Reite für mich - G.F. Barner - E-Book

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G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Der hätte mich glatt zum Sieb geschossen, denkt Joe Carter und stiert in das Glas. Mit einer Schrotflinte hat er gedroht, der alte Bulle! Und wäre ich nicht so schnell auf meinem Pferd und weg gewesen, hätte er mich erwischt. »Allmächtiger, er hätte mich umgebracht!« Das sagt er laut. Weil er schon fast betrunken ist. Joe stiert in das Glas und hat gar nicht gemerkt, daß er laut geredet hat. »Was sagst du, Partner?« fragt der kleine, dicke Mann neben ihm. »Was sagst du, Freund?« »Ich sagte - hick«, erwidert Joe, »ich sagte, der Alte hätte mich beinahe erschossen – jawohl.« Der kleine, dicke Mann kichert. Der hagere, lange, große Kerl verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse. »Und warum – hätte er dich beinahe er – erschossen, Jonathan?« Jonathan – Joe – Carter schielt zuerst in sein Glas. Das ist leer. Verflixt, das darf doch nicht wahr sein. Dann greift er nach der Flasche und gießt das Glas wieder voll. Und danach trinkt er.

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G.F. Barner – 310 –

Reite für mich

G.F. Barner

Der hätte mich glatt zum Sieb geschossen, denkt Joe Carter und stiert in das Glas. Mit einer Schrotflinte hat er gedroht, der alte Bulle! Und wäre ich nicht so schnell auf meinem Pferd und weg gewesen, hätte er mich erwischt.

»Allmächtiger, er hätte mich umgebracht!«

Das sagt er laut. Weil er schon fast betrunken ist.

Joe stiert in das Glas und hat gar nicht gemerkt, daß er laut geredet hat.

»Was sagst du, Partner?« fragt der kleine, dicke Mann neben ihm. »Was sagst du, Freund?«

»Ich sagte - hick«, erwidert Joe, »ich sagte, der Alte hätte mich beinahe erschossen – jawohl.«

Der kleine, dicke Mann kichert.

Der hagere, lange, große Kerl verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse.

»Und warum – hätte er dich beinahe er – erschossen, Jonathan?«

Jonathan – Joe – Carter schielt zuerst in sein Glas. Das ist leer. Verflixt, das darf doch nicht wahr sein. Dann greift er nach der Flasche und gießt das Glas wieder voll. Und danach trinkt er.

Schön warm im Bauch, wie?

»Kennt ihr Biggler?«

»Ke-kennen wir nicht«, erwidert der Große, der mit der langen Nase und den abstehenden Ohren.

»Der war mein Rancher, ich sein Zureiter. Und dann war da noch seine einzige Tochter – die war auch da – stimmt, Brüder.«

Die Brüder sehen sich an und grienen seltsam.

»Und was war mit der Tochter, Jonathan, lieber Bruder?« fragt der kleine, dicke Nebenmann. »War sie schön?«

Der Lange sieht ihn von oben bis unten an. Joe Carter ist schwarzhaarig. Sein Gesicht ist scharf in den Linien und nicht eine Spur weich. Die Augen sind hell und blank

»Sie war hinter mir her. Und das wollte der Vater nicht, darum hat er mich rausgeworfen. Und nun bin ich hier und saufe.«

Der Dicke fragt: »Und dein Lohn, Mensch?«

Jonathan klopft auf seine Tasche und grient.

»War ja grade erst Lohntag gewesen, hihi. Darum, Freunde, laßt uns trinken.«

Benjamin grient. »Nur nicht den Kopf hängen lassen – du bekommst schon wieder einen Job. Wir nehmen dich mit zu unserem Boß, der sucht einen Zureiter.«

»Hat er eine Tochter? Dann gehe ich nicht mit – nicht für Dollars und gute Worte, Leute.«

»Er hat keine, Bruder, beruhige dich nur«, erwidert Bill sanft. »Morgen­ sind wir wieder zu Hause. Darum laßt uns heute noch trinken.«­

Joe bekommt ein großes Glas.

»Joe, Prost, Bruderherz.«

»Pr-prost«, sagt Joe, trinkt und sieht den kleinen, dicken Bill doppelt. »Schütt noch mal nach, Bruder Benjamin.«

Benjamin macht es.

Sie trinken wie drei wackere Krieger. Schließlich stellt Joe fest, daß die Lampe sich dreht und der Tresen sich biegt.

»Benjamin – warum wackelst du mit – mit deinen Ohren, he?«

»Ich wackel nicht«, erwidert Benjamin beleidigt. »Ich halte sie still, Jonathan. Du bist betrunken – ich bin be–betrunken. Er ist be-besoffen. Und darum reiten wir nach Hau–Hause, meine ich.«

»Dein Boß braucht einen Zu–Zureiter, ha – hast du das gesagt, Billy?«

»Habe ich«, erwidert Billy sanftmütig. »Wollen wir gehen?«

»Wir gehen, jawohl. Be – Bezahlung, Waiter!« Joe bezahlt.

Dann schaffen sie Jonathan mühsam hinaus, setzen ihn auf sein Pferd und steigen auch auf.

Jonathan sitzt schief im Sattel und sieht zwei Pferdeköpfe vor sich.

So reiten sie aus der Stadt.

Der dicke Bill murmelt: »Morgen hast du wieder Arbeit und Spaß, Junge.«

Seltsam, sie reden gar nicht mehr wie Betrunkene, was?

Billy grinst. Er sieht seinen langen Freund Benjamin schief an.

Benjamin hat die Augen zusammengekniffen und starrt schweigend auf die Büsche, die vor ihnen auftauchen, etwa 200 Yards vom Weg entfernt. Sie reiten querfeldein, angeblich auf die Ranch zu, auf der es Arbeit für einen Mann wie Jonathan Carter geben soll.

»I-ist mir schle-schlecht«, sagt Joe stöhnend. »Der Teu-Teufel – ich – ich trinke sonst – nie.«

»Dann mußt du den Hut abnehmen«, erwidert Billy freundlich. »Frische Luft am Kopf ist gesund, Bruderherz.«

Zehn Yard vor den Büschen nimmt Joe seinen Hut ab.

Benjamin ist rechts, Billy links. Sie stützen ihn, weil er so schwankt.

Billy zieht bedächtig seinen Revolver.

Zwei Atemzüge später sind sie am Rand der Büsche.

»I-ist mir schlecht. Halt mi-mich fest, ich fal-falle, Ben.«

»Sicher, ich halte dich, Bruderherz. Du fällst schon nicht, keine Angst.«

Das sagt Benjamin.

Billy sagt gar nichts.

Billy denkt an den Geldbeutel von Jonathan Carter. Da hat nicht nur der Monatslohn dringesteckt, sondern eine ganze Menge mehr.

Der Mond scheint, Wolken schieben sich langsam davor.

Als der Mond verschwindet, liegt Joe Carter am Boden. Billy steckt seinen Revolver ein, er hat Joe niedergeschlagen.

Der Lange steigt ab.

»Es sind mindestens hundertfünfzig Dollar«, sagt Billy von oben kühl. »Damit kommen wir zwei Monate aus, wenn du nicht wieder anfängst irgendwo zu spielen, du Narr.«

»Ich sage dir doch, ich spiele nie mehr.«

»Das hast du schon hundertmal gesagt, zum Teufel«, antwortet Billy grob. »Nimm ihm den Beutel ab. Sein Pferd können wir genauso wie die anderen Sachen verkaufen.«

»Meinst du, er braucht nichts?«

»Er hat alles – Gesundheit und Kraft. Los, mach schon, wir müssen weg.«

Eine Hand steckt den Beutel ein, eine andere greift nach den Zügeln von Joe Carters Pferd.

Die Hufe traben an.

*

Joe Carter erwacht, steht torkelnd auf. Mein Kopf, denkt er, spürt, wie sich alles zu drehen beginnt.

Und dann fällt er um – liegt wieder am Boden – ein sehniger, hartmuskeliger Mann, der glaubt, daß sein Kopf zerplatzt. Er betastet seinen Kopf, fühlt die lange Beule am Schädel.

»Benjamin – Billy.«

Keine Antwort kommt, nur der Nachtwind rauscht in den Büschen. Er hebt den Kopf und sieht sich um.

Die Erinnerung ist da. Der Whisky stößt ihm auf. Getrunken, denkt er – ich bin drei Tage geritten und habe die beiden Burschen in der Kneipe getroffen, die zum Hotel gehört, in dem ich eine Nacht geblieben bin. Wir haben getrunken – Billy und Benjamin mit mir. Ich habe alles bezahlt.

Seine Hand tastet nach der Hosentasche. Sie sucht, zuckt, greift nach der anderen Seite. Und findet nichts mehr.

»Die Uhr – mein Geld!«

Das macht ihn ganz munter, wenngleich sich in seinem Kopf immer noch ein großes Mühlrad zu drehen scheint.

Er begreift jäh. Das Geld ist fort, seine Uhr weg!

»Billy – Ben! Verdammte Halunken, wo seid ihr?«

Seltsam, wenn man etwas begreift, wie? Und nach dem Pferd sucht, das nicht mehr da ist. Sein Packen, sein Gewehr, sein Revolver, der im Packen gewesen ist, alles verschwunden.

Zur Stadt, denkt er wütend. Ich muß zurück, dem Sheriff Bescheid geben.

Schwankend, manchmal in die Knie gehend, torkelt er durch die Nacht. Der Weg – dort ist er – über den Hügel zieht er sich hin. Er sieht das helle Band des Weges sich vom graugrünen Gras der Weide abheben. Er wankt immer weiter. Sein Kopf ist eine Schmiede mit hundert Hämmern. Und jeder hat einen Amboß und knallt mit einem Hammer auf ihm herum.

Der Weg ist sein Ziel. Er erreicht ihn schließlich und will in Richtung Stadt marschieren.

Doch plötzlich dreht sich alles um ihn.

Er liegt mitten auf dem Weg und weiß es nicht. Irgendwann rollen Räder. Joe wacht auf, eine Peitsche knallt.

Verschwommen sieht Joe Carter eine Kutsche – Pferde – einen Schatten auf dem Bock – Mondlicht auf einem Gewehr.

Über ihm zwei Beine, ein Gewehrlauf, der ihn anstößt. Er stöhnt: »Kopf – mein Kopf! Stadt…«

»Mr. Marchand, können Sie mal mit der Laterne leuchten?«

»In Ordnung, Smitty.«

Der über ihm muß Smitty sein, er bückt sich.

»Teufel, der stinkt ja wie ein ganzer Whiskyladen. Besoffen ist der Strolch, legt sich mitten auf die Straße, um zu schlafen. Marchand, das ist…«

»Das ist Blut«, sagt ein anderer Mann kurz. »Tatsächlich, sieh mal, Smitty, ehe du weiter auf den Burschen schimpfst – Blut – und eine Beule.«

Jemand faßt ihn an der Schulter, dreht ihn, Licht blendet seine Augen.­

»Teufel – ist wahr. Es sieht aus, als wenn ihn jemand niedergeschlagen hat.«

»Kann er sich gestoßen haben, Smitty?«

»Unsinn, sieht nach dem Hieb mit einem Revolver aus. Was sagt er – mal leise, er sagt was.«

»Geld – gestohlen – zwei Männer. niedergeschlagen! Pferd – weg, sie haben mich – nieder…«

Das bringt er heraus, dann verläßt ihn die Kraft.

Aus weiter Ferne hört er Leute reden. Und dann die Stimme einer Frau oder eines Mädchens.

»Hebt ihn auf, er kommt in die Kutsche. Nehmen wir ihn mit zur Stadt, vielleicht kennt man ihn dort. Vorsichtig anheben, vorsichtig doch, Leute. Smitty, willst du alter Ziegenbart ihn wohl sacht in den Wagen schaffen?«

»So entzwei ist der gar nicht, Miss Vera, nur mit der Ruhe, das ist nur sein Kopf, wette ich.«

Er spürt kaum, daß sie ihn heben. Die Worte sind so weit entfernt. Daß er danach weich liegt, das merkt er langsam. Er liegt in den Polstern. Und jemand sagt heiser: »Ich fahre wieder, haltet euch fest!«

In diesem Augenblick macht Joe Carter die Augen auf.

Lauter Nebel, denkt er.

Aber aus dem Nebel taucht ein Gesicht auf. Das Gesicht des Mädchens ist vor ihm, ein Gesicht mit starken Wangenknochen – irgendwie faszinierend, unwirklich. Geschwungene Augenbrauen – dunkles Haar, dessen Glanz seltsam seidig ist. Und große hellblaue Augen. Ein Mund, der leicht offensteht und zwei Reihen weißer Zähne zeigt.

Jonathan Carter staunt nur. Das Gesicht wird er nie vergessen, plötzlich weiß er es. Es ist ein sehr aufregendes Gesicht, von dem er träumen kann.

»Hallo, er stinkt aber wirklich, der Bursche. Ist er nun völlig betrunken oder kommt es von dem Schlag, den er erwischt haben muß? Hallo, Mister, munter genug?«

Im nächsten Moment kommt der Ruck, der durch die Kutsche geht. Es gibt irgendwo einen Stoß, er hat das Gefühl, daß ihm etwas auf den Kopf fällt.

Weit und sehr leise hört er den Protestschrei des Mädchens.

Dann ist alles fort.

Die Dunkelheit löscht alles aus.

*

»Du hast Kraft, Joe«, sagt Smitty erstaunt, als Joe die beiden Säcke – unter jedem Arm einen – die steil zum Speicher führende Planke hinaufträgt. »Junge, ich habe noch keinen gesehen, der unter jedem Arm einen schweren Sack so wegschleppen konnte. Also ist es doch ganz gut gewesen, dich mitzunehmen.«

Joe Carter ist oben und stellt die Säcke weg. »Ich möchte wissen, wer die beiden Burschen in Wirklichkeit waren. Und dann möchte ich ihnen noch mal begegnen. Nur treffen, verstehst du?«

Er kommt herunter, lehnt sich an den leeren Wagen und sieht zum Tor der Frachtwagenstation, die zur Postlinie gehört.

»So?« fragt der alte Smitty, der heute keinen Dienst hat, zweifelnd. »Hör mal, Junge, du bist ein seltsamer Vogel. Du bist betrunken wie ein Maultreiber gewesen, als wir dich fanden, aber du trinkst seit Wochen nichts – keinen Tropfen. Ich verstehe das nicht. Und das andere auch nicht. Du hast keinen Revolver, selbst wenn du fährst, dann hast du keinen. Jeder besitzt einen Revolver. Warum kaufst du dir keinen?«

»Ich will nicht, Smitty«, erwidert Joe. »Ich will einfach nicht. Laß mich mit dem Gerede über einen Revolver in Ruhe. Wenn so ein Ding losgeht, dann kann einer sterben. Was ist mit der Kiste da – soll sie weggestellt werden?«

»Laß sie stehen«, erwidert der Alte achselzuckend. »Da ist ’n Kronleuchter drin. Für die Cersaws. Ein Kronleuchter auf einer Viehranch – zum Totlachen, was? Aber das ist bestimmt so eine Idee von Don gewesen, wette ich. Vielleicht will er den in den Kuhstall hängen, damit die Kühe besser das Futter sehen, hähä. Ich muß dir sagen, dieser Don ist ein verdammter Lümmel. Wenn sein großer Bruder ihm nicht jeden Gefallen tun würde, dann könnte aus ihm noch ein vernünftiger Mensch werden, aber so was wie den, kennst du ihn?«

»Nein«, murmelt Joe. »Die Cersaws, haben die eine Rinderranch?«

»Sicher. Und zweitausend Milchkühe und Schafe. Glen Cersaw ist ein harter Brocken, mächtig hart sogar, aber sein Brüderchen – mein lieber Mann, der hat ein Maul, sage ich dir – ein Maul! Das ist größer als sein ganzer Kopf. Weißt du, das wird wohl immer so eine verrückte Sache sein, wenn einer einen großen Bruder hat und alles machen kann. Dabei will ich wetten, daß es Glen Cersaw noch mal leid tun wird, daß er seinen Bruder nicht jeden Tag dreimal verdroschen hat. Der Junge treibt sich rum, er ist ein Großmaul!«

Der alte Smitty starrt zum Tor, zieht plötzlich den Kopf ein und dreht sich um.

»Da kommt der Lümmel«, sagt er dann zwischen den Zähnen. »Mir wird schlecht, wenn ich den bloß sehe. Lade dem Kerl die Kiste auf den Flachwagen. Und wenn er dich behandelt wie einen verdammten Zopf, Schlitzaugenträger-Kuli, dann schluck das. Der ist gemeingefährlich, der hochnäsige Pinsel. Ich gehe, da brüllt er schon nach mir – ich höre einfach nichts.«

Und weg ist er – im Schuppen verschwunden.

Durch das Hoftor, das weit offen steht und den Blick auf die Straße freigibt, kommt der Flachwagen.

Auf dem Bock dieses Wagens sitzt ein junger Bursche von vielleicht fünfundzwanzig Jahren – nicht viel jünger als Joe Carter.

Das also ist Don Cersaw.

Er sieht einem Bilderbuchcowboy so ähnlich, wie sich Miss Mary hinter einem Verkaufstresen im fernen New York vielleicht einen insgeheim so vorstellt.

Alle Teufel, denkt Joe, ist das möglich? Ich sehe so eine Figur zum ersten Mal in meinem Leben. Fehlt nur noch, daß er Handschuhe trägt. Tatsächlich, er hat sie an.

Joe starrt im Näherkommen des Wagens auf die Hände, die die Zügelleinen halten. Don Cersaw fährt mit Handschuhen, mit schönen, schweinsledernen hellgelben Handschuhen.

Dann beschreibt der Wagen einen Halbkreis, die Pferde kommen genau auf Joe zu. Carter muß einen Satz machen, um wegzukommen. Die Pferde würden ihn sonst umrennen.

»He, du Trottel!« sagt Don scharf und absolut so, als wenn Joe wirklich ein verdammter Kuli ist. »Kannst du nicht aufpassen, Mensch? Geh da weg, ich will rückwärts heran. Und dann stellst du mir die Kiste auf den Kasten, verstanden?«

Der Wagen steht nun genau an der Kante der Rampe, auf die Joe die Kiste geschoben hat.

»Nimm das Endbrett raus und stelle sie auf den Kasten, Mann! Was stehst du denn und glotzt?« fragt Cersaw hochnäsig. »Nun los, bewege dich schon.«

Joe hat Durchzug in den Ohren und dreht sich langsam um. Er steigt gemütlich auf die Rampe, hört Cersaw hinter sich fluchen und dann wild sagen: »Kerl, ich hab’ keine Zeit! Kannst du verdammt nicht schneller, oder willst du nicht? Die Kiste auf den Wagen!«

Joe Carter beugt sich über die Kiste, liest laut vor, was auf dem Schein steht, und fragt dann: »Sind Sie Mr. Cersaw, mein Freund?«

»Natürlich! Ich bin Don Cersaw. Und nun mach, daß du die verdammte Kiste endlich auf den Wagen bekommst. Ich habe keine Zeit!«

Joe legt den Kopf schief und verzieht sein Gesicht zu einem blöden Grienen. Diese schöne Eigenschaft – eine gewisse Art, die in seiner Familie steckt – hat er nun mal: Er kann sich wie ein Tölpel benehmen. Und er ist entschlossen, nichts anderes zu sein!

»Sie sind also Mr. Cersaw«, sagt er leiernd und dreht sich zu Don um. »Das sagen Sie. Mein Boß aber hat auch was gesagt. Ich soll keinem Fremden was herausgeben, der sich nicht ausweisen kann. Das hat er gesagt, mein Boß, ist wirklich wahr, mein Freund. Können Sie sich ausweisen?«

Er glaubt in der Tiefe des Ladeschuppens irgendwo Old Smitty diabolisch kichern zu hören. Lauter als Smittys Kichern aber ist Don Cersaws Luftschnappen.

Cersaw starrt ihn mit aufgerissenen Augen an.

»Der ist wirklich bescheuert«, stellt Cersaw fest, als sich Joe blöde an den Kopf klopft und in den Haaren kratzt. »Mensch, ich stelle die Kiste selber auf den Wagen.«

»Das ist verboten«, erwidert Joe hastig.

»Also, nun hör mal zu, Mann – ich weiß was. Wenn ich dir sage, was in der Kiste ist, glaubst du mir dann, daß ich Cersaw bin?«

»Wenn Sie mir sagen, was drin ist?« fragt Joe laut. »Ja, wenn Sie wissen, was drin ist, dann müssen Sie Mr. Cersaw sein. Das ist wahr. Aber – das geht nicht, das geht auch nicht.«

»Was geht nicht? Mensch, willst du mich wild machen? Was, zum Henker, geht nun wieder nicht?«

»Aber ich weiß doch nicht, was da drin ist«, erwidert Joe kopfschüttelnd. »Wenn Sie sagen, daß da ein Bild drin ist, dann sagen Sie das, aber ich kann da nicht reinsehen. Stimmt doch – he? Ich bin schlau – sagt mein Vater auch immer, ich bin ein schlauer Junge, sagt er. Nein, nein, ich weiß ja nicht, was da drin ist.«

»Himmel, Donner... Mensch, jetzt habe ich genug!« brüllt Cersaw mit überschnappender Stimme giftig los. »Mann, ich schlage dir die Ohren herunter! Also gut, mach die Kiste auf und blick hinein. Es ist ein Kronleuchter drin, ein siebenarmiger Kristallkronleuchter, du Armleuchter! Mach den Deckel auf!«

»Den Deckel autmachen?« fragt Joe. »Ja, dann sehe ich ja, was drin ist. Den Deckel aufmachen, daß ich darauf nicht gekommen bin.«

»Mensch, geh und hole eine Brechstange.«

»Ja, eine Brechstange.«

Joe dreht sich um, hört hinter sich Don Cersaw wild fluchen und kommt in den Schuppen.

Hinten kauert Old Smitty auf den Knien vor den Säcken, hat beide Hände vor dem Mund und zittert am ganzen Leib vor Lachen.

Joe nimmt die Brechstange und geht wieder hinaus.

Cersaw ist tatsächlich noch auf dem Wagen und starrt Joe mit einer Mischung aus wilder Wut und Verstörtheit über so viel Blödheit an.

Joe setzt die Stange an, doch dann läßt er sie fallen.

»Nein, nein«, sagt er ängstlich, »ich darf keine Kiste aufmachen. Und Sie dürfen Sie ohne Ausweis nicht mitnehmen.«

Cersaw reißt brüllend seinen prächtigen Revolver aus dem Halfter und richtet den Lauf auf Joe.

»Du verdammter Irrer!« sagt er gurgelnd vor Wut. »An die Wand zurück. Und jetzt werde ich die Kiste öffnen.«

Joe weicht an die Wand zurück und streckt die Arme in die Höhe.

Fluchend steigt Cersaw auf die Rampe, nimmt die Brechstange und knallt sie unter den Deckel. Dann wuchtet er, schimpft dabei und sprengt den Deckel ab.

»So, du verdammter Narr, jetzt sieh nach! Ist da ein Kronleuchter drin oder…«

Holzwolle fliegt, Papier saust nach draußen, und dann ist Cersaw jäh still.