten

Herzog Heinrich II. v. Österreich

vorher Herzog von Bayern

Berta,

fiktiv

Wagenhure

Hubert von Orto

Ein Konsul Mailands

Alberico de la Turre

Capitanei der Konsuln von Mailand

Markgraf Wilhelm V. v. Montferrat

Gefolgsmann, Diplomat, Berater Friedrichs

Mathilde von Canossa-Tuszien

Erblasserin der Mathildischen Güter

Goswin II. von Heinsberg

Gefolgsmann, Diplomat, Berater Friedrichs

Probst von Bonn Gerhard v. Are

Dassels Konkurrent ums Erzbistum Köln

Konrad de Maze (Konrad Colbo v. Oberschüpf)

Reiichsministeriale, Mundschenk

Markgraf Garnher von Ancona

Ritter der kaisertreuen Stadt Cremona

Graf Ullrich IV. von Lenzburg

Gefolgsmann, Diplomat Friedrich I.

Konrad von Hirscheck

Bischof von Augsburg

Comte Antonius v. Buccellati,

fiktiv

Herr auf Gut Buccellati bei Cremona

Papst Alexander III. (Bandinelli)

Papst, Italiener 1159 – 1181

Papst Victor IV. (de Monticelli)

Gegenpapst, Italiener 1159 – 1164

Berthold von Urach

Schwäbischer Ritter vor Crema

Patriarch Pellegrin von Aquileia

Bischof Pilgrim I. von Spanheim

Graf Adolf von Schauenburg

Legat und Verwandter von Dassels

Kapetinger Ludwig VII.

König von Frankreich

Plantagenet Heinrich II.

König von England

Herzog Dietbold von Böhmen

Bruder König Vladislav II. v. Böhmen

Herzog Friedrich von Böhmen

Sohn König Vladislav II. v. Böhmen

Landgraf Ludwig II. von Thüringen

Gefolgsmann Friedrich I.

Herzog Friedrich IV. v. Schwaben

Friedrich v. Rothenburg

Landgraf Gebhard v. Leuchtenberg

Anhänger, Gefolgsmann Friedrich I.

Walter von Bechtholtsheim

,

fiktiv

Hauptmann und Adjutant von Dassels

Gernot von Kreiensen,

fiktiv

Vater Ludolfs von Kreiensen

Freiin Sybilla v. Bingenheim,

fiktiv

Mutter Ludolfs von Kreiensen

Leberecht von Kreiensen,

fiktiv

Bruder Ludolfs von Kreiensen

Heinrich von Kemnaten

Abt des Klosters Fulda 1127 – 1132

Bertho von Schlitz

Abt

des Klosters Fulda 1132 – 1134

Konrad I.

Abt des Kosters Fulda 1134 – 1140

Hartmann von Siebeneich

Ritter und Kämmerer am Kaiserhof

Markgraf Dietrich von Sachsen

Gefolgsmann Kaiser Friedrichs I.

Markgraf Otto von Meißen

Bruder des Markgrafen Dietrich v. Sachsen

Graf Dedo von Groitzsch

Bruder des Markgrafen Dietrich v. Sachsen

Graf Wido IV. v. Biandrate

Erzbischof von Ravenna 1159 – 1169

Heinrich II. von der Leyen

Bischof von Lüttich

Hauteville Wilhelm I.

König von Sizilien

Randolf und Herwarth,

fiktiv

Landser-Henkersknechte

Siegfried v. Morle-Peilstein

Graf und Zeuge einer Hinrichtung

Christian von Buch

Erzbischof von Mainz

Alexander II. von Orle

Bischof von Lüttich

Philipp I. von Heinsberg

Erzbischof von Köln 1167 – 1191

Papst Paschalis III.

Gegenpapst, Italiener 1164 – 1168

Graf Ludolf von Dassel

Bruder des Kanzlers und Erzbischofs

Kapitel

Vorwort

Hinter Klostermauern

Begegnung im Taunus

Tatort Kaiserpfalz

Auf dem Weg nach Bisanz

Es begann in Goslar

Nach Italien

Verrat und Mailand zum zweiten

Die Greul von Crema

Alexander oder Victor

Verrat, Intrigen und Mailand zum letzten

Verhängnis und Ende

Nichts ist mehr wie es war

Gabriellas Sehnsucht

Vorwort

Die Handlung des vorliegenden erzählt Buches erzählt eine komplizierte, sehr distanzierte Vater-Sohn Beziehung im Dunstkreis des Hofes von Kaiser Friedrich Barbarossa, in der Mitte des 12. Jahrhunderts.

Das angesprochene Thema und auch der Stauferkönig und spätere Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ selbst sind nicht die gravierenden Mittelpunkte des Romans, vielmehr ist es die Person des Kanzlers im Heiligen Römisch-deutschen Reich, die mein gesondertes Interesse für die Entstehung meines Buches weckte.

Von Rainald von Dassel ist trotz seines so nachhaltigen Wirkens im Reich der Deutschen wenig überliefert. Bekannt sind nur die Stationen seiner öffentlichen politischen Arbeit als engster Ratgeber Kaiser Friedrichs I.

Das Mittelalter an sich und noch mehr das Frühmittelalter ist nicht all zu üppig mit Übermittlungen von detaillierten Informationen an die Umwelt oder Nachwelt umgegangen. Das Privatleben öffentlicher Personen bekannt zu machen, wie es heute durch Medien gang und gebe ist, gab es zu jener Zeit verständlicher Weise noch nicht nicht. Menschen des Mittelalters erfuhren von großen Ereignissen oder Taten erst lange nach deren tatsächlichem Geschehen. Und auch nur dann, wenn Bänkelsänger, seltener Minnesänger, die sich nur auf Burgen und Schlössern blicken ließen, oder umherziehende Bänkelsänger und Gaukler mit Neuigkeiten zufällig durch ihren Weiler zogen.

Meine Geschichte von einem illegitimen Sohn des Kanzlers im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Erzkanzler von Italien und Erzbischofs von Köln ist nicht fundiert, eher eine Fiktion. Illegitime Kinder aus höheren Schichten in der Öffentlichkeit, auch in Kreisen der Geistlichkeit, war in den Zeiten des Hochmittelalters aber auch nichts Auffälliges. Aber wer garantiert bei einem Mangel an Überlieferungen im Hochmittelalter von Informationen aus dem Privatleben Rainalds von Dassel, die in der Regel allein schon wegen des gesellschaftlichen Rufs und Ansehens unter der Decke gehalten wurden, dass diese Fiktion nicht auch Realität oder sogar die Wahrheit sein könnte?

Bei der Einbettung der fiktiven Teile der Handlung habe ich darauf geachtet, sie mit tatsächlich belegten Ereignissen, gelebten Personen, Örtlichkeiten und Daten zu verknüpfen. Personen eigener Fantasie habe ich beim Personenregister im Eingangsteil des Buches mit „fiktiv“ gekennzeichnet.

Auch sein Liebesverhältnis zur Italienerin Gabriella Della Torre ist erfunden. Mit in die Handlung habe ich auch die nicht ganz geklärten Umstände beim Tod des Erzbischofs von Ravenna, Anselm von Havelberg vor Mailand 1158 aufgenommen, die bis auf das Datum und den Ort weiter im Dunkel der Geschichte ruhen.

Aber Fiktion und Wahrheit sind austauschbar, wenn die Realität nicht mehr zu ergründen und aufzuklären ist.

Und wenn ich eventuellen Nachkommen oder Verteidigern der Ehre Rainalds von Dassel irritiere, auch weil ich ihn in einigen Passagen meines Buches als rücksichtslos und auch grausam geschildert habe, so möge man bedenken: Er war ein Machtmensch und Kind einer unaufgeklärten Zeit.

Und letztendlich im Buch der Versuch des Autors und Laien seine Sichtweise, im Glauben der Person Rainalds von Dassel näher gekommen zu sein, die Psyche eines uns allen schon zu weit entfernten Machtmenschen in einigen wenigen Passagen zu analysieren.

Der Autor

Hinter Klostermauern

Der eisige Winter im Jahr 1155 auf 1156 hatte das fast 350 Jahre alte Benediktinerkloster Corvey und den in der Nähe liegenden kleinen Weiler Huxori (Höxter) in eine hohe Schneelandschaft getaucht. Hinzu kam ein kalter Ostwind, der heulend um die Klostermauern pfiff, und die Holzläden vor den mit Tierblasen verschlossenen Fensteröffnungen boten nur wenig Schutz vor Kälte und Wind im großen Raum des Skriptoriums mit einem Feuer unter dem Kamin, nur notdürftig erwärmt.

Die vier in warmen Mönchskutten, der Jahreszeit angepasst, und mit dem Kopieren und Übersetzen von alten Schriften beschäftigten Mönche störte weniger die Kälte, als vielmehr der leidige Luftzug, der trotz der geschlossenen vier großen Fenster ins Skriptorium drang und die nur wenig Helligkeit verbreitend, schwer entzündbaren Tiertalglichter immer wieder ausblies. Wiederholt wütend, unbeherrscht wegen des ständig neuen umständlichen Anzündens seines vor ihm stehenden Lichts, schiebt Kunrad von Hachen seine vor ihm liegenden Schriften des Cicero beiseite, die ihm der Abt des Klosters Wibald von Stablo persönlich als seinem besten Kopierer übereignet hat. Überhaupt war Kunrad von Hachen heute nicht sonderlich auf seine Arbeit konzentriert. Immer öfter ertappte er sich jetzt bei den Gedanken, die ihn vorher in all den 19 Jahren seines Klosteraufenthalts nicht gekommen waren.

Es sind die seiner ihm unbekannten Herkunft. Dazu kam das Getuschel und die Hinterfragungen seiner Mitbrüder, vor allem aber die Einflüsterungen des Mitbruders Hunold von Rötgen. Vor vielen Jahren, noch ein Knabe, hatte ihm der sich dem Jungen angenommene Abt Wibald von Stablo erzählt, dass man ihn, im Frühjahr des Jahres 1137 morgens als Balg, mehrfach in Tüchern gewickelt vor dem Westwerk an der Pforte von Corvey gefunden habe. Die Unterrichtung damals durch den Abt hatte ihn wenig berührt. Lange Jahre hatte sich Kunrad damit zufriedengegeben, und hatte auch nie mehr nachgefragt. Abt Wibald von Stablo und schon Abt Heinrich von Bömeneburg unterstützten und förderten ihn, bei Studium und seinem Talent exakten Malens und Schreibens beim Kopieren, solange er sich erinnern konnte. Kunrads Heimat und Erinnerung waren das Kloster, in dem er aufgewachsen ist und gelernt hat, zu lesen, zu schreiben und zu malen.

Kunrad war jetzt 18, und natürlich konnte er eins und zwei zusammenzählen, und er fragte sich nun doch, ob es nur seiner Begabung für das schnelle und exakte Kopieren zu verdanken war, das ihn gleich zwei Äbte bevorzugten, oder ob vielleicht noch jemand anderer dahinter als Unterstützer verborgen sein könnte. Weiterhin die Arbeit des Kopierens unterbrechend, sinniert er weiter, wer sein Erzeuger und wer seine Mutter sein könnte und dass zu erfahren, und ihm zu enthüllen, Hunold von Rötgen schon so oft versprochen hat. Kunrad erschrak fast, als Hunold von Rötgen Kunrad aus den ihn jetzt so bedrängenden Fragen riss: „Nun Kunrad, an was denkst du, der du so inniglich in Gedanken versunken bist? Bestimmt an heute Nacht. Lass deine Zelle wieder offen, nicht das man uns hört, wenn du die Tür aufschließen müsstest.“ Jetzt unterbrach auch Hunold von Rötgen seine Abschrift an der >Liber vital von Helmarshausen< und schaut Kunrad verschwörerisch und augenzwinkernd an, um sein Einverständnis zu erhaschen. „Ja die Tür wird für dich unverschlossen sein. Aber nur, wenn du mir dann endlich sagst, was du von mir weist“, wagt Kunrad mit äußerster Beherrschung einzuwenden. „Ja, ja, ich muss selbst noch einige Nachforschungen anstellen“, vertröstete Hunold Kunrad wiederholtl, wie schon des öfteren in den zurück liegenden Jahren. Hunold von Rötgen selbst ist erst vor knapp fünf Jahren, wohl um 1150 ins Kloster von Corvey gekommen. Zuvor war er Insasse im Kloster Bursfelde bei der kleinen Marktgemeinde Northeim. Aber von dort hat ihn Nithard, Abt des Klosters wegen entdeckten Fälschens verschiedener Urkunden weg empfohlen, denkt Kunrad von Hachen oft mit einer Spur Schadenfreude. In Stunden von Schwäche nach einem Liebesakt hatte Hunold Kunrad von Hachen dieses Vorkommnis in Bursfelde gestanden.

Hunold von Rötgen sah vom Äusseren eher einnehmend aus, wenn nicht zeitweise um den Mund dieser zynische, zu weilen bis ins brutale sich verzerrende Ausdruck stören würde. Kunrads Äusserem dagegen konnte man kein so gutes Zeugnis bescheinigen. Von untersetzter Statur, fielen bei ihm die bezwingenden kalt blickenden Augen auf, wenn er nicht gerade diese Mimik durch ein Lächeln kaschierte. Zum Entzug des weiblichen Geschlechts im Kloster von Corvey verdammt, hatte Kunrad den Verführungskünsten des Hunold von Rötgen nicht lange widerstehen können.

In den letzten und Monaten Wochen waren Kunrad die heimlichen Treffen in seiner oder Hunolds Zelle immer mehr lästig geworden, zumal die sexuelle Gier des fast 50-jährigen von Rötgen immer unerträglicher wurde. Der junge Kunrad fühlte sich von ihm benutzt, hatte er doch bisher keine wirklichen Gegenleistungen in Bezug Informationen über seine Herkunft von ihm erhalten. Überhaupt wusste Kunrad sehr wenig über dessen Leben vor dem Eintritt in ein Kloster. Nur einmal, als beide in der Zelle Hunolds vor dem Akt zu viel Wein getrunken hatten, plauderte er dabei sich selbst bedauernd, seine bescheidene Herkunft aus. Er käme aus der Nähe der alten Reichsstadt Friedberg in der Wetterau, und wäre der dritte Sohn seines Vaters, der in einem nahen Salzgrund einen Fronhof bewirtschafte.

Als Hunold spät am Abend heimlich in Kunrads Zelle schlüpfte, stand für von Hachen fest: Nur, wenn von Rötgen alles Wissen über seine Herkunft preisgeben würde, würde er sich dessen abartigen Wünschen noch einmal beugen.

Die sexuelle Abhängigkeit Hunolds, und die Hartnäckigkeit von Kunrad sich sonst zu verweigern, waren schließlich der

Schlüssel, der Hunold von Rötgen zum Reden brachte. Und was Kunrad jetzt aus Hunolds Mund hörte, machte ihn sprachlos: „Schon seit über zehn Jahren gibt es ein Gerücht, das im Kloster von Bursfelde schon lange keins mehr war. Der junge Rainald von Dassel, war geboren auf der Burg Hunnesrück, zweiter Sohn des Grafen Reinold I. und seiner Mutter, einer geborenen Gräfin von Schauenburg, Mathilde mit Rufnamen soll mit 16 oder 17 Jahren auf der Vogtei Hachen seines Vaters eine leichtsinnige Magd geschwängert haben. Der Vater Rainalds ließ dem Mädchen das Kind nach ihrer Stillzeit gegen einen Dukatenlohn wegnehmen und verheiratete sie mit einem Knecht des Gutes Hachen. Der junge Rainald musste auf Geheiß seines Vaters die skandalöse Beziehung zu der jungen, wie leichtsinnigen Magd abbrechen.

Der junge von Dassel besuchte zu jener Zeit schon die Domschule von Hildesheim und sollte in Paris sein Studium für eine kirchliche Laufbahn fortführen. Der kleine Junge der Magd wurde auf den Namen Kunrad getauft und der Vater Rainalds soll den Knaben bei dem ihm bekannten Abt Heinrich von Bömeneburg des Klosters hier in Corvey hat abliefern lassen. Dort soll der Knabe die ganzen Jahre et großzügig von der gräflichen Familie unterstützt worden sein. Genauso, wie ich dir jetzt alles erzählt habe, hörte ich davon in Bursfelde. Jetzt kannst du dir deinen eigenen Reim daraus machen“, beendete Hunold von Rötgen mit schierer Selbstgefälligkeit seine Wissensarie. „Ich hoffe, du weißt meine Offenbarung zu schätzen“, hob Hunold noch einmal ironisch und verschwörerisch lächelnd an. Aber von Hachen registrierte Hunolds letzten Satz nicht mehr und gab vor, sich nach diesem nicht so schnell zu verarbeitenden ihn betreffendem Wissen seine ganze Ruhe zu brauchen und verabschiedete Hunold von Rötgen hastig, ja fast feindselig. Selbst der doch abgebrühte Hunold von Rötgen hatte für den quasi Rauswurf aus Kunrads Schlafzelle diesmal ein Einsehen, das seine sexuellen Bedürfnissein in dieser Nacht nicht erfüllt wurden. An ein Einschlafen für den Rest der Nacht war bei Kunrad von Hachen selbstverständlich nicht zu denken. So sehr ungeheuerlich war das alles, was er hier erfahren hatte. Sollte er das wirklich alles glauben, was ihn der windige Hunold von Rötgen erzählt hatte. Sicher, er führte den Namen von Hachen, der eventuell ein Hinweis sein könnte. Aber viel besser wäre es, Indizien oder gar eine Bestätigung von seiner Herkunft zu erhalten.

Eins stand für ihn jetzt fest. Keiner sollte davon erfahren. Nicht einmal seinem feinen Erzeuger, wenn er es tatsächlich wäre, würde er sich offenbaren. Vorteile, die sich aus dieser neuen Situation für ihn ergeben konnten, wird er künftig allein für sich zu nutzen trachten. Klar wurde ihm aber auch, dass er Hunold von Rötgen gegenüber erpressbarer geworden war. Nicht nur weitere Nächte wird dieser mit ihm teilen wollen, jetzt auch für sich an Vorteile anderer Art denken. Er wird sich eine Lösung des Problems einfallen lassen müssen.

Schon am nächsten Morgen in der Bibliothek verhielt er sich Hunold gegenüber sehr reserviert, um ihm von vorn herein Wind aus den Segeln zu nehmen. Kunrad tat so, als hätte Hunold ihm in der vergangenen Nacht einen Bären aufgebunden. Vermehrt pflegte er nun den Umgang mit Kuno und auch Rainfried, den zwei anderen Kopisten in der Bibliothek, und vertiefte sich wieder in die Abschrift der Werke des Cicero, die gestern, was den Fortschritt seiner Arbeit anbelangt, gelitten hatte. Auch beim Kopieren ließen Kunrad die Gedanken nicht los, wie er Hunold von Rötgen loswerden könnte, der ihm zu einer dauerhaften Gefahr werden würde. Für ihn stand fest, solange er diesen in seiner Nähe im Kloster wusste, war er seiner sicher. Aber sollte sich eine andere Situation ergeben, hätte er keine Skrupel Hunold aus dem Weg zu räumen. Und dieser Tag würde kommen, da war Kunrad von Hachen sich äußerst sicher.

Kunrad, der viel intelligenter als Hunold von Hachen war, hatte von dessen Bauernschläue und Rücksichtslosigkeit im Laufe der Jahre viel gelernt. Nach dem Wissen von seiner Identität, auch wenn er ihrer immer noch nicht ganz sicher war, informierte sich Kunrad unauffällig und verfolgte die Laufbahn seines inzwischen im Reich bekannten Vaters in der katholischen Geistlichkeit. So weiß er auch von dessen Erhebung zum Dompropst in Hildesheim im Jahre 1148. Weitere Propsteien hatte Rainald von Dassel in Goslar 1153 und Münster 1154 verliehen bekommen.

Einen weiteren Aufstieg, der ihm das Amt des Bischofs von Hildesheim eingebracht hätte, soll er sogar abgelehnt haben, wie Kunrad inzwischen erfahren hat. Als ihm der geführte Depeschenwechsel, den Rainald von Dassel mit seinem Abt Wibald von Stablo plötzlich einfällt, der dessen Nähe zum Königshaus des Staufers Friedrich I. aufzeigt, schwindelt es ihn fast. Als Kunrad dann auch noch erfährt, dass ihn der 1155 gekrönte Kaiser Friedrich zum Kanzler des Reiches berufen will, hätte Kunrad von Hachen ob der Machtfülle, die dieser Mann besitzt und der sein Vater sein soll, laut aufschreien mögen. Erneut zweifelt er zwischendurch an der Wahrhaftigkeit der Mitteilungen Hunolds von Rötgen seine Herkunft betreffend

Mitte des Monats im März 1156 empfängt der Abt Wibald von Stablo den ihm von Rainald von Dassel angekündigten Grafen Albert von Sponheim. Albert von Sponheim ist als Rechtexperte und Notar in der kaiserlichen Kanzlei tätig, und besitzt auch das Vertrauen von Kaiser Friedrich. Genau wie mit Rainald von Dassel, steht Abt Wibald auch mit von Sponheim in regem Depeschenwechsel, insbesondere, wenn es um. kirchliche Rechtsfragen geht. Aber auch viele sehr kluge politische Ratschläge an König Friedrich durch von Sponheim hatte Abt Wibald von Stablo oftmals übermitteln lassen. Der Austausch zwischen Friedrich und ihm ist noch intensiver nach Friedrichs Krönung zum Kaiser geworden.

„Nun verehrter Graf, was verschafft mir diesmal die Ehre Ihrer Ankunft“, begrüßt ihn Abt Wibald freundlich „Ich komme mit besonderen Grüßen, die Ihnen unser baldiger Kanzler im Reich, Rainald von Dassel übermitteln lässt. In der Sache eines Sekretärs, von der Ihr bereits wisst, den Rainald in der kaiserlichen Kanzlei benötigt, und bei der Sie verehrter Abt das Vertrauen des zukünftigen Kanzlers im Reich besitzen, soll ich mir die Person ansehen, im Übrigen mich aber auf Ihr Urteil verlassen“.

Abt Wibald von Stablo kannte die delikate Angelegenheit der Grafenfamilie von Dassel. Einmal war er von seinem Vorgänger, zum anderen aber auch durch von Dassel selbst unterrichtet worden, zwischen denen sich schon in der Zeit des Studiums in Hildesheim und Paris, wie bei Anlässen der gemeinsamen politisch-diplomatischen Arbeit bis heute ein besonderes Vertrauensverhältnis, sogar eine Freundschaft entwickelt hat. Graf Albert Sponheim aus dem Hunsrück war in dieser Angelegenheit nur ein Bote.

„Mein lieber Graf, ich lasse den Kandidaten, Bruder Kunrad von Hachen sofort holen. Vorweg er besitzt eine sehr hohe Intelligenz, und für mein Dafürhalten ist er für den Posten des Sekretärs bei Rainald durchaus geeignet. Alles Weitere werde ich Rainald schriftlich durch schnelle Boten senden“, überbrückt Wibald von Stablo die Zeit bis zum Eintritt von Hachens in die Prälatur.

Wirklich überrascht und neugierig erwartet Kunrad von Hachen, dabei abwechselnd auf Wibald und den Grafen schauend, was man von ihm wolle. „Kunrad“, eröffnet der Abt das Gespräch. „Man hat von deinen Fähigkeiten hier bei uns in Corvey gehört. Man wünscht deine Erprobung als Sekretär am Hofe des Kaisers oder vielmehr in dessen Kanzlei“. Einen Moment lang war Kunrad wirklich völlig ohne Worte. Aber nicht sprachlos über das Angebot an sich, sondern darüber, dass dies eine Bestätigung der Vaterschaft Rainalds von Dassel ihm gegenüber bedeuten könnte.

Den völlig Ahnungslosen und Überraschten spielend, zeigte er sich überaus dankbar und bescheiden, in dem er sich artig vor seinem Abt und dem Grafen verneigte.

Innerlich jubelte und triumphierte er. Endlich den beengten Verhältnissen des Klosters zu entkommen, war schon länger zum Wunsch geworden, nachdem er die Pubertät hinter sich gelassen hatte. Alles war jetzt möglich, vielleicht sogar Reichtum, Einfluss und Macht mit einem Vater, den er für seine Zwecke und Vorhaben benutzen kann; und der ihn, so seine Annahme, immer decken und schützen wird.

So verstieg er sich zu den schmeichlerischen Worten: „Ich danke Eurer Eminenz und dem Grafen von Sponheim. Aber Eminenz Wibald, wollt Ihr mich den wirklich fortlassen“? „Es soll deinem Fortkommen dienen, und bedenke, es ist erst eine längere Probezeit zu absolvieren. Jederzeit wärst du uns hier im Kloster von Corvey wieder willkommen, wenn du möchtest“, sagt Wibald noch, um ihm ein Zeichen zu geben, das er sich nun wieder entfernen kann.

Höflich und sich abermals verneigend verabschiedete sich Kunrad von Abt und Graf, um auf dem Weg zurück in die Bibliothek in hektische Überlegungen zu verfallen. Sollte Hunold von Rötgen von dieser für mich so vorteilhaften Veränderung in den Dunstkreis des Kaiserhofes erfahren, was nicht zu vermeiden sein wird, werden Erpressung und Drohungen von Hunold gegen mich nicht ausbleiben. So seine Schlussfolgerung. Diesem belastenden Umstand zu begegnen, hat sich Kunrad rechtzeitig vorbereitet.

Schon vor Wochen hatte er sich unter dem Vorwand einer Erkältung in der Klosterapotheke des alten Bruders Florian genauer umgesehen. Das Eisen- und Fingerhutextrakt für die Bekämpfung der alljährlichen Rattenplage im Kloster war in einem mit dem Wort Gift sehr kenntlich gemachten Kupfergefäss beinhaltet. Nicht verschlossen war der alte Schrank, in dem der Alte immer den Schlüssel stecken ließ, wie Kunrad bei seinen mehrfachen Inspektionen feststellte. Da kam es immer wieder vor, dass Bruder Florian gar nicht anwesend war, um bestimmt wieder ein Schwätzchen mit einem Altersgenossen in dessen Zelle zu führen. Somit für eine solche Gelegenheit vorbereitend, hatte Kunrad sich ein kleineres Papierbehältnis gefertigt, und ohne von Jemanden bemerkt zu werden, hatte er sich des Mittags eine Prise von dem Rattengift abfüllen können. Er war sich sehr sicher, dass die Menge genügen wird, zwei oder drei Menschen zu töten.

Etwa eine Woche später rief Abt Wibald die Mönche ins Refektorium, um allen Insassen noch vor Beginn der Vesper mitzuteilen, welche Ehre dem Kloster Corvey zugefallen wäre, und das einer unserer Bruderschaft, Bruder Kunrad von Hachen das Kloster verlassen wird, um in die Kanzlei unseres vom Papst kürzlich gekrönten Kaisers einzutreten. Und so kam eher, wie es Kunrad lieb sein konnte, Hunold von Rötgens Reaktion prompt, als beide wieder an ihrem Platz in der Bibliothek am Kopiepult stehen. Aufgebracht durch die seit Wochen erlebte Zurücksetzung vonseiten von Hachens flüstert er: „Holt dich dein Erzeuger jetzt unter seine Fittiche! Ich hoffe du weißt, was du mir noch schuldig bist, wie ich auch hoffe, dass du dich meiner auch später dankbar erinnern wirst.“ Und mit einem gemeinen Grinsen fügte er hinzu: „Bevor du von hier weggehst, machen wir uns doch noch einmal eine schöne Nacht, nicht wahr“? Scheinheilig und freundlich zu Hunold aufblickend sagt Kunrad: „Ja es ist wirklich ein Grund zum Feiern und zu genießen. Heute Nacht komme ich zu dir, und bringe einen Krug besten Rotweins mit, den mir Abt Wibald aus diesem Anlass geschenkt hat“.

Auf die Arbeit des restlichen Tages konnte sich Kunrad nun nicht mehr konzentrieren. Nach dem Komplet am Abend zwinkerte er Hunold von Rötgen als Zeichen von Vorfreude in der kommenden Nacht nochmals zu und verschwand in seine Zelle, um den Weinkrug mit dem Gift zu präparieren. Bedenken oder gar Skrupel empfand Kunrad nicht, umso weniger, da er eine so mächtige Person wie die von seinem wahrscheinlichen Vater hinter sich wusste.

In den Weinkrug mischte Kunrad das ganze aus Florians Apotheke entwendete Rattengiftextrakt, um Hunolds Tod garantiert herbeiführen zu können und damit restliches Gift nicht mit ihm in Zusammenhang gebracht wird.

Um Mitternacht verließ er um sich spähend auf Strümpfen, den bauchigen Weinkrug unter der Kutte versteckt, seine Zelle, um den ca. 50 Fuß von ihm entfernten Schlafraum Hunolds auf dem langen Zellenflur zu erreichen. Noch nicht auf halbem Weg des nur mit einem kargen Licht erhellten Dunkels im Flur, in Gedanken, dass ihn gerade heute Nacht niemand sehen dürfe, hörte er vor sich eine der Zellentüren schließen. Blitzschnell suchte er Deckung in der nächsten Türnische der zum Glück sehr dicken Mauern im Kloster. Es war nur der alte Bruder Florian, der wohl wegen seines Stuhls den Abort auf der Zwischenetage des Klosterbaus aufsuchen musste. Hunolds unverschlossene Zellentür im nu öffnend, ging dann alles sehr schnell. Hunold, der ihn kaum erwarten konnte, zog Kunrad in sein Domizil, riss ihm fast den Wein aus den Händen, um sich einen Becher abzufüllen, den er gierig mit einem Zug leerte. Natürlich hatte Kunrad auf diese haltlose Verhaltensweise Hunolds von Rötgen spekuliert, der sich damit immer in die rechte Stimmung für das anschließende sexuelle Erlebnis bringen wollte. Ohne Kunrads eigenes aktives Zutun hatte Hunold sein Todesurteil gefällt. Gefühlskalt ungerührt beobachtet er dessen bald einsetzenden Todeskampf. Nicht einmal ein Kopfkissen, das er wohlweißlich schon beim Eintritt in von Rötgens Zelle entdeckt hatte, um den eventuell zu lauten Todeskampf zu ersticken, benötigte er.

Nur das nicht fassbare Erstaunen und ein ebenso furchtbares Erschrecken Hunolds in dessen Augen, ehe sie brachen, blieben im Gedächtnis von Kunrad haften. Verräterische Spuren tilgte er, in dem er den Rest des Weines in einen Ablauftrichter des Zellenbodens schüttete, der mittels eines dünnen Rohres aus Blei durch die dicke Außenmauer des Klosters führte. Den Weinkrug, wie den nur von Hunold benutzten Becher mit Wasser ausspülen, reinigen und das heimliche Verlassen von Hunolds Zelle; dies alles spielte sich im Zeitraum von wenigen Minuten ab. Vom Verlassen seiner Unterkunft bis Kunrad wieder auf seiner Pritsche lag, ist nicht mal eine Stunde vergangen.

Als Hunold von Rötgen morgens nicht zur gemeinsamen Laude erschien, sah man nach seiner Zelle, und fand ihn tot auf dem Boden liegen. Die Nachricht von Hunolds Tod war zwar ein Gesprächsthema für die Klosterinsassen, aber ein Aufhebens wurde deswegen nicht gemacht, zumal Hunold fast 50 Jahre alt war. Für einen Mann ein normales Alter, um zu sterben. Einen Grund, in anderer Richtung zu gehen oder zu ermitteln, fand man nicht und so ordnete der Abt Wibald Hunolds Bestattung innerhalb von drei Tagen an. Für Kunrad von Hachen und den zwei Verbliebenen Kuno und Reinfried in der Bibliothek änderte sich vorerst nichts. Aber das Abschreiben von Texten empfand Kunrad nicht mehr sehr interessant und nun sogar langweilig. Mit der Zeit verrichtete er die Kopierarbeit immer lustloser, umso viel mehr, das er weder von seinem Abt, noch von der Kanzlei oder von seinem Vater Rainald von Dassel mehr hörte. Drei Monate waren inzwischen vergangen und der Sommer hatte gerade Einzug gehalten. Kunrad wurde immer reizbarer und ungeduldiger und. Seine Arbeit widerstrebte ihm zusehends und die intimen Annäherungen Bruder Reinfrieds, die er selbst provoziert und veranlasst hatte, um seinerzeit Hunold los zu werden, wurden ihm zur Last. Da war ihm der so zurückhaltende und wortkarge Kuno viel angenehmer.

Langsam glaubte Kunrad nun, dass Graf von Sponheim, der ihn seinerzeit als Kandidat für die Stelle als Sekretär in die Kaiserliche Kanzlei begutachtet hatte, zu keinem für ihn positiven Urteil gekommen sei, und man die Anforderung für einen Sekretär vom Kloster Corvey zurückziehen werde. Nach der gemeinsamen Vesper an einem der letzten Tage des Mai rief Abt Wibald von Stablo Kunald zu sich, ihm in sein Büro zu folgen. Dort eröffnet er ihm: „Kunrad, so oft ich bisher mit deiner Arbeit bei uns in Corvey zufrieden war, so sind mir jetzt Fahrigkeit und Desinteresse an den von dir erledigten Aufgaben aufgefallen. Ich hoffe für dich und auch unser Kloster, das du dich für künftige Aufgaben gewappnet hast. Gestern habe ich Kurierpost erhalten, dass in den nächsten Tagen ein Fuhrwagengespann unter der Führung eines Hauptmanns und militärischer Begleitung aus Lutra, der neuen Kaiserpfalz bei uns eintreffen wird. Du wirst dann mit nach Lutra reisen, zusammen mit einigem Inventar und auch Schriften aus unserer Klosterbibliothek, die wir hier entbehren können. Mach dich also bereit und packe so langsam deine Sachen und Habseeligkeiten.

Du wirst bald zu gegebener Zeit von mir hören, wenn dein Abreisetag bevorsteht“, beendete Abt Wibald seine doch so ungewohnt lange Rede. „Du darfst jetzt wieder gehen“!

Auf dem Weg zu seiner Zelle war er freudig erregt, aber auch sehr beherrscht. Nach der Vesper am Tage des 6. Juni sah Kunrad seinen Abt das letzte Mal. Mit den Worten: „Mach dem Kloster von Corvey und auch mir in Zukunft Ehre. Morgen in der Frühe wirst du Corvey verlassen“, so verabschiedet Abt Wibald von Stablo auch mit gemischten Gefühlen den knapp 20-jährigen Kunrad von Hachen, den illegitimen Sohn des engsten Vertrauten und Mitarbeiter von Kaiser Friedrich I., genannt „Barbarossa“, Rainald von Dassel, seines Zeichens Reichskanzler ab 1156, Erzkanzler Italiens und Erzbischof von Köln ab 1159.

Begegnung im Taunus

Erleichtert, befreit und bester Dinge packte Kunrad vor der Nacht seiner Abreise sein Bündel. Dabei auch ein großes Messer, das er zur eigenen Sicherheit aus der Klosterküche entwendet hatte, um es in einem Gürtel unter seiner Mönchskutte immer parat zu haben.

So stieg er am Morgen des 07. Juni auf eines der zwei voll bepackten Pferdefuhrwerke, die von vier mit Schwertern und Lanzen bewaffneten Soldaten und einem Hauptmann begleitet werden sollen. Der Abschied vom Kloster Corvey fiel ihm trotz seines hier ganzen verbrachten Lebens nicht schwer. Ohne große Gefühlsaufwallungen winkte er den Brüdern zu, den Klosterhof verlassend, durch das erst vor wenigen Jahren neu entstandene Westwerk fahrend, um einem anderen Abschnitt seines Lebens entgegen zu sehen.

Eine lange und gefährliche Reise würde ihm bevorstehen, malte Kunrad sich aus. In der ganzen Länge seines Lebens und das nur wenige Male, war er nie weiter als die 3 Meilen nach dem kleinen Weiler Huxori (Höxter) gekommen, der vom Kloster aus immer gut zu sehen und dabei so nahe scheinend zu erreichen gewesen war.