Reiß-Wolf sucht Familie - Marianne Reiß - E-Book

Reiß-Wolf sucht Familie E-Book

Marianne Reiß

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Beschreibung

Der Reiß-Wolf war der Hund der Familie Reiß. Er hörte auf den Namen Philip und hatte die Aufgabe, die Herzen und Füße seiner Menschen zu wärmen. Er kam als Welpe in die Familie. Gefunden an der Autobahn. Und eigentlich sollte er nicht bleiben. Aber es kam anders ...

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für Anneke und Marten

Inhalt

Ein Wort zuvor

Auf den Hund gekommen

Nomen est omen

Was Hänschen nicht lernt...

Die Leberpastete

Flora und Fauna

Ameisenkino

Die Okertour

Internationale Verwicklungen

Die Zeichen des Alters

Lesestoff für Hundefreunde

Ein Wort zuvor

Ein Leben ohne Hund ist – frei nach Loriot – möglich, aber sinnlos. Unser Familienhund Philip sah das auch so. Ohne ihn wäre unser Leben fast frei von Aufregungen aller Art gewesen. Aber es wäre auch frei von schönen Erlebnissen gewesen, für die der Philip als Frauchenversteher, Kinderfreund und Kuschelbruder immer wieder sorgte.

Er kam als Welpe in unsere Familie. Gefunden an der Autobahn. Und eigentlich sollte er nicht bleiben. Aber es kam anders...

Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, sorgte der Philip dafür, dass die Alltagsroutine nicht ins Stocken kam. Dreimal täglich an die frische Luft, morgens und abends das Futter nicht vergessen und zum gemeinsamen Fernsehabend Pfote in Hand auf die Couch. Das hatte er gern. Dazwischen viele Streicheleinheiten und immer wieder die Bestätigung, dass er ein schöner Hund ist, ein sehr schöner sogar. Das brauchte er.

Seine Aufgabe war es, die Herzen und Füße seiner Menschenfamilie zu wärmen, was insbesondere die weiblichen Familienmitglieder sehr schätzten. War einer von uns krank, ließ er sich neben dem Bett nieder und wartete geduldig auf die Genesung des Erkrankten. Wann immer wir das Haus verließen, wusste er instinktiv, ob er mit durfte oder nicht. Wenn er durfte, tanzte und lachte er. Durfte er nicht, legte er sich – ein Bild des Jammers – vor die Haustür und ergab sich seinem Schicksal. Bald erkannten wir, dass er die Wartezeit gern im Lieblingssessel der Hausherrin verbrachte. Das verriet die leichte Sandspur, die wir manchmal auf dem Polster fanden.

Er liebte es, beim wöchentlichen Hausputz zu helfen. Besonders das Zusammengefegte erregte sein Interesse. War alles genauestens auf noch Brauchbares untersucht, legte er sich obenauf und verhinderte so, dass der Staub der letzten Woche aus den Augen und dem Sinn verschwand. Ein bisschen davon blieb immer in seinem Wuschelfell zurück, was auch die Sandspur auf dem Sessel schlüssig erklärte.

In unserer Wohnung beanspruchte er in jedem Zimmer einen bestimmten Platz. So konnte er immer, wenn seine Menschen ihren häuslichen Tätigkeiten nachgingen, sich ebenfalls dort häuslich niederlassen. In der Küche blockierte er die Schranktür, hinter der der Abfall gesammelt wurde. Im Arbeitszimmer ließ er sich bevorzugt auf der Gästecouch nieder. Dabei quasselte er beständig. Er fiepte, schnüffelte und grummelte hörbar. Das fiel uns in den ersten Jahren zwar auf, aber wir haben es nicht wirklich wahrgenommen. Erst seit ich begonnen hatte, in meinem Arbeitszimmer Radiosendungen aufzunehmen, war seine kommunikative Beteiligung in den Aufnahmen sehr deutlich zu hören. Besonders als es um eine Sendung über Hunde ging und sein Name des öfteren fiel. In dieser Radiosendung passte das sehr gut, in anderen musste ich diese Sequenzen so gut es ging herausschneiden. Ihn für diese Zeit in ein anderes Zimmer zu sperren, war keine Option. Dann bellte und jammerte er so lange, bis er wieder mit seinem Menschen vereint war.

17 Jahre lebte er in unserem Haushalt. Dann mussten wir ihn gehen lassen.

Bremen, Juli 2022Marianne Reiß

Auf den Hund gekommen

Es ist eine finstere Nacht ohne Mond und Sterne. Ich bin mit dem Auto auf dem Rückweg von einem Geburtstag in Salzgitter-Bad nach Braunschweig. Kurz vor der Autobahn läuft plötzlich ein Fuchs über die Landstraße. Ich steige auf die Bremse. Das ist noch mal gut gegangen. Gerade will ich wieder Gas geben, da sitzt etwas im Lichtkegel. Ist das etwa ein Hund? Dunkles Wuschelfell, drei glänzende Punkte im Gesicht, einer davon wahrscheinlich die Nase.

Dann ist er plötzlich in der Dunkelheit verschwunden. Den darf ich hier nicht frei herumlaufen lassen. Ich fahre das Auto vorsichtig an den Straßenrand und steige aus. Es ist so stockdunkel, dass ich die Straße nicht sehen kann. Ich gehe langsam den Weg zurück... Nichts. Ich muss mich geirrt haben, drehe mich um und gehe zum Auto zurück. Da fühle ich plötzlich etwas Weiches und Warmes an meinem Bein. Das ist der Moment, in dem mir erste Zweifel kommen: „Oh weh, hoffentlich ist das wirklich ein Hund!“ schießt es mir durch den Kopf.

Aber jetzt ist nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was es noch sein könnte. Vorsichtig gehe ich zum Auto zurück, immer den Fellkontakt am Bein, öffne die Autotür, hieve das Wesen in den hinteren Fußraum, begebe mich ans Steuer und setze meinen Weg fort. Das Wesen gibt keinen Laut von sich.

Wie unheimlich das ist, wenn da etwas im eigenen Auto hockt, von dem man nicht weiß, was es ist und das nichts sagt. Um mich und das Fellknäuel zu beruhigen, erzähle ich uns für den Rest der Fahrt das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Zwischendurch rufe ich per Handy meine Kinder an und bitte sie, den Rest Gehacktes aus dem Kühlschrank zu holen. Ich hätte einen hungrigen Gast dabei. Sie sollen auch ein Stück Schnur mit auf die Straße bringen, damit er uns nicht ausrückt. „Wie bitte?“ fragen die Kinder, „wen bringst Du mit?“ „Das weiß ich auch nicht so genau. Eins ist sicher, es ist kein Mensch. Lassen wir uns überraschen.“

Als ich in unsere Straße einbiege, stehen die Kinder schon draußen und warten gespannt darauf, was ihre Mutter mitten in der Nacht anschleppt, das Hunger hat und offenbar mit einer Schnur gefesselt werden muss. Das Wesen springt aus dem Auto und wedelt auf die Kinder zu. Von wegen Schnur, die brauchen wir nicht. Es folgt den Kindern zutraulich in unsere Wohnung und macht sich als erstes über das Gehackte her. Jetzt bei Licht besehen, stellt sich heraus, dass ich mich nicht geirrt habe. Es ist ein junger Hund. Die Kinder sind begeistert und wollen ihn behalten. „Das geht nicht“, sage ich zu ihnen, „wir wissen nicht genau, ob er ausgesetzt worden ist. Vielleicht sucht ihn jemand.“

Noch ist die Nacht nicht vorbei und die Familie braucht ihren Schlaf. Wohin mit dem unerwarteten Gast? Wo soll er schlafen? Ist er überhaupt stubenrein? Uns kommen da gewisse Zweifel, die er auch gleich nach seiner Ankunft auf dem Flurteppich bestätigt hatte. Das soll nicht noch einmal passieren. Also sperren wir ihn in die Küche und bauen eine Barrikade vor die geöffnete Tür. Dass solche Hindernisse für den Philip keine sind, wird er in Zukunft mehr als einmal beweisen. Jedenfalls kommt er mir am nächsten Morgen freundlich wedelnd aus einem der Kinderzimmer entgegen.

Was nun? Behalten können wir ihn nicht. Ein Anruf bei der Polizei bringt Schwung in die Angelegenheit. Der Freund und Helfer alarmiert das zuständige Tierheim. Dort bringen wir ihn schweren Herzens hin. Meine Tochter wird wohl nie vergessen, wie ihr zumute war, als sie den sich sträubenden Welpen in den Quarantänezwinger schieben musste.

Das Tierheim verspricht, eine Suchanzeige aufzugeben und sich besonders nett um ihn zu kümmern. Traurig fahren wir ohne ihn nach Hause. Zwei Tage lang ist die Stimmung der Familie mehr als gedrückt. Dann die Erlösung: Das Tierheim ruft an und fragt, ob wir den Hund aufnehmen könnten, bis sich eventuell sein Besitzer meldet. Er würde nichts fressen, rühre auch den Wassernapf nicht an und hätte den Tierarzt gebissen.