Rechenschaft  – Teil 2 –  Band 213e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Carl von Ossietzky - E-Book

Rechenschaft – Teil 2 – Band 213e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski E-Book

Carl von Ossietzky

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Beschreibung

Der Journalist, Schriftsteller und Pazifist Carl von Ossietzky schrieb zwischen 1913 und 1933 etliche Beiträge in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Die Weltbühne" und anderen Blättern über aktuelle kulturelle und politische Themen. Ihm wurde 1936 in einer internationalen Hilfskampagne der Friedensnobelpreis zuerkannt. Er wurde von den Nazis ins Konzentrationslager Esterwegen im Emsland gesteckt. Dort wurde er häufig misshandelt und gefoltert. Er infizierte sich mit Tuberkulose und verstarb 1838. Seine Texte wurden in diesem Buch mit vielen Bildern und Zusatzinformationen neu veröffentlicht. – Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Carl von Ossietzky

Rechenschaft – Teil 2 – Band 213e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski

Band 213e in der gelben Buchreihe

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Carl von Ossietzky

Der Film gegen Heinrich Mann

Die Blutlinie

„Erfolg“ ohne Sukzess

Der junge Fridericus

Zur Reichsgründungsfeier

Winterkönig

Egal legal – Joseph Légalité

UFA verbietet die Konkurrenz

Nach der Sintflut?

„Kulturbolschewismus“

Zum Leipziger Parteitag

Der Weltbühnen-Prozess

Kommt Hitler doch?

Gang eins – Byzanz

Thälmann

Ein runder Tisch wartet

Rechenschaft – Ich muss sitzen!

Generalswirtschaft

Kleines Testament

Antisemiten

Otto Strassers „Deutscher Sozialismus“

Kamerad Lampel

Zehrer und Fried

Der Flaschenteufel – Kanzler a. D.

Der Flaschenteufel

Kamarilla

Kavaliere und Rundköpfe

Deutschland wartet!

Richard Wagner

Carl von Ossietzky

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuß der Hamburger Michaeliskirche.

Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

* * *

2022 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

* * *

Der Autor Carl von Ossietzky

Der Autor Carl von Ossietzky

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/ossietzk.html

Carl von Ossietzky wurde am 3. Oktober 1889 in Hamburg geboren und starb am 4. Mai 1938 in Berlin. Er war ein deutscher Journalist, Schriftsteller und Pazifist.

Als Herausgeber der Zeitschrift „Die Weltbühne“ wurde er im international aufsehenerregenden Weltbühne-Prozess 1931 wegen Spionage verurteilt, weil seine Zeitschrift auf die verbotene Aufrüstung der Reichswehr aufmerksam gemacht hatte. Ossietzky erhielt 1936 rückwirkend den Friedensnobelpreis für das Jahr 1935, dessen persönliche Entgegennahme ihm jedoch von der nationalsozialistischen Regierung untersagt wurde. Er starb an Tuberkulose, die er sich während seiner KZ-Haft zugezogen hatte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Ossietzky

https://www.thefamouspeople.com/profiles/carl-von-ossietzky-6981.php

Carl von Ossietzky war ein deutscher Pazifist und Journalist, der einen langen Kampf gegen das deutsche Establishment wegen ihres geheimen Projekts zur Aufrüstung der Armee führte.  1935 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.  Ossietzkys Vater starb, als er nicht älter als zwei Jahre war, aber sein Stiefvater führte ihn in Bezug auf seine politischen Überzeugungen und die Vorteile der Sozialdemokratie.  Er glänzte nicht als Schüler und verließ die Schule ziemlich früh im Leben, aber das hinderte ihn nicht daran, Journalist zu werden.  Obwohl er Pazifist war, wurde Carl von Ossietzky zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg gezwungen und überzeugte sich zusätzlich von den Launen des Krieges.  Nach seiner Rückkehr begann er seine journalistische Karriere und fungierte auch als Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft.  Letztlich, er wurde Chefredakteur der Publikation mit dem Titel „The World Stage“ und führte mit dieser Publikation eine Kampagne gegen die Verletzungen des „Vertrags von Versailles“, die von der deutschen Armee begangen worden waren.  Er war mehr als einmal wegen seiner Haltung inhaftiert worden.  Er war auch ein lautstarker Kritiker der NSDAP und ihrer Führung, weshalb er in ein Konzentrationslager geschickt wurde.

* * *

Carl von Ossietzky: Rechenschaft – Publizistik aus den Jahren 1913 bis 1933 – Teil 2

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Der Film gegen Heinrich Mann

Der Film gegen Heinrich Mann

Wenn Herr Geheimrat Hugenberg zurzeit auch als Politiker einige Unannehmlichkeiten einstecken muss, so hat er doch als Ufa-Beherrscher einen vollen Sieg errungen.

Alfred Ernst Christian Alexander Hugenberg, * 19. Juni 1865 in Hannover; † 12. März 1951.

Der „Blaue Engel“ ist nicht nur ein Geschäft, sondern auch ein christlich-germanischer Triumph über den Dichter Heinrich Mann.

Lutz Heinrich Mann, * 1871 – † 1950, war ein deutscher Schriftsteller.

Das hat Herr Hussong (Friedrich Hussong, * 15. Mai 1878 in Webenheim; † 29. März 1943 in Berlin, war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.), kurz vor der Premiere, mit unhöflicher Deutlichkeit ausgesprochen. Herr Hussong hat recht: es ist ein Film gegen Heinrich Mann. Der „Blaue Engel“ hat mit Heinrich Manns „Professor Unrat“ so wenig zu tun wie der amerikanische Sintflut-Film mit der richtigen Sintflut.

Nicht ohne Bedauern nimmt man dies triste Ergebnis zur Kenntnis. Man kannte wohl die natürlichen geistigen Grenzen des hugenbergischen Filmreichs, aber trotzdem wagte man an diesen ersten Ufaton ohne Tauberschmelz ein paar Hoffnungen zu knüpfen. Die ersten deutschen Tonfilme hatten nur den Reiz technischer Sensation. Doch hier war mehr gewollt worden. Hier war ein großer Stoff, ein bedeutender Regisseur, einer unserer vorzüglichsten Darsteller. Hier war ein künstlerischer Ehrgeiz am Werk, etwas zu schaffen, das für lange Zeit die Generallinie des jungen deutschen Tonfilms bezeichnen sollte. Das Resultat ist ein larmoyantes, unintelligentes Spießerstück.

Karl Gustav Vollmöller, * 7. Mai 1878 in Stuttgart, † 18. Oktober 1948 in Los Angeles, war ein deutscher Archäologe, Philologe, Lyriker, Dramatiker, Schriftsteller.

Carl Zuckmayer, * 1896 – † 1977, war ein deutsch-schweizerischer Schriftsteller.

1925 begann im Berlin der Weimarer Republik seine Karriere.

Als Bearbeiter zeichnen die Herren Vollmöller und Zuckmayer.  Wahrscheinlich werden sie uns erzählen, dass ohne sie alles noch viel schlimmer gekommen wäre. Es wäre besser gewesen, sie hätten die vandalische Verballhornung des geistvollsten deutschen Romans den dramaturgischen Hausgeistern der Ufa überlassen.

Es hätte nicht ärger werden können. Man muss eben nicht überall dabei sein wollen, meine Herren, man muss auch einmal einen Auftrag zerfetzt retournieren können.

Den Verfilmern hätte es zunächst darauf ankommen müssen, die geistige Essenz des Romans zu retten. Spuren solcher Bemühungen sind nicht mehr erkennbar. Der „Unrat“ ist kein realistischer Roman, obwohl er seine Motive aus bürgerlichem Milieu holte und ein alter lübeckischer Schul-Despot einige Züge hergeben musste. Ebenso wenig ist dieser Professor Unrat selbst ein Mensch von Fleisch und Blut, sondern eine bewusste intellektuelle Konstruktion, ein Demonstrationsobjekt, an dem alle Krankheiten des Schulbetriebs aufgezeigt werden. Dieser „Professor Unrat“ ist voltairisch, nicht nur in seinem spitzen, boshaften Geist, nicht nur in der verwegenen sprachlichen Stilisierung, sondern auch in der Entschlossenheit, das Geschehen auf eine Ebene zu treiben, die jenseits aller Realität liegt. Deshalb ist ihm niemals ein breiter Massenerfolg beschieden gewesen. Früher war er als ketzerisch, als zersetzend verschrien, heute wünscht das Publikum die platte Handgreiflichkeit. Der geistige Spaß hat in Deutschland niemals eine Heimat gehabt.

Bei der Ufa ist aus der funkelnden Satire die sentimentale Katastrophe einer gutbürgerlichen Existenz geworden, aus dem gespenstischen Scholarchen eine verwässerte Volksausgabe von „Traumulus“. Nichts ist geblieben von der stickigen Luft des alten humanistischen Gymnasiums, nichts von dem Hass, nichts von der Bangigkeit, nichts von der muffigen Pubertätslüsternheit der Schülerschaft. Nirgendwo ein dem Tonfilm gemäßes Motiv, nirgendwo ein szenischer Einfall, nirgendwo auch nur ein Bodensatz fotografischen Esprits. Dafür wird uns aber Unrat „menschlich nähergebracht“, der sich nunmehr, trauen fürwahr, als ein wunderlicher älterer Herr in Glanz und Elend vorstellt. Er ist also nicht mehr der pädagogische Torquemada, wie aus dem Schulstaub von Jahrhunderten geformt, sondern ein durchaus mitleidwürdiger, lebensfremder Biedermann, der einer späten Passion verfällt und vom Kleinstadtklatsch und von dem halb unbewussten Dummenjungensadismus seiner Primaner zu Tode gehetzt wird. Traumulus. Wenn das Glockenspiel „Üb immer Treu und Redlichkeit“ klappert, dann regt sich in dem strauchelnden Helden der gute Genius. So kompliziert sind die Mittel der Charakterisierung. Aber vielleicht ist das auch der eigne satirische Beitrag von Vollmöller und Zuckmayer. Die Herren hätten sich diese nützliche Melodie während der Arbeit vorspielen lassen sollen. Das hätte sie an ihre Verpflichtung gegen das Werk Heinrich Manns erinnert.

In dieser kümmerlichen Welt wandelt Emil Jannings wie ein Kentaur, den man in eine Zweizimmerwohnung gesperrt hat und der mit jedem Schritt das Mobiliar bedroht. Welch ein absurder Einfall, das breiteste Temperament, den ausladendsten, den niederländischsten aller unserer Filmkünstler ein hektisches Knochengerüst spielen zu lassen. Für die geringe Spannweite des ganzen Plans hätten Chargenspieler wie Falckenstein oder Picha, Spezialisten für Eckigkeit und Verkniffenheit, auch genügt.

Emil Jannings, gebürtig „Theodor Friedrich Emil Janenz“, * 23. Juli 1884 in Rorschach, Schweiz; † 2. Januar 1950 in Strobl, Österreich, war ein deutscher Schauspieler. Im Jahr 1929 erhielt er den allerersten Oscar in der Kategorie Bester Hauptdarsteller.

Julius Falckenstein, * 1879 – † 1933

Hermann Picha, geboren als Hermann August Carl Picher, * 20. März 1865 in Charlottenburg bei Berlin, † 7. Juni 1936 in Berlin-Tempelhof, war ein deutscher Schauspieler.

Das Ereignis bleibt nur Marlene Dietrich. Weiß Gott, ob dieser Frau ein zweites Mal so etwas gelingen wird, aber dies hier macht ihr in den Filmateliers einiger Kontinente niemand nach. Dieses herrlich laszive Gesicht, diese hagere stelzende Gestalt mit den schäbigen Seidenhöschen und den unwahrscheinlichen schwarzen Gummistrumpfbändern gehört zu den wenigen wirklich großen Filmeindrücken seit Jahren.

Marlene Dietrich, eigentlich „Marie Magdalene Dietrich“, * 27. Dezember 1901 in Schöneberg, heute Berlin; † 6. Mai 1992 in Paris, war eine deutsch-amerikanische Schauspielerin und Sängerin.

Hier und nur hier ist jener Witz der Linie, der die Verfilmung eines so unmateriellen Romans rechtfertigt. Die Dietrich allein verteidigt den Geist Heinrich Manns in diesem Film gegen Heinrich Mann.

(Die Weltbühne, 29. April 1930)

* * *

Die Blutlinie

Die Blutlinie

Es sind diesmal noch keine Knochen, sondern nur für 50.000 Mark Fensterscheiben zerbrochen worden. Ein Café am Tiergarten, ein paar Warenhäuser wurden en passant mit Steinen beehrt. Darunter eines, das seit zwei Generationen getauft ist, und ein anderes, das keine jüdischen Angestellten leidet. Auch der gleichfalls bedachten Bank des Herrn Jakob Goldschmidt lässt sich nicht nachsagen, dass sie Ideen fördert, die nach der Auffassung rechts der Zersetzung dienen.

Dieses der Stärkung des deutschen Kredits gewidmete Unternehmen fand statt, während hundertacht Gelbhemden im Reichstag fröhlich ihr Analphabetentum manifestierten. Beim Namensaufruf wurde der Herr Abgeordnete Heines von der Linken mit dem Rufe „der Fememörder“ begrüßt, worüber er mit geschmeicheltem Lächeln quittierte.

Jakob (auch Jacob) Goldschmidt, * 31. Dezember 1882 in Eldagsen; † 23. September 1955 in New York, war ein Berliner deutsch-jüdischer Bankier und Kunstsammler.

Edmund Heines, * 21. Juli 1897 in München; † 30. Juni 1934 in München-Stadelheim, war ein deutscher Politiker (NSDAP) und SA-Führer. Er wurde während des sogenannten Röhm-Putsches von der SS erschossen.

Auch im Wahlkampf ist Herr Heines auf Plakaten als Fememörder vorgestellt worden, und das hat ohne Zweifel zugkräftig gewirkt. Die Quiriten haben ihn aufs Capitol geschickt, weil er gemordet hat. Es gilt festzuhalten: es gibt in Deutschland Bürger, die jemanden wählen, weil er an einem feigen Mord im Hinterhalt beteiligt war.

* * *

Nach der Meinung Unterrichteter kommt die Offensive gegen die Leipziger Straße nicht auf das Konto der Oberleitung, sondern auf das des Hauptmanns Stennes und seiner Sturmabteilungen.

Walther Stennes, * 1895 – † 1983

Herr Stennes ist nämlich bei der Mandatsverteilung übergangen worden und hat schon neulich dem Osaf (oberste SA-Führung) seine Unzufriedenheit darüber drastisch bekundet. Ist Herr Stennes weniger als andere? Auch an seinem Ruhm klebt Mord, er hat sich redlich bemüht, die Feme in der preußischen Polizei zu beheimaten. Er hat trotzdem kein Mandat bekommen, er ist böse, er arrangiert einstweilen auf eigne Faust Herbstmanöver.

Man darf die Hitler-Bewegung nicht allein nach den Zivilmäulern der Feder und Strasser beurteilen, man muss vor allem auf ihre militärischen Fäuste schauen. Die Organisationen sind gespickt mit Offizieren aus der Freikorpsepoche. Diese Killinger, Heines, Stennes, Göring kommen alle von Ehrhardt-Roßbach und vom Baltikum. Sie fühlen sich nicht Hitler dienstbar, sondern ihren alten Chefs. Sie sind die Parasiten in der neuen Firma, sie tragen andere Interessen hinein, ohne die neue Kasse zu verschmähen, aber sie sind unentbehrlich, weil Erfahrung und gute Nerven sie überall für die Exekutive empfehlen.

Gottfried Feder, * 27. Januar 1883 in Würzburg; † 24. September 1941 in Murnau am Staffelsee, war ein deutscher Ingenieur und nationalsozialistischer Wirtschaftstheoretiker.

Otto Strasser, * 1897 – † 1974

Manfred Freiherr von Killinger, * 1886 – † 1944, war ein deutscher Marineoffizier, nationalsozialistischer Politiker und Diplomat.

Hermann Göring Hermann Wilhelm Göring, * 12. Januar 1893 in Rosenheim; † 15. Oktober 1946 in Nürnberg, war ein führender deutscher nationalsozialistischer Politiker und Kriegsverbrecher. Ab Mai 1935 war er Oberbefehlshaber der Luftwaffe.

Der kleine Goebbels ist für solche Schwerarbeit nicht ohne Riechfläschchen denkbar, der Schlag Heines reibt sich am Gras das Rot von den Händen und geht zum Eisbeinessen.

Paul Joseph Goebbels, * 29. Oktober 1897 in Rheydt; † 1. Mai 1945 in Berlin, war einer der einflussreichsten Politiker während der Zeit des Nationalsozialismus und einer der engsten Vertrauten Adolf Hitlers.

Es gibt ein paar Dutzend Freikorpsoffiziere, skrupellose, fanatische, beutegierige Abenteurer, die an allen nationalistischen Aktionen seit zwölf Jahren beteiligt sind. Es führt eine Linie vom Eden-Hotel und dem Baltikum über Kapp und O. S. weiter zu den Ministermorden, der Schwarzen Reichswehr und dem Ruhrkampf, zu den Wahlraufereien und den zerbrochenen Scheiben in der Leipziger Straße. Vor ein paar Monaten wurden am Rhein auf Geheiß der Partei die Häuser wirklicher oder vermeintlicher Separatisten demoliert, diesmal wird sehr gegen ihren Willen, an dem Tage, wo sie sich als salonfähig erweisen möchte, eine kleine Fensterscheibenattacke geritten, denn die Helden murren ob der Untätigkeit. Viele Politiker sind seit 1918 gekommen und verschwunden, geblieben ist eine Camorra von unbeschäftigten Offizieren, die ständig im geheimen neue Leute anzieht und in ihre Geschäfte verstrickt. Lest im Buch von Gumbel nach oder in den Protokollen der vielen Prozesse, ihr werdet immer die gleichen Namen finden. Ihr werdet finden, dass der Kaufmann X, ein belangloser Zeuge für das Alibi des Hauptmanns Y, nach ein paar Jahren wieder als Zeuge in einer Bombenleger- oder Verschwörersache auftaucht. Es geht eine Blutlinie durch die zwölf Jahre Republik. Die Gerichte haben sie niemals ernsthaft bloßgelegt. Ein einziger konsequent zu Ende geführter Ehrhardt- oder Roßbach-Prozess hätte uns den ärgsten Zauber der neuen Hitler-Macht erspart.

Diese Offiziercamorra ist die wirkliche Nährerin des Bürgerkriegs gewesen. Sie hat die Schützengräben in die innere Politik eingeführt. Sehr klar hat das jetzt der jüdische Historiograph des deutschen Nationalbanditismus, Herr Arnolt Bronnen, in seinem sonst höchst langweiligen Roßbach-Buch gesagt.

Arnolt Bronnen, * 19. August 1895 in Wien – † 12. Oktober 1959 in Ost-Berlin,, mit Pseudonym „A. H. Schelle-Noetzel“, war ein österreichischer Schriftsteller, Theaterautor und Regisseur, der sich auch politisch betätigte, worüber er von Günther Rühle folgendermaßen charakterisiert wurde: „Er war ein Mitläufer, aber von ganz eigener Art: er lief immer mit.

Er gibt dort einmal die Stimmung Ende dreiundzwanzig wieder: „... vorbei für immer war die Epoche, in der man noch mit den Impulsen des Krieges Deutschland und die Nation umgestalten konnte, in der man Versailles mit Versailles und Rathenau mit Schüssen bekämpfen konnte.“ Trotzdem sieht der Monokel bewehrte Bronnen zu schwarz: Diese Epoche ist nicht vorüber, denn ihre Träger sind noch da. Vor zehn Jahren kämpften sie fürs alte Reich und für die Dynastie; heute tragen sie das Kostüm des gelben Sozialismus. Ihre Sprache hat sich verändert, ihr Beruf nicht.

* * *

Wie gern möchte man mit einem Appell die Vernunft zur Opposition entzünden, mit dem guten Feuer des gesunden Menschenverstandes diese Pest ausbrennen.

Paul Thomas Mann, * 6. Juni 1875 in Lübeck; † 12. August 1955 in Zürich, Schweiz, war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Dank sei Thomas Mann, dass er aus der Reihe der schweigenden Geistigen heraustritt, wenn auch nicht mit der Vehemenz Emile Zolas.

Émile Édouard Charles Antoine Zola, * 2. April 1840 in Paris; † 29. September 1902 ebenda, war ein französischer Schriftsteller, Maler undJournalist. Zola gilt als einer der großen französischen Romanciers.

Es ist etwas kernfaul an diesem Volk, das ein Individuum zum Deputierten wählt, weil es ihm als Mörder empfohlen wird. Hier lässt sich mit Literatur nicht mehr kämpfen. Ist es nicht ein Jahrhundert her, dass uns der Triumph des Kriegsbuchs von Remarque als eine spontane Wandlung zum Friedensgeist gedeutet wurde?

Erich Maria Remarque, eigentlich „Erich Paul Remark“, * 22. Juni 1898 in Osnabrück; † 25. September 1970 in Locarno, Schweiz, war ein deutscher Schriftsteller. Seine überwiegend als pazifistisch eingestuften Romane, in denen er die Grausamkeit des Krieges thematisiert, finden bis heute große Verbreitung.

Wir haben dem damals bei aller Anerkennung der Qualitäten des gutmeinenden Autors widersprochen. Die Friedensgesinnung ist dahin wie der Schnee vom vorigen Jahr. Denn so bunt gemischt die Wählerschaft des Nationalsozialismus auch sein mag – sie hat sich doch dazu bekannt, dass Gewalt nach innen und außen das einzige noch mögliche Prinzip darstellt. Gegen eine Million Remarques recken sich sechs Millionen Kriegsbeile.

(Die Weltbühne, 21. Oktober 1930)

* * *

„Erfolg“ ohne Sukzess

„Erfolg“ ohne Sukzess

Lion Feuchtwangers zweibändiger Bayernroman „Erfolg“, von dem hier vor einigen Wochen ein Kapitel wiedergegeben wurde, hat im Allgemeinen eine herzlich schlechte Presse gefunden.

Lion Feuchtwanger, * 7. Juli 1884 in München – † 21. Dezember 1958 in Los Angeles, war ein deutscher Schriftsteller. Feuchtwanger entstammte einer großbürgerlichen wie frommen jüdischen Familie.

Dem einen ist die Geschichte zu bayrisch, dem anderen nicht bayrisch genug. Dem einen zu politisch, dem anderen zu privat. Ganz besonders unerbittlich hat sich ein junger Rezensent, der sich für den Schützenkönig hält, weil ihm seine Zeitung eine Windbüchse anvertraut, und der darüber vergisst, dass er einstweilen selbst noch eine ausgezeichnete Schießscheibe abgibt. Dieser Rezensent also findet es nicht fein, dass Feuchtwanger einen Strafgefangenen im Todeskampf den Kotkübel umreißen lässt. Nun, solange der Strafvollzug noch eine durchaus barbarische Institution ist, so lange hat der Romancier auch nicht das Recht, den Gefangenen in apollinischen Linien sterben zu lassen und ihm statt des Kotkübels eine rosenduftende Amphora ans Lager zu stellen. Stilisierung wäre hier Lüge.

Ich möchte nicht alle gegen Feuchtwangers Buch erhobenen Einwände wiedergeben, sondern mich nur auf die Bemerkung beschränken, dass etliche von den Kritikern die meisten davon vor ein paar Monaten noch nicht geltend gemacht hätten. Mindestens in der liberalen Presse wäre es als Meisterleistung eines Zeitromans gefeiert worden. Heute hat man sich an der Reportage, den Zustandsschilderungen, der sozialen Kritik gründlich den Magen übergessen. Der Nationalismus ist die große Mode. Die politische Reaktion ist schon da, die ästhetische schreitet fort. Feuchtwangers Roman, in einer ganz anderen Zeit konzipiert und in langen Jahren sorgfältig ausgeführt, wirkt jetzt wie ein Nachzügler. Inzwischen ist die Romantik eingebrochen, der Naturalismus hat wieder ausgespielt. Man ist wieder ritterlich, man sitzt träumend im Remter, und an die Stelle von Herrn Professor Van de Veldes heidnischer Liebestechnik tritt die hohe, reine Minne.

Henry Clement van de Velde, * 3. April 1863 in Antwerpen; † 25. Oktober 1957 in Zürich, war ein flämisch-belgischer Architekt und Designer.

Die soziale Anklage sinkt im Kurs, die Aktien von Narciss & Goldmund steigen. Das absinkende Bürgertum zelebriert ein letztes Mal noch ein Biedermeier ohne alle Biederkeit. Dreieinhalb Millionen Arbeitslose nehmen sich, durch Butzenscheiben gesehen, viel manierlicher aus, fast wie ein Pilgerzug ins Heilige Land.

* * *

Der Roman von Feuchtwanger umfasst die turbulente Geschichte der bayrischen Hochebene von zwanzig bis dreiundzwanzig. Wir sehen das stolzgeschwellte Bayern, das sich zu globaler Mission rüstet, die Zeit der Verschwörungen, die Blüte der Bünde, dann die Novemberexplosion, und am Ende bleibt wieder eine etwas langweilige Provinz. Feuchtwanger hat viele Figuren aus dem München jener Zeit hineingetan. Adolf Hitler fehlt so wenig wie Bert Brecht; alle heute schon fast vergessenen Größen dieser bayrischen Jahre treten in dünner Maskierung auf.

Bertolt Brecht (auch Bert Brecht), * 10. Februar 1898 als „Eugen Berthold Friedrich Brecht“ in Augsburg; † 14. August 1956 in Ost-Berlin, war ein einflussreicher deutscher Dramatiker, Librettist und Lyriker.

Feuchtwangers Gestaltungswillen wollte viel umfassen; allzu viel für zwei Hände. Die Komposition entglitt ihm, und er versuchte sie durch einen Trick zu ersetzen. Der Trick seiner Erzählung ist die Distanz. Feuchtwanger zeigt diese krampfhaft geblähte kleine bayrische Weltkugel wie durchs Teleskop. Gelegentlich gibt es erläuternde Einschiebsel, Zahlen, politisches und ökonomisches Material zum Verständnis des Lesers, der sich nicht selbst ans Fernrohr bemühen will, sondern sich die Sache lieber in wohlgesetzter Rede vortragen lässt. Das ist die bedenklichste Schwäche dieses Buchs, die Dinge kommen nicht nah genug heran, bleiben ein fernes Gekribbel und Gewimmel, von einem klugen, sehr weltläufigen Herrn geschildert. Ein zweibändiges Epos kann nicht auf einem Trick beruhen. Die Bewohner dieses Landes Bayern sind gewiss sehr merkwürdig, aber selbst die noch viel kurioseren Provinzen Gargantuas oder Gullivers werden ja nicht im Guckkasten gezeigt: der Leser lebt in ihnen, wird schließlich selbst ein Riese oder Däumling. Zugegeben, dass dieser Guckkasten Feuchtwangers durchweg sehr interessant ist und hoch über dem Flohtheater zahlreicher deutscher Romane steht, es bleibt nur die Erinnerung an ein beachtliches Kunststück.

So ist der letzte dieser vielen Zeitromane zugleich der kunstvollste von allen. Feuchtwanger hat daran mit mehr Fleiß gesessen, als es sonst bei einem deutschen Autor üblich ist. Die vielen Episoden sind aufs liebevollste ausgepinselt, die Sprache ist sauber und ausgefeilt. Kein schöpferischer, aber ein denkender Kopf hat hier gearbeitet und für die Gesamtwirkung fast zu viel gearbeitet. Nicht Personen haften, sondern Sentenzen, nicht Gesichter, sondern kluge, sarkastische und resignierende Bemerkungen. Etwas weniger Detail, und die „Histoire contemporaine“ des Anatole France hätte, wenn nicht ihr deutsches, so doch ihr bayrisches Gegenstück erhalten.

Anatole France („François Anatole Thibault“), * 16. April 1844 in Paris; † 12. Oktober 1924 in Saint-Cyr-sur-Loire, war ein französischer Schriftsteller. 1921 erhielt er den Literaturnobelpreis. France wuchs als Sohn eines hochgebildeten Buchhändlers auf und beendete 1864 seine Gymnasialzeit am katholischen Pariser Collège Stanislas mit dem Baccalauréat.

Aber was tut das? Nicht die wirklichen Schwächen hat sich die liebe Kritik vorgenommen, sondern grade die besten Seiten. Eine Mode ist zu Ende, und die kritischen Totengräber des Naturalismus sind so eifrig tätig, dass es ihnen nicht darauf ankommt, einen Lebenden, der sie stört, gleich mit ins Grab zu werfen. Der Faschismus tritt über die Politik in die Literatur ein. Was sollen da Autoren, die noch mit den Emblemen der republikanischen, der sozialistischen und demokratischen Epoche kommen? Da gilt es, Abstand zu halten. Der Rezensent setzt sich hin und schreibt mit leerem Herzen und vollen Hosen seine ablehnenden Verdikte.

(Die Weltbühne, 11. November 1930)

* * *

Der junge Fridericus

Der junge Fridericus

Die deutsche Revolution hat neben manchem anderen auch versäumt, die Siegesallee abzutragen. Sie fand nicht den Mut, in einem symbolischen Akt die alte Zeit zu zerstören. Diese halb komische, halb herausfordernde Freiluftpuppenstube des letzten Hohenzollern hätte in tausend Stücke zerschlagen werden müssen. Allerdings gibt es auch bleibendere Zeugnisse des Königtums als die von Eberlein, Uphues et cetera gebackenen Kunstfiguren.

Gustav Heinrich Eberlein, * 14. Juli 1847 in Spiekershausen; † 5. Februar 1926 in Berlin, war ein deutscher Bildhauer, Maler und Schriftsteller. 

Joseph Uphues, * 23. Mai 1850 in Sassenberg; † 2. Januar 1911 in Deutsch-Wilmersdorf.

In Potsdam geht noch heute der Mann mit dem Dreispitz um. Begegnete er uns dort im Dunkeln, wir würden kaum auf den Gedanken kommen, zu sagen: „Guten Abend, Herr Gebühr.“ Die Hohenzollern haben im Zug der Jahrhunderte ein paar Erznarren und sehr viel gleichgültigen Durchschnitt produziert, aber nur ein wirkliches Original, das mit ein paar Spritzern Höllenfeuer getauft ist. Die byzantinische Historiographie zählt Friedrich zu den größten Regenten, die jemals gelebt haben; sie hält jeden Kriegerischen schlechtweg für einen Großen und auch für den geborenen Bewältiger aller Friedensaufgaben.

Friedrich II.

Niemals jedoch ist Friedrich ein Soldat der Idee gewesen, seinen Kriegen fehlt das Kreative. Aus dem vergossenen Blut einer Generation spross kein neues Leben, auf den Schlachtfeldern dreier Kriege wuchs, in des Wortes traurigster Bedeutung, kein Gras mehr. Diese Kriege waren Kabinettskriege, dazu bestimmt, das graue Gefängnis preußisches Vaterland um ein paar neue Gelasse zu erweitern. Erst als Friedrichs ruhmreiches Instrument, seine Armee, viel später unter dem rasanten Feuer napoleonischer Regimenter niederbrach, da flossen Licht und Luft in den alten Kerker hinein.

Ein ränkevoller Staatsmann, ein oft bedeutender Feldherr, als Regent ein skurriler Tyrann, in seinen Folgen ein namenloses deutsches Nationalunglück – das war Friedrich. Die preußische Geschichtsschreibung ist indessen noch heute „fritzisch“ gesinnt. Der schottische Puritaner Thomas Carlyle, übrigens auch ein sehr unebener, sehr egozentrischer Charakter, hat Friedrich eine vielbändige, noch immer gelesene Verhimmelung gewidmet. Messerscharf und klar steht dagegen der knappe kritische Essay des Liberalen Thomas Babington Macaulay.

Thomas Carlyle, * 4. Dezember 1795 in Ecclefechan, Dumfries and Galloway; † 5. Februar 1881 in London, war ein schottischer Essayist und Historiker, der im viktorianischen Großbritannien sehr einflussreich war.

Thomas Babington Macaulay, 1. Baron Macaulay, * 25. Oktober 1800 in Rothley-Temple, Leicestershire; † 28. Dezember 1859 in Kensington, war ein britischer Historiker, Dichter und Politiker.

Franz Mehring hat in der „Lessinglegende“ den friderizianischen Staat erbarmungslos seziert und von dem Regentenruhm wenig übrigbleiben lassen.

Franz Erdmann Mehring, * 27. Februar 1846 in Schlawe in Pommern; † 28. oder 29. Januar 1919 in Berlin, war ein deutscher Publizist und Politiker. Zu Beginn seines Schaffens eher bürgerlich-demokratische und zwischenzeitig auch nationalliberale Positionen vertretend, wandte er sich im Laufe der 1880er Jahre der Sozialdemokratie und dem Marxismus zu.

Seit einem halben Dutzend Jahren ist nun der Architekt Werner Hegemann (Werner Hegemann, * 1881 – † 1936) wie zu einem persönlichen Duell gegen die preußischen Kriegerkönige angetreten. Sein „Fridericus“ war ein intellektuell gepanzerter Widerspruch gegen sinnlos nachgeplapperten Legendenkram. Es war ein schwieriges Buch, in seiner nicht leicht zu bewältigenden Form zugleich ein höchst eindringlicher Protest gegen die flotte Büchermacherei dieser Zeit. Jetzt folgt ein zweites Buch zum gleichen Thema, „Das Jugendbuch vom Großen König“ (Jakob Hegner, Hellerau), ein schönes, einfach geschriebenes Buch, das ohne Übersteigung intellektueller Hürden zu erreichen ist, ein Werk, das ganz breiten Erfolg haben müsste, der zugleich ein Erfolg des besten deutschen Geistes sein würde.

Jakob Hegner, * 1882 – † 1962

Das Duell eines Schriftstellers mit einem toten preußischen König –? Das brauchte in einem anderen Fall als dem Hegemanns nicht mehr zu sein als eine Marotte.

Werner Hegemann, * 15. Juni 1881 in Mannheim; † 12. April 1936 in New York, NY, war ein Stadtplaner, Architekturkritiker und politischer Schriftsteller.

Denn was wäre ein Kampf gegen Sarkophage, wenn nicht deren schwere granitene Deckel auch noch fühlbar auf unserer Zeit lasteten ... Zwischen dem ersten und zweiten Friedrich-Buch hat Hegemann das „Steinerne Berlin“ geschrieben, die Chronik vom Wachsen einer Millionenstadt. Hier erst ist mir sein Hass gegen die einstigen königlichen Herren der Stadt Berlin ganz verständlich geworden. In der engen trostlosen Anhäufung von Mietskasernen, in dem traditionellen Wohnelend der Hauptstadt sieht er die Sünde der preußischen Könige zu Mauerwerk erstarrt, hier ist die verbissene Militärpolitik der Hohenzollern für Jahrhunderte Stein geworden. Hier ist zugunsten des Militarismus alles ungeschehen geblieben, was dem Organismus Stadt Leben, Gesundheit, Farbe gibt. Die Kasernenphantasie der Soldatenkönige ist hier Schicksal für viele Generationen kranker Kinder, leidender Familien geworden.

Den größten der Könige holt sich Hegemann in seinem neuen Buch heraus, das von dessen konfliktreicher Jugend handelt. Wie oft sind diese Vorgänge und Zustände nicht schon erzählt worden: dieser Kampf mit dem Vater (Siehe Band 139e in dieser gelben Buchreihe!), die Einkerkerung, die Hinrichtung Kattes, dieses rohe Hof leben und dieser grässliche, alles armfressende Militärfimmel. Es ist seltsam, dass diese Dinge hier neu und erstmalig wirken. Bei Hegemann stellt sich sofort dieselbe Wirkung ein wie bei Franz Mehring: die Beziehung zur Gegenwart ist da. Die Gamaschenideologie dieser Zeit lebt ja noch, die Irrlehre von der Omnipotenz des Staates und der bewaffneten Gewalt als Universalmittel, das ist noch gegenwärtig, und wir erleben hier durch einen ebenso hinreißenden wie gewissenhaften Berichterstatter die Geburtsstunde der preußischen Macht. Hegemann erlaubt sich einmal die bitterböse Ironie, ein Gedicht zu zitieren, das ganz und gar wie ein traditioneller friderizianischer Hymnus wirkt:

Und plötzlich sieht man Fahnen wehen von einer nie erschauten Art. Kolonnen ziehn, die Trommler gehen, und hunderttausend Männer stehen um einen Willen fest geschart.

O nein, es geht nicht auf Fridericus, sondern auf Adolf Hitler.

So zieht bei Hegemann in einem Stück preußischer Staatsgeschichte die Jugend Friedrichs vorüber. Noch immer dramatisch genug, aber mit den Augen des Psychologen gesehen. Nicht mehr „zwei Welten“ stehen sich gegenüber, nicht zwei Ideen, sondern zwei Neurastheniker schlimmsten Kalibers. Der Vater: eine Bestie, die sich sadistisch austobt und dafür den ganzen Staat zur Verfügung hat, der Sohn: feige, schmuddlig, intrigant, gewissenlos und eitel wie ein Narziss – kein junges Heldenleben, „Krankheit der Jugend“, mehr nicht. Vieles davon verwächst sich später, nichts an dem kalten bewussten Machiavellisten erinnert mehr an den phantastischen Jüngling. Wie solide die Hohenzollern seelisch konstituiert sind, wie quicklebendig sie die eigene Schmach und die Leiden anderer überstehen, das erleben wir jetzt ja an dem Beispiel von Wilhelm und Filius, die sich auf den Gräbern des Weltkrieges ihr behagliches, von der Republik hochdotiertes Privatierdasein gebaut haben. Der junge Leutnant Katte ist bekanntlich als abschreckendes Beispiel für den Kronprinzen in Küstrin hingerichtet worden.

Als Friedrich König wurde, erhob er zwar den Vater Kattes in den Grafenstand, aber als später der alte Mann sich mit der Bitte an ihn wandte, seinen unehelichen Sohn doch für legitim zu erklären, da schrieb er an den Rand des Gesuchs ... Nun, was schrieb er wohl zu dem Gesuch eines Vaters, dem er durch seine Torheit einst den Sohn geraubt hatte? Er schrieb in seinem berühmten Marginalstil: „Wer wird alle hurkinder naturalisieren?“ Diese Hohenzollern sind immer eine verdammt gesunde Familie gewesen.

(Die Weltbühne, 23. Dezember 1930)

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Zur Reichsgründungsfeier

Zur Reichsgründungsfeier

Wir haben wieder einen Nationalfeiertag bekommen, von dem die Republik nichts weiß. Die Verfassungsfeiern wickeln sich Jahr für Jahr in dürrer Schematik ab, der 9. November ist für die Patrioten ein Tag der Schande. Jetzt haben die Offiziellen endlich etwas gefunden, das ihre Hemdbrüste wogen lässt: den 18. Januar, den Tag, an dem Bismarck als Verwirklicher der kleindeutschen Pläne für die preußische Dynastie von Deutschland Besitz ergriff.

Ein strammer Borusse, der Fürstenanwalt Everling, beklagt in einem Zeitungsartikel, dass Preußen am Reich zerbrochen sei. Nun, so schlimm war's nicht. Vielmehr hätten diejenigen, welche vorgeben, die großdeutsche Idee zu vertreten, Veranlassung, am 18. Januar auf halbmast zu flaggen. Denn damals wurde das Werk von Sadowa vollendet, der preußische Raubstaat triumphierte über Deutschland, damals wurde die deutsche Nation für immer zerrissen. Im ersten Versailles, nicht im zweiten von 1919, sind einige jener Minoritätenfragen entstanden, derentwillen deutsche Nationalisten von heute Europa am liebsten mit Krieg überziehen möchten.

Unmittelbar nach dem Zusammenbruch schrieb jener alldeutsche Pamphletist, der sich Junius alter (Franz-Josef Sontag(häufig verkürzt Franz Sontag, Pseudonym Junius Alter), * 23. April 1883 in Warsleben; † 1. Dezember 1961 in Bergisch-Neukirchen, war ein deutscher Journalist) nennt, eine Broschüre mit dem Titel „Das deutsche Reich – eine historische Episode?“. Zieht man das Fragezeichen ab, so hat der Mann ganz und gar recht: Bismarcks Reich ist wirklich nur eine historische Episode gewesen. Zurückgeblieben ist ein ins Elend geworfenes Volk, dem der schnell vorübergerauschte Glanz und Schall des Kaisertums den Verstand verwirrt hat, das nicht mehr weiß, was es will, und dem nur ziemlich klar ist, dass es mit der demokratischen Republik nichts anfangen kann. Stünde die Vernunft höher im Preis, so müsste man wenigstens zugeben, dass die Republik von Weimar, so unzulänglich ihre Praxis auch gewesen sein mag, doch einen Willen zur Form aufweist, während Bismarcks Fürstenbund eine welthistorische Monstrosität war, ein staatsrechtliches Kuriosum, das sich nur durch Diktatur im Innern und durch eine geniale Außenpolitik helfen konnte. Die Epoche Bismarcks war die der Industrialisierung, des ökonomischen Aufschwungs. Statt der politischen Freiheit, für die der Bürger noch zwanzig Jahre vorher auf die Barrikade gegangen war, bekam er die geschäftliche Prosperität.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb der Bürger heute so inbrünstig die Reichsgründung feiert. Denn das war sein Reich; wenn ihm auch der Staat eine Kröte nach der anderen zu schlucken gab, so verdiente er doch sein gutes Geld dabei, so regierte er zwar nicht im Land, wohl aber im Geschäft, in der Fabrik, in der Familie. Kein kulturelles Band verknüpft uns mehr mit 1870 oder 1880. In dieser Zeit des höchsten politischen Glanzes waren Geist und Künste in die faulsten und fettesten Niederungen versunken. Was diese Jahre überdauert hat und noch zu uns spricht, hielt wenig von Bismarck und seinem Reich. Anton von Werners naturgetreue Uniformlitzen, die abscheulichen Klapperverse hochgemuter Poeten, der bunte Trompeter von Säckingen auf der Barttasse – das sind so die Reliquien aus dieser glorreichen Zeit. Am Beginn des zweiten deutschen Kaiserreiches steht der furchtbar schneidende Protest von Nietzsches „Unzeitgemäßen Betrachtungen“, an seinem Ende Heinrich Manns „Untertan“.