Reiseberichte - Siegfried Unseld - E-Book

Reiseberichte E-Book

Siegfried Unseld

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Beschreibung

Zehn Tage nachdem Siegfried Unseld am 1. April 1959 die Leitung des Suhrkamp Verlags übernommen hat, reist er nach Ost-Berlin, um Brechts Witwe Helene Weigel zu besuchen. Zurückgekehrt, diktiert er den ersten der von ihm selbst so genannten Reiseberichte.

In über 1500 Berichten hat er bis zu seinem Tod 2002 die für ihn und seine Mitarbeiter wesentlichen Resultate seiner Gespräche festgehalten. Die Weitergabe an Personen außer Haus war streng verpönt. Zum 70-jährigen Verlagsjubiläum wird das Betriebsgeheimnis nun gelüftet.

Die spannenden Reportagen, darunter eindrucksvolle Schilderungen seiner Reisen nach Japan und Israel in den 1980er und 1990er Jahren, offenbaren einen Blick hinter die Kulissen des literarischen Lebens und bieten die einmalige Gelegenheit, den Aufbau des Suhrkamp Verlags aus der Sicht des Verlegers zu verfolgen. Sie dokumentieren die wichtigsten kulturellen Ereignisse innerhalb der letzten vier Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Begegnungen zwischen Verleger und den für diese Zeit bedeutsamsten deutschen und internationalen Autoren – mal dramatisch, mal entspannt urlaubend, mal kämpferisch.

Die hier in Auswahl zum ersten Mal publizierten Reiseberichte Siegfried Unselds führen in die Welt des Verlegers und Verlegens mit all ihren Höhe- und Tiefpunkten, ihrem Glanz und Elend – ob beim Geburtstag von Max Frisch in New York, mit Samuel Beckett in Paris, mit Peter Weiss in Kopenhagen, mit Jurek Becker in Leipzig, bei Ingeborg Bachmann in Rom, mit Amos Oz in Israel, mit Thomas Bernhard in Wien oder mit Peter Handke auf der ganzen Welt – und zeichnen das Porträt der kulturellen Nachkriegsgesellschaft aus der Sicht eines ihrer wirkungsmächtigsten Akteure.

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Seitenzahl: 547

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Siegfried Unseld

Reiseberichte

Herausgegeben von Raimund Fellinger

Suhrkamp Verlag

Übersicht

Cover

Titel

Inhalt

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Inhalt

Cover

Titel

Inhalt

Bericht Berlin-Reise 10.-13. April 1959

Bericht Reise Zürich ‌–Winterthur 18.-21. April 1959

Reisebericht Berlin 27.-29. Mai 1959

Reisebericht Paris 7.-13. April 1960

Bericht über verschiedene Reisen

Reisebericht New York–Boston–Detroit–Washington–New York 10.-18. April 1961

Bericht vom Begräbnis Hermann Hesses

Reisebericht 29. August bis 3. September 1963

Gespräch mit Bundeskanzler Erhard am 23. Juli 1964 in Bonn

Reise Warschau 18.-25. Mai 1965

Reise Rom 27. Oktober bis 2. November 1967

Reisebericht München 11.-13. Juli 1969

Reisebericht Paris–München 15.-17. Februar 1970

Reisebericht 11.-13. Mai 1971

Reisebericht New York 14.-22. Mai 1971

Reisebericht Leipzig 14. März 1973

Reisebericht Zürich–Verona–Mailand–München 15.-19. Juni 1979

Reisebericht Mexico–

USA

9. April bis 5. Mai 1980

Reisebericht Salzburg 24.-26. Juli 1980

Reisebericht Wien–(München)–Hamburg 27.-29. Januar 1985

Bericht Reise: Japan, Tokyo und Kyoto 20. Oktober bis 3. November 1985

Reisebericht Prag 14.-16. April 1988

Reisebericht Israel 30. April bis 4. Mai 1989

Besuch bei Samuel Beckett, Paris 19./20. Mai 1989

Reisebericht Ost-Berlin 22./23. Dezember 1989

Reisebericht Zürich–Paris–Luxemburg 13.-17. September 1991

Reisebericht Israel 9.-13. Januar 1992

Reisebericht Bonn–Berlin 14.-16. Januar 1993

Begegnung mit Anatoli Karpov

Bericht Reise Krakau 6./7. November 1996

Wien 8./9. Februar 1997

Reisebericht Prag 11./12. Februar 1997

Reisebericht Moskau 31. August bis 4. September 1997

Reisebericht Moskau 14.-18. Dezember 1997

Reisebericht München 18. Mai 1998

Nachwort

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Bericht Berlin-Reise10.-13. April 1959

Besuche bei Brecht-Archiv, Frau Hauptmann, Frau Weigel, Frau Franck, Buchhandlung Schoeller, Herrn Schnurre.

Gespräch mit Frau Hauptmann:

Es wurde festgelegt, daß als nächste Brecht-Publikation die Lyrik gebracht werden sollte. Es handelt sich um rund 1200 Gedichte, die nach Slupianeks Berechnung bei unserem Format in sechs Bänden untergebracht werden können. Die Gedichte sind chronologisch angeordnet. Das Material ist gesichtet und bis auf die beiden letzten Bände auch schon geordnet. Wir haben besprochen, daß wir im Herbst drei Bände und im nächsten Frühjahr abermals drei Bände bringen sollen. Folgendes wurde vereinbart:

Wir fertigen umgehend Satzproben an. Für diese Satzproben müssen vornehmlich Gedichte mit langen Zeilen gewählt werden. Schrift: Garamond 9 Punkt. Dies ist also eine entscheidende Abweichung gegenüber den vorherigen Bänden. Wir sind so verblieben, daß wir das Manuskript für die ersten beiden Bände, also ein Drittel des gesamten Materials, bis zum 1. Mai erhalten. Ich werde mich dann damit zu beschäftigen haben. Danach geht das Manuskript sofort in Satz. Es müssen zwanzig Fahnen angefertigt werden, davon fünfzehn für Berlin, da der Aufbau-Verlag nach unseren Fahnen setzen soll.

Die »Einakter und Fragmente« sind also auf den Herbst 1960 verschoben.

»Versuche 1-8«: Wir müssen, was das Stück »Spitzköpfe und Rundköpfe« betrifft (bitte beachten: in den »Stücken« Band VI heißt das Stück »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe«, bei den »Versuchen« 8 »Die Spitzköpfe und die Rundköpfe«!), doch die Fassung von 1933 bringen. Meines Erachtens müssen wir den bisherigen Satz ablegen und die jetzige Vorlage völlig neu setzen lassen. Herr Dr. Hornung: dies bitte prüfen. Ferner wird diesem Heft 8 noch ein kurzer Aufsatz beigegeben: »Denken als ein Verhalten«. Dieses Manuskript wurde mir als Montag vom Archiv abgehend angekündigt.

Originalphotos für die Hefte 1-8 will uns Frau Hauptmann besorgen.

Einzelausgaben: Manuskript für »Puntila« war abgeschickt; Manuskript für den »Guten Menschen« für Montag versprochen.

Korrigierte Fassung »Versuche« Heft 10 für Montag, »Versuche« Heft 11 für nächste Woche versprochen. Die Klischees von den Noten von Heft 10 will Slupianek auftreiben.

Ist auf Suhrkamps Brief an George Grosz Antwort eingetroffen? Eventuell will Frau Hauptmann an Grosz schreiben.

Zur Anfrage des Fernsehens betreffend »Biberpelz«: Hier müssen wir uns an die Erben Hauptmann wenden. Sie müssen damit einverstanden sein. Erst aber noch eine Antwort von Frau Hauptmann abwarten, die uns die Bedingungen für die Berliner Aufführung nennen will.

Zum Komplex »Schriften zum Theater«: Frau Hauptmann gab mir zwei weitere Aufsätze Brechts mit. In der Zwischenzeit wurde im Archiv neues Material gefunden. Es wurde angeregt, aufgrund eines Wunsches von Frau Weigel, daß in der »Bibliothek Suhrkamp« ein Band »Schriften zum Theater II« herauskäme. Ich stimmte dem zu unter dem Vorbehalt, daß das Material quantitativ wie qualitativ dazu vorhanden sein muß. Wir müssen diesen Band also in unserer Planung der »Bibliothek Suhrkamp« berücksichtigen.

Brecht-Archiv:

Teilnehmer der Kommission für die historisch-kritische Ausgabe waren außer den Professoren Beißner und Grumach vor allem Dr. Bunge, Dr. Baumgärtner, der Leiter des Akademie Verlages, und einige Dozenten der Universität und Akademie.

Es wurde stundenlang debattiert über die Anlage des Lesarten-Apparates, über den sich die Brecht-Leute auf der einen, die Philologen auf der anderen Seite nicht einigen konnten. Ich bringe einiges Material zur Anlage der historisch-kritischen Ausgabe mit. Insgesamt handelt es sich um 60 Bände, davon 31 Bände Stücke. Für die Abteilung Lyrik sind 19 Bände vorgesehen. Das gesamte Material der Lyrik Brechts umfaßt jetzt 3500 Blätter mit Gedichten. Davon sind 370 veröffentlicht in Büchern, Zeitschriften, Zeitungen, 799 unveröffentlicht. Darunter befinden sich aber auch Gedichtfragmente und Entwürfe. Noten werden in der historisch-kritischen Ausgabe nur dann veröffentlicht, wenn sie von Brecht selbst einmal publiziert wurden. Prosa: sieben Bände (das Material umfaßt 5000 Manuskript-Seiten). Dazu kommen dann noch die Arbeiten zur Theatertheorie, Kunst, Philosophie und Politik, Briefe und Tagebücher.

Die Übersichten über die Anlage, über die Texte der einzelnen Gattungen liegen bei Fräulein Schenk und können dort eingesehen werden.

Gespräch mit Frau Weigel:

Sie begann sofort damit, daß der Vertrag zunächst bis zum Besuch von Steff im Sommer Gültigkeit habe. Ich habe jetzt den Eindruck, daß er auch weiterhin in Kraft bleiben wird. Frau Weigel bat mich, an Steff Folgendes zu schreiben:

a) Aufschub des § ‌16 des Vertrages.

b) Die Frage, welche Punkte Steff in dem Vertrag mit Cullen im Hinblick auf Amerika störten.

c) Bei Hill and Wang läuft ja eine Option auf die »Schriften zum Theater«. Diesem Verlag auch die »Theaterarbeit« anbieten. Ein Exemplar habe ich mitgebracht.

Frau Weigel las für eine ostdeutsche Grammophon-Gesellschaft Gedichte von Brecht. Philips ist interessiert daran. Bei Frau Weigel nochmals das Verzeichnis der Gedichte anfordern. Ich habe hier unser Interesse angemeldet.

Verlag Artia, Prag: Herr Vapenik hat bei Frau Hauptmann das Interesse des Artia-Verlages an einem Band Neher-Zeichnungen angemeldet. Eventuell Simultan-Ausgabe.

Der Henschel-Verlag veranstaltete Modell-Bücher »Courage« und »Galilei«. Darin wurden unerlaubterweise auch die Texte veröffentlicht. Ich habe dies nachträglich genehmigt. Ich werde dies noch an Frau Weigel für Henschel schreiben und darauf hinweisen, daß in Zukunft solche Vereinbarungen mit uns zu treffen sind. Ebenfalls ist bei Henschel zu reklamieren, daß sämtliche Gastspiele von Ost-Theatern in Westdeutschland durch uns vorher zu genehmigen sind. Jetzt findet ein Gastspiel »Mann ist Mann« des Rostocker Ensembles in Bremen statt. Bei Morris Agency Kopie des Vertrages anfordern, den Brecht mit Laughton über »Galilei« geschlossen hat und der von Brecht unterzeichnet ist. Ebenfalls Kopie des Vertrages mit Blitzstein bei dieser Agentur anfordern.

An Eisler schreiben, er möchte die Musik zur »Johanna« dem Verlag zugänglich machen. Bildband »Galilei« an Frau Weigel schicken.

An Schifferli schreiben. (Der Photograph Nico Jesse wollte ein Stück von Brecht mit besonders künstlerischen Photos innerhalb der Arche-Bücherei herausbringen. Der Plan wurde von Frau Weigel abgelehnt.)

Gesprochen wurde über die Anfrage von Voisin / L'Arche: über die Ausgabe der »Schriften zum Theater«. Frau Weigel ist damit einverstanden, daß wir Voisin den Band zur Hand geben. Jetzt nachträglich taucht die Frage auf, wie wir es mit den Ergänzungen, die einem zweiten Band vorbehalten sein sollen, halten wollen.

Die Tantiemen für die »Dreigroschenoper« sind neu vereinbart worden. Danach beträgt der Anteil Weill 35 ‌%. Frau Hauptmann soll, vorbehaltlich der Zustimmung von Steff, weiter 12½ ‌% erhalten. Fräulein Ritzerfeld muß bei Bloch Erben nachforschen nach Vereinbarungen über die Zahlungen an Karl Klammer. Ist in der Vereinbarung nichts vermerkt, müssen meines Erachtens nach dem Urhebergesetz noch zehn Jahre Tantiemen gezahlt werden. Es kann aber auch, wie gesagt, auf eine Auslegung der Vereinbarungen ankommen. Für die Tantiemenabrechnung bedeutet dies zunächst also folgende Aufschlüsselung: 12½ ‌% Frau Hauptmann, 2½ ‌% Rückstellung für eventuelle Zahlung an Klammer und der Rest Brecht-Erben.

Bitte neue Tantiemenabrechnung aufstellen. Sie geht dann mit einem Begleitbrief von mir an Frau Weigel bzw. Frau Hauptmann.

Bitte beachten, daß in Zukunft von jeder Brecht-Publikation außer den Autorenfreiexemplaren für die Erben automatisch an folgende Empfänger Freiexemplare geschickt werden:

Elisabeth Hauptmann, Berlin N 4, Friedrichstraße 129 1 Exemplar

Herrn Dr. Bunge, Brecht-Archiv 1 Exemplar

Herrn Benno Slupianek, Brecht-Archiv 1 Exemplar

An Frau Hauptmann und Herrn Slupianek sofort die beiden Einzelausgaben schicken.

Ferner wurde von mir die Frage einer Auslieferung der historisch-kritischen Ausgabe durch uns angeschnitten. Dies wird wohl kaum zu schaffen sein. Ich konnte Frau Weigel doch für meinen Standpunkt einnehmen. Sie wird nun ihrerseits nochmals alle Hebel in Bewegung setzen. (Frau Weigel erwartet von mir Auskunft, ob die historisch-kritische Thomas-Mann-Ausgabe durch Fischer ausgeliefert wird.)

Kurzer Besuch bei Frau Rodig:

Hier wurde nur Allgemeines besprochen. Sie war sehr erschüttert durch die Nachricht vom Tode Suhrkamps.

Gespräch mit Schnurre:

Wie mir bekannt, ist Schnurre an den Verlag Otto Walter, Olten, gebunden. Ich habe ihm aber mitgeteilt, daß unser Verlag in Bereitschaft steht, seine Arbeiten zu publizieren.

Herrn Dr. Hornung

Herrn Boehlich

Frl. Ritzerfeld

Frau Roser

14. April 1959

Dr. ‌U./Schk.

14. April 1959

Bericht Reise Zürich ‌–Winterthur18.-21. April 1959

Besuch bei Max Frisch in Uetikon:

Wir besprachen als erstes die Vertragssituation. Der Vertrag wurde bestätigt. Es wurde mit Frisch vereinbart, daß wir in absehbarer Zeit, etwa im Sommer, einen neuen, großen Generalvertrag fixieren sollten, der alle Rechte und Pflichten festlegt. Frisch war einverstanden, daß wir einen Vertrag über alle Arbeiten aufstellen. Wir könnten auch die Frage der Option großzügig handhaben. Als materielle Änderung wünscht er, daß im Verlag von seinem Honorar nicht mehr als DM 12 ‌000,– stehenbleiben sollten. Die Beträge über DM ‌12 ‌000,– sind nach der halbjährlichen Abrechnung automatisch an ihn zu überweisen. Wie mündlich mit Suhrkamp vereinbart, hat Frisch das Recht, Uraufführungen beim Zürcher Schauspielhaus direkt, also außerhalb des Vertrages, zu vereinbaren. Uraufführungen an anderen Theatern aber unterliegen dem Vertrag.

In den Vertrag sollte die alte Kündigungs-Klausel eingebaut werden.

Zu Max Frischs neuem Stück: Der provisorische Titel lautet »Zeit für Andorra«. Für Mitte Oktober ist die Uraufführung in Zürich festgelegt. Wir erhalten in zehn Tagen die erste Fassung des Stückes. Sie ist in 30 Exemplaren zu vervielfältigen und an eine Reihe von Theatern zu verschicken. Auf der Basis dieser ersten Fassung soll das Stück dann weiter mit Frisch diskutiert werden.

Das Stück wird im November für die deutschen Bühnen frei sein. Frisch schlug vor, folgenden Theaterleuten diese Vorfassung zu schicken:

Buckwitz

Gründgens

Schuh

4.

Stroux

5.

Schweikart

6.

Haeusserman (Haeusserman kommt in den nächsten Tagen nach Zürich. Er ist für das Burgtheater sehr interessiert).

7.

Deutsches Volkstheater, Wien

8.

Residenz-Theater, München

9.

Sellner

10.

Barlog

11.

Kortner, persönlich

12.

Hannover

13.

München

14.

Stuttgart

15.

Strehler.

Die Zusendung soll mit einem Begleitschreiben versehen sein, in dem wir diesen Theatern mitteilen, daß das Stück ab November frei sei. Sie möchten uns angeben, ob Interesse besteht, wann die Aufführung sein könnte und welche Vorschläge für Besetzung und Regie bestünden. Danach wird sich Frisch gemeinsam mit uns für den Ort der deutschen Erstaufführung entscheiden.

Frisch wird den Text während der Proben in Zürich, die ab Mitte September laufen, endgültig feilen.

Das Stück wird eine Bühnenmusik von Rolf Liebermann erhalten. Das ist aber endgültig noch zu klären.

Die Buch-Ausgabe betreffend: Wir erhalten Mitte September eine Vorlage für den Satz. Dieser Text ist in Fahnen abzusetzen. Frisch korrigiert den endgültigen Text im Laufe der Proben. Als Auslieferungstag ist der 1. Dezember vorgesehen.

Ich verständigte mich mit Frisch, daß wir, um einen niedrigen Ladenpreis zu erzielen, die etwas luxuriöse Ausstattung des »Biedermann« aufgeben. Wir müssen also eine Form entwickeln, die zwischen den bisherigen Einzelausgaben und den Brecht-Einzelausgaben liegt. Hierbei ist sehr die Form zu beachten, die wir für Beckett, »Godot«, gefunden haben. Die Arbeit daran ist in der Herstellung sofort aufzunehmen.

Gutachten von Dr. Bappert anfordern über Verwendung von »Andorra« im Titel und im Stück.

Einzelfragen: Gorelik: Der von Frisch bereits unterschriebene Vertrag mit dem Agenten von Gorelik wird aufgehoben. Wir stellen von uns aus einen Vertrag auf und schicken diesen Vertrag Gorelik bzw. seinem Agenten zu. Die wesentlichen Punkte dieses Vertrages: Gorelik erhält das Recht, den »Biedermann« zu übersetzen. Seine Übersetzung wird für fünf Jahre autorisiert. Innerhalb dieser Zeit kann nur seine Übersetzung für die Bühne verwandt werden. Das Stück könnte für eine Buchausgabe eventuell neu übersetzt werden.

Die Aufführungs-Option wird bis 31. Dezember 1959 verlängert. Sie erstreckt sich auf sämtliche englischsprachigen Länder, jedoch nicht auf England. Die Option ist mit 200 Dollar zu bezahlen.

Der Verlag arbeitet in England selbständig, um Aufführungen zu erreichen. Hier ist Peter Zadek bzw. Frau Czech (International Copyright) einzuschalten. (Wir müssen in diesem Punkte jetzt aber energisch werden.) In England kann innerhalb von fünf Jahren nur mit der Übersetzung von Gorelik gearbeitet werden. In den Vertrag ist der Termin für eine erste Aufführung einzusetzen, das heißt, die Aufführung muß innerhalb der Optionsfrist erfolgen. Die finanziellen Punkte müssen wir von uns aus festlegen. Frisch wäre damit einverstanden, daß erst für uns eine Option abgezogen wird und der Rest zwischen Gorelik und Frisch halbiert würde. Die Agentin Klausner geht auf das Konto Gorelik.

Fräulein Ritzerfeld muß nach Rücksprache mit mir sofort einen Vertrag aufsetzen.

Der Brief Michael Bullock wird von mir entsprechend beantwortet.

Die Anfrage Swiss Fortnight ist von Fräulein Ritzerfeld nach Rücksprache mit mir zu beantworten.

Ausgabe in Frankreich: Wir können mit L'Arche Vertrag machen auf der Basis des Briefes von Frisch an Andersen. Als Publikation sollen wir folgende Alternativen vorschlagen: entweder jetzt in diesem Herbst einen Band mit den drei Stücken »Biedermann«, »Chinesische Mauer«, »Don Juan« oder im Frühjahr diese drei Stücke plus »Zeit für Andorra« (dann eventuell auch ohne die »Chinesische Mauer«).

In meinem Brief an Voisin werde ich ihm über Frischs neues Stück berichten. »Biedermann« und »Don Juan« sind ins Französische übersetzt. Voisin muß sich also einen Übersetzer für die »Chinesische Mauer« suchen. Frisch schlägt vor, daß diesmal die Übersetzung nicht von Philippe Pilliod gemacht wird, »Hotz« kommt für eine Ausgabe in diesem Zusammenhang nicht in Frage.

Zu »Stiller«: Die Anfrage von Grasset im Hinblick auf eine Radio-Adaptation des Romans ist mit der Gegenfrage zu beantworten, welchen Umfang die Sendung oder die Sendungen einnehmen sollen. Das Honorar von 400 ffrs. ist uninteressant.

In den nächsten Tagen wird sich Herr Viertel an den Verlag wenden und erneut um die Filmrechte bitten. Frisch schlägt vor, ihm für die Abtretung der Rechte 40 ‌000 Dollar vorzuschlagen, also nicht 50 ‌000 wie bei den Verhandlungen in Amerika.

Fernseh-Adaptation: Frisch genehmigt sie prinzipiell, macht aber auf die Rip-van-Winkle-Sendung im Fernsehen aufmerksam. Ich werde dies an Gottschalk/Fernsehen Stuttgart schreiben.

Gespräche über eventuelle Buchgemeinschafts-Ausgaben wurden von Frisch positiv aufgenommen. Ein Abschluß ist aber vorher noch mit ihm durchzusprechen.

»Hotz«: Wir müssen hier bei Bullock nochmals nachfassen, um herauszubekommen, welche Fernsehstation die Sendung beabsichtigt. Erst dann können wir die finanzielle Regelung festlegen. Sollte das Fernsehen die Übersetzung nicht von sich aus finanzieren können, ist Frisch mit einer Teilung von 6 ‌: ‌4 einverstanden. Die Anregung zu dieser Sendung ging von Mrs. Trevor Howard, Rowely Green House, Arkley, Barnet Herts (England) aus. Eventuell kann man bei ihr Näheres erfahren. – Frisch hat ebenfalls die Anfrage von Radio Genf für eine Sendung des Stückes (nicht des Hörspiels) »Biedermann« erhalten. Diese ist mit den Theater-Unternehmungen in der Westschweiz, die Frisch sehr wichtig sind, abzustimmen.

Die Anfrage des Theaters de Carouge muß von uns aus beantwortet werden.

Gespräch über allgemeine Vorlesungen: Frisch will nach wie vor keine solchen Vorlesungen unternehmen. Sollte der Verlag im Herbst in Frankfurt mit einer Reihe von Verlagsabenden an die Öffentlichkeit treten, ist Frisch bereit, dafür nach Frankfurt zu kommen. Er schlägt auch vor, den diesjährigen Empfang zur Messe, den wir unbedingt veranstalten sollten, eine halbe Stunde für ein Gedenken für Suhrkamp zu unterbrechen. Er regte an, daß drei oder vier Autoren kurz je ein paar Minuten sprechen sollten. Frisch kommt zum Empfang eigens nach Frankfurt. – Der Plan eines Heftes »In memoriam Peter Suhrkamp« mit Bildern und Nachrufen wurde von Frisch begrüßt. Er möchte einen Text dazu beisteuern.

Im übrigen geht Frisch am 25. Mai nach Mallorca. Er ist dort von dem spanischen Verlag des »Stiller« eingeladen. Anschließend unternimmt er eine längere Spanien-Reise. Es ist noch nicht sicher, wann er zurückkommt. Es kann sein, daß er bis Anfang September wegbleibt. Dann beginnen allerdings die Proben in Zürich.

Schifferli/Verlag Die Arche:

Schifferli war verreist. Er wird noch bis Freitag abwesend sein. Ich konnte ihm nur einen Gruß bestellen.

Hürlimann/Atlantis-Verlag:

Herr Hürlimann war gerade beim Weggehen. Ich konnte mich nur telephonisch melden. Ich werde ihm schreiben und meinen Besuch für die nächste Zeit in Aussicht stellen. Mit ihm ist ja die sehr leidige Lizenz-Frage »Bin« zu klären, die nach Frisch hoffnungslos verrannt ist.

Buchhandlungs-Besuche konnte ich keine machen, da die Buchhandlungen ab 12.00 Uhr geschlossen waren. Herr Fritz war nicht in Zürich anwesend.

Besuch in Winterthur bei Reinhart:

Ich wurde von Herrn Reinhart abgeholt und hatte dann ein sehr ausführliches und fruchtbares Gespräch. Die Bilanz betreffend, vereinbarten wir, daß jetzt die Lagerbestände bewertet werden sollen. Erst danach können wir uns endgültig über die Behandlung der Bilanz verständigen. Er regte, was mir sehr wichtig scheint, an, keine neue Bilanz zum 31. März aufzustellen, sondern mit Frau Suhrkamp darüber zu verhandeln, daß wir diese Bilanz zum Ausweis des Vermögens von Suhrkamp anerkennen. Ich sagte Herrn Reinhart, daß ich mich mit Frau Suhrkamp in Verbindung setzen und ihm danach schreiben werde. – Ich traf dann auch mit Herrn Balthasar Reinhart zusammen, der mir einen vorzüglichen und sehr interessierten Eindruck macht.

Herrn Boehlich

Herrn Dr. Hornung (und zur weiteren Unterrichtung für Frau Roser)

Frl. Ritzerfeld

Dr. ‌U./Schk.

21. April 1959

Reisebericht Berlin27.-29. Mai 1959

1. Frau Franck:

Weder Frau Franck noch ich haben eine Entscheidung getroffen im Hinblick auf die Berliner Verlagsstelle. Frau Franck war sich noch nicht sicher, ob sie nun endgültig nach Frankfurt übersiedeln wollte oder nicht. Diese Frage ist für Frau Franck noch für zehn Tage aufgeschoben. Bis dahin muß auch der Verlag definitive Überlegungen anstellen.

2. Herr Herrmann:

Herrn Herrmann habe ich mitgeteilt, daß die bisherige Arbeitsbeziehung mit Wirkung vom 1. Juli gelöst wird. Herr Herrmann wird aber noch Frau Franck bei der Änderung oder Umsiedlung der Berliner Verlagsstelle behilflich sein. Er erklärt sich auch nach wie vor bereit, Gänge für uns zu machen und vor allem eventuelle Herstellungsaufträge zu überwachen. Herr Herrmann erhält eine Pension in Höhe von DM 226,–.

3. Gespräch mit Uwe Johnson:

Mit ihm, und am 2. Tage auch mit Dr. Baumgärtner, war ich fast die ganze Zeit zusammen. Wir führten erst ein allgemeines Gespräch, in dem wir uns gegenseitig kennenzulernen suchten, und gingen dann auf Details der Publikation ein.

Die Situation hat sich insofern geändert, als Johnson doch die DDR verlassen und in Westberlin wohnen wird. Der Übertritt soll bis zum 10. Juli erfolgen. Bis dahin wird der Roman noch unter dem Pseudonym Joachim Catt in unseren Herstellungs- und Werbevorbereitungen geführt. Johnson hatte von sich aus einen Vorschlag für Hilfestellung für den Leser: er wollte über die Dialoge jeweils setzen: Im 1. Gespräch. Im 2. Gespräch. usw. Bei den kursiv gesetzten Monologen sollten jeweils die Personen, also Rohlfs, Gesine, Blach, gesetzt werden. Ich stand dem aber skeptisch gegenüber, und wir ließen dann diesen Plan fallen. Dagegen nahm Johnson meinen Vorschlag auf, in einer Art Register ein Portrait der Figuren zu zeichnen, in dem die Beziehungen der Figuren untereinander deutlich, gewissermaßen genealogisch klargelegt werden. Johnson schlug am 2. Tag vor, dieses Register als eine Art eigene Abteilung zu bringen mit dem Titel »Aus dem Tagebuch von Herrn Rohlfs«. Johnson wird ferner eine Story entwerfen, die wir hier im Verlag für die Umschlagrückseite noch entsprechend einrichten können.

Wir gingen dann in stundenlanger Arbeit an die Textprobleme selbst heran. Jede einzelne Änderung mußte mit Johnson debattiert werden. Er hatte seinen Text wie kaum ein anderer Autor parat und hatte für jede Abweichung von der normalen Grammatik oder Syntax einen sehr genauen, beweisbaren Grund. Ich bestand aber darauf, daß gewisse Änderungen, besonders bei den Übergängen von einer Erzählweise in die andere, doch angebracht würden. Wir haben die Teile 1-2 satzfertig gemacht. Johnson wird auf dieser Linie selber die Teile 3-5 heute vormittag in Berlin durcharbeiten.

Eine genaue Herstellungsanweisung folgt gesondert.

Ich bestätigte Johnson nochmals unseren im März abgeschlossenen Vertrag. Johnson erhält demnach für zwei Jahre monatliche Zahlungen des Verlages. Er will in dieser Zeit seinen neuen Roman fertigstellen. »Ingrid Babendererde« wird vorläufig zurückgestellt. Eventuell wird er später einmal Motiv und Gegenstand wiederaufnehmen. Johnsons und meine Interessen stimmten in einem entscheidenden Punkte überein: wir werden alles daransetzen, dieses Buch von vornherein als nicht gegen die DDR gerichtet zu kennzeichnen, das heißt, der Verlag wird in der gesamten Werbung (speziell auf dem Klappentext) hauptsächlich die literarischen Qualitäten des Buches in den Vordergrund rücken.

Das ist ein vertraulich zu behandelnder Reisebericht, nur für Herrn Boehlich und Herrn Dr. Hornung

Dr. ‌U./Schk.

29. Mai 1959

Reisebericht Paris7.-13. April 1960

Teilnehmer der Reise: Walter Boehlich und Uwe Johnson. Herr Boehlich war dienstlich in Paris; er begleitete mich bei meinen Besuchen bei französischen Verlegern. Danach fuhr er von Paris aus in Urlaub. Uwe Johnson wurde zu dieser Fahrt vom Verlag aus eingeladen.

Freitag, 8. April

Langes Gespräch mit Janès. Allgemeiner Bericht über die vorliegenden wichtigen Neuerscheinungen sowie auch über zu erwartende neue Bücher. Janès muß unbedingt etwas besser unterrichtet werden. Fräulein Hallasch möchte in Zukunft Kopien der Briefe, die wir mit französischen Verlagen und Agenturen wechseln, an Janès schicken, es sei denn, daß der eine oder andere Brief davon ausdrücklich ausgenommen wird.

Der Nachmittag war mit dem Besuch bei Gallimard ausgefüllt. Wir besprachen den Vertrag Frisch »Homo faber«. Handschriftlich fügte ich noch eine Änderung in den Vertrag. Er wurde von beiden Seiten unterschrieben. Die Übersetzung Pillod ist sehr genau geprüft worden. Ergebnis: Sie ist akzeptabel, muß jedoch noch in einzelnen Punkten überarbeitet werden. Haupteinwand ist das zu starke Kleben am Original und die sich daraus ergebende Glanzlosigkeit der Übertragung. Die Beispiele, die wir erörterten, sind derart, daß Frisch und Pilliod sie akzeptieren können.

Viel schwieriger war die Frage der Übertragung von Johnsons »Mutmassungen über Jakob«, die Floquet, der Übersetzer von Walsers »Ehen in Philippsburg«, bereits vollendet hatte. Hier war das genaue Gegenteil zu Pilliods Übertragung zu beobachten. Floquet übersetzte nicht nur interpretatorisch, sondern mit mächtiger Eigenphantasie. Er erfand Sätze, Aktionen, ja sogar Dialoge in direkter Anführung. Viele Punkte hat er gar nicht verstanden. An den Dialektstellen ist er vollkommen gescheitert. Wir nahmen dann unsererseits die Übersetzung mit; Boehlich und ich verglichen sie an anderen Stellen, aber das Ergebnis war dasselbe. Floquet wird aufgrund einer genauen Aussprache mit Mascolo eine Bearbeitung von 20 Seiten seiner Übersetzung vorlegen. Auch wir erhalten eine Kopie, und danach wird entschieden, ob er die Bearbeitung vornehmen kann oder ob die Übersetzung in Gänze verworfen werden muß.

Mit Ernst Bloch wird man sich gründlich beschäftigen.

Diese Fragen wurden mit Monsieur Mascolo besprochen, die folgenden mit Monique Lange:

Besprechung des Vertrages Queneau »Zazie«. Unsere Wünsche wurden respektiert. Im übrigen ist Queneau eine Art Generalsekretär des Verlages Gallimard. Wir werden uns mit diesem Buch also anzustrengen haben. Der Film »Zazie dans le métro« wird in Kürze fertiggestellt sein. Zwei Photographien habe ich mitgebracht. Man erwartet einen großen künstlerischen Erfolg.

Was Blanchot betrifft, »Le livre à venir«, so glaubt man bei Gallimard, unseren Wunsch nach einer Auswahl nicht berücksichtigen zu können. Das Buch sei nicht eine übliche Essay-Sammlung, sondern es enthalte ein bestimmtes Thema und sei nach einer besonderen Struktur aufgebaut, die von jeder Auswahl, geschickt wie auch immer, zerstört würde. Das Gespräch wurde nicht zu Ende geführt. Vielleicht überlegen wir uns nochmals die Einwände von Gallimard. Ich persönlich neige freilich eher dazu, Blanchot dann aufzugeben.

Was unsere Anfrage Proust für Fischers »Exempla classica« betrifft, so meinte Monique Lange, daß eine Antwort in Frankfurt vorliege. 

Für die Romane von Boris Vian, soweit sie bei Gallimard erschienen sind, erhielten wir Option. Die Bücher werden nach Frankfurt geschickt.

Wir sprachen auch über Gides »Paludes« für die »Bibliothek Suhrkamp«. Gallimard hat diese Frage mit den Erben Gide geklärt und die DVA ermächtigt, mit uns zu verhandeln. Ich werde eine Zeile an die DVA schreiben.

In Blanchots Buch wird auf Pierre Angélique, »Madame Edwarda«, hingewiesen. Mascolo erwiderte auf meine Anfrage lächelnd, daß es sich hier um ein Pseudonym handele, hinter dem sich kein Geringerer als Georges Bataille verberge. Bataille hat dem durch und durch erotischen (um nicht mehr zu sagen) Buch ein Vorwort beigegeben. Mascolo machte mich nun auf ein anderes kleines Opus von Bataille, »L'alléluja«, aufmerksam und ebenfalls auf das bei Minuit erschienene sehr ernst zu nehmende »L'Érotisme«. Wir haben vom Verleger des Buches eine Option erhalten. Das Projekt ist in jeder Beziehung sehr sorgfältig zu prüfen.

Ich übergab das erste Vorausexemplar der »Pferdchen« von Marguerite Duras an Mascolo. Man war sehr erfreut über die Ausstattung.

Am Abend »Dreigroschenoper« im riesigen Palais de Chaillot, das 3000 Besucher faßt. Die Inszenierung ist fraglos großartig, im einzelnen, im Stile der Commedia dell'Arte, über den Text hinausgehend, im ganzen aber die in Brechts Werk und Denken vorliegende Entwicklung des »Dreigroschenoper«-Themas darstellend; d.h., Schauplatz ist eigentlich nicht London, sondern, obschon unausgesprochen (»Metropole«), New York oder Washington oder San Francisco; demonstriert wird das gemeinsame Paktieren von Verbrechern, Unternehmern und den Machtinhabern. Strehler hat einige Szenen und Songs umgestellt. Faszinierend waren jeweils die Aufzüge bzw. Abgänge bei den einzelnen Szenen, die sich meistens, wie etwa bei dem Bettleraufzug, so abspielten, daß die Personen nach Schließen des Zwischenvorhangs vor dem Vorhang nochmals über die ganze Breite der Bühne liefen. Die Aufführung muß für die Schauspieler ungewöhnlich schwierig gewesen sein, denn die Resonanz beim Publikum, das ja nur zum geringsten Teil der italienischen Sprache mächtig war, war gering, und nur am Schluß brach sich großer Beifall Bahn. Die Aufführung dauerte über vier Stunden mit einer einzigen kurzen Pause. Sehr lebhaft wurde aber der französische Text der »Oper« verkauft. Voisin erzählte mir nachher, daß innerhalb von drei Wochen 17 ‌000 Exemplare verkauft worden sind.

Samstag, 9. April

Ausflug nach Versailles. Am Abend Zusammentreffen mit Janès.

Sonntag, 10. April

Zusammentreffen mit Tophoven. Mit ihm wurde vereinbart, daß er die Übersetzung von Arrabals »Baal Babylone« erst Mitte August abzuliefern habe. (Tophoven zieht übrigens in den nächsten Tagen um.)

Wir besprachen auch Becketts »Nouvelles et textes pour rien«. Das wird jetzt beschleunigt von Tophoven in Angriff genommen. Eine Rohübersetzung liegt schon vor.

Am Spätnachmittag Zusammentreffen mit Beckett. Unser Gespräch war überaus erfreulich, der eigentliche Höhepunkt des Pariser Besuchs. Beckett erkundigte sich wieder sehr interessiert nach dem Ergehen des Verlages und einigen Autoren wie Hesse, Frisch, Nossack. Wir hatten ein langes Gespräch über deutsche Literatur, die er genauer kennt, als man gemeinhin annimmt. Sein Lieblingsbuch ist Fontanes »Effi Briest«; Gedichte von Claudius kennt er auswendig; es war sehr merkwürdig, Beckett in diesem Pariser Restaurant Claudius-Verse sprechen zu hören.

Mit ihm wurde der Publikationsplan Beckett besprochen: Herbst 1960 die beiden Einzelausgaben »Godot« und »Endspiel«, Frühjahr 1961 der Erzählungsband »Nouvelles et textes pour rien« und im Herbst 1961 einen Sammelband »Théâtre« (Stücke, Hörspiele und die fünf Pantomimen). Hier ist besonders achtzugeben, daß wir alle Pantomimen in den Band aufnehmen; Beckett sprach, wie gesagt, von fünf Texten.

Dieser Plan kann sich etwas verschieben, wenn Beckett seinen Roman fertiggestellt haben sollte, an dem er arbeitet. Er glaubt, ihn im Frühsommer abschließen zu können. Auf meine Frage hin erwiderte er, daß auch dieser Roman zu den vorangehenden gehöre und eigentlich nur noch »schrecklicher« sei als die vorangehenden.

Seine frühen Werke (»Whoroscope« und »More Pricks than Kicks«) möchte Beckett am liebsten vollkommen verleugnen. Es gäbe sie nicht mehr, und er wolle mit ihnen auch nichts mehr zu tun haben. Später könne man vielleicht den einen oder anderen Text aus den Kurzgeschichten in einer Zeitschrift veröffentlichen. Jedenfalls würden sie als Ganzes nicht mehr erscheinen.

Montag, 11. April

Ausführliches, mehrstündiges Gespräch mit Voisin. Er erklärte uns zunächst die Struktur der Société des Auteurs. Voisin gab sich als Kämpfer gegen diese Einrichtung aus. Sein Bericht war wirklich erschöpfend. Er erzählte uns auch, wie in diesen Tagen das ganze System der SdA immer mehr unter den Klagen zusammenzubrechen drohe. Er beschwor mich, mit den deutschen Bühnenverlegern einen gemeinsamen Schritt zu vereinbaren. Noch nie sei die Situation so günstig gewesen wie momentan. Die SdA binde ihre Mitglieder, die Theater und die Autoren, mit zweiseitigen Statuten. Die Theater dürfen nur die Autoren aufführen, die der SdA angehören; die Autoren verpflichten sich, ihre Werke von keinem anderen Theater spielen zu lassen. Die Theater müßten auch die Verpflichtung eingehen, nach einem ausländischen Stück ein französisches zu spielen, also keinesfalls zwei ausländische Stücke hintereinander ins Programm aufzunehmen. Voisin meint, daß diese entehrende Bestimmung ein Ansatzpunkt sein könnte, zu allen materiellen Gesichtspunkten hinzu. Sehr kompliziert ist die Behandlung von Übersetzern und Übersetzungen. Übersetzer selbst seien für die SdA uninteressant, aber fast alle Übersetzer geben sich als Adapteure und Bearbeiter aus, und Bearbeiter seien Autoren im Sinne der SdA und damit automatisch gebunden. Es muß dringend darauf geachtet werden, daß in allen Übersetzungsverträgen festgehalten ist, daß der Übersetzer nur das Recht zur Übersetzung, nicht aber das zur Bearbeitung erhielt, daß er also Übersetzer und nicht Bearbeiter ist.

Im übrigen zeigte mir Voisin auch die Abrechnung der SdA, die sehr eingehend und exakt ist. Es wird jeweils am 15. eines Monats über den zurückliegenden Monat abgerechnet.

Voisin zeigte mir auch, daß für Lotte Lenya ein Betrag von 4000 Frs. (neuen Franken) bei der SdA liege. Lotte Lenya möchte sich mit dem Notaire à Paris, Claude Chavanne, 162 Blvd. de Magenta, in Verbindung setzen. Lotte Lenyas Notar muß bezeugen, daß sie Erbin von Weill ist. Vorher erhält sie das Geld nicht ausbezahlt.

Wir besprachen mit Voisin, im Hinblick auf Theaterrechte in Zukunft enger zu kooperieren. Ich glaube, daß wir von ihm einiges erwarten können. Er wird uns auch auf die ausländischen Stücke hinweisen, die er erwirbt. Er selbst verwaltet ja seines Streites mit der SdA wegen nur ausländische Theaterrechte. Er hat eben die Rechte für Pirandello erworben und macht uns darauf aufmerksam, daß Signora Marta Abba (Corso Matteotti, Milano) Theater- und Buchrechte für neun Stücke Pirandellos innehabe. Soweit von uns an Frau Abba nicht schon geschrieben wurde, dies schleunigst nachholen.

Hat, wie mir erinnerlich, Frisch für eine »Biedermann«-Aufführung in Belgien wirklich kein Honorar erhalten? Voisin hielt dies für ausgeschlossen. Wenn ja, würde er sich sofort darum kümmern.

Bekommen wir regelmäßig »Théâtre populaire«, die Zeitschrift, die Voisin zusammen mit Duvignand herausgibt? Wenn nicht, Notiz an Voisin. Sie ist ja sehr wichtig und nicht nur zu Informationszwecken.

Brecht, Gedichte nach Erscheinen an Voisin schicken. Wir verblieben so, daß wir über die Anlage der französischen Ausgabe erst nach Erscheinen der deutschen weiter verhandeln.

Herr Boehlich besuchte am Nachmittag die Editions du Seuil und sprach mit Mlle. Durand. Er erhielt von ihr eine Option für »Hydra« und Yves Velan, »Je«. Die Option für »Je« ist freilich noch nicht hundertprozentig.

Am Nachmittag waren wir wiederum bei Gallimard, um nochmals die Übersetzung von Johnson zu besprechen und den Vertrag »Zazie« zu unterschreiben, der in der Zwischenzeit geändert wurde.

Am Abend Jean Genet,»Les Nègres«, eine sehr interessante, vom Text her skandalumwitterte Aufführung einer Negertruppe in einem kleinen, aber guten Theater am Montparnasse.

Dienstag, 12. April

Am Vormittag bei Minuit Gespräch mit Monsieur Lindon. Mit ihm wurde nochmals über die Einzelausgaben Beckett gesprochen. Wir erhalten also auch die Rechte wegen Vertrieb in der deutschen Schweiz. Mit Olten muß vereinbart werden, daß er »Godot«, jedoch nicht die zweisprachige Ausgabe »Fin de Partie« in der französischen Schweiz vertreiben darf. Lindon stellte einen Vertrag in Aussicht, obschon ich sagte, daß wir dies ja brieflich abmachen könnten.

Ich fragte ihn nach der Rechtslage von Michel Butor. Ich nahm an, daß man bei Biederstein an Butors Essayband »Répertoire« vielleicht nicht so interessiert sein könnte. Es stellte sich nun heraus, daß genau drei Tage zuvor die Option Butor bei Biederstein abgelaufen war. Lindon schreibt jedoch der Fairness wegen nochmals an Biederstein. Er gab Boehlich und mir die beiden Bücher von Butor, den Roman »L'Emploi du Temps« und den Essayband »Répertoire«, mit. Boehlich wird den Roman gleich lesen und uns berichten. Ich bitte Dr. Guggenheimer, sich des Essaybandes anzunehmen. Es wäre für den Verlag natürlich wichtig, in die Rechte Butor einsteigen zu können, und dafür könnte man auch an eine Publikation denken, die man vielleicht sonst nicht gemacht hätte. Im übrigen scheint der Essayband durchaus nicht uninteressant, vor allen Dingen auch nicht für unseren Verlag (ich weise hin auf den Essay »Les Relations de Parenté dans l'Ours de William Faulkner«, in dem Butor Faulkners »Bär« als den Gipfel seines Schaffens bezeichnet). Dr. Guggenheimer möchte sich den Band »Répertoire« gleich vornehmen.

Mit Lindon ausführlich über Bataille, sowohl über die »Edwarda« als auch über »Alléluja« und auch »L'Érotisme« gesprochen. Auch Lindon schätzt Bataille überaus.

Lindon räumt uns eine Option auf den kommenden Roman eines sehr vielversprechenden jungen Autors ein: Thibaudeau »Une cérémonie royale«. Dies ist am besten Lindon gegenüber in einem Brief festzuhalten.

Im übrigen wurden auch ihm unsere Editionspläne Beckett vorgetragen. Er willigte darin ein.

Anschließend sechsstündiges Gespräch mit Stefan Brecht.

1. Im Hinblick auf die Copyrightfrage wurde besprochen, daß wir diese Frage in Zukunft wirklich mit größerer Behutsamkeit angehen sollen. Am besten wäre es, wenn die Copyright-Notiz jeweils rechtzeitig vorher mit Stefan Brecht erörtert würde; denn er hat darin Erfahrung. Dies wird also in Kürze fällig bei den Gedichten und im Herbst beim »Dreigroschenbuch«. Wichtig ist ferner, frühere Copyright-Angaben jeweils mit zu vermerken, denn sonst kann es geschehen, daß die neue Copyright-Angabe rechtlich ungültig ist.

2. Ich versprach Stefan Bapperts Stellungnahme zu Bentleys Frage der Eigentümerschaft.

3. Ein Fahnensatz der Gedichte von Brecht ist für Stefan aufzuheben. Darin vermerken, welche Gedichte nicht in die Ausgabe aufgenommen wurden.

4. Langes Gespräch über den Komplex »Flüchtlingsgespräche« – »Buch der Wendungen« – »Me-ti« – »Tagebücher«.

Stefan kommt Ende des Monats nach Frankfurt, auch um mit Lotte Lenya über eine Aufführung von »Mahagonny« in Amerika zu sprechen.

Anschließend wiederum Gespräch mit Janès.

Am Abend im Théâtre Nationale Populaire Robert Pinget »Lettre Morte« und Beckett »La dernière bande«. In der Aufführung kam der ganze Beckett heraus, das Clowneske wie das Metaphysische. Vielleicht war der Schauspieler etwas zu jung und mußte zu sehr den alten Mann spielen, aber im Gesamten beeindruckte die Aufführung doch sehr.

Lektorat

Theater-Abteilung

Herrn Dr. Hornung

Herrn Dr. Guggenheimer

Dr. ‌U./Schk

14. April 1960

Berichtüber verschiedene Reisen

Bonn – 4. Juli 1960

Zusammentreffen mit Professor Henry Kissinger. Neben anderem ging es vorwiegend um das Problem, wie heute eine »Theorie der Demokratie« geschrieben werden könnte, die alle Aspekte fundamental, historisch, philosophisch, soziologisch, politisch, moralisch aufzeigt.

Stuttgart – 5./6. Juli 1960

Gespräch mit Herrn Behncke. Er tritt am 1. September mit einjähriger Probezeit in die Werbeabteilung des Verlages ein. Die Bedingungen seines Eintritts wurden mit ihm vereinbart, ebenso auch, daß er ab sofort über das neue Programm informiert werden soll. Herr Roeder möchte ihm bitte eine Programmübersicht, Leseexemplare und laufend Informationen schicken.

Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Sieger:

a) Hildesheimer: Die Optionsforderung von seiten Desch kann nicht ohne genaue Kenntnis all der Verträge gelöst werden, die Hildesheimer mit Desch geschlossen hat. Ich habe bei Hildesheimer deshalb seine Verträge schon angefordert. Im Endeffekt wird Hildesheimer freikommen, aber ganz so einfach, wie Hildesheimer dies meinte, ist es doch nicht. Für uns ergibt sich folgende Regelung, die wir uns dringend gegenwärtig halten müssen (Lektorat, Fräulein Ritzerfeld): Bei Übernahme eines Autors muß uns der Autor seine bisher abgeschlossenen Verträge vorlegen. Dies nicht zuletzt im Interesse des Autors, wie wir es ja auch schon bei Herrn Waldmann gesehen haben.

b) Die Angelegenheit Gorelik wurde nochmals durchgesprochen. Der Vertrag mit Gorelik wird jetzt von seiten Dr. Sieger fristlos gekündigt. Wir müssen jetzt schleunigst eine neue Übersetzung in Auftrag geben.

c) Ich hatte dann mit Dr. Sieger ein sehr interessantes Gespräch über mögliche Auswirkungen unseres dynamischeren Verlagsprogramms.

Theodor Heuss: Wir sprachen zunächst über Hesse (unseren Bildband fand er überaus reich und gelungen), dann über Bloch (er hatte ihn bei seiner Stuttgarter Lesung nicht sehen können; eine Freundin, die freilich nicht allzu kompetent sei, hätte ihm nicht allzu Günstiges berichtet).

Dann trug ich ihm die Idee für einen Deutschen Literaturpreis vor. Er hörte sich alles geduldig an, ließ mich, fast beängstigend lang, ausreden, und als er dann selbst in den Monolog eingriff, ging es gar nicht mehr um die Frage, ob, sondern nur noch um das Wie. Obschon er mit Entschiedenheit jetzt alle Belastungen ablehne, wolle er dieser Sache, die er für »höchst wünschenswert« hielt, seine Mitwirkung nicht versagen. Wir verblieben so, daß ich ihm jetzt einen Entwurf für die Statuten eines solchen Preises zuschicken sollte. Heuss schlug mir als nächsten Schritt ein Gespräch mit Sattler und dann mit Ministerialdirektor Frey, dem Sekretär der Kultusministerkonferenz, vor. Beim ersten würde ich auf ein geneigtes, beim letzten vielleicht auf ein ablehnendes Ohr stoßen.

Heuss war in einem weit besseren Zustand als bei der Friedenspreisverleihung in Frankfurt. Zwar machen sich Zeichen des Alterns bemerkbar; es war gar nicht einfach, ihn von seinen Abschweifungen immer wieder zum Thema zu bringen, aber insgesamt ist er durchaus noch rüstig und agil. Im Augenblick studiert er indische Geschichte und Kulturgeschichte, um sich auf seinen Besuch im November in Indien vorzubereiten.

In den Stuttgarter Buchhandlungen lagen die Bände der »Bibliothek Suhrkamp« in den Auslagen, ferner auch »Spectaculum« und überall der Hesse-Bildband. Man hatte auch schon Verkäufe zu verzeichnen. Herr Krohn hat sich für Montag in Stuttgart angemeldet, Dienstag abend war er mit Frau Konz zusammen.

Leipzig – 7.-10. Juli 1960

Auf der Fahrt nach Leipzig machte ich in Bad Hersfeld Station. Die Buchhandlung Oertel hatte fast eine reine Suhrkamp-Auslage, was mich ermunterte, den Laden zu betreten. Ich traf Herrn Oertel und hatte mit ihm ein längeres und ganz gutes Gespräch. Er hatte bereits ein Exemplar des Hesse-Bildbandes, der am Vortag eingetroffen war, verkauft, ein anderes prangte im Zentrum seines Fensters. Er hatte sich am Abend den Band angesehen und gab sich enthusiasmiert. Wir sollten eine gute Verbindung zu Herrn Oertel halten, der in dieser Kleinstadt allerhand für uns getan hat.

Ich traf abends in Leipzig ein und fand unseren Jubilar in einer zwar unfestlichen, aber doch blendenden Verfassung. Wie nicht anders zu erwarten, begann er mit seinen Geschichten, als ich die Autotür noch in der Hand hatte, und so ging es weiter bis früh in den Morgen hinein. Der Geburtstag selbst verlief äußerst ruhig; gegen 14.00 Uhr kam für 20 Minuten der Dekan der Philosophischen Fakultät, um, verlegen und peinlich, im Auftrag der Fakultät und des Rektors zwei schwindsüchtige Blumenstöcke abzugeben. Einige Telegramme und Briefe, darunter ein Brief des Chefs der Präsidialkanzlei, in dem der Staatspräsident Pieck dem Nationalpreisträger gratulierte. Am Abend hatte Bloch seinen Freundeskreis eingeladen: Hans Mayer, Werner Krauss, den Historiker Markow, seinen früheren Assistenten Dr. Teller und einen Freund von Johnson, Herrn Dr. Klemm. Es kamen gute und hochinteressante Gespräche auf, die auch immer wieder um die kreisten, die bei der Feier des 70. Geburtstages anwesend waren und gesprochen hatten und nun im Zuchthaus saßen.

Am Sonnabend vormittag hatte ich ein Arbeitsgespräch mit Bloch, dann gemeinsames Mittagessen auf Einladung von Hans Mayer im Hotel International. Daran anschließend Gang durch Leipziger Buchhandlungen.

Am Nachmittag besuchte ich Hans Mayer und daran anschließend Werner Krauss. Hans Mayer bot sich an, für uns den Literatur- und Theaterband in der Reihe »Zwischen den beiden Kriegen« zu schreiben. Ich beschied dies ablehnend im Hinblick auf die unterschiedliche Qualität der vorangehenden Bände.

Gern hätte Hans Mayer einmal eine Einleitung oder ein Nachwort zu den »suhrkamp texten« geschrieben. – Die literarische Situation in der DDR bezeichnete er als trost- und aussichtslos. Interessant seien von allen Jüngeren nur das Ehepaar Heiner und Inge Müller (mit den beiden vom Henschel-Verlag betreuten Stücken »Der Lohndrücker« und »Korrekturen«). Mit diesen Leuten sollten wir doch in Verbindung treten, vor allem auch im Hinblick auf den Theater-Verlag.

Ich erzählte Hans Mayer von unserem guten Eindruck, den Anna Seghers' Erzählung »Der Ausflug der toten Mädchen« bei uns hinterlassen habe. Auch er hielt dieses Stück Prosa für bedeutsam, vielleicht den wichtigsten Text, den die Seghers je geschrieben habe. Im übrigen müsse er aber gestehen, daß er vor etwa 14 Tagen Christian Wegner auf die Prosa der Seghers hingewiesen habe. Er unterbreitete damals Wegner einen Vorschlag, den er auch mir wiederholte und dessen Realisierung er und sicher auch Anna Seghers lieber bei uns sähe, nämlich den Band »Karibische Geschichten«. Er enthielte folgende vier Stücke: »Der Ausflug der toten Mädchen«, »Die Hochzeit von Haiti«, »Wiederkunft der Sklaverei« und eine Geschichte aus den Antillen, die die Seghers im Moment schriebe. Wir müssen den Plan besprechen und gegebenenfalls sogleich reagieren und an Anna Seghers schreiben.

An Hans Mayer sind zu schicken: Hesse-Bildband, die »suhrkamp texte« 1 und 2; für die »Landessprache« ist er schon vorgesehen. Er ist unbedingt in unser Verzeichnis der Freunde aufzunehmen.

Hans Mayer war sehr freundlich, zuvorkommend und überaus reizend. Wir hatten ein gutes Gespräch miteinander.

Im Gespräch mit ihm wie auch mit anderen trat immer wieder der Wunsch auf, wir möchten uns doch an der Leipziger Messe mit einem Stand beteiligen. Auch diese Frage wollen wir diskutieren und eventuell die Möglichkeit einer Ausstellung in Leipzig untersuchen.

Besuch bei Werner Krauss: Ich habe noch nie eine solche Privatbibliothek gesehen. Wir waren erst im deutschen Zimmer, dann im Zimmer mit der Bibliothek für die französische Aufklärung und schließlich im spanischen Zimmer. Werner Krauss zeigte sich sehr interessiert an all unseren Plänen, besonders aber an unseren spanischen Absichten. Er hatte mich, weil wir am Abend von Blochs Geburtstag nur kurz miteinander sprechen konnten, zu sich eingeladen. Über Galdós berichtete er lange; es sei vielleicht gut, Galdós zunächst mit »Miau« zu starten, das Eigentliche von Galdós läge aber dann doch in den »Episodios Nacionales«, den »Spanischen Begebenheiten«. Krauss wird uns ein Referat erstellen, in dem er Vorschläge macht, was nach seiner Meinung aus diesen vielbändigen »Begebenheiten« gebracht werden könnte.

Im übrigen meinte er sich daran zu erinnern, daß »Miau« bereits einmal übersetzt worden sei. Wir schlugen im »Manual del Librero Hispano-Americano« (der besten Informationsquelle für Übersetzungen der spanischen Literatur) nach, der letzte Band, den Krauss vorliegen hatte, reichte aber nicht so weit.

Krauss machte noch andere Vorschläge: Die Publikation von Galdós sollte unbedingt auf Pío Baroja führen, dessen »Memoiren eines Tatmenschen« sehr bedeutsam seien; Baroja sei uns näher und lese sich eigentlich noch spannender als Galdós.

Weitere Vorschläge von Krauss: Camilo José Cela, »La Familia de Pascual Duarte«, José Suárez Carreño, »Proceso«, Carmen Laforet, »Nada«, Francisco José Alcántara, »La Muerte le Sienta Bien a Villalobos« (die letzten beiden Werke im Verlag Ediciones Destino, Relaspo 28, Barcelona).

An Krauss Alberti schicken, wie ihn überhaupt mit den Büchern aus seinem Fachgebiet (Romanistik) bedenken.

Ich machte Krauss während des Gesprächs den Vorschlag, er möchte uns gewissermaßen ein spanisches Pendant zu Curtius' »Wegbereiter« schreiben. Krauss war offenbar überrascht, dann aber doch auch sehr beglückt über diesen Vorschlag. Er würde gern auf ihn eingehen, och würde diese Arbeit für ihn mindestens einen halbjährigen Spanien-Aufenthalt bedeuten. Diesen könne er sich materiell leisten, doch sei der Aufenthalt in Spanien für ihn nicht ungefährlich.

Wir sprachen auch über seinen Roman »PLN«. Leider bin ich von unseren Lektoren nicht informiert worden, daß bereits ein Gespräch mit Krauss darüber besteht; dies mußte ich zu meinem Bedauern von Bloch erfahren. Ich habe mir einen Vormittag bei Bloch genommen, um in »PLN« zu lesen. Das Buch kann schon aus Umfangsgründen nicht in der »Bibliothek Suhrkamp« erscheinen. Mir scheint aber heute eine separate Edition dieses Buches bei uns entweder zu spät oder zu früh; das Buch hat nach meinem Urteil seine bestimmte Zeit gehabt; es jetzt zu bringen, hieße, den Autor Mißverständnissen auszusetzen und ihn außerdem auch auf etwas festzulegen, wozu er heute nicht mehr steht. Ich teilte diesen Eindruck auch Krauss mit.

Über Bloch berichte ich noch mündlich. Folgendes wurde jedoch vereinbart:

Spätestens am 1. Oktober liefert uns Bloch ein satzreifes Manuskript von »Naturrecht und Sozialismus« ab, das im Frühjahr 1961 erscheinen soll. Im Herbst 1961 folgt dann ein umfangreicher Band mit »Literarischen Essays«, im Frühjahr 1962 soll »Geschichte des Begriffs Materie« folgen, im Herbst 1962 dann ein umfangreicher Band mit »Philosophischen Essays«. Die »Politischen Essays« sollen später folgen.

Im Aufbau-Verlag erscheint der »Thomas Münzer«. Ich habe ihn bei Bloch leider zu spät in die Hand bekommen; er wäre ein schöner Band für die »Bibliothek Suhrkamp« geworden, wo wir diese Art Biographie ja suchen.

Neben den genannten vier Hauptpfeilern der kommenden Bloch-Edition sollen dann noch gelegentlich einige kleinere Bloch-Texte gebracht werden, entweder in einer selbständigen Reihe oder in einer Reihe »Philosophische Texte« bei uns. Hierzu machte er folgende Vorschläge:

1. Band: Zur Ontologie des Noch-Nicht-Seins

2. Band: Differenzierung im Begriff Fortschritt

3. Band: Prozeß und Gestalten

4. Band: Probleme des Widerstands

5. Band: Avicenna und die aristotelische Linke.

Was den 1. Band betrifft, so ergibt sich jetzt doch wiederum eine Änderung. Bloch sähe jetzt doch lieber allein den Vortrag publiziert, eventuell mit einem anderen Text ergänzt. Die Abhandlung »Zur Ontologie des Noch-Nicht-Seins« scheint ihm jetzt allzu kompliziert und schwierig. Ich nahm ihm dies aber nicht ab. Die Texte liegen uns jetzt vor; wir müssen uns damit beschäftigen.

Wir sollten Verbindung mit dem Verlag Oprecht, Zürich, im Hinblick auf »Erbschaft dieser Zeit« aufnehmen. Bloch hat nie Honorare gesehen, und er möchte den Vertrag, so überhaupt geschlossen, gern aufgehoben sehen.

Mitteilung an Frau Bloch, wann die fünf Exemplare »Spuren« abgeschickt wurden. Sie hat weder diese Exemplare noch den Hesse-Bildband, noch die »suhrkamp texte« erhalten. Ferner Stand Konto Bloch an Frau Bloch mitteilen. Bloch kommt in der vorletzten August-Woche nach Tübingen.

Die Rückfahrt trat ich am Sonntag an, fuhr diesmal jedoch nicht auf der Autobahn, sondern auf der normalen Landstraße zurück, um mehr Kontakt zu haben. In Weimar wollte ich das Goethe-Haus besuchen, es war aber, wie schon auf der Hinreise, geschlossen. Ich fuhr deshalb an die »Nationale Gedenkstätte« Buchenwald. Der Übermut, den ein Bewohner der westlichen Hemisphäre bei einem Aufenthalt in der DDR befällt, wurde hier nun doch etwas gekühlt. Bei der Rückkehr hatte ich Schwierigkeiten beim Grenzübertritt, weil ich mich in Leipzig weder an- noch abgemeldet hatte.

Herrn Dr. Hornung

Lektorat

Frl. Ritzerfeld

Dr. ‌U./Schk.

11. Juli 1960

Reisebericht New York–Boston–Detroit–Washington–New York10.-18. April 1961

Boston: Besuch bei Eric Bentley

Detroit: Besuch und Vortrag bei der Wayne State University gemeinsam mit Uwe Johnson

Washington: Besuch bei Henry Kissinger.

Allgemeines:

Zwei Dinge stellen sich als dringend notwendig heraus:

1) Regelmäßiger Besuch in New York, der New Yorker Verlage und Agenten.

2) Eine Vertretung des Verlages durch einen Agenten. Gleichzeitig mit mir waren in New York: Bermann Fischer, Feltrinelli, Mondadori, Einaudi, Claude Gallimard, Paul Flamand. Es war offenbar die Zeit, in der die Verleger, die ihre Maschine füttern müssen, »kaufen« gehen. Feltrinelli veranstaltete eine Party, Fischer gab eine Party. Zu der Fischer-Party wurden nur amerikanische Editors eingeladen. Fischer wollte mit ihnen eine internationale Zeitschrift besprechen, die verschiedene nationale Redaktionen haben soll. (Leitung der deutschen Redaktion Ernst Schnabel). Im Gegensatz zu meinem Besuch vor sechs Jahren, war der Name unseres Verlages und seine Eigenart und Bedeutung diesmal bei den entscheidenden Leuten bekannt. Ich wurde als ein sehr geachteter Besucher aufgenommen und auch fast immer privatim eingeladen. Wichtig ist, daß die Verlage immer mehr einsehen, daß sich bei uns entscheidende deutsche Autoren konzentrieren. Man bewunderte unser Programm. Brecht beginnt eine große Rolle zu spielen. Man ist sich darüber klar, daß nun auch in Amerika ein sehr großes Interesse für Brecht entstehen wird. Immer wieder wurde über Hesse gesprochen, Frisch wurde erwähnt. Von den jüngeren Autoren hauptsächlich Uwe Johnson, dessen Legende sich bis in die Redaktionsstellen der amerikanischen Verlage verbreitet hat.

Wichtig ist dieser Besuch einfach deshalb, weil gerade bei den amerikanischen Verlagen, und nicht nur hier, die persönliche Beziehung eine ganz entscheidende Rolle spielt. Ich hatte fast immer den Eindruck, daß man durch ein Gespräch alles erreichen kann. Was nun die amerikanischen Bücher betrifft, so ist hier der S. Fischer Verlag uns gegenüber in einem großen Vorteil. Er ist durch zwei Agenten vertreten, aber auch durch einen Scout. Frau Ruth Marton besucht sehr regelmäßig die amerikanischen Verleger und erhält sehr rechtzeitig entweder den Aushänger oder Lese-Exemplare. (Es ist in Amerika üblich, daß zwischen der Fertigstellung der Bücher und ihrer Auslieferung 8-10 Wochen Spielraum liegen, in dem die Bücher an die Presse verschickt werden. Die Umschläge werden möglichst erst nach Vorliegen der ersten Pressestimmen gedruckt, die dann auf den Umschlag kommen.) So war es der Fall bei einem Roman von Joan Williams »The Morning and the Evening« (Exemplar mitgebracht. Bei Fräulein Ritzerfeld). Frau Marton erhielt als erste ein Lese-Exemplar, Fischer jedoch entschied negativ. Wir haben jetzt durch die Agentur Harold Ober eine Option erhalten. Bei einem zweiten Autor, der mir von vielen Leuten ans Herz gelegt wurde, William Styron (»Lie Down in Darkness«, »Set This House on Fire«), ging das erste Lese-Exemplar an Fischer, und hier entschied Fischer positiv.

Ein Wort zu den Agenturen: unser Verlag ist natürlich nicht umsonst bisher sehr Agenturen-feindlich eingestellt gewesen. Wir müssen hier umdenken, »umfühlen« (gilt für Fräulein Ritzerfeld und Herrn Boehlich). Wir sind in Amerika ohne Agenten einfach handlungsunfähig. In 99 ‌% aller Fälle erwerben die amerikanischen Verleger von ihren amerikanischen Autoren nur die amerikanischen, höchstens noch die kanadischen oder englischen Rechte. Grundsätzlich gilt, daß alle ausländischen Rechte durch Agenten bzw. durch Agenturen wahrgenommen werden. Das geschieht häufig vollkommen mechanisch. So erwarb die Agentur Rodell-Daves automatisch alle Auslandsrechte von Harper & Brothers. Bei den meisten Agenturen gehen die Auslandsrechte ebenso automatisch an eigene oder fremde Agenturen in den einzelnen Ländern. Hier kommen die merkwürdigsten Verknüpfungen vor. Zum Beispiel wurde mir ein Buch von Richard Bankowsky »After Pentecost«, Agent in New York William Morris, empfohlen. Ich rief an und erhielt den Bescheid: europäische Rechte durch Morris, London. Durch einen Zufall erfuhr ich dann aber, daß die deutschen Rechte nicht von London aus verwaltet werden, sondern durch die Agentur Hellmer, die Krüger eine Option gegeben hat. Wir sind bei Hellmer vorgemerkt, jedoch erhielt ich von verschiedenen Seiten den Wink, daß dieses Buch doch in seiner Bedeutung überschätzt würde.

Die literarischen Agenturen haben sich jetzt zusammengeschlossen und eine Art Kodex entwickelt. Ich habe dieses Blättchen mitgebracht »What is a literary Agent?« Hier sind auch alle die amerikanischen Agenturen aufgeführt, die sich freiwillig an eine gewisse Verfahrensweise halten. Zum Beispiel verlangen alle die hier angeschlossenen Agenturen nur 10 ‌% Provision. Hellmer wurde in die Organisation nicht aufgenommen.

Ich werde meinen Besuch im Laufe der nächsten Tage und Wochen nochmals schriftlich untermauern. Wichtig ist, daß alle entscheidenden Verleger und Lektoren regelmäßig Prospekte und »Dichten und Trachten« erhalten. Hier müssen wir vermutlich noch ein besonderes Schema ausarbeiten.

Bei meinem Besuch in den ersten beiden Wochen hatte ich den Eindruck, daß außer bei der Viking Press bei keinem anderen Verlag ein Lektor in der Lage ist, Deutsch zu lesen. Alle großen Verlage, einschließlich Doubleday, Random House, Harcourt Brace, jetzt auch nach dem Weggehen von Pick der Verlag Knopf, mit Random House fusioniert, sind auf Gutachten außer Haus angewiesen. (So akzeptierte Random House auf Vorschlag von Hellmer Manfred Gregors »Brücke«, Desch; jetzt, nachdem das Buch übersetzt ist, sind die Lektoren entsetzt. Dieser Eindruck verbesserte sich etwas bei meinem Besuch in der letzten Woche; darüber ist im einzelnen zu berichten.)

Im wesentlichen ging es bei meinem Besuch um vier Hauptkomplexe:

1) Brecht

2) Frisch

3) Unsere Vertretung durch die Agentur Rodell-Daves

4) Autorenbesuche beziehungsweise Suche nach neuen Büchern.

I. – Brecht

In meiner ersten Woche hatte ich wirklich den Eindruck, mehr Rechtsanwälte als andere Leute zu sehen. Allmählich drang ich dann in den Dschungel der Brecht-Sache ein, und schließlich kam ich zu dem Resultat, daß entweder eine vollkommene juristische Klärung die Rechtsanwälte für mindestens die nächsten drei Jahre, wenn nicht länger, beschäftigen würde oder die Lösung einfach auf der Hand liegt. Der Prozeß Stefan ./. Bentley ist unentschieden ausgegangen, das heißt, der Richter hat sich nach eineinhalb Jahre langer Beschäftigung geweigert, eine Lösung auszuarbeiten. Weder Stefan noch Bentley sind befugt, Aufführungen der »Mutter Courage« zu autorisieren. Der Richter regte eine außergerichtliche Einigung an. Daran habe ich mitgewirkt. Eine Lösung ist auch, was die Anwälte und mich betrifft, zustande gekommen. Bentley hat ihr auch zugestimmt. (Es gibt zwei Übersetzungen für »Mutter Courage«. Stefan Brecht und Bentley bieten beide Übersetzungen zusammen an. Der Produzent entscheidet, welche Übersetzung genommen wird.)

Publikationsrechte:

Hier bot sich dasselbe Bild, entweder fruchtlose juristische Auseinandersetzungen oder einfaches settlement. Bei juristischen Auseinandersetzungen wäre vermutlich zu befürchten, daß viele Stücke von Brecht in die public domain fielen. Bentleys ganze Verteidigung lief darauf hinaus, daß Brecht bzw. der Suhrkamp Verlag dauernde Copyright-Verletzungen vorgenommen hätte. Im Grund spitzte sich die publizistische Frage in rein juristischer Hinsicht auf einen einzigen Punkt zu: Bentley beansprucht exklusive Rechte für »Der gute Mensch von Sezuan« und »Der kaukasische Kreidekreis« (die gesamten englischsprachigen Rechte, er wird aber gegen Methuen gerichtlich nicht vorgehen). Ich versuchte, zu einem Gespräch mit Bentley zu kommen, der sich erst weigerte, mich zu empfangen. Schließlich kam das Gespräch doch zustande, und wir diskutierten drei Stunden lang alle Fragen. Bentleys verhärtete Haltung rührt einmal vom Prozeß her, dann aber auch daher, daß er der Meinung sein mußte, die Brecht-Erben und auch wir wollten ihn vollkommen von jeder Art Publikation ausschalten; er befürchtete, daß die Methuen-Ausgabe nach USA käme. Er fühlt sich an dieser Ausgabe ungenügend beteiligt.

Meine Position schien anfangs hoffnungslos schwach, denn ich hatte ihm ja nichts anzubieten. Erst allmählich wurde mir klar, daß wir doch einige Trümpfe in der Hand hatten: autorisieren wir jetzt eine Art Gesamtausgabe und kooperiert Bentley nicht mit uns, wird er von dieser Ausgabe, die auf lange Sicht und mindestens für 20 Jahre entscheidend sein wird, ausgeschlossen und kann sicher sein, daß keine seiner Übersetzungen, außer »Mutter Courage«, aufgeführt wird. Ich habe Bentley ein zweites Mal nicht sprechen können. Er hat einen Lehrstuhl an der Harvard University. (Anzumerken ist, daß Bentley einen außerordentlichen Ruf genießt, nicht nur als Brecht-Experte, sondern auch als Gelehrter und Herausgeber dramatischer Werke; freilich gibt es da auch Schattenseiten.) Mit Bentley muß nun brieflich geklärt werden, daß er gegen Zusicherung einer Aufnahme seiner Übersetzungen seinen Exklusivitätsanspruch im Hinblick auf die beiden Stücke (»Der gute Mensch von Sezuan« und »Der kaukasische Kreidekreis«) aufgibt. Das scheint mir möglich.

Die Grove-Press-Ausgabe der »Seven Plays«.

Ich hatte ein Gespräch mit Barney Rosset, an dem auch Fred Jordan und ein anderer Editor teilnahmen. Das Gespräch verlief von meiner Seite aus sehr streng, kühl und gekränkt. Rosset wies mich darauf hin, daß sie jahrelang versucht hätten, irgendwelche Rechte zu bekommen. Nie sei etwas entschieden worden. Schließlich seien alle Publikationen nachträglich durch Stefan Brecht insofern autorisiert worden, als er bereit war, das Honorar anzunehmen. So bei einer Ausgabe von »Der gute Mensch von Sezuan / Der kaukasische Kreidekreis«, bei einer Auswahl der Gedichte, bei dem »Dreigroschenroman«. (Nachträglich hat Rosset jetzt einen Vertrag mit Gebr. Weiss über »Julius Caesar« geschlossen. Bei Gebr. Weiss anfragen, ob er das gegen unseren Wunsch getan hat.) Als Rosset meinte, daß sich letztlich die Frage nur auf das zu zahlende Honorar zuspitzte, war ich im Begriff, den Raum zu verlassen. Schließlich schien folgende Lösung möglich:

Rosset ist bereit, einen Vertrag mit uns über die Ausgabe abzuschließen. In diesem Vertrag wird festgehalten, daß es sich hier nur um eine »anthology« (Sammelband) handelt, die nur in dieser Form publiziert werden darf, also keine Weitergabe der Rechte an Dritte oder andere Publikationen. Rosset erklärte sich bereit, als Preis für die Anerkennung des Bandes durch uns, seinerseits auf den Anspruch irgendwelcher exklusiven Rechte zu verzichten. Er hat mir erklärt, er würde keinen amerikanischen Verlag von sich aus verklagen, wenn in einer größeren Brecht-Ausgabe auch die beiden Stücke »Der gute Mensch von Sezuan« und »Der kaukasische Kreidekreis« kämen. Er wollte natürlich diese Verhandlungen parallel mit Verhandlungen über eine Brecht-Gesamtausgabe sehen. Dies lehnte ich ab. Ich erklärte, daß ich erst die Frage der Autorisation seines Bandes klären wollte und daß er erst dann eine Chance hat, in die Frage einer Gesamtausgabe einbezogen zu werden. Für eine solche Gesamtausgabe interessieren sich nun folgende Verlage:

New Directions

Random House

Harper & Brothers

Viking Press

Atheneum

Hill & Wang

Harcourt Brace & Co.

Grove Press.

Diese ganze komplizierte Frage wäre mit einem Schlag gelöst, wenn wir uns entscheiden könnten, der Grove Press die Rechte zu geben. Für die Grove Press spricht ein wirklich echtes geistiges Engagement.

Man erklärte mir, die amerikanische Ausgabe ganz nach meinen Wünschen anlegen zu wollen. Ich könnte jede Zeile bestimmen, die veröffentlicht werden sollte. Ich sollte sogar als Herausgeber fungieren, was ich selbstverständlich ablehnte. Gegen die Grove Press spricht die Tatsache, daß der Verlag eben als ein Avantgarde-Verlag bekannt ist, daß sein »sale« eben doch nicht so ist wie der der großen Häuser, daß seine Produktion häufig aus Paperbacks besteht, daß er dafür bekannt ist, das geringste Honorar zu zahlen.

Mit all den genannten Verlagen verblieb ich so, daß ich nach meiner Rückkehr ein Memorandum über die generelle Brecht-Situation ausarbeite. Dieses Memorandum geht den betreffenden Verlagen zu mit Fragen von unserer Seite. Im Memorandum muß erwähnt werden, warum wir uns zu diesem außergewöhnlichen Schritt entschließen, der Aufbau unserer Ausgabe, der Umfang der amerikanischen Ausgabe, wie wir ihn uns vorstellen.

Die Fragen:

1. Zu welchen Ausgaben, d.h. zu wieviel Bänden, verpflichten sich die Verlage, und zu welcher Zeitfolge der Veröffentlichung.

2. Vorschlag für die Form der Edition (in USA gibt es nicht die Form unserer Gesamtausgaben, nur in Ausnahmefällen. Random House und New Directions sind bereit, im Falle Brecht ein solches Exempel zu statuieren).

3. Vorschlag für einen Editor oder einen »editorial board«. (Weder Bentley – der dies natürlich dringend wünscht – noch irgendein anderer Übersetzer kommt als Editor dieser Ausgabe in Frage. Es wurde eine Zeitlang Kenneth Tynan diskutiert, aber er kann zu wenig Deutsch. Als ideale Kombination erschien mir etwa für Random House folgende Besetzung: Prof. Lange, Princeton, Prof. Sokel, Columbia, Jason Epstein, Random House.)

4. Kontrolle der Übersetzungen.

5. Vorschlag über Höhe der ersten Auflage.

6. Spezielles Werbe-Engagement des Verlages. Die Ausgabe muß, schon um gegen die vorliegenden Publikationen aufzukommen und um der Situation Brecht gerecht zu werden, mit einem besonderen Impuls gestartet werden, also special advertising appropriation.

7. Bedingungen (Vorauszahlungen, Honorare).

8. Kopien der Antworten an Miss Daves schicken.

Es besteht ein wachsendes Interesse an Brecht bei den Universitäten und im literarischen Bereich; die Literatur über Brecht nimmt gewaltige Ausmaße an. Man erwartet auch allgemein große Bühnenerfolge.

II. – Frisch

Um es kurz zu machen: nach drei Gesprächen mit Mister Schwarz von Abelard-Schumann konnte ich Mr. Schwarz dazu bringen, gegen einen Ankauf der bei ihm liegenden Bestände von »Stiller« und »Homo faber« (»Stiller« ca. 800 Exemplare, »Homo faber« ca. 3000 Exemplare) sämtliche Rechte an uns zurückzugeben. Der Handel begann bei 4000 Dollar und endete bei 2000 Dollar. Ich erklärte mich zu dieser Zahlung von 2000 Dollar bereit. Ich hatte auch schon das Wort von Mr. Schwarz. Ein Vertrag ist ausgearbeitet und von mir unterzeichnet worden. Jedoch erreichte er Mr. Schwarz nicht mehr, der auf Reisen ging.

Die Frisch-Rechte werden von Random House übernommen, die Rechte für »Stiller« und »Homo faber« gegen eine Zahlung von 2000 Dollar. »Stiller« wird im Frühjahr 1962, »Homo faber« im Herbst 1962 in den »Vintage Books« erscheinen. Uns sind alle Rechte zurückgegeben worden, auch die an der Übersetzung. Wir treten in den Vertrag mit Penguin ein, dieser Punkt soll noch von Joan Daves geklärt werden. Alle Optionen sind gegenstandslos.

Random House kauft den neuen Roman von Frisch ungesehen. Vorauszahlung 2500 Dollar.

An Jason Epstein sind folgende Bücher zu schicken:

1) Unberechnet: Brecht, »Stücke 1-12«.

Brecht, »Gedichte 1 ‌+ ‌2«.

Brecht, Ausgaben in der »Bibliothek Suhrkamp«

An Joan Daves: (durch Fräulein Ritzerfeld)

»Tagebuch« und »Bin«.

Ebenfalls ist der Atlantis-Verlag dazu zu veranlassen ein Exemplar des Romans »J'adore« zu schicken.

Hill and Wang

Hier handelt es sich natürlich um einen Verlag zweiten, wenn nicht dritten Grades. Aber die Leute sind nun einmal sehr an Frischs Stücken interessiert. Sie erhielten von uns das Recht für die »Chinesische Mauer« und eine weitere Option. Es schiene mir unfair, auch hier nun einen Schlußstrich zu ziehen, und so vereinbarte ich mit