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In "Deep Secrets" findet die junge Sara McMillan die erotischen Tagebücher einer Frau namens Rebecca. Deren Inhalt fasziniert und erschüttert sie gleichermaßen, und sie begibt sich auf die Suche nach der geheimnisvollen Frau. Doch während Sara sich dabei selbst in sinnliche Abenteuer mit zwei attraktiven Männern verstrickt, ahnt sie nicht, dass es Tagebücher gibt, die sie noch nicht gefunden hat - Tagebücher, die noch mitreißender und noch verhängnisvoller sind und die das Rätsel um Rebeccas Verschwinden endgültig lösen könnten ... Wer ist der dominante Mann, der Rebecca zu erotischen Erlebnissen verführt, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie sie wagen würde?
REBECCAS TAGEBÜCHER - GESAMTAUSGABE erscheint als Bonusstory zur Bestseller-Reihe DEEP SECRETS
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Seitenzahl: 233
Titel
Zu diesem Buch
1. Teil – Meine Verführung
2. Teil – Unser Vertrag
3. Teil – Meine Unterwerfung
4. Teil – Mein Meister
Die Autorin
Die Romane von Lisa Renee Jones bei LYX
Impressum
LISA RENEE JONES
Ins Deutsche übertragen
von Michaela Link
Zu diesem Buch
In Deep Secrets findet die junge Sara McMillan die erotischen Tagebücher einer Frau namens Rebecca. Deren Inhalt fasziniert und erschüttert sie gleichermaßen, und sie begibt sich auf die Suche nach der geheimnisvollen Frau. Doch während Sara sich dabei selbst in sinnliche Abenteuer mit zwei attraktiven Männern verstrickt, ahnt sie nicht, dass es Tagebücher gibt, die sie noch nicht gefunden hat – Tagebücher, die noch mitreißender und noch verhängnisvoller sind und die das Rätsel um Rebeccas Verschwinden endgültig lösen könnten …
Wer ist der dominante Mann, der Rebecca zu erotischen Erlebnissen verführt, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie sie wagen würde?
Samstag, 4. Dezember 2010
Heute bin ich jemandem begegnet, von dem ich sofort wusste, dass er mein Leben verändern könnte. Ich habe schon gehört, dass es so etwas gibt, aber bis heute habe ich niemals etwas annähernd Vergleichbares erlebt. Und heute Abend habe ich ihn kennengelernt. Bisher kenne ich seinen Namen nicht und er nicht meinen, doch tief in mir spüre ich immer noch den Widerhall unserer kurzen Begegnung.
Ich weiß, wo ich ihn wiedertreffen kann, er jedoch hat keine Ahnung, wo er mich findet. Ich weiß auch, wie ich seinen Namen herausbekommen kann – aber ich werde es nicht tun. Es gibt zu viele gute Gründe dagegen. Ich kann mir nicht erlauben, nach ihm zu suchen, denn er wird mich garantiert auf einen Weg führen, den ich lieber nicht einschlagen sollte. Schon jetzt befürchte ich, dass meine Begegnung mit ihm etwas tief in mir aufgewühlt hat. Es ist etwas, das ich besser ruhen lassen sollte; etwas, wonach ich mich sehne. Allerdings weiß ich, dass ich nicht wagen sollte, es mir zuzugestehen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Mann nicht sein Brandzeichen auf vielen Frauen hinterlassen hat – und auf den meisten Männern ebenfalls.
Es ist, als verdränge er die Luft aus dem Raum, in dem er sich befindet. Er ist atemberaubend männlich, atemberaubend attraktiv und verströmt ungezügelte, maskuline Macht. Er verkörpert jemanden, der die Kontrolle über alles hat, was er ist und was eines Tages aus ihm werden wird. Ist es nicht das, was wir alle insgeheim wollen?
Ich würde alles darum geben, zu wissen und zu verstehen, wer ich wahrhaft bin. Und ich vermute, dass ich heute Nacht genau danach gesucht habe: nach mir. Es war mir nur nicht bewusst, bis ich ihm begegnet bin.
Die Dinge nahmen ihren Lauf, nachdem ich meine Schicht in der Bar beendet hatte. Ich beschloss, noch bei der Schokoladenfabrik vorbeizuschauen, um eine Schachtel Pralinen zu kaufen. Ich wollte feiern, dass ich allein auf der Welt stehe. Das klingt nach Suhlen in Selbstmitleid, aber es täuscht. Genau heute vor einem Jahr habe ich meine Mutter begraben, und statt mich von Trauer verzehren zu lassen, versuche ich, positiv zu denken. (Etwas, das ich seither nicht oft getan habe.) Also … das Positive dieses Tages ist, dass ich, Rebecca Mason, überlebt habe, obwohl ich sicher war, es nicht zu schaffen.
Doch irgendwie landete ich, statt direkt zu dem Schokoladengeschäft zu gehen, zwei Blocks entfernt vor der Galerie, in der ich schon immer arbeiten wollte, seit ich vor fünf Jahren mit dem College begonnen habe. Es ist einfach … passiert. Und eigentlich war das gar nicht gut. Ein Blick in die Galerie, und die Gedanken an das vergangene Jahr überwältigten mich – die Beerdigung meiner Mutter. Die Einsicht, dass mein Kunstabschluss unbrauchbar war, wenn es darum ging, Rechnungen zu bezahlen. Die Feststellung, dass ich ein Leben hatte, das ich nicht wollte. Es war höllisch, dort zu stehen und sich nach dem zu verzehren, was ich unwiederbringlich verloren habe.
Das Schlimmste daran ist: Ich ersehne meinen Traum noch immer, so sehr, dass ich mich einfach nicht zwingen konnte wegzugehen, ohne die Galerie zu betreten. Obwohl ich diese fixe Idee ein Jahr lang verdrängt hatte. Nicht einmal das abscheuliche Kellnerinnenkostüm unter meinem langen, schwarzen Ledermantel konnte mich daran hindern, hineinzugehen. Ich knöpfte ihn einfach nur zu.
Ich trat ein, meine Absätze (die Schuhe habe ich aus einem Schnäppchenladen) klapperten auf den teuren weißen Fliesen. Im Hintergrund spielte leise klassische Musik, und ich fühlte mich wie im Himmel. Ich stand einfach da, starrte die schmalen, verglasten Bilderrahmen an und seufzte innerlich. Genau hier wollte ich immer noch sein, und genau deshalb war ich wieder zur Schule gegangen. Hier zog es mich hin, seit ich als Kind versucht hatte, meinen eigenen Picasso zu erschaffen, und dabei begriffen hatte, dass ich selbst keine Künstlerin bin. Meine Gabe ist ein sicherer Blick für Kunst und eine tiefe Liebe zu ihr, die ich mit anderen teilen möchte. Wenn doch nur so etwas auch Geld einbringen würde. Wie konnte ich mir einbilden, ich könnte eine der Wenigen sein, die in einer Kunstgalerie tatsächlich ihren Lebensunterhalt verdienten?
Aber ich tat es. Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich könnte es. Als ich dachte, Träume seien dazu da, sie zu verwirklichen. Das war, bevor die Realität mich am Wickel hatte und mir die Augen öffnete.
Aber als ich heute Abend dort in der Galerie stand, stieß ich all das beiseite und verlor mich einfach im Hier und Jetzt. Ich schlenderte von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück und genoss das Geschenk, die Kunstwerke einiger der berühmtesten lokalen und internationalen Künstler zu betrachten. Irgendwann kam eine Verkäuferin, eine blonde und ziemlich kurvenreiche Frau, auf mich zu. Ihr herablassender Blick verriet mir, dass sie dachte, ich rangiere unterhalb der Würde der Galerie. Das gab mir einen Stich und weckte die Furcht in mir, dass sie recht hatte – dass ich nicht hierhergehörte. Aber dann erschien aus dem Nichts mein altes Ich wieder. Früher hatte es für das gekämpft, was es wollte. Nachdem ich mich gefasst hatte, stellte ich ihr ein paar spitzfindige Fragen zum Werk eines Künstlers, um ihr Wissen zu testen. Sie zierte sich und brachte einen Vorwand an, um mich allein zu lassen. Ich hatte fast vergessen, dass ich so berechnend sein kann, und es war seltsam, diesen Teil von mir wiederzuentdecken.
Ich blieb eine Stunde, bis kurz vor Geschäftsschluss, dann ging ich widerstrebend zur Tür. In diesem Augenblick kam er herein, und mir wurden die Knie weich, als wäre ich ein Schulmädchen. So etwas wollte ich mir nie erlauben. Aber dieser Mann … dieser Mann war so überwältigend, und nicht nur, weil er sündhaft gut aussieht. Sein Blick begegnete meinem, und ich erstarrte, wie gebannt von seinen Augen. Ich war mir seiner in jeder Zelle bewusst, auf eine Art, wie ich mir noch nie im Leben eines Mannes bewusst gewesen bin.
Ich habe darüber nachgedacht, woher das kommt. Er war umwerfend attraktiv, aber ich habe schon früher zauberhafte Männer kennengelernt. Es war mehr als sein Aussehen. Es war definitiv die Ausstrahlung von Macht und Selbstbewusstsein, die er besaß. Die Art, wie er etwas aus einem perfekt sitzenden Anzug machte, statt dass der Anzug etwas aus ihm macht. Ich sage mir immer wieder, dass seine Ausstrahlung und sein Selbstbewusstsein daher rühren, dass er ein Mann ist, kein Jüngelchen, gut zehn Jahre älter als ich. Natürlich ist das eine Erklärung – doch ich glaube, dass dieser Mann auch mit zweiundzwanzig Jahren schon das war, was er heute ist.
Am Ende waren es nicht sein Aussehen, seine Macht oder seine faszinierenden Augen, von denen ich dachte, dass sie vielleicht, nur vielleicht, einen Anflug von männlichem Interesse zeigten. Es war die Frage, die er mir stellte: eine Frage, die mich mit solcher Wucht traf, dass ich wie vor den Kopf geschlagen war, und die mich in Verlegenheit brachte. Eine so einfache Frage, von einem Mann, der so gar nicht einfach war.
Sind Sie hergekommen, um sich für das Praktikum zu bewerben?
Ich konnte kaum begreifen, was er gerade gesagt hatte. Ich musste mir die Frage mehrmals stumm wiederholen, und mich zu ruhigem Denken zwingen. Und ehrlich, ich hätte beleidigt sein können, dass er annahm, meine Jugend oder irgendetwas anderes an mir verriet, dass ich nicht dort war, um Kunst zu kaufen. Stattdessen verscheuchte der innere Jubel darüber, dass er mich als mögliche Kandidatin für einen Job betrachtete, jeden anderen Gedanken.
Dann blies die Realität den Hoffnungsfunken aus. Ich weiß, was ein »Praktikum« in Dollars bedeutet, denn ich hatte im vergangenen Jahr Rechnen gelernt, als sich die Kosten für die Beerdigung meiner Mutter auf ein kleines Vermögen belaufen hatten. Wollte ich mit einer langen Liste von Leuten konkurrieren, die darum betteln würden, für Pennys zu arbeiten? War ich bereit, zwei Jobs zu stemmen, um zu überleben? Und mal ehrlich, wie lange konnte ich das durchhalten? Bestand die realistische Chance, jemals meinen Lebensunterhalt in irgendeiner Galerie zu verdienen?
Also, was tat ich? Ich lachte dümmlich und nervös und erklärte ihm, dass die Arbeit in der Galerie ein Traum sei, den ich mir einfach nicht leisten könne. Dann, bevor ich etwas noch Dümmeres tat, wie beispielsweise meine Meinung zu ändern, ging ich an ihm vorbei und verließ die Galerie.
Und jetzt esse ich Pralinen, und mir ist übel, weil ich keinen Grund gefunden habe, meine Meinung zu ändern. Vielleicht wird mir, wenn ich die ganze Schachtel leer esse, vom Zucker so schlecht, dass ich die Übelkeit wegen meiner Entscheidung nicht mehr spüre. Ich kann nur hoffen.
Sonntag, 5. Dezember 2010
Als ich zu Bett gegangen bin, habe ich an den Mann aus der Galerie gedacht und an die Art, wie seine silbergrauen Augen meine gefangen genommen haben. An mein spontanes Gefühl, dass er mein Leben auf tiefschürfende Art berühren würde. Wie soll er das tun, wenn ich ihn nie wiedersehe? Das war der letzte Gedanke, an den ich mich erinnere, bevor ich in einen Traum glitt.
Nein. Es war ein Albtraum. In ihm stand ich in einer der alten Straßenbahnen, und ein kalter Windstoß, wie er typisch ist für San Francisco, fuhr mir ins Haar. Alles war lebendig. Der rote Wagen. Die kalte Stange, an der ich mich festhielt. Der Schatten meines hellbraunen Haars. Der blaue Himmel. Der Duft des nahen Ozeans. Dann war plötzlich meine Mutter da, sie fuhr mit mir, und sie lächelte und war so glücklich, wie ich es seit ihrem Tod nicht gewesen bin. Ich erinnere mich auch nicht daran, in dem Traum glücklich gewesen zu sein. Ich erinnere mich daran, Angst gehabt zu haben, und zwar aus gutem Grund. Einen Moment später rollte die Straßenbahn hangabwärts und wollte nicht mehr anhalten. Sie raste hinab, schneller und schneller, und ich schrie. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Der Wagen sprang aus den Schienen; ich klammerte mich an die Stange und beobachtete, wie das Wasser immer näher kam. Hektisch suchte ich nach meiner Mutter, aber sie war einfach … fort. Ich war allein in dem Straßenbahnwagen, als er ins Wasser schoss.
Als Nächstes saß ich aufrecht im Bett, schrie wie verrückt und hielt mir dabei den Hals. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich brauchte, um mich zu beruhigen. Aber als ich endlich begriff, dass ich in meinem Bett war, in meiner Wohnung, roch ich trotzdem das nach Vanille und Honig duftende Parfum meiner Mutter. Es erstickte mich beinahe, erfüllte meine Sinne und den ganzen Raum. Ich schwöre, ich spürte meine Mutter im Schlafzimmer.
Sie hatte mich dazu gebracht, diesen höllischen Albtraum zu haben. Mir ist klar, dass das verrückt klingt, und ich bin nicht der Typ, der an Geistergeschichten glaubt, aber ich weiß, dass sie es getan hat. Ich verstehe nur nicht, was es bedeutet. Ich dachte, sie liebt mich – aber dann habe ich in ihren letzten Tagen so viel über sie erfahren; Dinge, von denen ich manchmal wünschte, ich wüsste sie nicht, und andere, bei denen ich froh bin, dass ich sie weiß. Nur deshalb bin ich bereit einzusehen, was dieser Albtraum mir vielleicht sagt. Möglicherweise war ich immer auf mich gestellt. Vielleicht ist das der Grund, warum mein Unterbewusstsein meine Mutter in meinen Traum gebracht und sie dann weggerissen hat.
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Josh, der gut aussehende Banker, mit dem ich im letzten Monat zweimal ausgegangen bin, kam heute Abend in die Bar und fragte, warum ich auf seine Anrufe nicht reagiert hätte. Wie sagt man einem Mann, dass man aus purer Einsamkeit mit ihm ausgegangen ist und mit ihm geschlafen hat? Und dass der Effekt der ist, dass man sich immer noch einsam fühlt? Es war nicht so, dass der Sex schlecht war; das war er nicht. Ich habe ihn genossen. Ich hatte sogar einen Orgasmus. Das sollte doch etwas bedeuten, denn – Hand aufs Herz – wie viele erste Nächte enden mit einem Orgasmus?
Nun, vielleicht tun sie das bei einigen Leuten, aber nicht bei mir. Ich neige dazu, beim ersten Mal mit einem Mann zu viel nachzudenken. Nicht dass ich mit vielen Männern im Bett gewesen wäre. Tatsächlich ist Josh erst der dritte. Aber ich kann mir ebenso gut selbst einen Orgasmus verschaffen, und es ist viel weniger kompliziert.
Er ist wirklich ein perfekter Mann – oder wäre es in den Augen meiner Mutter gewesen. Gut aussehend, selbstständig, er liebt seine Eltern und all solch gute Sachen. Er hat Geld und weiß zu schätzen, was er besitzt, weil er es selbst erarbeitet hat. Ich kann mir nur einfach im Moment nicht vorstellen, eine Beziehung zu haben. Und vielleicht weiß ich jemanden wie ihn nicht zu schätzen oder verdiene ihn nicht, bis ich weiß, wer ich bin.
Am Ende sagte ich ihm, dass ich verrückte Arbeitszeiten hätte und ihn nächste Woche anrufen würde. Das hätte ich nicht tun sollen. Warum habe ich ihm Hoffnung gemacht? Ich weiß doch, wie sehr Hoffnung schmerzen kann.
Freitag, 10. Dezember 2010
Ich bekomme den Mann aus der Galerie nicht aus dem Kopf, aber ich dachte, zumindest die Albträume hätten aufgehört. Dann hatte ich den gleichen höllischen Traum letzte Nacht wieder, in dem gleichen Straßenbahnwagen mit meiner Mutter. Am nächsten Tag verfolgte mich der Traum bis in den Nachmittag hinein, und ausnahmsweise war ich dankbar dafür, dass Freitagabende so chaotisch sind. Dann bin ich zu beschäftigt, um über den Traum oder den Mann nachzudenken.
Aber es ist fast zehn Uhr, und ich hatte kaum eine Pause. Ich wurde von Gästen geradezu überrannt, und auch das kranke, schreckliche Gefühl, als ich auf das Wasser zujagte, nimmt mir immer noch die Luft. Es ist frustrierend und beunruhigend, dass ich diesen Albtraum nicht aus dem Kopf kriege. Es wirkt sich auf meinen Job aus und auf die Trinkgelder, auf die ich angewiesen bin.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmt, dass etwas Schlimmes geschehen wird. So habe ich mich seit der Woche vor dem Tod meiner Mutter nicht mehr gefühlt. Es macht mich verrückt, und ich will nur, dass dieses Gefühl weggeht. Aber es geht nicht weg.
Montag, 13. Dezember 2010
Ich habe von dem Mann aus der Galerie geträumt, aber bemerkenswerterweise erinnere ich mich nicht an Details. Ich weiß nur, es war dunkel und köstlich, so wie man von einem Mann wie ihm träumen sollte. Warum kann ich mich an den Albtraum mit meiner toten Mutter erinnern, in dem ich in die Bucht stürze, doch der Traum von einem erotischen, mächtigen Mann zerrinnt? Wahrhaftig, ich weiß nicht, was im Moment in mir vorgeht, aber ich habe das Gefühl, mich nicht mehr in der Hand zu haben. Jedenfalls habe ich mich heute nicht in der Gewalt gehabt, und habe das getan, was ich nicht tun wollte: Ich habe über den Mann in der Galerie recherchiert. Ich meine, welchen Sinn hatte es zu denken, dass er potenziell lebensverändernd ist, wenn ich ihm aus dem Weg gehe?
Er heißt Mark Compton und ist Besitzer und Manager der Galerie; seiner Familie gehört Riptide, das berühmte Auktionshaus. Das ist der Mann, der mich gefragt hat, ob ich mich um einen Job bewerben würde. Der Besitzer. Das ist wie ein Zeichen, es ist der Grund, warum er mir so wichtig vorkam, als ich ihm begegnet bin. Denn er kann mich in der Galerie, in meinem Traumjob einstellen. Und so verrückt es ist, darüber nachzudenken, geschweige denn, es aufzuschreiben – ich glaube, er wollte, dass ich mich um das Praktikum bewerbe. Ich glaube, er wollte mich einstellen.
Ich verspüre den brennenden Wunsch, hinzugehen und mich zu bewerben, obwohl es wahrscheinlich zu spät ist. Diese Jobs werden schnell vergeben, und die Konkurrenz ist groß. Sich für den Job zu bewerben und ihn nicht zu bekommen, wäre vernichtend, doch ich bin so weit gegangen festzustellen, ob ich meine Arbeitsstunden in der Bar reduzieren könnte, um Zeit für einen zweiten Job zu haben. Nach all meinen Jahren dort war die Antwort des neuen Chefs: »Nein«. Es gibt nur wenige solcher Stellen, aber jede Menge Leute, die bereit wären, meinen Job ohne Sonderwünsche zu machen. Also könnte ich, wenn ich keinen flexibleren zweiten Job finde, das Praktikum ohnehin nicht machen.
Es wäre Wahnsinn. Es geht nicht. Es funktioniert einfach nicht. Verdammt sei Mark Compton dafür, dass er mich in Versuchung geführt und mich dazu gebracht hat zu denken, dass ich vielleicht, nur vielleicht, diesem Traum noch einmal nachjagen kann.
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Diesmal war der Albtraum noch schlimmer. Diesmal schießt der Straßenbahnwagen ins Meer, und die eiskalten Wellen schlagen über mir zusammen, während er sinkt und ich mich mühe hinauszuklettern. Ich bekomme Wasser in die Lungen und habe das Gefühl, dass sie platzen, als ich versuche, die rettende Luft zur Oberfläche zu erreichen. Ich dränge mit aller Macht nach oben und treffe dort meine Mutter, die mich wieder hinunterstößt.
Ich bin zornig, zorniger, als ich es seit langer Zeit gewesen bin – und ich war oft zornig. Ich zürne ihr, weil sie mich verlassen hat. Ich zürne ihr, weil sie mich belogen hat. Ich zürne ihr, weil sie mich ins Wasser zurückgestoßen hat und … und was? Was zur Hölle bedeutet dieser Albtraum? Dieses Gefühl von Grauen, von Tod will einfach nicht verschwinden.
Ich muss zur Arbeit, obwohl ich den Job hasse. Vielleicht gehe ich einfach nicht hin. Aber verdammt, ich muss. Wie sonst soll ich mein Leben finanzieren?
Freitag, 17. Dezember 2010
Ich habe versucht, nicht daran zu denken, dass mir mein erstes Weihnachtsfest allein bevorsteht. Ich habe versucht, die Bäume, die Lieder und den Festtagsjubel auszublenden, alles Dinge, die ich früher mochte. Es hat nicht funktioniert. Und nun denke ich auch noch über Neujahrsvorsätze nach. Ich hatte nie Vorsätze. Ich meine – warum? Wer hält sie schon ein?
Aber ich denke an nächstes Jahr und an mein Leben im Allgemeinen. Wenn das Leben kurz ist, warum es dann damit verbringen, in einer Bar zu bedienen? Es ist alles, woran ich heute denken kann. Wieso bin ich die Einzige in meiner Clique vom College, die nichts aus sich gemacht hat? Dabei war ich die Einzige, die wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Jetzt sind all meine Freunde zu neuen Ufern aufgebrochen. Casey ist mit einem Banker verheiratet und hat kaum noch Zeit für mich. Darla ist in New York und arbeitet für einen Fernsehsender. Susan ist in Seattle bei einer PR-Firma. Okay, da ist Kirk, der immer noch im Burger Palace arbeitet und nicht den geringsten Antrieb erkennen lässt, irgendwas zu ändern. Wie ich.
Was ist nur aus mir geworden? Wie konnte ich mir meine Träume entgleiten lassen? Ich muss etwas tun. Ich muss das in Ordnung bringen. Ich muss mich zur Ordnung rufen. In dieser Galerie war ich so glücklich wie ewig nicht mehr. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, je so glücklich gewesen zu sein.
Heiligabend, morgens
Heute Abend arbeite ich in der Bar, eine glückliche Freiwillige. Wenn man so will, könnte man mich Grinch nennen, denn ich würde Weihnachten dieses Jahr lieber überspringen. Ich habe den Albtraum nicht noch einmal gehabt, obwohl ich das vage Gefühl einer bösen Ahnung nach wie vor nicht loswerde. Nach sorgfältiger Überlegung glaube ich, dass der Tod, den ich spüre und fürchte, der Tod meiner Kunstträume ist.
Also habe ich nachgedacht. Was führt dazu, dass die Träume eines Menschen wahr werden, während die eines anderen nicht wahr werden? Entschlossenheit. Aktivität. Begehren. Das alles habe ich früher einmal zu schätzen gewusst, und als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich beschlossen, es wieder zu tun. Ich bin in das Viertel gegangen, in dem die Galerie liegt, und in jedem eleganten Restaurant vorstellig geworden, das viel Trinkgeld verspricht. Ich habe es geschafft, einen Job in einem Lokal direkt neben der Galerie zu ergattern. Dann habe ich in der Galerie angerufen und gefragt, ob das Praktikum immer noch zu vergeben sei, und das war es nicht. Es war schlimm, das zu hören, aber man sagte mir, ich könne mich für die Zukunft bewerben. Ich tat es und wünschte dabei sehnsüchtig, Mark Compton wäre da. Mein Bauch sagt mir, dass ein Wiedersehen mit ihm mein Ticket zu einem Job ist.
Jetzt, da ich beschlossen habe, mich zu bemühen, kann ich vielleicht ein unbezahltes Praktikum annehmen, in der Hoffnung, mich zu beweisen. Ich werde den neuen Kellnerjob behalten und einmal die Woche in die Galerie gehen, bis ich eine Arbeit dort bekomme, bezahlt oder unbezahlt. Ich war mutig genug, Risiken auf mich zu nehmen. Außerdem ist der neue Job besser bezahlt als mein alter. Das ist ein guter Schritt. Ich muss daran glauben.
Samstag, 25. Dezember 2010
Kino allein. Ein riesiger Eimer Popcorn. Eine Schachtel Pralinen. Eine große Limo. Bauchschmerzen. Ein blöder Film. Ich habe im Kino geweint wie ein Baby und hatte nur noch den Wunsch, ich hätte mein Schminkzeug mitgenommen, um mein Make-up wieder in Ordnung zu bringen. Anrufe bei Freunden. Ich habe ihnen erzählt, ich sei mit einem heißen Typen zusammen, den ich in der Bar kennengelernt habe. Schlafenszeit. Der neue Job beginnt morgen.
Montag, 27. Dezember 2010
Als Mark in das Restaurant geschlendert kam, war ich atemlos. Er beherrschte den ganzen Raum – hochgewachsen und köstlich männlich in einem maßgeschneiderten grauen Anzug. Alle drehten sich nach ihm um, Männer wie Frauen. Es gibt nicht viele Männer, die mir den Atem rauben, aber es gibt auch nicht viele, deren Präsenz einen ganzen Raum füllt.
Kim, die süße Hostess aus Tennessee, mit der ich mich schnell angefreundet habe, hat ihm einen Platz in meinem Bereich gegeben, und als ich an seinen Tisch ging, um seine Bestellung aufzunehmen, war ich lächerlich nervös. Ich habe nicht erwartet, dass er sich an mich erinnert. Okay, vielleicht habe ich es doch erwartet. Oder zumindest habe ich es gehofft. Ich wollte recht haben mit meiner Vermutung zu dem, was zwischen uns gewesen ist. Ich wollte, dass er mich für das Praktikum haben will. Ich wollte, dass er mich jetzt wieder danach fragt und es mir erspart, später in die Galerie zu gehen und selbst zu fragen – vor allem, nachdem ich ihn bedient habe.
Also ging ich auf ihn zu, und sobald ich an seinen Tisch trat, zog er eine Augenbraue hoch und fragte mich, wie ich es mir leisten könne, in diesem Restaurant zu arbeiten, aber nicht für ihn. Ich überraschte mich selbst, indem ich keinen Augenblick mit meiner Antwort zögerte. Aber unter Druck war ich immer gut, mit Professoren und selbst mit den Künstlern, die ich durch mein Studium kennengelernt hatte, ganz gleich, wie arrogant oder scharfsinnig sie waren. Und Mark ist arrogant. Oh ja. Er verströmt Arroganz, und irgendwie ist es bei ihm sexy, während es bei einem anderen selbstherrlich gewirkt hätte.
»Ich weiß, wie wenig man Praktikanten zahlt«, antwortete ich.
»Wie können Sie wissen, wie viel ich meinen Praktikanten zahle, wenn Sie sich nicht bewerben?«
»Ich kenne das Gewerbe.«
»Woher?«
»Ich bin aufs College gegangen und habe mich damit vertraut gemacht, was Sie sicher vermutet haben, sonst hätten Sie mir diese Frage nicht gestellt.«
Sein Mund verzog sich zu einem halben Lächeln. Oh, der Mund dieses Mannes! »Warum bewerben Sie sich nicht und finden es heraus?«
»Das habe ich bereits.«
»Obwohl Sie sich den Traum, bei mir zu arbeiten, nicht leisten können?«
»Es war ein Moment der Schwäche.«
Wir sahen einander an, und mir wurde auf eine Weise warm, wie ich es noch nie angesichts eines Mannes empfunden habe. Nicht gut bei einem potenziellen Boss, ich weiß, aber so war es. Langsam senkte er den Blick und schaute auf mein Namensschild, und er hätte geradeso gut meine Brustwarzen lecken können. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Ich musste die Schenkel zusammenpressen.
Er sah mir wieder in die Augen und sagte leise meinen Namen. Nur »Rebecca«, aber es war ganz sanft und rau gleichzeitig, und ich schmolz dahin. In seine Züge trat pure Befriedigung, als wisse er, was er gerade bewirkt hatte, und schwelge darin.
Und das Gleiche tat ich, denn das ist es, was eine Frau von einem Mann will. Das Gefühl, dass er so mühelos Erregung in mir auslösen konnte, verwirrte meine Sinne. Ich hatte niemals etwas so Intensives erlebt, erst recht nicht an einem öffentlichen Ort.
Der erotische, köstliche Moment endete abrupt, als eine zauberhafte Brünette in einem Bleistiftrock und einer tief ausgeschnittenen roten Seidenbluse an den Tisch kam und mir einen vernichtenden Blick zuwarf. Plötzlich war mir schmerzlich bewusst, dass mein Haar zu einem Knoten zurückgebunden war und ich einen einfachen, hellblauen Rock mit einer weißen Bluse trug, die das Restaurant zur Verfügung stellte.
Wie hatte ich auch nur einen Moment lang denken können, dass dieser Mann mich wollte, wenn er eine Frau wie diese hatte? Aber irgendwie war es nach meiner anfänglichen Verlegenheit beinahe eine Erleichterung, dass sein Interesse an mir rein geschäftlicher Natur war. Ich kann einen Job bei Mark annehmen, ohne mir Sorgen um einen Interessenskonflikt zwischen meinen Hormonen und meiner beruflichen Leistung machen zu müssen.
Keine Stunde nachdem Mark das Restaurant verlassen hatte, bekam ich einen Anruf wegen eines Vorstellungsgesprächs in der Galerie. Nicht bei Mark, sondern bei jemandem namens Ralph, aber wen schert das? Das Gespräch ist morgen, und ich habe den Eindruck, dass es beinahe eine Formalität wird. Ich nehme an, sie haben meine Referenzen überprüft, und ich habe bei Mark Eindruck gemacht.
Das bedeutet wahrscheinlich, dass ich für Pennys arbeiten werde, aber ich habe beschlossen, es zu versuchen. Ich habe ein gutes Gefühl. Das erste Mal seit Wochen habe ich keine böse Vorahnung. Also muss ich wohl um die Karriere getrauert haben, von der ich dachte, dass ich sie niemals haben würde.
Dienstag, 28. Dezember 2010
Eingestellt!
Ich habe den Job in der Galerie bekommen, und die Bezahlung ist besser als erwartet. Nicht berauschend, aber jeder Dollar zählt. Dieser Tag war voll mit erstaunlichen Dingen. Wie das Vorstellungsgespräch gelaufen ist, zum Beispiel. Ralph entpuppte sich als witziger und charmanter Mann mit ostasiatischen Wurzeln. Er nahm mich in den Pausenraum mit, und wir setzten uns hin und tranken Kaffee, von dem er zu leben scheint. Der Mann ist eine Plaudertasche. Er hat mich über den Personalklatsch ins Bild gesetzt. Natürlich hat er mich gewarnt, dass Mark – fürs Personal Mr Compton – hart wie Eisen sei, aber fair.
Er brachte mich zum Lachen und sorgte dafür, dass ich mich entspannte, und er war in jeder Weise ermutigend. Wir haben gelacht, und ich hatte in meiner Wachsamkeit nachgelassen, als Mark hereinkam. Ich schwöre, es war, als stiege die Raumtemperatur um fünf Grad an. Okay, meine Temperatur stieg um fünf Grad an, aber als ich Ralph ansah, war ich mir ziemlich sicher, dass es ihm nicht anders ging. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er schwul ist (nicht viele Heteromänner tragen rosafarbene Fliegen, und sie stand Ralph wirklich gut). Und Mark ist die Definition des Wortes MANN.